L 11 R 1386/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2965/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1386/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der am 19. Oktober 1957 geborene Kläger absolvierte in der ehemaligen DDR eine Ausbildung zum Zootechniker (Facharbeiterabschluss im September 1976), war anschließend aber einige Jahre als Hausmeister und dann als Pflegegehilfe bei behinderten Kindern beschäftigt. Von 1981 bis 1983 machte er eine Ausbildung zum Maschinenschlosser in der Abendschule mit Facharbeiterabschluss. Daneben war er als Schlosser in einem Betrieb für Haushaltsgeräte tätig. Von Juni 1984 bis November 2001 war er als Maschineneinrichter beschäftigt, dabei ab Mai 2001 wegen einer Bandscheibenerkrankung im CNC-Bearbeitungsbereich eingesetzt. Zuletzt war er von Februar 2003 bis September 2004 als CNC-Fräser mit der Fertigung von Maschinenteilen für Textilmaschinen beschäftigt. Seit Oktober 2004 ist er arbeitslos und seit Juli 2005 bezieht er Arbeitslosengeld II. In der Zeit vom 24. Januar 2001 bis 23. Januar 2006 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen iSd § 3 Satz 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet, insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden.

Am 24. Januar 2006 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Er wurde von dem Arzt für Orthopädie Dr. B. begutachtet. Dieser führte in seinem Gutachten aus, die im Jahre 1996 durchgeführte Bandscheibenoperation L5/5 links spiele heute insofern eine residuale Rolle, als noch Gefühlsstörungen im linken Unterschenkel und Fuß angegeben würden, bei seitengleichen Reflexen und ohne wesentliche Parese. Es bestehe weiterhin ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus und ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen. Die letzte Tätigkeit als CNC-Fräser entspreche vom Leistungsbild nicht in allen Punkten dem jetzt festgestellten orthopädischen Leistungsvermögen und sei daher nur noch 3 bis unter 6 Stunden zumutbar. Mit Bescheid vom 3. April 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne zwar nicht mehr der erlernte Beruf als Schlosser ausgeübt werden, der Versicherte könnte jedoch unter Berücksichtigung der Kenntnisse und Fähigkeiten eine zumutbare Verweisungstätigkeit als Hausmeister/Hauswart oder als Qualitätskontrolleur in der Metallindustrie im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich verrichten.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Erfahrung zunehmender Schmerzzustände im linken Arm, vor allem aber im Rückenbereich mit Ausstrahlung ins Bein während der letzten Berufsjahre habe ihm mehr als deutlich seine gesunkene Leistungskraft aufgezeigt, zumal ein schmerzarmer Zustand über den Tag nur mit mehrmaligem Hinlegen - meist in Stufenlage - möglich sei. Im Rückblick auf den vergangenen schneereichen Winter könne er sich eine Beschäftigung als Hausmeister mit regelmäßigen Räumpflichten nicht als Lösung vorstellen und auch im Kontrollwesen müssten schwere Metallteile an Prüfplätzen oder Messmaschinen gehandhabt bzw. getragen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte darin aus, die vom Widerspruchsführer zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als CNC-Fräser sei dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen. Nach Auffassung des Widerspruchsausschusses könne er noch eine Tätigkeit als Hausmeister und Kontrolleur ausüben. Diese Beschäftigungen seien ihm unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Leistungseinschränkungen und der in seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit erworbenen Fähigkeiten mindestens 6 Stunden täglich zumutbar. Er sei daher nicht berufsunfähig.

