L 13 AS 2559/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 6382/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2559/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern Ziff. 2 bis 4 die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob auf den Anspruch der Kläger Ziff. 2, 3 und 4 auf Sozialgeld während ihres Aufenthaltes in der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin Ziff. 1 das für sie gezahlte Kindergeld als Einkommen anzurechnen ist.

Die 1978 geb. Klägerin Ziff. 1 ist die Mutter des 1996 geb. Klägers Ziff. 2 und der beiden 1999 geb. Kläger Ziff. 3 und 4. Weiterhin ist sie Mutter dreier weiterer, jüngerer Kinder. Mit dem Vater der Kläger Ziff. 2 bis 4 war die Klägerin Ziff. 1 nicht verheiratet. Durch Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. November 2002 wurde das alleinige Sorgerecht für die Kläger Ziff. 2 bis 4 dem Vater übertragen. Nach einer von der Klägerin Ziff. 1 und dem Vater getroffenen Umgangsrechtvereinbarung vom 23. September 2003 - bestätigt mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg i. Br. vom 23. September 2003- halten sich die Kläger Ziff. 2 bis 4 alle 14 Tage von Freitag, 17:00 Uhr bis Sonntag, 18:00 Uhr bei der Klägerin Ziff. 1 auf. Zudem verbringen sie die ersten 7 Tage von Oster- und Weihnachtsferien vom ersten Tag 12:00 Uhr bis zum 7. Tag, 18:00 Uhr, und weitere 14 jeweils zu vereinbarende Tage während der Sommerferien bei der Klägerin Ziff. 1. Der Vater der Kläger Ziff. 2 bis 4 ist verheiratet, hat 2 weitere Kinder und ist versicherungspflichtig beschäftigt bei der Solarfabrik F.; er bezieht keine Sozialleistungen. Seine Unterhaltspflicht gegenüber den Kläger Ziff. 2 bis 4 erbringt er durch Gewährung von Naturalunterhalt. Das Kindergeld für die Kläger Ziff. 2 bis 4 in Höhe von jeweils 154,00 EUR wird an den Vater gezahlt. Die Kläger Ziff. 2 bis 4 verfügen ansonsten über kein Einkommen oder Vermögen. Bis 31. Dezember 2004 bezog die Klägerin Ziff. 1 mit ihrem damaligen Lebenspartner Sozialhilfe. Hierbei wurden anteilige Regelsätze während des Aufenthaltes der Kläger Ziff. 2 bis 4 bei der Klägerin Ziff. 1 gezahlt. Seit 1. Januar 2005 bezog die Klägerin Ziff. 1 mit ihrem damaligen Lebenspartner und ihrer am 21. November 2003 geborenen weiteren Tochter Arbeitslosengeld II (ALG II) nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seit der Trennung von ihrem Lebenspartner im September 2005 bezieht sie für sich und als Alleinerziehende ihrer 2003, 2006 und 2008 geborenen Kinder ALG II. Die Klägerin Ziff. 1 und ihre Kinder bewohnen eine etwa 84 m2 große Wohnung, für die eine Kaltmiete in Höhe von 330,40 EUR zu zahlen ist.

