Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 116/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2117/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04. April 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin der Beklagten als freiwilliges Mitglied wirksam beigetreten ist. Umstritten ist, ob der Klägerin wegen Versäumnis der dreimonatigen gesetzlichen Beitrittsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Die 1941 geborene Klägerin stammt aus Tadschikistan und lebt zusammen mit ihrem 1939 geborenen Ehemann V. A. (V.A.) in Bedarfsgemeinschaft in M. Vor Erreichen ihres 65. Lebensjahres war sie arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld II (Alg II). Als Empfängerin von Alg II war sie gesetzlich bei der Beklagten krankenversichert. Mit Bescheid vom 13. 06. 2006 gewährte ihr die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) "Job-Center M." für die Zeit vom 01.07. bis 19.07.2006 letztmals Alg II in Höhe von 377,- Euro. Unter der Überschrift "Regelungen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft" ist am Ende des Bescheides ausgeführt
"während des Bezuges von Alg II besteht in der Kranken- und Pflegeversicherung Versicherungsschutz für D., M. bei der AOK Baden-Württemberg 01.07.2006 bis 19.07.2006 pflichtversichert".
Mit Bescheid vom 21.07.2006 (SG-Akte Bl. 13) gewährte ihr die Stadt M. - Fachbereich Soziale Sicherung, Arbeitshilfen und Senioren - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für sie und V.A. in Höhe von 1.1193,62 Euro für den Monat August 2006. Der Bescheid enthielt zwar zahlreiche Hinweise auf Mitwirkungspflichten, jedoch keine Ausführungen zum Krankenversicherungsschutz.
Unter dem 19.10.2006 (SG-Akte Bl. 12) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sei nicht mehr bei ihr versichert und bat darum, ihre AOK-Versichertenkarte und die ihrer mitversicherten Familienangehörigen zurückzugeben. Die Klägerin beantragte daraufhin mit einem bei der Beklagten offensichtlich persönlich abgegebenen Schreiben vom 03.11.2006, sie als freiwilliges Mitglied aufzunehmen. Sie sei seit 4 Jahren bei der AOK versichert und erfahre nun, dass dies nicht mehr der Fall sein solle. Da ihr von keiner Stelle mitgeteilt worden sei, dass sie sich anders versichern müsse, bitte sie darum, ihren Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft anzunehmen. Ihre Beraterin vom Grundsicherungsamt habe ihr mitgeteilt, dass die Beiträge von dort übernommen würden.
Mit Bescheid vom 06.11.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin habe ihren Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist gestellt. Die Klägerin erhob Widerspruch und berief sich auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, weil die Beklagte sie nicht über die Ausschlussfristen informiert und beraten habe. Dies gehöre zu ihren elementaren Aufgaben. Stattdessen habe sie erstmalig und nach Ablauf der gesetzlichen Frist mit Schreiben vom 19.10.2006 erfahren, dass ihre Mitgliedschaft beendet sei. Wegen der Fristversäumung sei ihr auch Wiedereinsetzung zu gewähren. Ein Verschulden könne ihr nicht angelastet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Mitgliedschaft der Klägerin auf Grund des Bezuges von Alg II habe am 19.07.2006 geendet, der Antrag auf freiwillige Versicherung hätte demnach bis spätestens 20.10.2006 bei ihr eingehen müssen. Tatsächlich habe sie erst am 03.11.2006 und damit nach Ablauf der dreimonatigen Anzeigefrist einen entsprechenden Antrag gestellt. Bei der Anzeigefrist handele es sich um eine Ausschlussfrist, die auch dann ungehemmt weiterlaufe, wenn der Berechtigte ohne sein Verschulden innerhalb der Frist die Beitrittsanzeige nicht vorgenommen habe. Aus dem Bescheid des Job-Centers M. vom 13.06.2006 gehe ausdrücklich hervor, dass sie nur für die Dauer des Alg II-Bezugs pflichtversichert sei. Es habe damit kein Grund zur Annahme bestanden, dass sie über den 19.07.2006 hinaus krankenversichert sei. Die Krankenkassen seien nicht verpflichtet, ihre Versicherten über die Möglichkeit des weiteren Krankenversicherungsschutzes zu unterrichten, wenn eine Abmeldung eingehe. Die Klägerin habe es versäumt, sich mit ihr in Verbindung zu setzen. Wiedereinsetzungsgründe lägen nicht vor.
Gegen den am 16.12.2006 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 10.01.2007 Klage bei dem Sozialgericht Mannheim (SG). Sie mache eine Wiedereinsetzung wegen schuldloser Versäumung der gesetzlichen Drei-Monats-Frist geltend, wobei sie davon ausgehe, dass die Beklagte eine Pflicht gehabt habe, ihr in angemessener Zeit mitzuteilen, dass die Versicherung beendet werde. Dies hätte problemlos durch Anfordern der Versicherungskarte innerhalb der Drei-Monats-Frist geschehen können. Sie hätte dann einen deutlichen Hinweis darauf erhalten, dass sie nicht mehr versichert sei. Wäre dies geschehen, hätte sie sofort darauf reagiert, so wie sie es auch tatsächlich getan habe, nachdem sie das Schreiben vom 19.10.2006 erhalten habe. Ihr Ehemann sei früher über sie bei der Beklagten familienversichert gewesen, seit 20.07.2006 erhielten beide Ehegatten überbrückend Krankenhilfe gem. § 47 SGB XII. Hierzu wurde ein Informationsschreiben der Stadt M. vom 08.11.2006 (Bl. 18 SG-Akte) vorgelegt, in dem die Einzelheiten der Krankenhilfe nach § 47 SGB XII dargelegt wurden sowie ein Bestätigungsschreiben der Stadt M. vom 13.11.2006, wonach der Klägerin überbrückend Krankenhilfe gemäß § 47 SGB XII gewährt werde.