Am 11. August 2006 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen schriftlich gehört. Der Facharzt für Innere Medizin, Sportmedizin Dr. H. hat angegeben, er betreue den Kläger internistisch und hausärztlich seit 19. Januar 1997. Dieser habe sich vorwiegend in der fachorthopädischen Behandlung bei Herrn Dr. R. in P. befunden. Auf dem Gebiet der Orthopädie liege auch das für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgebliche Leiden und nur der behandelnde Fachorthopäde könne das Leistungsvermögen beurteilen. Der Orthopäde Dr. R. hat mit Schreiben vom 5. Dezember 2006 mitgeteilt, der Kläger habe sich von Oktober 2000 bis Januar 2001 und von März 2004 bis September 2004 in seiner ambulanten orthopädischen Behandlung befunden. Die letzte Vorstellung sei am 3. Februar 2005 im Hinblick auf die vom Versicherten damals geäußerte Absicht, sich innerhalb seines Berufes zum Feinmechaniker bzw. Mechatroniker umzuschulen, erfolgt. Die Diagnose habe gelautet: lumbales Wurzelreizsyndrom L 5 links, Epicondylitis humeri radialis links. Den Diagnosen, wie sie aus dem Rentenbescheid übernommen worden sind, wie auch der Leistungsbeurteilung der Beklagten, dass nämlich der Versicherte Verweisungstätigkeiten als Hausmeister oder als Qualitätskontrolleur durchführen könne, stimme er aus orthopädischer Sicht zu.

Der Kläger hat hierzu Stellung genommen und dargelegt, Dr. R. habe seinen Antrag auf Umschulung unterstützt. Eine Weiterbildung als CNC-Fachkraft habe wegen des achtstündigen Sitzens nicht beendet werden können, weshalb ihm klar geworden sei, dass eine Tätigkeit im erlernten Beruf und in Vollzeit mit diesen permanent auftretenden Schmerzen nicht mehr möglich sei. Die Behandlung bei Dr. R. habe nahezu ausschließlich im Setzen von Spritzen zur Schmerzbekämpfung bestanden. Wie sich während der Fortbildungsmaßnahme gezeigt habe, führe auch langes Sitzen oder Stehen ohne Heben und Tragen von Lasten zu starken Schmerzzuständen, verbunden mit Beeinträchtigungen im linken Fuß und der rechten Hand, so dass schon eine sechsstündige Tätigkeit zuzüglich Anfahrt und Pausen einfach nicht praktikabel sei. In Anbetracht der vielen persönlich negativen Erfahrungen innerhalb der letzten Jahre sei für ihn allenfalls eine Teilzeitbeschäftigung möglich. Bei der Attestierung eines Leistungsvermögens bis zu einer Vollzeitbeschäftigung durch Dr. B. und Dr. R. vermisse er dafür eine medizinische Begründung im Hinblick auf eine mittlerweise 25-jährige orthopädische Behandlung. Die Hoffnung auf eine dauerhafte Besserung oder gar Heilung seiner Beschwerden habe er inzwischen verloren. Bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit sei nur die 1 Jahr und 8 Monate dauernde Beschäftigung als CNC-Fräser maßgebend gewesen, während die über 21 Jahre dauernde höher qualifizierte Funktion als Vorarbeiter und Gruppenarbeiter unberücksichtigt geblieben sei.

Anschließend hat das SG noch bei den beiden Firmen, bei denen der Kläger in der Zeit von 1984 bis 2004 beschäftigt gewesen ist, eine schriftliche Auskunft eingeholt; auf die Antwortschreiben der Firmen (Bl. 35/36 und 39/40 der SG-Akten) wird verwiesen. Hierzu hat sich der Kläger mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 (Bl. 57/61 der SG-Akte) ausführlich geäußert.