Am 3. Juli 2006 beantragte die Klägerin Ziff. 1 bei der Beklagten für die Aufenthalte der Kläger Ziff. 2 bis 4 bei ihr anteilig Leistungen nach dem SGB II. Der Antrag war allgemein für die Zukunft formuliert, wurde jedoch wegen der bevorstehenden Sommerferien für den vereinbarten Aufenthalt für die Kläger Ziff. 2 bis 4 vom 28. August bis 10. September 2006 gestellt. Mit Bescheid vom 19. Juli 2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für das Umgangsrecht mit den Kindern ab. Den hiergegen am 8. August 2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 zurück. Zeitgleich mit dem Widerspruch beantragte die Klägerin Ziff. 1 beim Sozialgericht Freiburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit Beschluss vom 24. August 2006 (Aktenzeichen: S 9 AS 3898/06 ER) verpflichtete das SG die Beklagte, der Klägerin Ziff. 1 ein Darlehen in Höhe von 189,00 EUR (berechnet aus einem Betrag von 4,50 EUR pro Tag und Kind bei 3 Kindern für 14 Tage) für die Zeit vom 28. August bis 10. September 2006 zu gewähren und die Rückzahlung bis zur Entscheidung über den Bescheid vom 19. Juli 2007 auszusetzen. Mit Ausführungsbescheid vom 6. September 2006 gewährte die Beklagte ein zinsloses Darlehen in Höhe von 189,00 EUR. Der Besuch der Kläger Ziff. 2 bis 4 vom 28. August bis 10. September 2006 wurde vom Vater der Kinder bestätigt. Auch im Weiteren wurden die Besuche der Kläger Ziff. 2 bis 4 bei der Klägerin Ziff. 1 entsprechend der Umgangsvereinbarung tatsächlich durchgeführt. Auf den Antrag der Klägerin Ziff. 1 vom 7. September 2006 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 19. September 2006 ein Darlehen für die Besuche am 23. und 24. September, 7. und 8. Oktober sowie 21. und 22. Oktober 2006 in Höhe von 81,00 EUR. Den hiergegen am 25. September 2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 zurück; dem Antrag sei entsprochen worden. Am 3. November 2006 beantragte die Klägerin Ziff. 1 ein Darlehen für die Besuche am 4. und 5. November, 18. und 19. November, 2. und 3. Dezember sowie 16. und 17. Dezember 2006 sowie für den Aufenthalt während der Weihnachtsferien vom 23. bis 29. Dezember 2006 in Höhe von 202,50 EUR. Mit Bescheid vom 3. November 2006 gewährte die Beklagte darlehensweise 202,50 EUR. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 zurückgewiesen; dem Antrag sei entsprochen worden.

Die Kläger haben am 21. Dezember 2006 Klage beim SG erhoben. Den Klägern Ziff. 2 bis 4 sei ab Juli 2006 anteilig Sozialgeld in Höhe von 6,90 EUR pro Tag und Kind zu gewähren. Es bestünde eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft der Klägerin Ziff. 1 mit den Klägern Ziff. 2 bis 4 während der Ausübung des Umgangsrechts. Die Kläger Ziff. 2 bis 4 seien bedürftig; sie hätten kein eigenes Einkommen. Das an den Vater der Kläger Ziff. 2 bis 4 ausgezahlte Kindergeld sei bei ihnen nicht als Einkommen anzurechnen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Am 20. Dezember 2006 hat die Klägerin Ziff. 1 für die Besuchstermine von Januar bis März 2007 ein Darlehen in Höhe von insgesamt 162,00 EUR beantragt. Mit Bescheid vom 17 Januar 2007 hat die Beklagte antragsgemäß das Darlehen bewilligt. Den hiergegen am 23. Januar 2007 eingelegten Widerspruch hat die Beklagte im Hinblick auf das anhängige Klageverfahren ruhend gestellt. Mit Bescheid vom 18. April 2007 hat die Beklagte antragsgemäß ein Darlehen in Höhe von 229,50 EUR für die Aufenthalte der Kläger Ziff. 2 bis 4 bei der Klägerin Ziff. 1 in den Osterferien und weitere Aufenthalte im April, Mai und Juni 2007 bewilligt. Der hiergegen am 30. April 2007 eingelegte Widerspruch ist ebenfalls zum Ruhen gebracht worden. Mit weiterem Bescheid vom 7. Dezember 2007 hat die Beklagte für den Zeitraum 1. Oktober 2007 bis 31. März 2008 den Klägern Ziff. 2 bis 4 anteilig Sozialgeld bewilligt. Mit ihrem Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2008 haben die Kläger Ziff. 2 bis 4 den Anspruch auf die Zahlung anteiligen Sozialgeldes ausdrücklich auf den Zeitraum Juli 2006 bis 30. September 2007 beschränkt. Mit Urteil vom 30. Januar 2008 hat das SG die Beklagte verurteilt, den Klägern Ziff. 2 bis 4 für jeden vollen Tag des Aufenthaltes bei der Klägerin Ziff. 1 in der Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2007 jeweils anteiliges Sozialgeld in Höhe von 6,90 EUR - unter Anrechnung der bereits als Darlehen erbrachten Leistungen - zu gewähren, wobei die Aufenthalte an den Wochenenden jeweils als 2 Tage zu werten sind. Soweit die Klägerin Ziff. 1 für die Aufenthalte der Kläger Ziff. 2 bis 4 bei ihr anteiligen Bedarf als Alleinerziehende geltend gemacht hat, hat es die Klage abgewiesen.

