L 7 SO 4297/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 SO 4553/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 4297/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. August 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG. Sie ist jedoch in der Sache unbegründet. Das Sozialgericht Stuttgart (SG) hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

Allerdings ist dieser bei sachdienlicher Auslegung (§ 123 SGG) nicht auf Anordnung, sondern auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (S 15 SO 4070/08) des Antragstellers gerichtet. Rechtsgrundlage für den vom Antragsteller begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist die Bestimmung des § 86b SGG; dabei ermöglicht Abs. 1 a.a.O. in Anfechtungssachen u.a. die gerichtliche Korrektur der fehlenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage, während Abs. 2 a.a.O. den Fall der einstweiligen Anordnung in Vornahmesachen regelt. Das vorliegende Rechtsschutzverlangen ist unter die Bestimmungen des § 86b Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG zu fassen. Denn nach der Bestimmung des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet. In diesen Fällen entfalten die hiergegen gerichteten Rechtsbehelfe des Widerspruchs und der Anfechtungsklage nach § 86b Abs. 2 Nr. 5 SGG keine aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass ein Antrag nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherzustellen, statthaft ist (vgl. entsprechend zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Beschluss des Senats vom 12. April 2006 - L 7 AS 1196/06 ER-B -; vgl. auch Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 13. März 2007 - L 13 AS 211/07 ER-B - und vom 21. November 2006 - L 8 AS 4680/06 ER- B-, jeweils m.w.N. (juris)). Dass in § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SGG die nach der Anordnung des Sofortvollzugs vom Belasteten erstrebte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung - im Gegensatz zu § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) - nicht eigens aufgeführt ist, ist unschädlich, denn aus der ausdrücklichen Erwähnung einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in § 86b Abs. 1 Satz 3 SGG ergibt sich, dass der Gesetzgeber auch bei Sofortvollzugsanordnungen einstweiligen Rechtsschutz durch Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat einräumen wollen (Beschluss des Senats vom 19. Juni 2007 - L 7 AL 1572/07 ER-B -; ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2003 - L 13 AL 2374/03 - (juris); vgl. auch Hesssisches LSG, Beschluss vom 5. September 2006 - L 9 SO 48/06 ER -, FEVS 58, 429). Statthaft ist daher der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG, der sich nach der Klageerhebung nicht mehr auf den Widerspruch, sondern die Klage bezieht (Beschluss des Senats vom 16. April 2008 - L 7 AS 1398/08 ER-B - (juris)).

Der Aussetzungsantrag ist jedoch unbegründet. Die streitbefangene Anordnung der sofortigen Vollziehung im - den Widerspruch gegen die Verfügung vom 17. April 2008 zurückweisenden - Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2008 genügt den formalen Anforderungen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG; das Interesse an der sofortigen Vollziehung ist hinreichend schriftlich begründet.

Auch in der Sache hat der Aussetzungsantrag keinen Erfolg. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Aussetzung der Vollziehung der ergangenen Verfügung, durch welche er zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet wurde. Die Eilentscheidung in Anfechtungssachen verlangt vom Gericht eine eigene originäre Entscheidung unter Abwägung der betroffenen Interessen, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnrn. 12 ff.). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in die Betrachtung einzubeziehen sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 7. Januar 2002 - L 13 AL 3590/01 ER-B - und vom 9. Januar 2003 - L 13 AL 4269/02 ER-B - (beide juris)); dabei kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens bei der Abwägung jedenfalls insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Rechtsbehelf offensichtlich begründet oder aussichtslos erscheint (so schon Bundessozialgericht (BSG) BSGE 4, 151, 155; ferner Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage, Rdnrn. 208 ff.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 12c). Ist der Verfahrensausgang dagegen als offen zu bezeichnen, ist darüber hinaus bei der Interessenabwägung in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze (vgl. BVerfG NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.) auch die Schwere und Unabänderlichkeit des Eingriffs zu berücksichtigen, sodass insoweit eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 205); in dieser Beziehung hat das Vollziehungsinteresse umso eher zurückzustehen, je schwerer und nachhaltiger die mit der Versagung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen.

Die sonach gebotene Interessenabwägung führt hier zu einem Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Denn bei der im Eilverfahren gebotenen, aber zugleich ausreichenden summarischen Prüfung bestehen aus den vom SG ausführlich und überzeugend dargestellten Gründen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Klageverfahren angefochtenen Bescheide. Wegen der weiteren Begründung wird hierauf Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend). Ergänzend weist der Senat (lediglich) darauf hin, dass sich das auf § 117 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) gestützte Auskunftsbegehren voraussichtlich unabhängig davon als rechtmäßig erweisen dürfte, ob die frühere Ehefrau des Antragstellers und jetzige Hilfeempfängerin ihren Lotteriegewinn von 125.000,- DM aus dem Jahre 1997 an ihre Tochter verschenkt hat, wie im Rahmen des Scheidungsverfahrens angegeben oder aber für sich selber verbraucht hat, wie sich ihrer Erklärung gegenüber der Antragsgegnerin vom 21. August 2008 ergibt. Denn es liegt in jedem Falle keine sog. Negativevidenz (vgl. BVerwGE 34, 219, 220 f.; 49, 311, 315 f.; 56, 300, 302; 87, 217, 225; 92, 281, 283) vor, also eine Konstellation, wonach der Antragsteller als "Unterhaltspflichtiger" i.S.d § 117 SGB XII ganz offensichtlich ausscheidet. Ob ein Unterhaltsanspruch tatsächlich besteht bzw. durchsetzbar ist, muss - worauf das SG ebenfalls zutreffend hingewiesen hat - der genauen Überprüfung der Gerichte der Zivilgerichtsbarkeit vorbehalten bleiben.

Die Voraussetzungen für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage liegen damit nicht vor. Eine Interessen- und Folgenabwägung ohne Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.
Rechtskraft
Aus
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