Mit Urteil vom 04.04.2007 hob das SG den Bescheid vom 06.11.2006 und den Widerspruchsbescheid vom 13.12.2006 auf und stellte fest, dass die Klägerin der freiwilligen Versicherung bei der Beklagten wirksam beigetreten ist. Der Klägerin sei hinsichtlich der Fristversäumung bei Einreichung des Antrags auf freiwillige Weiterversicherung Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Sie sei ohne Verschulden gehindert gewesen, die gesetzliche Frist einzuhalten. Sie habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, sie sei davon ausgegangen, dass sie nach dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II und der Umstellung auf Leistungen nach dem SGB XII automatisch weiterversichert sei. Dies liege für einen Laien auch nahe, der zuvor auf Grund des Bezugs von Sozialleistungen kraft Gesetzes versichert gewesen sei und nun weiterhin Sozialleistungen beziehe. Die Klägerin sei weder von der Beklagten noch durch Bescheide des Job-Centers M. bzw. der Sozialbehörde der Stadt M. informiert worden. Lediglich in einem anderen Zusammenhang sei in diesen Bescheiden der Hinweis zu finden, man würde sich mit der zuständigen Krankenkasse in Verbindung setzen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sei schließlich auch innerhalb der Zweiwochenfrist nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt worden.
Gegen das ihr am 18.04.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26.04.2007 Berufung eingelegt. Die Klägerin habe die dreimonatige Beitrittsfrist nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nicht erfüllt. Ihr könne auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Die Möglichkeit hierzu sei als absoluter Ausnahmefall anzusehen, weswegen entsprechend hohe Anforderungskriterien zu stellen seien. Die Klägerin sei nicht unverschuldet in die Situation geraten, sondern sei ausreichend darüber informiert worden, dass ihr Versicherungsschutz bei der AOK nur bis 19.07.2006 bestehe. Auf die Möglichkeit des weiteren Krankenversicherungsschutzes müsse sie nach der Rechtsprechung nur hinweisen, wenn ein komplizierter Sachverhalt zur Ermittlung der Versicherungsdauer zu Grunde liege, was hier gerade nicht der Fall gewesen sei. Bei der Vielzahl von An- und Abmeldungen im Laufe eines einzigen Arbeitstages wäre dies ein massenhaftes Verwaltungsgeschäft, das nicht mehr zu bewerkstelligen sei. Die Folgen ihres Unterlassens müsse sich die Klägerin als Verschulden anrechnen lassen. Die Gefahr, ohne Versicherungsschutz zu bleiben, bestehe nicht. Selbst wenn ihr Leistungen nach dem SGB XII zukünftig entzogen werden könnten, habe sie die Möglichkeit der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04. April 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie wiederholt und bekräftig ihren bisherigen Vortrag und hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Sie habe auch ein Rechtsschutzinteresse an dem Verfahren. Es sei für die Zukunft nicht durchgehend gewährleistet, dass sie auch zukünftig Krankenhilfe nach dem SGB XII erhalte, weil die Gewährung von Grundsicherung im Alter vom Einkommen und Vermögen der Klägerin abhängig sei. Übersteige ihr Einkommen die entsprechenden Grenzwerte, entfalle der Krankenversicherungsschutz. Dies gelte auch, wenn sie ihre im EU-Ausland lebende verheiratete Tochter besuchen wolle. Maßgeblich für die Frage, ob sie ein Verschulden treffe, sei allein ihre Kenntnis von der Beendigung der Pflichtversicherung. Die Beklagte habe rechtswidrig gehandelt, als sie die Versichertenkarte nicht sofort bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses eingezogen habe, sondern sie der Klägerin sogar über den Zeitraum hinaus belassen habe, für den das Gesetz nach § 19 Abs. 2 SGB V noch die Leistungen erlaube. Die Klägerin wäre bei rechtmäßigem Verhalten der Beklagten zwanglos in der Lage gewesen, die Rechtslage entsprechend zu regeln.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 06.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2006 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist der freiwilligen Versicherung bei der Beklagten nicht wirksam beigetreten. Das Urteil des SG kann deswegen keinen Bestand haben.
Als alleinige Rechtsgrundlage für den angestrebten Beitritt der Klägerin als freiwilliges Mitglied bei der Beklagten kommt § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in Betracht. Danach können der Krankenversicherung Personen beitreten, die als Mitglieder aus der Pflichtversicherung ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert waren. Die hiernach notwendige Vorversicherungszeit hat die Klägerin unstreitig erfüllt. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V ist der Beitritt der Krankenkasse allerdings innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft anzuzeigen. Die Frist beginnt mit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht. Da nach § 190 Abs. 12 SGB V die Mitgliedschaft der Bezieher von Alg II mit Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung bezogen wird, endet, war letzter Tag der Mitgliedschaft der Klägerin als pflichtversicherte Alg II Bezieherin der 19.07.2006. Die Drei-Monats-Frist gem. § 9 Abs. 2 SGB V beginnt deshalb am 20.07.2006 und endet mit dem 19.10.2006. Innerhalb dieses Zeitraums hat die Klägerin ihren Beitritt zur Beklagten nicht angezeigt.
Der Klägerin ist entgegen der Auffassung des SG hinsichtlich dieses Fristversäumnisses auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wiedereinsetzung sieht § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X dann vor, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Diese Vorschrift findet auch auf die hier vorliegende materiell - rechtliche Ausschlussfrist des § 9 Abs. 2 SGB V Anwendung (BSG Urt. v. 14.05.2002 - B 12 KR 14/01 R sowie zur Vorgängervorschrift des § 176 b Abs. 1 Nr. 2 RVO Urt. v. 11.05.1993 - 12 RK 36/90 -).
Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 SGB X liegen hier jedoch nicht vor. Die Klägerin trifft ein Verschulden an der Versäumung der gesetzlichen Beitrittsfrist. Ohne Verschulden handelt nur, wer diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem im Verwaltungsverfahren gewissenhaft Handelnden nach den gesamten Umständen vernünftigerweise zuzumuten ist. Auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt muss die Versäumung der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen sein ( BSGE 38, 248). Grundsätzlich gilt insoweit ein subjektiver Maßstab (BSG Urteil vom 15. 08. 2000 - B 9 VG 1/99 R). Verschulden im Sinne des § 27 SGB X liegt insbesondere dann vor, wenn die Fristversäumnis auf fahrlässiger Unkenntnis der maßgeblichen Umstände beruht (- BSG SozR 4100 § 41 e Nr. 5 - zu alledem von Wulffen SGB X - Kommentar § 27 Rdnr. 6). Nach dem Grundsatz der formellen Publizität bei Verkündung von Gesetzen gelten diese mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich Kenntnis erlangt haben. Eine Unkenntnis solcher Rechte, deren befristete Ausübung das Gesetz selbst ausdrücklich regelt, kann daher eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht rechtfertigen (BSG E 72,80,83).
An der subjektiven Fähigkeit der Klägerin, die Notwendigkeit eines Krankenversicherungsschutzes zu erkennen, bestehen keine Zweifel. Als die Beklagte die Klägerin aufforderte, ihre Versichertenkarte wieder zurückzuschicken, war ihr die Bedeutung des Krankenversicherungsschutzes bewusst und die Klägerin war ohne Schwierigkeiten in der Lage, sich bei der Grundsicherungsbehörde der Stadt Mannheim zu informieren, anschließend mit der Beklagten sachgerecht zu kommunizieren und sich der Hilfe einer Rechtsanwältin zu bedienen.
Die objektiven Umstände des vorliegenden Falls sind in tatsächlicher Hinsicht dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin, die ihr vom Job-Center M. erteilte Information über die noch verbleibende Dauer ihrer Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten entweder nicht zur Kenntnis genommen oder zumindest nicht in ihrer vollen Tragweise erfasst hat und die für die Grundsicherung zuständige Behörde der Stadt M. sie offensichtlich ebenfalls nicht über den Krankenversicherungsschutz bei Gewährung von Grundsicherung im Alter aufgeklärt hat. Auch von Seiten der Beklagten wurde sie erst nach Ablauf der Beitrittsfrist über das Ende der Mitgliedschaft informiert. Der Senat nimmt es der Klägerin ab, wenn diese vorträgt, sie habe nichts vom Ende ihrer Pflichtmitgliedschaft gewusst und sei davon ausgegangen, alles werde so bleiben wie bisher. Andererseits gilt auch für sie der Grundsatz der formellen Publizität mit der Folge, dass die Unkenntnis gesetzlicher Regelungen grundsätzlich eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigt.
Unabhängig davon trifft die Klägerin aber auch nach den konkreten Umständen ihres Falles ein Verschulden. Für die Frage nach dem Verschulden ist darauf abzustellen, was die Klägerin durch einen Beitritt zur Beklagten als freiwilliges Mitglied erreichen möchte. Denn nur so lassen sich die Sorgfaltspflichten herausarbeiten, hinsichtlich deren Nichtbeachtung sie möglicherweise ein Schuldvorwurf treffen kann.
Im vorliegenden Fall ist zunächst von Bedeutung, dass für die Klägerin, wenn sie sich nicht freiwillig versichert, identischer Krankenversicherungsschutz nach § 264 Abs. 2 SGB V gewährleistet ist. Für die Empfänger von Leistungen nach dem 3. bis 9. Kapitel des XII. Buches, zu denen die Empfänger der im 4. Kapitel des SGB XII geregelten Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehören, welche nicht versichert sind, wird nach § 264 Abs. 2 SGB V die Krankenbehandlung von der Krankenkasse übernommen. Die in Abs. 2 Satz 1 genannten Empfänger haben nach § 264 Abs. 3 SGB V unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Durch diese Regelung werden die Empfänger von Grundsicherung im Alter leistungsrechtlich, nicht aber mitgliedschaftsrechtlich den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt (BSG Urteil vom 17.06.2008 - B 1 KR 30/07 R unter Berufung auf BT-Drucks 15/1525 S141). Für ihre leistungsrechtlichen Ansprüche gegen eine gesetzliche Krankenkasse ist es somit ohne jede Bedeutung, ob die Klägerin sich Gedanken über die Fortsetzung ihrer Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse macht. Dass der Träger der Grundsicherung gegebenenfalls Krankheitskosten der Krankenkasse in konkret entstandener Höhe zu erstatten (BSG Urt. v. 17.06.2008 - B 1 KR 30/07 R ) und damit weit höhere Kosten hat als bei Zahlung des Mindestbeitrags der freiwilligen Versicherung (etwa gem. § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII iVm § 32 SGB XII), braucht sie in diesem Zusammenhang nicht zu interessieren.