Gegen dieses den Bevollmächtigten der Kläger am 30. April 2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Mai 2008 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, für den Bedarf der Kläger Ziff. 2 bis 4 sei das für sie gewährte Kindergeld auch bei der zeitweisen Zuordnung zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin Ziff. 1 anzurechnen. Das Kindergeld der zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kinder sei bei dem jeweiligen Kind anzurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigt werde, unabhängig davon, wer letztlich der Kindergeldberechtigte - hier der Kindsvater - sei. Die Zuordnung eines Anspruchs auf Kindergeld bestimme sich bei mehreren Berechtigten aus § 64 Einkommenssteuergesetz (EStG), wonach nur einem Berechtigten Kindergeld für ein Kind gezahlt werden solle. Gerade bei Fällen mit zeitanteiliger Aufnahme in eine (weitere) Bedarfsgemeinschaft stimmten die Konkurrenzregelungen des § 64 EStG hinsichtlich ihrer Intention nicht mit den Anrechnungsvorschriften des SGB II überein. Es sei daher eine eher abstrakte rechtliche Zuordnung erforderlich.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Januar 2008 aufzuheben, soweit sie verurteilt worden ist, anteiliges Sozialgeld ohne Anrechnung von Kindergeld zu gewähren und insoweit die Klage abzuweisen.

Die Kläger Ziff. 2 bis 4 beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angegriffene Urteil für zutreffend. Das an eine Person außerhalb der Bedarfsgemeinschaft gezahlte Kindergeld sei nicht als Einkommen der Kläger Ziff. 2 bis 4 anzurechnen. Das Kindergeld fliesse ausschließlich dem kindergeldberechtigten Vater zu. Weder die Klägerin Ziff. 1 noch die Kläger Ziff. 2 bis 4 könnten von ihm eine teilweise Weiterleitung an sich selbst verlangen. Nach § 64 Abs. 2 EStG sei vorliegend ausschließlich der Kindsvater kindergeldberechtigt. Da dem barunterhaltspflichtigen Elternteil - hier die Klägerin Ziff. 1 - das hälftige Kindergeld lediglich über die Anrechnung auf den Barunterhalt nach § 1612 b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zugute kommen könne, vorliegend die Voraussetzungen hierfür jedoch nicht erfüllt seien, da die Klägerin Ziff. 1 im streitgegenständlichen Zeitraum mangels Leistungsfähigkeit keinen Barunterhalt geleistet habe, habe das Kindergeld ausschließlich dem Kindsvater zugestanden, der den Unterhalt der Kinder mit Ausnahme der Besuchszeiten bei der Klägerin Ziff. 1 vollständig allein getragen habe. Auch die Kläger Ziff. 2 bis 4 könnten eine anteilige Auszahlung des Kindergeldes an sich nicht verlangen. Da verfassungsrechtlich eine Berücksichtigung des Bedarfs im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Umgangsrechts geboten sei, sei die Anrechnung von Kindergeld nur dann gerechtfertigt und verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn das Kindergeld der Bedarfsgemeinschaft, in der das Kind lebe, auch tatsächlich zur Verfügung stehe; dies sei vorliegend aber nicht der Fall.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten (2 Bände), der Akte des SG (S 13 AS 6382/06) und der Berufungsakte des Senats (L 13 AS 2550/08) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG Freiburg vom 30. Januar 2008 insoweit, als die Beklagte verurteilt worden ist, den Klägern Ziff. 2 bis 4 für den Zeitraum 1. Juli 2006 bis 30. September 2007 jeweils anteiliges Sozialgeld in Höhe von 6,90 EUR für jeden vollen Tag des Aufenthaltes bei der Klägerin Ziff. 1 ohne Anrechnung des jeweiligen Kindergeldes als Einkommen zu gewähren sowie der diesbezüglich streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2006. Der vorliegend streitige Zeitraum erstreckt sich vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2007. Zwar hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Juli 2006 die Gewährung von Leistungen für die Kläger Ziff. 2 bis 4 grundsätzlich abgelehnt, weswegen sich der zu beurteilende Zeitraum an sich bis zur mündlichen Verhandlung erstreckt. Im Falle der Ablehnung der Gewährung von Leistungen kommt nämlich eine Begrenzung des Streitgegenstandes - etwa auf den 6-Monats-Zeitraum des § 41 Abs. 2 SGB II - nicht in Betracht (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 4200 § 20 Nr. 3; BSG vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 16/07 R - veröffentlicht in Juris). Die Kläger haben aber in der mündlichen Verhandlung vor dem SG den streitgegenständlichen Zeitraum wirksam auf die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2007 begrenzt, nachdem die Beklagte ihrem Begehren mit Bescheid vom 7. Dezember 2007 für die Zeit ab 1. Oktober 2007 entsprochen hat.

