L 7 AL 5546/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AL 4668/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 5546/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. September 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Überbrückungsgeld (Übg) für die erneute Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt.

Der am 1972 geborene Kläger hatte sich nach Ablegung des Zweiten juristischen Staatsexamens erstmals am 27. Oktober 2003 arbeitslos gemeldet. Nachdem er vom 23. Februar bis 14. Mai 2004 eine Qualifizierungsmaßnahme absolviert hatte, bezog er aufgrund einer erneuten Arbeitslosmeldung am 13. Mai 2004 Arbeitslosengeld. Im Mai 2004 wurde der Kläger als Rechtsanwalt zugelassen. Auf seinen Antrag vom 17. Juni 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt einen Existenzgründungszuschuss für die Zeit vom 19. Juli 2004 bis 18. Juli 2005 (Bewilligungsbescheid vom 23. Juni 2004).

Da der Kläger ab 1. Januar 2005 eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei der Industrie- und Handelskammer Heilbronn-Franken (IHK) aufnahm, hob die Beklagte die Gewährung des Existenzgründungszuschusses mit Ablauf des 31. Dezember 2004 auf. Da dieses Beschäftigungsverhältnis zum 31. Juli 2005 beendet wurde, meldete sich der Kläger am 15. Juni 2005 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 1. August 2005. Einen zunächst zum 1. September 2005 gestellten Antrag auf erneute Bewilligung eines Existenzgründungszuschusses verfolgte der Kläger nicht weiter, da er zum 19. September 2005 eine neue Beschäftigung als Rechtsanwalt aufnahm. Nachdem diese zum 28. Februar 2006 beendet worden war, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 6. April 2004 antragsgemäß Arbeitslosengeld ab 4. März 2006 in Höhe von EUR 24,60 täglich. Die Bewilligung wurde aufgrund eigener Abmeldung des Klägers zum 30. Juli 2006 aufgehoben.

Am 21. Juli 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Übg für eine erneute selbstständige hauptberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt, die er zum 31. Juli 2006 aufnahm. Zur Begründung des Antrages führte er aus, seine Existenzgründung im Jahr 2004 sei erfolgreich gewesen. Diese selbstständige Tätigkeit habe er lediglich deshalb aufgegeben, weil die Tätigkeit bei der IHK und das Entgelt interessant erschienen seien. Da seine Tätigkeit im Jahre 2004 erfolgreich gewesen sei und er die Existenzgründung gut vorbereite, gebe es keinen Grund, eine Förderung zu versagen. Die gesetzlich vorgesehene zweijährige Wartefrist sei nur erforderlich, wenn Existenzgründer bisher nicht erfolgreich gewesen seien und die Neugründung ausschließlich zur Leistungsgewährung durch die Agentur für Arbeit diene. Darum gehe es ihm jedoch nicht; die begehrte Leistung solle die Gründung lediglich unterstützen.

Mit Bescheid vom 18. August 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die erneute Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit sei ausgeschlossen, da nach Beendigung der früheren Förderung einer selbstständigen Tätigkeit noch nicht 24 Monate vergangen seien. Die vom Kläger angenommene Intention der Vorschrift habe der Gesetzgeber nicht ins Gesetz aufgenommen. Da die damalige Selbstständigkeit nicht wegen in der Person des Klägers liegenden Gründe beendet worden sei, könne auch nicht von der Einhaltung der Wartefrist abgesehen werden. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 15. November 2006 aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück.

Zur Begründung seiner hiergegen am 18. Dezember 2006 beim Sozialgericht (SG) Heilbronn erhobenen Klage hat der Kläger ausgeführt, der Gesetzgeber habe mit der in § 57 Abs. 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geregelten Wartefrist erreichen wollen, dass nicht erfolgreiche Existenzgründungen eine zweite Chance erst dann bekämen, wenn ein Zeitraum von zwei Jahren abgelaufen sei, in dem z.B. die wirtschaftlichen Voraussetzungen der erneuten Existenzgründung geklärt werden könnten. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift solle ein vormals nicht erfolgreicher Existenzgründer dazu gebracht werden, sein Vorhaben genau zu planen und keine "Schnellschüsse" zu unternehmen. Seine Existenzgründung im Jahre 2004 sei jedoch erfolgreich gewesen; es hätten gute Aufträge und Entwicklungen vorgelegen. Die damalige Selbstständigkeit habe er lediglich aufgrund des noch interessanteren Angebotes der IHK aufgegeben. Sein Geschäftskonzept stelle eine erfolgreiche Neugründung sicher; ein Schnellschuss sei daher nicht zu befürchten. Jedenfalls greife die Ermessensvorschrift des § 57 Abs. 4 HS. 2 SGB III, so dass von der Einhaltung der 24-monatigen Frist abgesehen werden könne. Der Grund für das besonders interessante Arbeitsangebot zum 1. Januar 2005 liege in seiner Person. Die Förderung sei daher aufgrund eines in seiner Person liegenden Grundes beendet worden. Dieses Angebot sei zu Beginn der Selbstständigkeit nicht absehbar gewesen, sodass ihm der Abbruch der selbstständigen Tätigkeit nicht vorgeworfen werden könne.

Mit Urteil vom 19. September 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Regelung des § 57 Abs. 4 SGB III über die Wartefrist schon nach dem ausdrücklichen Wortlaut nicht auf solche Fälle beschränkt, in denen die Existenzgründung aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfolgreich gewesen sei. Als Ausnahmevorschrift solle sie solchen Sachverhalten Rechnung tragen, die weder vorhersehbar noch steuerbar in der Person des Arbeitnehmers aufträten und zur Beendigung der ersten selbstständigen Tätigkeit gezwungen hätten. Der Kläger habe jedoch aus freien Stücken seine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt beendet, um eine aus seiner Sicht interessantere und lukrativere abhängige Beschäftigung aufzunehmen. Diese Entscheidung sei allein von seinem freien Willen bestimmt gewesen, nachdem er selbst den wirtschaftlichen Erfolg der selbstständigen Tätigkeit betont habe. Durch die Beendigung der selbstständigen Tätigkeit aus freien Stücken habe er den Eintritt des Erfolgs vereitelt, der mit den ihm zur Verfügung gestellten Leistungen nach dem SGB III bezweckt worden sei. In einem solchen Fall sei die erneute Förderung erst nach Ablauf der im Gesetz verankerten Karenzzeit von 24 Monaten angemessen und geboten, um einen pfleglichen Umgang mit öffentlichen Mitteln zu sichern und Mitnahmeeffekten entgegenzuwirken.

Gegen dieses ihm am 22. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. November 2007 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Über sein Vorbringen in erster Instanz hinaus hat er zu deren Begründung vorgetragen, die Existenzgründung im Juli 2006 ziele entgegen der inzidenten Unterstellung des SG nicht auf die Mitnahme von Arbeitsförderungsleistungen; vielmehr sei sie von starkem persönlichem und finanziellem Einsatz getragen. Die beträchtlichen Investitionen bei einer solchen Existenzgründung könnten im Übrigen von einer Überbrückungsgeldzahlung nicht abgedeckt werden. Der Kläger habe durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit vielmehr die Sozialkassen auch dadurch entlastet, dass er zwei Kleingewerbetreibende für Bürotätigkeiten stundenweise beauftragt habe, mit einer juristischen freien Mitarbeiterin zusammenarbeite und zum 1. April 2008 schließlich eine Rechtsanwaltsfachangestellte als Mitarbeiterin sozialversicherungspflichtig eingestellt habe. Die Regelung der 24-monatigen Wartefrist habe den Sinn, Förderungen auszuschließen, die ausschließlich den Zweck verfolgten, eine Leistungsgewährung durch die Bundesagentur für Arbeit erteilt zu bekommen. Aus den genannten Gründen liege dies bei ihm gerade nicht vor. Außerdem könne es dem Zweck der Vorschrift nicht entsprechen, Existenzgründungen zeitlich zu verzögern. Je länger der Zeitablauf zur Gründung und die Dauer der Arbeitslosigkeit sei, um so schlechter gestalteten sich die Marktchancen von Existenzgründern speziell im juristischen Bereich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. September 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2006 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 31. Juli 2006 bis 30. Januar 2007 Überbrückungsgeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Es werde nicht verkannt, dass die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit erfolgreich verlaufen sei und der Kläger Mitarbeiter beschäftige. Bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit sei jedoch die Wartezeit von 24 Monaten noch nicht verstrichen gewesen. Die Ermessensentscheidung der Beklagten, keine besonderen Gründe im Sinne des § 57 Abs. 4 SGB III anzuerkennen, sei sachgerecht gewesen. Der Kläger habe sich aus freien Stücken gegen die weitere Selbstständigkeit und für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis entschieden. Als besondere persönliche Gründe kämen jedoch nur solche in Betracht, die dem Antragsteller nicht vorwerfbar seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG und der Verfahrensakten des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft gem. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG, da die für die Dauer von sechs Monaten begehrte Leistung bereits in ihrem dem Arbeitslosengeld entsprechenden Teil EUR 4.968.- umfasst. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zurecht abgewiesen; der Kläger hat keinen Anspruch auf das begehrte Übg.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 57 SGB III in der bis 31. Juli 2006 geltenden Fassung vom 22. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3676), da der Kläger die selbstständige Tätigkeit am 31. Juli 2006 aufgenommen hat. Nach Abs. 1 haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Übg. Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach dem SGB III noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden (Abs. 4).

Die Voraussetzungen für den grundsätzlichen Leistungsausschluss nach § 57 Abs. 4 HS. 1 SGB III sind erfüllt. Die Beklagte hatte bereits die erstmalige Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers durch die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses nach § 421l SGB III (in der damals geltenden Fassung) bis zum 31. Dezember 2004 gefördert. Die Wartefrist des § 57 Abs. 4 SGB III knüpft allein an die Beendigung der Förderung an. Es ist somit nicht maßgeblich, ob die Höchstförderungsdauer erschöpft oder die Förderung aus anderen Gründen, z.B. wegen Aufgabe der selbständigen Tätigkeit, vorzeitig beendet worden war (vgl. Link in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand März 2005, § 57 Rdnr. 70c). Bis zur erneuten Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit am 31. Juli 2006 waren daher noch keine 24 Monate verstrichen.

Entgegen der Auffassung des Klägers beschränkt sich dieser Leistungsausschluss nicht nur auf Fälle, in denen die vorherige selbständige Tätigkeit aus wirtschaftlichen Gründen erfolglos geblieben war; dies wird auch in den vom Kläger angegebenen Kommentierungen (Winkler in Gagel, SGB III, Stand Dezember 2006, § 57 Rdnr. 34; Petzold in Hauck/Noftz, SGB III, Stand Mai 2008, § 57 Rdnr. 25) so nicht ausgeführt. Für eine solche Einschränkung bietet der Wortlaut des § 57 Abs. 4 HS. 1 SGB III keinerlei Anhaltspunkt. Eine entsprechende Auslegung lässt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte oder im Wege einer teleologischen Reduktion begründen. Der Ausschlusstatbestand des Abs. 4 wurde eingeführt durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848). Mit gleichem Änderungsgesetz wurde das Übg durch Änderung des § 57 Abs. 1 SGB III von einer Ermessens- zu einer Pflichtleistung ausgestaltet. Die Wartefrist kann daher als Korrektiv zum Wegfall des Ermessenspielraumes gesehen werden (vgl. Link, a.a.O., Rdnr. 70b). Der Gesetzgeber hat aus den Gesichtspunkten, die bislang im Rahmen des Ermessens Berücksichtigung finden konnten, einen herausgenommen und als – nunmehr zwingende – negative Anspruchsvoraussetzung normiert. Dabei hat er sich aber nach dem eindeutigen Wortlaut allein auf einen zeitlichen Abstand zwischen zwei Förderungen nach dem SGB III beschränkt; weitere Gesichtspunkte sind in die Formulierung der gesetzlichen Regelung nicht eingeflossen.

Auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich nicht die vom Kläger angenommene Beschränkung des Anwendungsbereiches. In der amtlichen Begründung zum genannten Änderungsgesetz (BT-Drucks. 15/1515 S. 81 zu Buchstabe b) wird zunächst (im dortigen ersten Absatz) im Sinne einer Bestandsaufnahme der geltenden Förderungsregelungen festgestellt, dass nach der bis dahin geltenden Rechtslage eine mehrfach aufeinander folgende Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach dem SGB III nicht ausgeschlossen sei. Erkennbar sollte die Änderung diese Möglichkeit grundsätzlich ausschließen. Eine Beschränkung auf bestimmte Fallkonstellationen ist dem nicht zu entnehmen. Der Kläger stützt seine Auffassung allerdings auf den zweiten Absatz der amtlichen Begründung. Dort ist ausgeführt: "In Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Folgen einer zuvor nicht erfolgreichen Gründung und der `zweiten Chance´ für den Selbstständigen sollte die Arbeitsförderung nur dann zur erneuten Förderung verpflichtet sein, wenn ein gewisser Zeitraum seit der letzten geförderten selbstständigen Erwerbstätigkeit verstrichen ist. Eine Frist von 24 Monaten nach Beendigung der letzten Förderung der selbstständigen Erwerbsaufnahme ist u.a. deshalb angemessen, damit der Arbeitslose die wirtschaftlichen und sonstigen Voraussetzungen für eine Unternehmung klären kann." Die Begründung spricht somit nur von einer zuvor nicht erfolgreichen Gründung. Dass sich der ausgebliebene Erfolg gerade auf die wirtschaftlichen Ergebnisses der selbstständigen Tätigkeit beziehen soll, ist dem nicht zu entnehmen und auch nicht zwingend. Die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit ist aus Sicht der Arbeitsförderung bereits dann nicht erfolgreich, wenn sie nicht dazu geführt hat, dem Selbstständigen dauerhaft eine Existenz sichernde Erwerbsquelle zu sichern und seine weitere oder erneute Arbeitslosigkeit zu verhindern. Ein Misserfolg liegt daher auch dann vor, wenn eine wirtschaftlich erfolgreiche selbstständige Tätigkeit abgebrochen wird. Anderes ergibt sich auch nicht aus den in die gesetzgeberische Abwägung einbezogenen "wirtschaftlichen Folgen der erfolglosen Gründung". Denn nachwirkende wirtschaftliche Folgen (z.B. Schulden) können sich auch bei frühzeitigem Abbruch einer an sich auf längere Sicht tragfähigen Unternehmung ergeben und eine später erneut aufgenommene selbstständige Tätigkeit belasten. Schließlich dient die Wartefrist von 24 Monaten auch nach der dem Änderungsgesetz zugrunde liegenden Vorstellung nicht allein dazu, den Existenzgründer zu gründlicher Planung der Unternehmung anzuhalten, um "Schnellschüsse" zu vermeiden. Der amtlichen Begründung ist nur zu entnehmen, dass die Frist "u.a." aus diesem Grund angemessen sei. Demnach lagen der Bestimmung der Wartefrist noch weitere – allerdings nicht ausdrücklich genannte – Überlegungen zugrunde. Es kann daher jedoch nicht angenommen werden, dass die Frist gerade nur diesem einen Zweck dienen sollte. Im Wortlaut der gesetzlichen Regelung hat sich eine solche eingeschränkte Vorstellung jedenfalls nicht niedergeschlagen. Vielmehr ist anhand der amtlichen Begründung zu erkennen, dass der abstrakten Abwägungsentscheidung des Gesetzes weitere Erwägungen zugrunde lagen. Eindeutig kann als Zweck der gesetzlichen Regelung allein erkannt werden, dass grundsätzlich "Förderketten" ausgeschlossen werden sollen. Der Wortlaut des Gesetzes stimmt mit diesem Zweck überein. Für eine teleologische Reduktion des Tatbestandes des § 57 Abs. 4 HS. 1 SGB III auf wirtschaftlich erfolglose Unternehmungen ist daher kein Raum.

Eine Ermessensentscheidung nach § 57 Abs. 4 HS. 2 SGB III, von der Wartefrist abzusehen, ist der Beklagten nicht eröffnet, denn besondere Gründe liegen nicht vor. Die tatbestandlich vorausgesetzten besonderen Gründe werden im Gesetz nur dahingehend konkretisiert, dass sie in der Person des Arbeitnehmers liegen müssen. Nach dem Sinn der Regelung als Rückausnahme vom Leistungsausschluss sind besondere Gründe anzunehmen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die Wartefrist von 24 Monaten mit Blick auf den Grund der Beendigung der selbstständigen Tätigkeit einerseits und dem Zweck der Ausschlussregelung andererseits objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist (vgl. a. Link, a.a.O., Rdnr. 70e; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 2. Dezember 2005 – L 3 AL 79/05 - (juris)). Zur näheren Konkretisierung kann auf die amtliche Begründung (a.a.O.) zurückgegriffen werden: "Im Einzelfall kann von dieser Frist abgesehen werden, wenn Gründe vorliegen, die in der Person des Existenzgründers liegen und ihm nicht anzulasten sind (z.B. Krankheit, Unfall)". Bereits die ausdrücklich genannten Beispiele zeigen, dass es sich um Gründe handeln muss, die vom Existenzgründer nicht bewusst gesteuert werden können, ihm also "nicht anzulasten" sind. Gleichzeitig müssen sie aber in dessen Person liegen, so dass auch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, ausbleibende Aufträge o.ä. nicht berücksichtigt werden können. Bei der freiwilligen und selbstbestimmten Aufgabe der selbständigen Tätigkeit wegen beruflicher Neuorientierung handelt es sich zwar um in der Person des Existenzgründers liegende, ihm aber anzulastende Gründe. Eine abweichende Auslegung ist im Hinblick auf den gesetzlichen Wortlaut und die Motive der Neuregelung nicht begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 166 Abs. 2 Nr. und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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