Sofern die Klägerin allerdings Vorsorge treffen will für den Fall, dass ihr Anspruch auf Grundsicherung im Alter wegen Zuflusses von Vermögen (Erbschaft oder Lottogewinn ?) endet oder sie während eines Besuchs bei ihrer Tochter im europäischen Ausland (weil Grundsicherung nur im Inland gewährt wird) auf entsprechenden Krankenversicherungsschutz angewiesen ist, muss sie sich selbst aktiv darum bemühen, dass auch bei solchen, objektiv wohl eher unwahrscheinlichen Fallkonstellationen der Krankenversicherungsschutz erhalten bleibt. Dies gilt umso mehr, als der Klägerin durch den Bescheid des Job-Centers M. vom 13. 06. 2006 deutlich gemacht wurde, dass ihre Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten endet. Der Klägerin war zudem bewusst, dass von diesem Zeitpunkt an der Alg II Bezug eingestellt wird und sie anschließend von der Grundsicherung im Alter leben muss. Da der Bescheid der Stadt Mannheim über die Gewährung von Grundsicherung im Alter vom 21.07.2006 datiert, muss zuvor während des Alg II Bezugs ein Verwaltungsverfahren durchgeführt worden sein, das ohne die entsprechende Mitwirkung der Klägerin unmöglich gewesen wäre. Bei einem Wechsel der Leistungsart und einem Wechsel des Leistungsträgers muss sich dann aber die Frage aufdrängen, ob der Versicherungsschutz in der Krankenversicherung tatsächlich unverändert fortbesteht. Dieser Frage nachzugehen ist zumutbar, denn das Gesetz mutet der Klägerin auch zu, einen Antrag auf Grundsicherung im Alter zu stellen. Auch bezüglich der Hauptleistung konnte die Klägerin nicht einfach darauf vertrauen, dass alles so bleibt wie bisher. Wenn die Klägerin bei keiner Behörde, weder im Job-Center noch bei der Grundsicherungsbehörde und auch nicht bei der Beklagten wegen ihres Krankenversicherungsschutzes nachgefragt hat, trifft sie im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB X ein Verschulden daran, dass ihr die (wohl nur in ihrer speziellen persönlichen Situation nützlichen) Vorteile als Mitglied bei der Beklagten durch die Versäumung der Antragsfrist entgehen.
Ob die Beklagte wegen des erst nach Ablauf der Beitrittsfrist erfolgten Hinweises auf das Ende der Pflichtversicherung und des Belassens der Versichertenkarte über die Einmonatsfrist des § 19 Abs. 2 SGB V hinaus, wonach Leistungen längstens für einen Monat nach Ende der Mitgliedschaft gewährt werden dürfen, ein Mitverschulden an der Überschreitung der Beitrittsfrist trifft, kann offenbleiben, weil für das Verschulden bei der Wiedereinsetzung gemäß § 27 Abs. 1 SGB X ausschließlich auf die subjektiven Verhältnisse der Klägerin, also die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten und der sie treffende Schuldvorwurf, abzustellen ist.
Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Klägerin kommt es nicht darauf an, ab wann die Klägerin konkret Kenntnis vom Ende der Pflichtmitgliedschaft hatte. Die hierauf abstellende frühere Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes ist überholt, seit das BSG auch bei der Beitrittsfrist zur freiwilligen Versicherung die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zulässt (erstmals wohl durch BSGE 64,153 - hierzu allgemein v. Wulffen aaO § 27 Rn 4). Die frühere Rechtsauffassung hat deswegen auch bei der gesetzlichen Neufassung der Krankenversicherungsvorschriften durch das GRG vom 20.12.1988 - BGBl. I S. 2472 keinen Niederschlag gefunden (vgl. dazu KassKomm-Peters § 8 SGB V Rn 32-345 m.w.N.)
Eine Fallkonstellation, bei der ausnahmsweise Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren wäre (vgl. dazu BSG vom 11.05.1993 - 12 RK 36/90 -), liegt hier nicht vor. Das BSG ist in jener Entscheidung davon ausgegangen, dass eine Rechtsunkenntnis grundsätzlich als unverschuldet zu gelten hat, wenn eine entsprechende Hinweispflicht der Krankenkasse besteht. Dies war im damals entschiedenen Fall in § 5 der Meldeverordnung für die Krankenversicherung der Studenten (KSNV) so vorgesehen. Eine vergleichbare Vorschrift enthält § 9 SGB V nicht. Ein besonderer Grund für eine Beratung der Klägerin durch die Beklagte zur Aufrechterhaltung eines eigenen Krankenversicherungsschutzes bei der Beantragung von Grundsicherung im Alter ist vorliegend auch nicht ersichtlich. Denn die Klägerin hat - wie oben eingehend dargelegt wurde - , auch wenn sie der Krankenkasse nicht als freiwilliges Mitglied beitritt, als Empfängerin von Grundsicherung im Alter bezüglich des Krankenversicherungsschutzes leistungsrechtlich dieselben Rechte wie ein versichertes Mitglied.
Aus diesen Gründen überzeugt auch die Berufung der Bevollmächtigten der Klägerin auf den Herstellungsanspruch nicht. Zum Einen hat die Beklagte die Klägerin nicht beraten und konnte schon deshalb keine falschen Auskünfte erteilen, zum Anderen drängt sich angesichts einer inzwischen lückenlos bestehenden Absicherung im Krankheitsfall eine solche Beratung und Information auch nicht auf. Die früher bestehende Gefahr, ohne den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung zu bleiben und auf den Schutz durch eine private Krankenversicherung angewiesen zu sein, ohne zu wissen, ob wegen entsprechender Vorerkrankungen überhaupt eine Aufnahme in die PKV möglich ist und ohne von vornherein abschätzen zu können, ob überhaupt die finanzielle Fähigkeit besteht, die geforderten Beiträge auch entrichten zu können, droht im Falle des Endes der Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse beim Übergang von Alg II zu Grundsicherung im Alter nicht mehr. Dies gilt erst recht für die seit 1.4.2007 geltende, auf den konkreten Sachverhalt allerdings noch nicht anwendbare Rechtslage, die in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auch eine Krankenversicherungspflicht für all die Personen vorsieht, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben.