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs. 4 SGG) der Kläger Ziff. 2 bis 4 gegen den Bescheid vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2006 zutreffend als zulässig betrachtet. Insbesondere hat der Bevollmächtigte der Klägerin Ziff. 1 seine Bevollmächtigung für die Kläger Ziff. 2 bis 4 durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht des alleinsorgeberechtigten Kindsvaters der Kläger Ziff. 2 bis 4 nachgewiesen. Die Klagen der Kläger Ziff. 2 bis 4 sind auch nicht etwa deswegen unzulässig, weil Antrag, Bescheid vom 19. Juli 2006, Widerspruch und Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 ihrem Wortlaut nach nur die Klägerin Ziff. 1 aufführen. Denn sowohl im Bescheid vom 19. Juli 2006 als auch im Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 hat sich die Beklagte, selbst wenn sie sich nicht ausdrücklich an die Kläger Ziff. 2 bis 4 richten, erkennbar und ausschließlich mit ihren Ansprüchen auf anteiliges Sozialgeld während der Aufenthalte bei der Klägerin Ziff. 1 auseinandergesetzt. Im Übrigen war der Bevollmächtigte der Kläger Ziff. 2 bis 4 bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheids in das Widerspruchsverfahren eingeschaltet.

Die Klagen der Kläger Ziff. 2 bis 4 waren auch begründet, da der Bescheid vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2006 rechtswidrig war und die Kläger in ihren Rechten verletzte. Sie haben einen Anspruch auf anteiliges Sozialgeld für die Zeit ihrer Aufenthalte bei der Klägerin Ziff. 1 im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2007 ohne Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen.

Der Anspruch der Kläger Ziff. 2 bis 4 auf Sozialgeld folgt aus § 28 Abs. 1 SGB II. Danach erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel des 12. Buches haben. Dies umfasst die sich aus § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen. Die Kläger Ziff. 2 bis 4 haben das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Ihre Mutter, die Klägerin Ziff. 1, ist erwerbsfähige Hilfebedürftige nach § 7 Abs. 1 SGB II; sie stand im streitgegenständlichen Zeitraum und steht immer noch im diesbezüglichen Leistungsbezug der Beklagten. Die Kläger Ziff. 2 bis 4 leben auch mit der Klägerin Ziff. 1, ihrer Mutter, während ihrer der Umgangsrechtvereinbarung entsprechenden Aufenthalte bei der Klägerin Ziff. 1, mit dieser in einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - ( SozR 4-4200 § 20 Nr. 1) zu dieser Konstellation folgendes ausgeführt:

"Für die zusätzlichen Lebenshaltungskosten in den Zeiten, in denen die Töchter des Klägers bei diesem gewohnt haben ist allerdings die Annahme einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gerechtfertigt. Die Regelung verlangt schon nach ihrem Wortlaut (dem Haushalt angehörend) kein dauerhaftes "Leben" im Haushalt wie etwa Abs. 3 Nr. 2 und 3. Es genügt vielmehr ein dauerhafter Zustand in der Form, dass die Kinder mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wie vorliegend - bei dem Kläger länger als einen Tag wohnen, also nicht nur sporadische Besuche vorliegen. Auch nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung kann bei minderjährigen Kindern eine getrennte und damit doppelte Bedarfsgemeinschaft sowohl mit dem einen als auch mit dem anderen Elternteil angenommen werden, etwa wenn sich die Eltern darauf einigen, die Kinder abwechselnd im Haushalt des Einen und des Anderen zu versorgen. Diese Situation unterscheidet sich jedoch qualitativ nicht von der vorliegenden Konstellation, dass die Kinder nur an wenigen Tagen außerhalb des Haushalts der Mutter dem Haushalt des Vaters angehören. Der rein quantitative Unterschied der Anzahl der Tage kann jedoch nicht bedeuten, dass die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft, die sowohl bei dem einen als auch bei dem anderen Elternteil besteht, ausgeschlossen ist. Auf diese Weise ergibt sich zumindest zum Teil eine SGB - II - immanente Lösung des Problems der Umgangskosten, die der Lösung des SGB XII in dessen § 28 Abs. 1 Satz 2 nahe kommt und der besonderen Förderungspflicht des Staates nach Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gerecht wird. Allerdings gewährt diese Lösung wiederum nicht dem Kläger einen Anspruch, sondern die Kinder selbst sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen als Bedarfsgemeinschaftsmitglieder Anspruchsinhaber für Teilzeiträume (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 3 SGB II)."

Diesen Ausführungen des BSG schließt sich der Senat an. Diese vom BSG entwickelte Lösung ermöglicht die Ausübung des Umgangsrechts, in dem der Bedarf der Kinder während der Ausübung des Umgangsrechts innerhalb des SGB II durch einen zeitanteiligen Anspruch auf Sozialgeld gedeckt wird. Eine Bedarfsdeckung durch abweichende Festlegung der Leistung für den umgangsberechtigten Elternteil, wie sie bei der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) möglich war (vgl. hierzu Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Oktober 2006 - L 7 AS 4806/06 ER-B - veröffentlicht in Juris) und diese auch im Falle der Klägerin Ziff. 1 zur Zeit ihres Bezugs von Sozialhilfe vorgenommen wurde, kommt nach der Konzeption des SGB II hingegen nicht in Betracht (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II in der ab 1. August 2006 geltenden Fassung); die Klägerin Ziff. 1 macht vorliegend jedoch auch gar keine eigenen Kosten zur Ausübung ihres Umgangsrechts geltend.

Die Kläger Ziff. 2 bis 4 sind auch hilfebedürftig. Gem. § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbare Arbeit (1.) oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (2.) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Insofern vermindert auch gem. § 28 Abs. 2 i.V.m. § 19 Satz 2 SGB II zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen die Geldleistungen (Sozialgeld) der Agentur für Arbeit. Entgegen der Ansicht der Beklagten verfügen die Kläger Ziff. 2 bis 4 jedoch nicht über eigenes anzurechnendes Einkommen aufgrund von Unterhaltsansprüchen oder Ansprüchen auf Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 SGB II. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass die Kläger Ziff. 2 bis 4 zunächst für die Aufenthaltstage bei der Klägerin Ziff. 1 keinen Anspruch auf Barunterhalt gegen ihren Vater haben. Dieser ist nicht zum Barunterhalt verpflichtet, da er Betreuungsunterhalt leistet (vgl. §§ 1606 Abs. 3 Satz 2, 1612 BGB). Zwar kann bei einer Betreuung im "Wechselmodell" ein Unterhaltsanspruch der Kinder gegenüber dem anderen Elternteil für die Zeit bestehen, in der dieser den Unterhalt nicht durch Betreuung leistet. Dies gilt aber dann nicht, wenn die Kinder - wie vorliegend - überwiegend von einem Elternteil betreut werden (vgl. Bundesgerichtshof [BGH Urteil vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 und Urteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04 - beide veröffentlicht in Juris).

Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass auch das an den Vater der Kläger Ziff. 2 bis 4 gezahlte Kindergeld kein Einkommen der Kläger Ziff. 2 bis 4 ist. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist der Kindergeldzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II gilt dies auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigt wird. Letzteres trifft vorliegend bei den Klägern Ziff. 2 bis 4 zu, da das Kindergeld angesichts des ausgefallenen Unterhalts von der Klägerin Ziff. 1 voll zur Bestreitung des Betreuungsunterhalts des Vaters dient. Zutreffend hat das SG § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II so ausgelegt, dass das Kindergeld aber nur dann als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen ist, wenn es einem Elternteil als dem Kindergeldberechtigten gezahlt wird, der Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist (vgl. Brühl in LPK - SGB II, 2. Auflage 2007, § 11 RandNr. 19; DV NDV 2005, 264, 267). Denn das Kindergeld kann nur dann zu Deckung der Bedarfe der Kinder verwendet werden, wenn es der Bedarfsgemeinschaft tatsächlich zur Verfügung steht. Vorliegend wird das Kindergeld jedoch dem Vater als Kindergeldberechtigtem ausgezahlt, da die Kläger Ziff. 2 bis 4 überwiegend in dessen Haushalt leben. Diese Zuordnung entspricht § 64 Abs. 2 EStG. Weder die Klägerin Ziff. 1 noch die Kläger Ziff. 2 bis 4 haben eine rechtliche Möglichkeit, das Kindergeld tatsächlich in die Bedarfsgemeinschaft "fließen" zu lassen, die die Klägerin Ziff. 1 und ihre weiteren Kinder sowie die Kläger Ziff. 2 bis 4 zeitweise, wenn sie sich bei der Klägerin Ziff. 1 aufhalten, bilden. Gem. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG hat die Klägerin Ziff. 1 keinen Anspruch auf Zahlung des Kindergeldes für die Kläger Ziff. 2 bis 4 an sich, da bei mehreren Berechtigten - sie und der Vater der Kläger Ziff. 2 bis 4 - das Kindergeld demjenigen gezahlt wird, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat; dies ist vorliegend der Kindsvater. Auch die Kläger Ziff. 2 bis 4 haben keinen Anspruch, dass das Kindergeld an sie gezahlt wird. Gem. § 64 Abs. 1 Satz 1 EStG kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Abs. 1 EStG an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Der Kindsvater der Kläger Ziff. 2 bis 4 erfüllt jedoch vorliegend seine Unterhaltspflicht nach § 1606 Abs. 3 BGB durch die Betreuung der Kläger Ziff. 2 bis 4. Sinn und Zweck des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II legen dieses Verständnis, dass das Kindergeld nur dann den Kindern als Einkommen zugerechnet werden darf, wenn es auch der Bedarfsgemeinschaft tatsächlich zu Verfügung steht, nahe. Das dem Kind zuzurechnende Kindergeld wirkt sich einkommensmindernd auf das Einkommen des Kindergeldberechtigten aus, aber schafft insbesondere dann durch die gesetzliche Anordnung eine eindeutige Regelung, wenn Einstands- und Haushaltsgemeinschaften bestehen, bei denen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Einkünfte des einen Mitglieds derartiger Gemeinschaften auf den Bedarf der Kinder angerechnet werden können. Daher ging der Gesetzgeber davon aus, dass minderjährige Kinder "typischerweise" in einem gemeinsam wirtschaftenden Familienhaushalt leben und das deshalb die Vermutung gilt, dass ihnen das Kindergeld bis zur Höhe ihres tatsächlichen Bedarfes zugewendet wird. Auf die Feststellung eines konkreten Zuwendungsakts an das Kind, die auch praktisch kaum möglich wäre, kommt es somit nicht an. Diese Vermutung hat aber nur bezogen auf Bedarfsgemeinschaften eine Grundlage, in der das Kindergeld als Einkommen auch tatsächlich vorhanden ist. Voraussetzung dafür, Einkommen zu berücksichtigen ist, dass es sich um "bereites Einkommen" handelt, also Einkommen, das dem Bedürftigen auch tatsächlich und nicht nur normativ zur Verfügung steht (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 55, 148 ff mwN). Fehlt es an so genannten bereiten Mitteln, kommt es für die Gewährung von Leistungen auf die tatsächliche Lage des Hilfesuchenden an (Faktizitätsprinzip). Die Konsequenz aus der typisierenden Betrachtungsweise des Gesetzgebers ist für die Fälle, in denen das Kindergeld nicht in vollem Umfang zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes benötigt wird, etwa weil das Kind weitere Einkünfte aus Unterhaltsleistung oder Renten besitzt, dass der verbleibende restliche Betrag des Kindergeldes als anzurechnendes Einkommen bei dem Kindergeldberechtigten anzusetzen ist; dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Wenn ein solcher Fall aber vorliegend gegeben wäre, könnte das verbleibende Kindergeld auch nicht der Klägerin Ziff. 1 als Einkommen zugerechnet werden, da es dieser Bedarfsgemeinschaft - und damit auch ihr - tatsächlich nicht zur Verfügung steht und die Klägerin Ziff. 1 auch - wie oben ausgeführt - keine rechtliche Möglichkeit hätte, das Kindergeld für die Kläger Ziff. 2 bis 4 der Bedarfsgemeinschaft zufliessen zu lassen.