Mit Urteil vom 23. Januar 2008 hat das SG die Klage abgewiesen, weil der Kläger weder erwerbsgemindert noch berufsunfähig sei. Dr. B. sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger trotz der bestehenden Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und - in geringerem Umfang - im Bereich des linken Ellenbogens noch weiterhin leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne. Dies sei nach den beschriebenen Befunden überzeugend, zumal auch der behandelnde Orthopäde Dr. R. in seiner dem Gericht erteilten zeugenschaftlichen Auskunft eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit nicht einmal für die Tätigkeiten als Hausmeister und Qualitätskontrolleur für geboten gehalten habe. Damit lasse sich beim Kläger weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung im Sinn des § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI bejahen. Ihm stehe aber auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI zu. Zwar komme dem Kläger aufgrund seiner Berufsausbildung zum Schlosser und der bei der Firma T. + H. bis zur krankheitsbedingten Umsetzung in den CNC-Bearbeitungsbereich ausgeübten Beschäftigung als Einrichter ein Berufsschutz als Facharbeiter zu mit der Folge, dass er sich nach den vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen zur Verwertung seines Restleistungsvermögens sozial zumutbar verweisen lassen müsse auf all diejenigen Tätigkeiten, die zu den Facharbeiterberufen und den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehören oder die eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens 3 Monaten Dauer erforderten, soweit er dazu gesundheitlich und fachlich in der Lage sei (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 37 und Nr. 152, jeweils m.w.N.). Er könne darüber hinaus aber auch auf Tätigkeiten aus der Gruppe der ungelernten Arbeiter verwiesen werden, wenn sich die Tätigkeiten aus dem Kreis ungelernter Tätigkeiten innerhalb des Betriebes und im Ansehen, aber auch unter Berücksichtigung ihrer tariflichen Eingruppierung im Vergleich mit anderen Tätigkeiten besonders herausheben würden. Dabei sollten diese ungelernten Tätigkeiten wegen ihrer Qualität tariflich etwa gleichhoch wie die sonstigen Ausbildungsberufe eingestuft sein (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 116 und 147; BSG SozR 32200 § 1246 Nr. 17, jeweils m.w.N.). Da der Kläger nicht Vorgesetzter von Facharbeitern gewesen sei, sei er nicht der Gruppe mit dem Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters zuzuordnen. Der Kläger sei durch das bei ihm bestehende Lendenwirbelsäulensyndrom in seinem beruflichen Leistungsvermögen dahingehend eingeschränkt, dass er nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus und ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen verrichten könne. Mit diesen qualitativen Einschränkungen könne er nicht mehr die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Einrichter und CNC-Fräser verrichten. Soweit die Beklagte eine Verweisbarkeit des Klägers auf Tätigkeiten eines Hausmeisters oder eines Qualitätskontrolleurs in der Metallindustrie annehme, könne dem die Kammer nicht folgen. Die Aufgaben eines Hausmeisters variierten je nach Art und Größe des zu betreuenden Objektes (Wohnhaus oder - anlage, Büro- und Fabrikgebäude, Schule, Theater, Heime etc.). Dazu gehörten: Feststellung und Behebung von Mängeln (z.B. an elektrischen Anlagen einschließlich Beleuchtungs-, Heizungs- und Sanitäranlagen, an Türen, Fenstern, Möbeln, Aufzügen), erforderlichenfalls Einschaltung von Fremdfirmen und Überwachung bzw. Abnahme deren Arbeit; Wartungsarbeiten und Schönheitsreparaturen; Reinigungsarbeiten im Gebäude, aber auch außerhalb (z.B. Schneeräumen, Streudienst); Pflege von Garten-, Grün- und Sportanlagen usw. Die Arbeiten eines Hausmeisters seien in der Regel leicht bis mittelschwer, könnten aber auch gelegentlich schwer sein. So lasse sich insbesondere Heben und Tragen von schweren Lasten nicht immer ausschließen, wobei nicht nur an das Bewegen von Möbeln zu denken sei, sondern zum Beispiel auch an den Umgang mit Abfallcontainern, an größere