Nach alledem hat die Berufung der Beklagten Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, weswegen das Urteil des SG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Angesichts der sich bereits aus dem Gesetz und allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergebenden Rechtslage kommt dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin der Beklagten als freiwilliges Mitglied wirksam beigetreten ist. Umstritten ist, ob der Klägerin wegen Versäumnis der dreimonatigen gesetzlichen Beitrittsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Die 1941 geborene Klägerin stammt aus Tadschikistan und lebt zusammen mit ihrem 1939 geborenen Ehemann V. A. (V.A.) in Bedarfsgemeinschaft in M. Vor Erreichen ihres 65. Lebensjahres war sie arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld II (Alg II). Als Empfängerin von Alg II war sie gesetzlich bei der Beklagten krankenversichert. Mit Bescheid vom 13. 06. 2006 gewährte ihr die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) "Job-Center M." für die Zeit vom 01.07. bis 19.07.2006 letztmals Alg II in Höhe von 377,- Euro. Unter der Überschrift "Regelungen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft" ist am Ende des Bescheides ausgeführt
"während des Bezuges von Alg II besteht in der Kranken- und Pflegeversicherung Versicherungsschutz für D., M. bei der AOK Baden-Württemberg 01.07.2006 bis 19.07.2006 pflichtversichert".
Mit Bescheid vom 21.07.2006 (SG-Akte Bl. 13) gewährte ihr die Stadt M. - Fachbereich Soziale Sicherung, Arbeitshilfen und Senioren - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für sie und V.A. in Höhe von 1.1193,62 Euro für den Monat August 2006. Der Bescheid enthielt zwar zahlreiche Hinweise auf Mitwirkungspflichten, jedoch keine Ausführungen zum Krankenversicherungsschutz.
Unter dem 19.10.2006 (SG-Akte Bl. 12) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sei nicht mehr bei ihr versichert und bat darum, ihre AOK-Versichertenkarte und die ihrer mitversicherten Familienangehörigen zurückzugeben. Die Klägerin beantragte daraufhin mit einem bei der Beklagten offensichtlich persönlich abgegebenen Schreiben vom 03.11.2006, sie als freiwilliges Mitglied aufzunehmen. Sie sei seit 4 Jahren bei der AOK versichert und erfahre nun, dass dies nicht mehr der Fall sein solle. Da ihr von keiner Stelle mitgeteilt worden sei, dass sie sich anders versichern müsse, bitte sie darum, ihren Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft anzunehmen. Ihre Beraterin vom Grundsicherungsamt habe ihr mitgeteilt, dass die Beiträge von dort übernommen würden.
Mit Bescheid vom 06.11.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin habe ihren Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist gestellt. Die Klägerin erhob Widerspruch und berief sich auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, weil die Beklagte sie nicht über die Ausschlussfristen informiert und beraten habe. Dies gehöre zu ihren elementaren Aufgaben. Stattdessen habe sie erstmalig und nach Ablauf der gesetzlichen Frist mit Schreiben vom 19.10.2006 erfahren, dass ihre Mitgliedschaft beendet sei. Wegen der Fristversäumung sei ihr auch Wiedereinsetzung zu gewähren. Ein Verschulden könne ihr nicht angelastet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Mitgliedschaft der Klägerin auf Grund des Bezuges von Alg II habe am 19.07.2006 geendet, der Antrag auf freiwillige Versicherung hätte demnach bis spätestens 20.10.2006 bei ihr eingehen müssen. Tatsächlich habe sie erst am 03.11.2006 und damit nach Ablauf der dreimonatigen Anzeigefrist einen entsprechenden Antrag gestellt. Bei der Anzeigefrist handele es sich um eine Ausschlussfrist, die auch dann ungehemmt weiterlaufe, wenn der Berechtigte ohne sein Verschulden innerhalb der Frist die Beitrittsanzeige nicht vorgenommen habe. Aus dem Bescheid des Job-Centers M. vom 13.06.2006 gehe ausdrücklich hervor, dass sie nur für die Dauer des Alg II-Bezugs pflichtversichert sei. Es habe damit kein Grund zur Annahme bestanden, dass sie über den 19.07.2006 hinaus krankenversichert sei. Die Krankenkassen seien nicht verpflichtet, ihre Versicherten über die Möglichkeit des weiteren Krankenversicherungsschutzes zu unterrichten, wenn eine Abmeldung eingehe. Die Klägerin habe es versäumt, sich mit ihr in Verbindung zu setzen. Wiedereinsetzungsgründe lägen nicht vor.
Gegen den am 16.12.2006 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 10.01.2007 Klage bei dem Sozialgericht Mannheim (SG). Sie mache eine Wiedereinsetzung wegen schuldloser Versäumung der gesetzlichen Drei-Monats-Frist geltend, wobei sie davon ausgehe, dass die Beklagte eine Pflicht gehabt habe, ihr in angemessener Zeit mitzuteilen, dass die Versicherung beendet werde. Dies hätte problemlos durch Anfordern der Versicherungskarte innerhalb der Drei-Monats-Frist geschehen können. Sie hätte dann einen deutlichen Hinweis darauf erhalten, dass sie nicht mehr versichert sei. Wäre dies geschehen, hätte sie sofort darauf reagiert, so wie sie es auch tatsächlich getan habe, nachdem sie das Schreiben vom 19.10.2006 erhalten habe. Ihr Ehemann sei früher über sie bei der Beklagten familienversichert gewesen, seit 20.07.2006 erhielten beide Ehegatten überbrückend Krankenhilfe gem. § 47 SGB XII. Hierzu wurde ein Informationsschreiben der Stadt M. vom 08.11.2006 (Bl. 18 SG-Akte) vorgelegt, in dem die Einzelheiten der Krankenhilfe nach § 47 SGB XII dargelegt wurden sowie ein Bestätigungsschreiben der Stadt M. vom 13.11.2006, wonach der Klägerin überbrückend Krankenhilfe gemäß § 47 SGB XII gewährt werde.