Der Anspruch der Kläger Ziff. 2 bis 4 auf anteiliges Sozialgeld während der Aufenthalte bei der Klägerin Ziff. 1 scheitert vorliegend auch nicht an der Grenze der "Sozialisierung von Scheidungsfolgekosten" (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 25. Oktober 1994 - 1 BvR 1197/93 - veröffentlicht in Juris; BSG Urteil vom 7. November 2006 a. a. O.). Danach ist es nicht Aufgabe des SGB II, bis in jede Einzelheit für eine Verteilung der für das Existenzminimum der einzelnen Personen notwendigen Gelder zwischen allen Beteiligten zu sorgen. Der Gesetzgeber darf vielmehr typisierend davon ausgehen, dass Zuordnungsprobleme innerhalb familienhafter Beziehungen von den betroffenen Personen im Rahmen bestehender Bedarfsgemeinschaften gemeistert werden. Dabei darf er auch einen einseitigen Willen, füreinander einzustehen, voraussetzen, der über bestehende Unterhaltspflichten hinausgeht. Dies gilt insbesondere für fortbestehende Sorgerechtsbeziehungen zwischen geschiedenen Ehegatten. Gegebenenfalls müssen auch die Kinder mit Teilen das ALG-II-Anspruchs zur Versorgung in der Bedarfsgemeinschaft beitragen. Soweit sie nicht bedürftig sind, besteht keine existenzielle Notwendigkeit zur staatlichen Unterstützung. Anhaltspunkte aber dafür, dass der nicht hilfebedürftige sorgeberechtigte Kindsvater, der verheiratet ist und in dessen Familie neben den Klägern Ziff. 2 bis 4 zwei weitere Kinder mit der jetzigen Ehefrau leben, seine Unterhaltspflicht durch die Gewährung von anteiligem Sozialgeld für die Kläger Ziff. 2 bis 4 teilweise auf den Sozialleistungsträger verschiebt, bestehen hier nicht.

Die Kläger Ziff. 2 bis 4 haben somit dem Grunde nach Anspruch auf Sozialgeld für die Tage des Aufenthaltes bei der Klägerin Ziff. 1 im streitgegenständlichen Zeitraum 1. Juli 2006 bis 30. September 2007. Dabei teilt der Senat die Auffassung des SG, dass die Aufenthalte an den Besuchswochenenden jeweils mit 2 vollen Tagen anzusetzen sind. Der Senat sieht diesbezüglich von einer weiteren Begründung ab und verweist auf die Begründung des SG in seinem Urteil vom 30. Januar 2008. Zur Höhe des anteiligen Sozialgeldes in Höhe von 6,90 EUR bzw. 6,94 EUR ab 1. Juli 2007, das den Klägern Ziff. 2 bis 4 rechnerisch für jeden vollen Tag des Aufenthalts bei der Klägerin Ziff. 1 in Ausübung des Umgangsrechts zusteht -wobei die Kläger Ziff. 2 bis 4 die Höhe des anteiligen Sozialgeldes selbst auf 6.90 EUR begrenzt haben -, sieht der Senat ebenfalls von einer weiteren Begründung ab und nimmt insoweit auf die Gründe des Urteils des SG vom 30. Januar 2008 Bezug.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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