Mengen von Hilfs- und Betriebsstoffen. Auch ließen sich Zwangshaltungen (Bücken, Hocken, Knien) ebenso wenig ausschließen wie Arbeiten auf Leitern und Überkopfarbeiten. Ein Hausmeister sollte daher über einen gesunden Stütz- und Bewegungsapparat verfügen (vgl. hierzu das dem Sozialgericht Würzburg erstattete berufskundliche Gutachten der Regionaldirektion Bayern vom 26.01.2005, zu recherchieren unter www.sozialgerichtsbarkeit.de, Berufskunde). Der Kläger entspreche aufgrund des bei ihm vorliegenden Wirbelsäulensyndroms nicht den körperlichen/gesundheitlichen Anforderungen an eine Tätigkeit als Hausmeister, weshalb er auf eine solche nicht zumutbar verwiesen werden kann. Tätigkeiten als Qualitätskontrolleur setzten, soweit es sich nicht um einfache Serienprüfungen und Abgleichaufgaben unterhalb der zumutbaren Qualifikationsebene handele, in der Regel sehr hohe Präzisionsanforderungen und Kenntnisse der entsprechenden Prüfmethoden und beim Einsatz der Messwerkzeuge voraus. Externe Bewerber hätten in der Regel keinen Zugang zu geeigneten Arbeitsplätzen. Einerseits gälten Kontrollarbeitsplätze mit geringeren Belastungen und Anforderungen nach wie vor als Schonarbeitsplätze, die für eine innerbetriebliche Umsetzung langjähriger, oft unkündbarer leistungsgeminderter Arbeitnehmer benötigt würden. Andererseits stelle die Übertragung einer Kontrolltätigkeit oft eine Aufstiegsmöglichkeit für besonders bewährte Beschäftigte dar. Nicht zuletzt sei das vorhandene Produkt-, Produktions- und betriebsspezifische Wissen von Vorteil oder sogar Voraussetzung, um möglichst die Dauer der Einarbeitungszeit zu begrenzen. Aus diesen Gründen würden Kontrollarbeitsplätze bevorzugt und weitestgehend innerbetrieblich besetzt. Externe Bewerber hätten üblicherweise nur Zugang zu entsprechenden Stellen, wenn sie z.B. über einschlägige besondere Qualifikationen oder Erfahrungen als Kontrolleur verfügen (bei in der Regel voller Leistungsfähigkeit). Für nicht qualifizierte und zusätzlich leistungsgeminderte Bewerber könnten derartige Arbeitsplätze nur vereinzelt durch besondere Vermittlungsbemühungen und finanzielle Vermittlungshilfen erschlossen werden (vgl. die dem Sozialgericht W. von der Regionaldirektion B. abgegebene berufskundliche Stellungnahme vom 10.09.2004, zu recherchieren unter www.sozialgerichtsbarkeit.de, Berufskunde). Da der Kläger für eine Tätigkeit als "gehobener" Kontrolleur nicht die erforderlichen fachlichen Voraussetzungen mitbringe, scheide seine Verweisbarkeit auf eine solche Tätigkeit aus. Allerdings müsse er sich auf eine Tätigkeit als Registrator verweisen lassen. Es handele sich hierbei um eine Tätigkeit, die von einem Ungelernten innerhalb von 3 Monaten erlernt werden kann und nach der Vergütungsgruppe VIII BAT in großen Behörden oder vergleichbaren Institutionen vergütet wird (bzw. wurde). Registratoren führten eine vielfach gegliederte Registratur, sie seien verantwortlich für das Registrieren und Archivieren von Akten und anfallendem Schriftverkehr, Vergeben von Aktenzeichen und von fortlaufenden Aktennummern sowie für das Anlegen von Neuakten und Aussondern von Altakten unter Beachtung von Aufbewahrungsfristen. Des Weiteren gehörten Terminüberwachung und allgemeine Verwaltungsarbeiten im Bereich der Aktenhaltung und Registratur dazu. Die Belastungen bei Arbeiten in einer Registratur seien üblicherweise zumindest zeitweise bis mittelschwer und erlaubten wechselnde Körperhaltungen (vgl. das berufskundliche Gutachten der Regionaldirektion B. vom 26.01.2005 aaO). Nach Überzeugung der Kammer sei der Kläger auch bei Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage, die Tätigkeit eines Registrators auszuüben. Des Weiteren käme auch eine Tätigkeit als Telefonist in Betracht. Hierfür sei in der Regel keine längere als 3-monatige Einarbeitungszeit erforderlich und es existierten auch in nennenswerter Zahl Arbeitsplätze für Telefonisten, die keine zusätzlichen Arbeiten zu verrichten hätten. Aufgrund ihrer Einstufung in verschiedenen Tarifverträgen sei die Tätigkeit eines Telefonisten mindestens der qualifiziert angelernten Ebene zuzurechnen.