Mit Urteil vom 04.04.2007 hob das SG den Bescheid vom 06.11.2006 und den Widerspruchsbescheid vom 13.12.2006 auf und stellte fest, dass die Klägerin der freiwilligen Versicherung bei der Beklagten wirksam beigetreten ist. Der Klägerin sei hinsichtlich der Fristversäumung bei Einreichung des Antrags auf freiwillige Weiterversicherung Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Sie sei ohne Verschulden gehindert gewesen, die gesetzliche Frist einzuhalten. Sie habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, sie sei davon ausgegangen, dass sie nach dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II und der Umstellung auf Leistungen nach dem SGB XII automatisch weiterversichert sei. Dies liege für einen Laien auch nahe, der zuvor auf Grund des Bezugs von Sozialleistungen kraft Gesetzes versichert gewesen sei und nun weiterhin Sozialleistungen beziehe. Die Klägerin sei weder von der Beklagten noch durch Bescheide des Job-Centers M. bzw. der Sozialbehörde der Stadt M. informiert worden. Lediglich in einem anderen Zusammenhang sei in diesen Bescheiden der Hinweis zu finden, man würde sich mit der zuständigen Krankenkasse in Verbindung setzen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sei schließlich auch innerhalb der Zweiwochenfrist nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt worden.
Gegen das ihr am 18.04.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26.04.2007 Berufung eingelegt. Die Klägerin habe die dreimonatige Beitrittsfrist nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nicht erfüllt. Ihr könne auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Die Möglichkeit hierzu sei als absoluter Ausnahmefall anzusehen, weswegen entsprechend hohe Anforderungskriterien zu stellen seien. Die Klägerin sei nicht unverschuldet in die Situation geraten, sondern sei ausreichend darüber informiert worden, dass ihr Versicherungsschutz bei der AOK nur bis 19.07.2006 bestehe. Auf die Möglichkeit des weiteren Krankenversicherungsschutzes müsse sie nach der Rechtsprechung nur hinweisen, wenn ein komplizierter Sachverhalt zur Ermittlung der Versicherungsdauer zu Grunde liege, was hier gerade nicht der Fall gewesen sei. Bei der Vielzahl von An- und Abmeldungen im Laufe eines einzigen Arbeitstages wäre dies ein massenhaftes Verwaltungsgeschäft, das nicht mehr zu bewerkstelligen sei. Die Folgen ihres Unterlassens müsse sich die Klägerin als Verschulden anrechnen lassen. Die Gefahr, ohne Versicherungsschutz zu bleiben, bestehe nicht. Selbst wenn ihr Leistungen nach dem SGB XII zukünftig entzogen werden könnten, habe sie die Möglichkeit der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04. April 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie wiederholt und bekräftig ihren bisherigen Vortrag und hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Sie habe auch ein Rechtsschutzinteresse an dem Verfahren. Es sei für die Zukunft nicht durchgehend gewährleistet, dass sie auch zukünftig Krankenhilfe nach dem SGB XII erhalte, weil die Gewährung von Grundsicherung im Alter vom Einkommen und Vermögen der Klägerin abhängig sei. Übersteige ihr Einkommen die entsprechenden Grenzwerte, entfalle der Krankenversicherungsschutz. Dies gelte auch, wenn sie ihre im EU-Ausland lebende verheiratete Tochter besuchen wolle. Maßgeblich für die Frage, ob sie ein Verschulden treffe, sei allein ihre Kenntnis von der Beendigung der Pflichtversicherung. Die Beklagte habe rechtswidrig gehandelt, als sie die Versichertenkarte nicht sofort bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses eingezogen habe, sondern sie der Klägerin sogar über den Zeitraum hinaus belassen habe, für den das Gesetz nach § 19 Abs. 2 SGB V noch die Leistungen erlaube. Die Klägerin wäre bei rechtmäßigem Verhalten der Beklagten zwanglos in der Lage gewesen, die Rechtslage entsprechend zu regeln.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 06.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2006 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist der freiwilligen Versicherung bei der Beklagten nicht wirksam beigetreten. Das Urteil des SG kann deswegen keinen Bestand haben.
Als alleinige Rechtsgrundlage für den angestrebten Beitritt der Klägerin als freiwilliges Mitglied bei der Beklagten kommt § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in Betracht. Danach können der Krankenversicherung Personen beitreten, die als Mitglieder aus der Pflichtversicherung ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert waren. Die hiernach notwendige Vorversicherungszeit hat die Klägerin unstreitig erfüllt. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V ist der Beitritt der Krankenkasse allerdings innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft anzuzeigen. Die Frist beginnt mit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht. Da nach § 190 Abs. 12 SGB V die Mitgliedschaft der Bezieher von Alg II mit Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung bezogen wird, endet, war letzter Tag der Mitgliedschaft der Klägerin als pflichtversicherte Alg II Bezieherin der 19.07.2006. Die Drei-Monats-Frist gem. § 9 Abs. 2 SGB V beginnt deshalb am 20.07.2006 und endet mit dem 19.10.2006. Innerhalb dieses Zeitraums hat die Klägerin ihren Beitritt zur Beklagten nicht angezeigt.
Der Klägerin ist entgegen der Auffassung des SG hinsichtlich dieses Fristversäumnisses auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wiedereinsetzung sieht § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X dann vor, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Diese Vorschrift findet auch auf die hier vorliegende materiell - rechtliche Ausschlussfrist des § 9 Abs. 2 SGB V Anwendung (BSG Urt. v. 14.05.2002 - B 12 KR 14/01 R sowie zur Vorgängervorschrift des § 176 b Abs. 1 Nr. 2 RVO Urt. v. 11.05.1993 - 12 RK 36/90 -).
Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 SGB X liegen hier jedoch nicht vor. Die Klägerin trifft ein Verschulden an der Versäumung der gesetzlichen Beitrittsfrist. Ohne Verschulden handelt nur, wer diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem im Verwaltungsverfahren gewissenhaft Handelnden nach den gesamten Umständen vernünftigerweise zuzumuten ist. Auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt muss die Versäumung der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen sein ( BSGE 38, 248). Grundsätzlich gilt insoweit ein subjektiver Maßstab (BSG Urteil vom 15. 08. 2000 - B 9 VG 1/99 R). Verschulden im Sinne des § 27 SGB X liegt insbesondere dann vor, wenn die Fristversäumnis auf fahrlässiger Unkenntnis der maßgeblichen Umstände beruht (- BSG SozR 4100 § 41 e Nr. 5 - zu alledem von Wulffen SGB X - Kommentar § 27 Rdnr. 6). Nach dem Grundsatz der formellen Publizität bei Verkündung von Gesetzen gelten diese mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich Kenntnis erlangt haben. Eine Unkenntnis solcher Rechte, deren befristete Ausübung das Gesetz selbst ausdrücklich regelt, kann daher eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht rechtfertigen (BSG E 72,80,83).
An der subjektiven Fähigkeit der Klägerin, die Notwendigkeit eines Krankenversicherungsschutzes zu erkennen, bestehen keine Zweifel. Als die Beklagte die Klägerin aufforderte, ihre Versichertenkarte wieder zurückzuschicken, war ihr die Bedeutung des Krankenversicherungsschutzes bewusst und die Klägerin war ohne Schwierigkeiten in der Lage, sich bei der Grundsicherungsbehörde der Stadt Mannheim zu informieren, anschließend mit der Beklagten sachgerecht zu kommunizieren und sich der Hilfe einer Rechtsanwältin zu bedienen.
Die objektiven Umstände des vorliegenden Falls sind in tatsächlicher Hinsicht dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin, die ihr vom Job-Center M. erteilte Information über die noch verbleibende Dauer ihrer Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten entweder nicht zur Kenntnis genommen oder zumindest nicht in ihrer vollen Tragweise erfasst hat und die für die Grundsicherung zuständige Behörde der Stadt M. sie offensichtlich ebenfalls nicht über den Krankenversicherungsschutz bei Gewährung von Grundsicherung im Alter aufgeklärt hat. Auch von Seiten der Beklagten wurde sie erst nach Ablauf der Beitrittsfrist über das Ende der Mitgliedschaft informiert. Der Senat nimmt es der Klägerin ab, wenn diese vorträgt, sie habe nichts vom Ende ihrer Pflichtmitgliedschaft gewusst und sei davon ausgegangen, alles werde so bleiben wie bisher. Andererseits gilt auch für sie der Grundsatz der formellen Publizität mit der Folge, dass die Unkenntnis gesetzlicher Regelungen grundsätzlich eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigt.
Unabhängig davon trifft die Klägerin aber auch nach den konkreten Umständen ihres Falles ein Verschulden. Für die Frage nach dem Verschulden ist darauf abzustellen, was die Klägerin durch einen Beitritt zur Beklagten als freiwilliges Mitglied erreichen möchte. Denn nur so lassen sich die Sorgfaltspflichten herausarbeiten, hinsichtlich deren Nichtbeachtung sie möglicherweise ein Schuldvorwurf treffen kann.
Im vorliegenden Fall ist zunächst von Bedeutung, dass für die Klägerin, wenn sie sich nicht freiwillig versichert, identischer Krankenversicherungsschutz nach § 264 Abs. 2 SGB V gewährleistet ist. Für die Empfänger von Leistungen nach dem 3. bis 9. Kapitel des XII. Buches, zu denen die Empfänger der im 4. Kapitel des SGB XII geregelten Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehören, welche nicht versichert sind, wird nach § 264 Abs. 2 SGB V die Krankenbehandlung von der Krankenkasse übernommen. Die in Abs. 2 Satz 1 genannten Empfänger haben nach § 264 Abs. 3 SGB V unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Durch diese Regelung werden die Empfänger von Grundsicherung im Alter leistungsrechtlich, nicht aber mitgliedschaftsrechtlich den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt (BSG Urteil vom 17.06.2008 - B 1 KR 30/07 R unter Berufung auf BT-Drucks 15/1525 S141). Für ihre leistungsrechtlichen Ansprüche gegen eine gesetzliche Krankenkasse ist es somit ohne jede Bedeutung, ob die Klägerin sich Gedanken über die Fortsetzung ihrer Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse macht. Dass der Träger der Grundsicherung gegebenenfalls Krankheitskosten der Krankenkasse in konkret entstandener Höhe zu erstatten (BSG Urt. v. 17.06.2008 - B 1 KR 30/07 R ) und damit weit höhere Kosten hat als bei Zahlung des Mindestbeitrags der freiwilligen Versicherung (etwa gem. § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII iVm § 32 SGB XII), braucht sie in diesem Zusammenhang nicht zu interessieren.
Sofern die Klägerin allerdings Vorsorge treffen will für den Fall, dass ihr Anspruch auf Grundsicherung im Alter wegen Zuflusses von Vermögen (Erbschaft oder Lottogewinn ?) endet oder sie während eines Besuchs bei ihrer Tochter im europäischen Ausland (weil Grundsicherung nur im Inland gewährt wird) auf entsprechenden Krankenversicherungsschutz angewiesen ist, muss sie sich selbst aktiv darum bemühen, dass auch bei solchen, objektiv wohl eher unwahrscheinlichen Fallkonstellationen der Krankenversicherungsschutz erhalten bleibt. Dies gilt umso mehr, als der Klägerin durch den Bescheid des Job-Centers M. vom 13. 06. 2006 deutlich gemacht wurde, dass ihre Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten endet. Der Klägerin war zudem bewusst, dass von diesem Zeitpunkt an der Alg II Bezug eingestellt wird und sie anschließend von der Grundsicherung im Alter leben muss. Da der Bescheid der Stadt Mannheim über die Gewährung von Grundsicherung im Alter vom 21.07.2006 datiert, muss zuvor während des Alg II Bezugs ein Verwaltungsverfahren durchgeführt worden sein, das ohne die entsprechende Mitwirkung der Klägerin unmöglich gewesen wäre. Bei einem Wechsel der Leistungsart und einem Wechsel des Leistungsträgers muss sich dann aber die Frage aufdrängen, ob der Versicherungsschutz in der Krankenversicherung tatsächlich unverändert fortbesteht. Dieser Frage nachzugehen ist zumutbar, denn das Gesetz mutet der Klägerin auch zu, einen Antrag auf Grundsicherung im Alter zu stellen. Auch bezüglich der Hauptleistung konnte die Klägerin nicht einfach darauf vertrauen, dass alles so bleibt wie bisher. Wenn die Klägerin bei keiner Behörde, weder im Job-Center noch bei der Grundsicherungsbehörde und auch nicht bei der Beklagten wegen ihres Krankenversicherungsschutzes nachgefragt hat, trifft sie im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB X ein Verschulden daran, dass ihr die (wohl nur in ihrer speziellen persönlichen Situation nützlichen) Vorteile als Mitglied bei der Beklagten durch die Versäumung der Antragsfrist entgehen.
Ob die Beklagte wegen des erst nach Ablauf der Beitrittsfrist erfolgten Hinweises auf das Ende der Pflichtversicherung und des Belassens der Versichertenkarte über die Einmonatsfrist des § 19 Abs. 2 SGB V hinaus, wonach Leistungen längstens für einen Monat nach Ende der Mitgliedschaft gewährt werden dürfen, ein Mitverschulden an der Überschreitung der Beitrittsfrist trifft, kann offenbleiben, weil für das Verschulden bei der Wiedereinsetzung gemäß § 27 Abs. 1 SGB X ausschließlich auf die subjektiven Verhältnisse der Klägerin, also die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten und der sie treffende Schuldvorwurf, abzustellen ist.
Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Klägerin kommt es nicht darauf an, ab wann die Klägerin konkret Kenntnis vom Ende der Pflichtmitgliedschaft hatte. Die hierauf abstellende frühere Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes ist überholt, seit das BSG auch bei der Beitrittsfrist zur freiwilligen Versicherung die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zulässt (erstmals wohl durch BSGE 64,153 - hierzu allgemein v. Wulffen aaO § 27 Rn 4). Die frühere Rechtsauffassung hat deswegen auch bei der gesetzlichen Neufassung der Krankenversicherungsvorschriften durch das GRG vom 20.12.1988 - BGBl. I S. 2472 keinen Niederschlag gefunden (vgl. dazu KassKomm-Peters § 8 SGB V Rn 32-345 m.w.N.)
Eine Fallkonstellation, bei der ausnahmsweise Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren wäre (vgl. dazu BSG vom 11.05.1993 - 12 RK 36/90 -), liegt hier nicht vor. Das BSG ist in jener Entscheidung davon ausgegangen, dass eine Rechtsunkenntnis grundsätzlich als unverschuldet zu gelten hat, wenn eine entsprechende Hinweispflicht der Krankenkasse besteht. Dies war im damals entschiedenen Fall in § 5 der Meldeverordnung für die Krankenversicherung der Studenten (KSNV) so vorgesehen. Eine vergleichbare Vorschrift enthält § 9 SGB V nicht. Ein besonderer Grund für eine Beratung der Klägerin durch die Beklagte zur Aufrechterhaltung eines eigenen Krankenversicherungsschutzes bei der Beantragung von Grundsicherung im Alter ist vorliegend auch nicht ersichtlich. Denn die Klägerin hat - wie oben eingehend dargelegt wurde - , auch wenn sie der Krankenkasse nicht als freiwilliges Mitglied beitritt, als Empfängerin von Grundsicherung im Alter bezüglich des Krankenversicherungsschutzes leistungsrechtlich dieselben Rechte wie ein versichertes Mitglied.
Aus diesen Gründen überzeugt auch die Berufung der Bevollmächtigten der Klägerin auf den Herstellungsanspruch nicht. Zum Einen hat die Beklagte die Klägerin nicht beraten und konnte schon deshalb keine falschen Auskünfte erteilen, zum Anderen drängt sich angesichts einer inzwischen lückenlos bestehenden Absicherung im Krankheitsfall eine solche Beratung und Information auch nicht auf. Die früher bestehende Gefahr, ohne den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung zu bleiben und auf den Schutz durch eine private Krankenversicherung angewiesen zu sein, ohne zu wissen, ob wegen entsprechender Vorerkrankungen überhaupt eine Aufnahme in die PKV möglich ist und ohne von vornherein abschätzen zu können, ob überhaupt die finanzielle Fähigkeit besteht, die geforderten Beiträge auch entrichten zu können, droht im Falle des Endes der Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse beim Übergang von Alg II zu Grundsicherung im Alter nicht mehr. Dies gilt erst recht für die seit 1.4.2007 geltende, auf den konkreten Sachverhalt allerdings noch nicht anwendbare Rechtslage, die in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auch eine Krankenversicherungspflicht für all die Personen vorsieht, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben.
Nach alledem hat die Berufung der Beklagten Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, weswegen das Urteil des SG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Angesichts der sich bereits aus dem Gesetz und allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergebenden Rechtslage kommt dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung zu.
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