Am 19. März 2008 hat der Kläger gegen das Urteil des SG, das ihm am 20. Februar 2008 zugestellt worden ist, Berufung eingelegt. Er wendet sich gegen die Verwertung der von der Firma T. und H. eingeholten Auskunft, weil die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht einvernehmlich, sondern im Streit erfolgt sei. Die ihm zumutbaren Verweisungstätigkeiten seien nicht nachvollziehbar begründet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Januar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 24. Januar 2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Januar 2008 zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

Die Beteiligten sind schriftlich darauf hingewiesen worden, dass der Senat nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 15.08.2008 und 17.09.2008 hierzu geäußert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann - auch ohne das Einverständnis des Klägers - über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss entscheiden, da die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet erachten, eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten und die Beteiligten gehört wurden (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Ausführungen des Klägers machen es nicht erforderlich, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 61 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554) haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften sind nicht erfüllt. Dies hat das SG zutreffend festgestellt. Der Senat weist die Berufung deshalb aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Senat nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens des Dr. B. davon überzeugt ist, dass der Kläger auch eine Beschäftigung als CNC-Fräser noch vollschichtig verrichten kann. Dabei kann offen bleiben, ob er die Anforderungen auch an seinem früheren Arbeitsplatz noch bewältigen könnte. Denn letztlich leidet der Kläger nach einer erfolgreich verlaufenen Bandscheibenoperation im Jahre 1996 nur noch an Gefühlsstörungen im linken Unterschenkel und Fuß bei seitengleichen Reflexen und ohne wesentliche Parese sowie an belastungsabhängigen Beschwerden im linken Ellenbogen. Damit ist seine berufliche Leistungsfähigkeit nicht nennenswert eingeschränkt, so dass er alle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten noch mehr als sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche verrichten kann.

Dessen ungeachtet kann der Kläger auch zur Überzeugung des Senats sozial zumutbar auf die vom SG benannte Tätigkeit eines Registrators in der Entgeltgruppe 3 TVöD (vormals Vergütungsgruppe VIII BAT) verwiesen werden.

Die Tätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst ist nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt (vgl. zum Folgenden Urteil des Senats vom 23. Januar 2007 L 11 KR R 4310/06 und zuletzt Urteil vom 03. Juni 2008, L 11 R 3677/06). Sie reicht von der vorwiegend mechanischen Tätigkeit (BAT X) und den einfacheren Arbeiten (BAT IX) über schwierigere Tätigkeiten (BAT VIII) bis zu Arbeiten mit gründlichen und besonders qualifizierten Fachkenntnissen und/oder leitenden Funktionen (BAT VII bis V). Diese Eingruppierungsgrundsätze und -regelungen gelten derzeit noch, da bisher keine neue Entgeltordnung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf Grund des neuen Tarifvertrags öffentlicher Dienst geschaffen wurde (vgl § 17 TVÜ-Bund). Die Vergütungsgruppe VIII BAT (nunmehr Entgeltgruppe 3 TVöD) erfasst Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit schwierigerer Tätigkeit (z.B. Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben; Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung; Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art; Führung von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien sowie von solchen Karteien, deren Führung die Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt; buchhalterische Übertragungsarbeiten; Zinsstaffelberechnungen; Kontenführung). In die Vergütungsgruppe IX b BAT werden Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, Kanzlei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit einfacheren Arbeiten (z.B. nach Schema zu erledigende Arbeiten; Postabfertigung; Führung von Brieftagebüchern, Inhaltsverzeichnissen; Führung von einfachen Karteien z.B. Zettelkatalogen, nach Eigen- oder Ortsnamen geordneten Karteien; Führung von Kontrolllisten, Einheitswertbogen und statistischen Anschreibungen; Formularverwaltung, Schreibmaterialienverwaltung; Führung von häufig wiederkehrendem Schriftwechsel nach Vordruck, insbesondere formularmäßige Bescheinigungen und Benachrichtigungen sowie Erinnerungen und Straffestsetzungen; Lesen von Reinschriften; Heraussuchen von Vorgängen anhand der Tagebücher) eingruppiert.

Die Vergütungsgruppen sind im Verhältnis zueinander zu sehen. Eine "schwierigere Tätigkeit" im Sinne der Vergütungsgruppe VIII BAT muss an den "einfacheren Arbeiten" der Vergütungsgruppe IX b BAT gemessen werden. Deshalb ist unter den schwierigeren Tätigkeiten nach VIII BAT weniger als eine schwierige Tätigkeit zu verstehen; der Komparativ "schwierigere" wird hier als Steigerung gegenüber den "einfacheren" Arbeiten der Vergütungsgruppe IX b Fallgruppe 1 gebraucht. Die schwierigeren Tätigkeiten zeichnen sich durch Verantwortlichkeit, große Selbständigkeit, eigene Initiative, Arbeitseinsatzentscheidung, besondere Initiative, besondere eigene Überlegung und eine Befähigung, wie sie zu einfacheren Arbeiten im Sinne von Vergütungsgruppe IX b nicht gefordert wird, aus. Schwierigere Tätigkeiten liegen gegenüber einfacheren Tätigkeiten dann vor, wenn die Tätigkeit den Einsatz qualifizierterer Fähigkeiten der Angestellten, gleich in welcher Hinsicht, im Vergleich zu den einfacheren Arbeiten verlangt (Krasemann: Das Eingruppierungsrecht des BAT, BAT-O, 7. Aufl. 2001 S. Rd. 90; vgl. auch Gutachten der Regionaldirektion B., Nürnberg vom 20. April 2005 zu S 8 RJ 750/02 in www. sozialgerichtsbarkeit.de). Die schwierigere Tätigkeit muss damit im Schwierigkeitsgrad einerseits deutlich erkennbar über den Anforderungen der Postabfertigung liegen, andererseits ist für eine solche Tätigkeit die Anwendung von "gründlichen Fachkenntnissen" nicht erforderlich (vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht L 14 RA 140/00, Urteil vom 24. April 2003 in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Im Gegensatz zur Vergütungsgruppe IX b BAT handelt es sich bei der Vergütungsgruppe VIII BAT um eine Tätigkeit für Angelernte und damit für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verwaltungstätigkeit (BSG Urteil vom 27. November 1991 - 5 RJ 91/89 -). Üblicherweise wird für die qualifizierte Registraturtätigkeit eine abgeschlossene Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten vorausgesetzt (Gutachten der Regionaldirektion B., Nürnberg vom 30.09.2004 zu L 6 RJ 84/00; Gutachten derselben Stelle vom 07. Oktober 2005; jeweils in www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger keine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten absolviert hat, verfügt er - angesichts seiner schulischen und beruflichen Ausbildung - über Kenntnisse, die es ihm ermöglichen, qualifizierte Tätigkeiten in der Registratur, die der Vergütungsgruppe 3 TVöD entsprechen, in einer dreimonatigen Einarbeitungszeit zu erlernen. Dies ergibt sich aus den Anforderungen, die er in seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit bewältigen musste sowie vor allem auch aus seinem eigenen Vortrag. Danach musste er als CNC-Fräser Computerprogramme schreiben oder vorhandene Programme benutzen und Arbeiten verrichten, die in größeren Firmen von Ingenieuren geleistet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved