Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1873/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3671/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22.6.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1948 geborene Kläger stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien und hatte dort nach eigenen Angaben (von 1964 bis 1967) eine Lehre als KfZ-Mechaniker absolviert. Seit 1968 lebt er in der Bundesrepublik Deutschland. Zuletzt war er von 2000 bis 2003 als Lagerarbeiter bei einer Getränkefirma, sodann bis November 2004 als Ausfahrer von Zeitungen in Nachtschicht (mit Heben von Gewichten bis 30 kg) beschäftigt.
Am 28.7.2005 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Arztunterlagen bei und holte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 24.11.2005 ein (Gutachtensheft S. 11). Dieser erachtete den Kläger für imstande, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen 6 Stunden täglich und mehr zu verrichten; die bisher ausgeübte Tätigkeit als Fahrer sei noch unter 3 Stunden möglich.
Mit Bescheid vom 9.12.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.
Auf den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers erhob die Beklagte das Gutachten des Chirurgen Dr. Z. vom 10.4.2006. Darin ist ausgeführt, der Kläger traue sich nach eigenen Angaben leichte Tätigkeiten zu; eine solche Arbeit könne das Arbeitsamt ihm aber nicht vermitteln. Er bewohne mit seiner (bereits berenteten) Ehefrau eine Zweizimmerwohnung mit Innenhof. Der soziale Kontakt zu den Nachbarn sei sehr gut. Urlaub mache er seit 1997 nicht mehr, weil er nicht genug Geld habe.
Der Gutachter erhob einen Tagesablauf (Aufstehen gegen 5:00 Uhr, Frühstück in aller Ruhe, Zeitunglesen, danach Spaziergang bis zu einer Stunde oder Einkaufen gehen bzw. Arzttermine, nach dem Mittagessen bei schönem Wetter mit den Nachbarn im Hof, ggf. Besorgungen erledigen, Abendessen und Fernsehen, zu Bett gegen 10:00 Uhr) und diagnostizierte Klagen über Schmerzen im rechten Kniegelenk ohne funktionelle Einschränkung und ohne röntgenologische Zeichen über das Altersmaß vorauseilender degenerativer Veränderungen, leichtgradige Angst und depressive Störung sowie kombinierte Innenohrschwerhörigkeit rechts. Der Kläger sei affektiv gut schwingungsfähig; wenn er über seine Katze spreche, erstrahle er regelrecht. Im Januar 2006 habe der Neurologe Dr. S. noch eine depressive Stimmungslage mit Klagen über multiple Beschwerden und subjektivem Unwohlsein attestiert; all das habe nicht mehr festgestellt werden können. Offenbar habe die attestierte Angst und die depressive Störung auf die Therapie gut angesprochen. Hinsichtlich des Kniegelenks bestehe kein therapeutischer Handlungsbedarf, da auch kein pathologischer Befund habe erhoben werden können; es verblieben nur subjektiv geäußerte Beschwerden. Der Kläger sei in seinen Alltag gut eingebunden. Er sei auch weiterhin in der Lage, mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen und überwiegend im Sitzen bei uneingeschränkter Arbeitsorganisation vollschichtig (6 Stunden und mehr) zu verrichten. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten mit dem Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten sowie mit häufigem Knien. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer mit schwerem Be- und Entladen von Paketen über 30 Kilogramm sei nicht mehr zumutbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.5.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf der Kläger am 14.6.2006 Klage beim Sozialgericht Mannheim erhob. Wegen chronischer Beinschmerzen könne er nicht mehr länger als 2 bis 3 Stunden laufen. Hinzukämen tägliche Krämpfe an beiden Händen. Die Beklagte hätte ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit benennen müssen.
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob das Gutachten des Orthopäden Dr. T. vom 7.2.2007 (SG-Akte S. 64) sowie das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. N. vom 4.4.2007 (SG-Akte S. 100) mit ergänzender Stellungnahme vom 25.4.2007 (SG-Akte S. 118).
Der Orthopäde Dr. R. gab an, es liege wohl eine therapiebedürftige angstdepressive Störung vor, die den orthopädischen Organkern überlagere (Bericht vom 18.7.2006, SG-Akte S. 24). Der Orthopäde Dr. Hinrichs vertrat die Auffassung, der Kläger könne mittelschwere Tätigkeiten sowie leichte Arbeiten 6 Stunden täglich verrichten; dauerhafte Zwangshaltungen und das Heben schwerer Lasten über 10 Kilogramm seien nicht möglich. Das für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit im Vordergrund stehende Leiden liege auf orthopädischem Fachgebiet (Bericht vom 20.7.2006, SG-Akte S. 30). Der Neurologe und Psychiater Dr. S. teilte Behandlungstermine (17.1., 18.1., 15.2., 14.3.2006) sowie die Diagnosen Angst und depressive Störung mit; eine Leistungseinschätzung gab er nicht ab (Bericht vom 30.7.2006, SG-Akte S. 33). Der Allgemeinarzt und Psychotherapeut Dr. P. gab an, im Jahr 2005 habe sich der Kläger 39 mal vorgestellt. Er könne leichte Arbeiten im Wechselrhythmus zwei Stunden bis unter halbschichtig verrichten. Das maßgebliche Leiden liege auf psychiatrischem Fachgebiet (Bericht vom 21.11.2006, SG-Akte S. 41).
Der Orthopäde Dr. T. führte in seinem Gutachten aus, während der Untersuchung habe sich ein gesteigertes Schmerzempfinden ohne auffällige Depression gezeigt. Am Unterkieferwinkel des Klägers befinde sich eine Narbe nach operativer Entfernung eines gutartigen Tumors. Der Gutachter diagnostizierte eine Fehlstellung und verstärkte Gefügestörung der Halswirbelsäule mit rezidivierendem Schulter-Arm-Syndrom ohne Nervenwurzelirritation, hohlrunden Rücken, statisch und muskulär ausreichend kompensiert bei geringen bis mäßigen Gefügestörungen ohne Zeichen einer Nervenwurzelirritation, Verdacht auf chronische Alkoholerkrankung mit Tremor und Polyneuropathie, Osteoporose ohne Spontanverformung der Wirbelkörper, beginnende Retropatellararthrose beidseits ohne wesentliche Kapselreizung oder Funktionseinschränkung, Chondromalazie Grad II linkes Knie sowie somatoforme Schmerzstörung ohne wesentliche Depression. Der Kläger könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer im Getränkeauslieferungsdienst nur noch unter 3 Stunden täglich verrichten. Leichte Arbeiten mit gelegentlich mittelschweren Belastungsspitzen ohne regelmäßiges Heben und Tragen von Lasten über 8 bis 10 Kilogramm in wechselnder Körperhaltung seien aber vollschichtig möglich; zu vermeiden seien vermehrtes Treppen- und Leitersteigen sowie Arbeiten in Hock- und Knieposition. Der Kläger sei wegefähig. Der Leistungsbeurteilung im Gutachten des Dr. Z. werde zugestimmt.
Der Neurologe und Psychiater Dr. N. führte in seinem Gutachten aus, der Kläger habe, auf seine Beschwerden angesprochen, vor allem über Schmerzen im linken Knie und in beiden Beinen geklagt; er habe Schwierigkeiten, längere Strecken zu laufen. Hinzukämen Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich sowie Kopfschmerzen. Im Jahr 2003 sei ein gutartiger Tumor hinter dem linken Ohr entfernt worden; seitdem habe er manchmal Gefühlsstörungen in der linken Wangenregion. Schließlich leide er unter depressiven Verstimmungen und Schlafstörungen. Vor etwa zwei Jahren habe er den Neurologen und Psychiater Dr. S. aufgesucht, der ihm ein Medikament verschrieben habe; dieses nehme er abends ein, wodurch er nervlich etwas entspanne. Er habe vor, mit seiner bereits Rente beziehenden Ehefrau nach Sarajevo zurückzukehren, sobald er selbst Rente bekomme.
Der Gutachter erhob den Tagesablauf des Klägers (Aufstehen um 6:00 Uhr, Kaffee trinken, in den Morgenstunden am Neckar spazieren gehen, Treffen mit Freunden, mit einem Bekannten zum Angeln gehen, manchmal mit der Ehefrau einkaufen oder Arzttermine, nach dem Mittagessen Mittagsschlaf und Spaziergang oder Erledigungen, Besuch von Freunden oder Aufenthalt im Innenhof des Hauses, abends Fernsehen, Zeitung lesen oder Freunde treffen, zu Bett zwischen 22:00 und 23:00 Uhr) und diagnostizierte Angst und Depression gemischt, sensomotorisch gemischte, axonal betonte Polyneuropathie, Zervikozephalsyndrom sowie Karpaltunnelsyndrom links. Die Stimmung sei leichtgradig gedrückt, es liege aber eine erhaltene Schwingungsfähigkeit vor. Der Antrieb sei ungestört. Der Kläger werde von Dr. S. mit einem leichten Antidepressivum medikamentös behandelt. Eine psychosomatische Rehabilitation oder eine psychotherapeutische Behandlung habe bislang nicht stattgefunden. Der psychopathologische Befund sei geprägt von einer leichtgradig depressiven Grundstimmung, Schlafstörungen, innerlichen Ängsten und Unruhe. Symptome, die für eine schwergradige depressive Störung sprächen, wie formelle Denkstörungen, Antriebslosigkeit, eine schwere vegetative Mitbeteiligung oder aufgehobene Schwingungsfähigkeit, lägen nicht vor. Der Kläger habe zwar über nächtliche Alpträume sowie quälende Erinnerungen an Kriegserlebnisse im ehemaligen Jugoslawien berichtet; diese habe er jedoch eher als passiver Beobachter für einige Monate, vor der Flucht nach Deutschland, erlebt. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor. Insgesamt finde sich ein doch eher leichtes depressives Syndrom, das auch bislang nicht zur Notwendigkeit einer medikamentösen antidepressiven Therapie oder zu einer ambulanten Psychotherapie geführt habe. Auch die Kontakte zum niedergelassenen Nervenarzt fänden in eher sporadischem Abstand statt. Bei Betrachtung des üblichen Tagesablaufs bzw. der Gestaltungsfähigkeit des Alltags ließen sich keine wesentlichen Einschränkungen erkennen. Der Kläger könne leichte bis gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne häufiges Bücken und Treppensteigen sowie ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und ohne Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Tritt- und Standsicherheit vollschichtig verrichten.
Nachdem der Kläger im Hinblick auf testpsychologische Befunde Einwendungen erhoben hatte, führte Dr. N. in der ergänzenden Stellungnahme vom 25.4.2007 aus, bei dem so genannten "Beck-Depressions-Inventar", das eine klinisch relevante Depression ergeben habe, handele es sich um eine Selbstbeurteilungsskala, die bewusst in Ergänzung zu einer Fremdbeurteilungsskala (hier der "Hamilton-Depressions-Skala") eingesetzt werde. Entscheidend sei der Eindruck der Fremdbeurteilungsskala, die ein objektiveres Bild gebe. Dieses sei hier unauffällig gewesen. Die testpsychologischen Ergebnisse wiesen darauf hin, dass sich der Kläger vor allem selbst (Hervorhebung im Original) als depressiv wahrnehme. Wie im Gutachten dargelegt, sei es ihm möglich, diese depressiven Verstimmungen und die subjektive Antriebslosigkeit mit einer entsprechenden Willensanstrengung zu überwinden.
Mit Urteil vom 22.6.2007 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger könne Erwerbsminderungsrente (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) nicht beanspruchen, weil er noch in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten 6 Stunden täglich zu verrichten. Das gehe aus den Gutachten der Dres. T. und N. schlüssig hervor. Demgegenüber könnten teilweise abweichende Auffassungen behandelnder Ärzte nicht überzeugen.
Auf das ihm am 27.6.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.7.2007 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Sozialgericht habe die Diagnosen des Dr. S., wonach er unter Angst und depressiver Störung leide, nicht ausreichend berücksichtigt. Außerdem habe er zuvor den Neurologen und Psychiater Dr. S. aufgesucht, der Niedergeschlagenheit, Antriebsminderung und eine angst-depressive Stimmungslage festgestellt habe (Arztbrief vom 11.4.2005, Senatsakte S. 5: neurologisch-psychiatrischer Befund: klagsam, niedergeschlagen, lahm, müde, erschöpft, angst-depressive Stimmungslage, auf eigene psycho-physische Befindlichkeit fixiert, antriebsgemindert, vorzeitige Ermüdbarkeit, Belastbarkeitsminderung). Entgegen der Auffassung des Dr. N. leide er unter einer schwergradigen Depression und habe Anspruch auf Erwerbsminderungsrente.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22.6.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.5.2006 zu verurteilen, ihm ab 1.7.2005 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 15.5.2008 erhoben. Darin ist ausgeführt, der Kläger sei seit 17.1.2006 als Patient bekannt. Seitdem erfolgten regelmäßige Konsultationen, zuletzt am 17.1.2008.
Der Kläger habe angegeben, er sei geschieden. Seit der Zeit (1978) sei er alleine und habe keinen Kontakt zu anderen Frauen gehabt. Der Krieg habe in seinem Heimatland (Bosnien) alles zerstört; er besitze dort nichts mehr. Seit zwei Monaten beziehe er Arbeitslosengeld II, habe kein Telefon und unternehme nichts. Die Rente habe er wegen seiner körperlichen Beschwerden beantragt. Er lebe mit einer Frau zusammen seit 1991; seine eigene Frau habe ihn wegen eines anderen Mannes verlassen. Er habe keine Kinder, sei seit 1968 in Deutschland und verheiratet.
Der Gutachter fand ausreichenden Antrieb. Die Stimmung sei indifferent bis subdepressiv. Am Gesichtsausdruck sei aber nur geringes Leiden und geringe Trauer feststellbar (Gutachten S. 13). Der Kläger sei im Affekt klagsam hinsichtlich multipler Beschwerden und subjektivem Unwohl- und Unglücklichsein. Er sei besorgt durch die Angabe eines Tumors im Gesicht. Deswegen komme es auch zu Missempfindungen im Gesicht und (seit 3 Monaten) einem Hitzegefühl im Bereich des linken Kiefers. Außerdem sei der Kläger dauernd nervös und unruhig. Die anamnestischen Daten würden mangelhaft wiedergegeben, eine chronologische Lebensgeschichte sei nur mühsam zu erfahren.
Dr. S. diagnostizierte Angst und Depression gemischt, lumbales Syndrom, Verdacht auf Restless-Legs-Syndrom, Neuropathie der unteren Extremitäten, neuralgieforme Schmerzen der unteren Extremitäten und essentiellen Tremor. Auf neurologischem Fachgebiet liege (u. a.) eine Neuropathie vor sowie der Verdacht auf ein Restless-Legs-Syndrom, wenngleich die Kardinalfragen nicht eindeutig bejaht würden; subjektiv trete unter Behandlung mit L-Dopa eine Besserung der Beschwerden auf. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine chronifizierte depressive Symptomatik und Angst, zusammengefasst als Angst und Depression gemischt. Es handele sich um ein depressives Syndrom (Initiativlosigkeit, Antriebsstörung und Störung der Körpervitalität). In Zusammenschau der bisherigen Beschwerden, Symptomatologie und Verlauf sowie der auf Grund der Diagnosen bisher durchgeführten Behandlungen könnten chronifizierte Beschwerden festgestellt werden, die zu einer Minderung der körperlichen Leistungsfähigkeit führten. Aus seiner (des Gutachters) Sicht sei der allgemeine Eindruck hier ausschlaggebend für die von ihm festgestellten Einschränkungen; es handele sich um ein typisches Phänomen des einfachen Migranten. Leichte körperliche Arbeiten seien 2 bis 3 Stunden täglich möglich. Die Leistungseinschränkung beruhe auf psychophysischer Basis. Die Gewährung der Rente werde sicherlich dazu beitragen, dass eine andere Gestaltung der Alltags- und Lebenssituation möglich wäre. Nach seinem (des Gutachters) klinischem Eindruck sei der Kläger nicht in der Lage, viermal täglich 500 Meter zu Fuß zurückzulegen; er könne aber Autofahren. Die Beschwerden lägen bereits seit dem Jahr 2005 vor. Er komme zu seiner Entscheidung im Zusammenhang mit den Beschwerden des Klägers und berücksichtige unter anderem die kulturelle Herkunft, die Lebenssituation des Migranten, sein Alter, geringen sozialen Rückhalt, Ängste, Kinderlosigkeit, den Verlust des eigenen Geschäfts im Heimatland und anderes.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme der Nervenärztin und Sozialmedizinerin Dr. K. vom 30.6.2008 vor. Diese führte aus, der behandelnde Nervenarzt Dr. S. beziehe die Leistungsminderung auf das Jahr 2005, gehe also nicht von einer Verschlechterung aus. Vielmehr handele es sich um eine andere Leistungsbeurteilung bei gleichem medizinischen Sachverhalt. Der Vergleich mit den bereits von Dr. S. vorliegenden Befunden (Bericht vom 30.7.2006) lasse eine wesentliche Verschlechterung auch nicht erkennen. In der genannten Zeit sei das nervenärztliche Gutachten des Dr. N. vom 4.4.2007 erstellt worden. Dieser sei nachvollziehbar auf Grund der erhobenen Befunde zu dem Ergebnis gelangt, dass eine zeitliche Leistungsminderung nicht vorliege. Die Diagnosen in beiden Gutachten stimmten im Wesentlichen überein. Dr. N. habe auch den von Dr. S. als eigenständige Diagnose aufgeführten essentiellen Tremor berücksichtigt; Dr. N. habe festgestellt, dass lediglich ein leichter grobschlächtiger Haltetremor der Extremitäten mit Betonung der Arme beidseits vorliege sowie ein feinschlägiger Neinsagetremor des Kopfes ohne Rigor.
Der Kläger trug abschließend vor, im Gegensatz zu Dr. S. habe Dr. N. keine Antriebslosigkeit oder aufgehobene Schwingungsfähigkeit festgestellt. Dr. S. habe Initiativlosigkeit, Antriebsstörung und Störung der Körpervitalität diagnostiziert. Insoweit liege eine Diskrepanz vor. Er, der Kläger habe seine depressive Verstimmung nicht mit entsprechender Willensanstrengung überwinden können. Laut Gutachten des Dr. S. habe er geringe soziale Kontakte und sei gesellschaftlich nicht integriert und könne auch nicht viermal täglich 500 Meter zu Fuß zurücklegen. Maßgeblich sei der allgemeine Eindruck.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätzen sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat die Gewährung von Erwerbsminderungsrente zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat darauf keinen Anspruch.
Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 43 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist, und weshalb ihm danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten und die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren anzumerken:
Aus den von der Beklagten und vom Sozialgericht erhobenen Gutachten der Dres. Z., T. und N. geht überzeugend hervor, dass eine rentenberechtigende Leistungsminderung nicht vorliegt. Das gilt auch für vom Kläger behauptete Leistungseinschränkungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Der Neurologe und Psychiater Dr. N. hat das in seinem Gutachten vom 4.4.2007 (mit ergänzender Stellungnahme vom 25.4.2007) schlüssig dargelegt. Danach mag sich der Kläger selbst als depressiv wahrnehmen, von einer rentenrechtlich beachtlichen Depressionserkrankung kann freilich keine Rede sein. Dr. N. fand lediglich eine leichtgradig gedrückte Stimmung bei erhaltener Schwingungsfähigkeit und ungestörtem Antrieb; der vom Gutachter eruierte, im Wesentlichen unbeeinträchtigte Tagesablauf des Klägers unterstreicht diese Einschätzung.
Zu der begehrten Rente können dem Kläger auch die Atteste bzw. Gutachten der Dres. S. und S. nicht verhelfen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat Dr. N. insbesondere die Diagnosen und Behandlungen des Dr. S. in seinem Gutachten berücksichtigt und zutreffend gewürdigt. Davon abgesehen sind für die Gewährung von Erwerbsminderungsrente Leistungseinschränkungen und nicht Diagnosen für sich allein maßgeblich. Das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG erhobene Gutachten des Dr. S. belegt eine rentenberechtigende Leistungsminderung ebenfalls nicht. Die Nervenärztin und Sozialmedizinerin Dr. K. hat das in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30.6.2008 schlüssig dargelegt. Auch Dr. S. fand ausreichenden Antrieb und eine indifferente bis subdepressive Stimmung. Unbeschadet dessen, dass Zweifel an der Richtigkeit (auch) dieser Einschätzung bzw. der Selbstdarstellung des Klägers insoweit aufkommen, als Dr. S. bei der Exploration im Gesichtsausdruck des Klägers nur geringes Leid und geringe Trauer hat feststellen können, sind rentenrechtlich beachtliche Leistungsminderungen daraus nicht abzuleiten. Die (quantitative) Leistungseinschätzung des Gutachters (Leistungsfähigkeit für körperlich leichte Arbeiten 2 bis 3 Stunden täglich) ist durch nichts begründet. Irgendwelche Befunde, die hierfür von Belang sein könnten, finden sich in dem Gutachten nicht. Vielmehr hat sich der Gutachter ersichtlich im Kern auf die subjektiven Beschwerdebehauptungen des Klägers gestützt. Außerdem hat er (im Gegensatz zu den Dres. Z. und N.) dessen Tagesablauf und Alltagsleben nicht weiter eruiert. Eine schlüssige Leistungsbeurteilung für das psychiatrische Fachgebiet ist mit einem Gutachten dieser Art nicht abzugeben. Das gilt auch für die Annahme, der Kläger könne (bei auf die Zeit ab 2005 datierten Leistungseinschränkungen) nicht viermal täglich Wegstrecken von 500 Meter zu Fuß zurücklegen. Woraus, wenn nicht aus bloßen Behauptungen des Klägers, der Gutachter diese Erkenntnis bzw. den als solchen bezeichneten "klinischen Eindruck" gewinnt, geht aus dem Gutachten nicht schlüssig hervor; bei Dr. Z. (Gutachten vom 10.4.2006) gab der Kläger demgegenüber an, nach dem Frühstück bis zu einer Stunde spazieren zu gehen. Morgendliche Spaziergänge am Neckar sind auch im Gutachten des Dr. N. vom 4.4.2007 berichtet. Angesichts der orthopädischen Befunde des Dr. Z. (kein therapeutischer Handlungsbedarf und kein pathologischer Befund hinsichtlich des Kniegelenks) und des Dr. T. (beginnende Retropatellararthrose beidseits ohne wesentliche Kapselreizung oder Funktionseinschränkung) ist für eine Einschränkung der Wegefähigkeit nichts ersichtlich. Die behandelnden Orthopäden Dres. R. und Hinrichs haben hierfür ebenfalls nichts berichtet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1948 geborene Kläger stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien und hatte dort nach eigenen Angaben (von 1964 bis 1967) eine Lehre als KfZ-Mechaniker absolviert. Seit 1968 lebt er in der Bundesrepublik Deutschland. Zuletzt war er von 2000 bis 2003 als Lagerarbeiter bei einer Getränkefirma, sodann bis November 2004 als Ausfahrer von Zeitungen in Nachtschicht (mit Heben von Gewichten bis 30 kg) beschäftigt.
Am 28.7.2005 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Arztunterlagen bei und holte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 24.11.2005 ein (Gutachtensheft S. 11). Dieser erachtete den Kläger für imstande, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen 6 Stunden täglich und mehr zu verrichten; die bisher ausgeübte Tätigkeit als Fahrer sei noch unter 3 Stunden möglich.
Mit Bescheid vom 9.12.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.
Auf den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers erhob die Beklagte das Gutachten des Chirurgen Dr. Z. vom 10.4.2006. Darin ist ausgeführt, der Kläger traue sich nach eigenen Angaben leichte Tätigkeiten zu; eine solche Arbeit könne das Arbeitsamt ihm aber nicht vermitteln. Er bewohne mit seiner (bereits berenteten) Ehefrau eine Zweizimmerwohnung mit Innenhof. Der soziale Kontakt zu den Nachbarn sei sehr gut. Urlaub mache er seit 1997 nicht mehr, weil er nicht genug Geld habe.
Der Gutachter erhob einen Tagesablauf (Aufstehen gegen 5:00 Uhr, Frühstück in aller Ruhe, Zeitunglesen, danach Spaziergang bis zu einer Stunde oder Einkaufen gehen bzw. Arzttermine, nach dem Mittagessen bei schönem Wetter mit den Nachbarn im Hof, ggf. Besorgungen erledigen, Abendessen und Fernsehen, zu Bett gegen 10:00 Uhr) und diagnostizierte Klagen über Schmerzen im rechten Kniegelenk ohne funktionelle Einschränkung und ohne röntgenologische Zeichen über das Altersmaß vorauseilender degenerativer Veränderungen, leichtgradige Angst und depressive Störung sowie kombinierte Innenohrschwerhörigkeit rechts. Der Kläger sei affektiv gut schwingungsfähig; wenn er über seine Katze spreche, erstrahle er regelrecht. Im Januar 2006 habe der Neurologe Dr. S. noch eine depressive Stimmungslage mit Klagen über multiple Beschwerden und subjektivem Unwohlsein attestiert; all das habe nicht mehr festgestellt werden können. Offenbar habe die attestierte Angst und die depressive Störung auf die Therapie gut angesprochen. Hinsichtlich des Kniegelenks bestehe kein therapeutischer Handlungsbedarf, da auch kein pathologischer Befund habe erhoben werden können; es verblieben nur subjektiv geäußerte Beschwerden. Der Kläger sei in seinen Alltag gut eingebunden. Er sei auch weiterhin in der Lage, mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen und überwiegend im Sitzen bei uneingeschränkter Arbeitsorganisation vollschichtig (6 Stunden und mehr) zu verrichten. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten mit dem Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten sowie mit häufigem Knien. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer mit schwerem Be- und Entladen von Paketen über 30 Kilogramm sei nicht mehr zumutbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.5.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf der Kläger am 14.6.2006 Klage beim Sozialgericht Mannheim erhob. Wegen chronischer Beinschmerzen könne er nicht mehr länger als 2 bis 3 Stunden laufen. Hinzukämen tägliche Krämpfe an beiden Händen. Die Beklagte hätte ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit benennen müssen.
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob das Gutachten des Orthopäden Dr. T. vom 7.2.2007 (SG-Akte S. 64) sowie das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. N. vom 4.4.2007 (SG-Akte S. 100) mit ergänzender Stellungnahme vom 25.4.2007 (SG-Akte S. 118).
Der Orthopäde Dr. R. gab an, es liege wohl eine therapiebedürftige angstdepressive Störung vor, die den orthopädischen Organkern überlagere (Bericht vom 18.7.2006, SG-Akte S. 24). Der Orthopäde Dr. Hinrichs vertrat die Auffassung, der Kläger könne mittelschwere Tätigkeiten sowie leichte Arbeiten 6 Stunden täglich verrichten; dauerhafte Zwangshaltungen und das Heben schwerer Lasten über 10 Kilogramm seien nicht möglich. Das für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit im Vordergrund stehende Leiden liege auf orthopädischem Fachgebiet (Bericht vom 20.7.2006, SG-Akte S. 30). Der Neurologe und Psychiater Dr. S. teilte Behandlungstermine (17.1., 18.1., 15.2., 14.3.2006) sowie die Diagnosen Angst und depressive Störung mit; eine Leistungseinschätzung gab er nicht ab (Bericht vom 30.7.2006, SG-Akte S. 33). Der Allgemeinarzt und Psychotherapeut Dr. P. gab an, im Jahr 2005 habe sich der Kläger 39 mal vorgestellt. Er könne leichte Arbeiten im Wechselrhythmus zwei Stunden bis unter halbschichtig verrichten. Das maßgebliche Leiden liege auf psychiatrischem Fachgebiet (Bericht vom 21.11.2006, SG-Akte S. 41).
Der Orthopäde Dr. T. führte in seinem Gutachten aus, während der Untersuchung habe sich ein gesteigertes Schmerzempfinden ohne auffällige Depression gezeigt. Am Unterkieferwinkel des Klägers befinde sich eine Narbe nach operativer Entfernung eines gutartigen Tumors. Der Gutachter diagnostizierte eine Fehlstellung und verstärkte Gefügestörung der Halswirbelsäule mit rezidivierendem Schulter-Arm-Syndrom ohne Nervenwurzelirritation, hohlrunden Rücken, statisch und muskulär ausreichend kompensiert bei geringen bis mäßigen Gefügestörungen ohne Zeichen einer Nervenwurzelirritation, Verdacht auf chronische Alkoholerkrankung mit Tremor und Polyneuropathie, Osteoporose ohne Spontanverformung der Wirbelkörper, beginnende Retropatellararthrose beidseits ohne wesentliche Kapselreizung oder Funktionseinschränkung, Chondromalazie Grad II linkes Knie sowie somatoforme Schmerzstörung ohne wesentliche Depression. Der Kläger könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer im Getränkeauslieferungsdienst nur noch unter 3 Stunden täglich verrichten. Leichte Arbeiten mit gelegentlich mittelschweren Belastungsspitzen ohne regelmäßiges Heben und Tragen von Lasten über 8 bis 10 Kilogramm in wechselnder Körperhaltung seien aber vollschichtig möglich; zu vermeiden seien vermehrtes Treppen- und Leitersteigen sowie Arbeiten in Hock- und Knieposition. Der Kläger sei wegefähig. Der Leistungsbeurteilung im Gutachten des Dr. Z. werde zugestimmt.
Der Neurologe und Psychiater Dr. N. führte in seinem Gutachten aus, der Kläger habe, auf seine Beschwerden angesprochen, vor allem über Schmerzen im linken Knie und in beiden Beinen geklagt; er habe Schwierigkeiten, längere Strecken zu laufen. Hinzukämen Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich sowie Kopfschmerzen. Im Jahr 2003 sei ein gutartiger Tumor hinter dem linken Ohr entfernt worden; seitdem habe er manchmal Gefühlsstörungen in der linken Wangenregion. Schließlich leide er unter depressiven Verstimmungen und Schlafstörungen. Vor etwa zwei Jahren habe er den Neurologen und Psychiater Dr. S. aufgesucht, der ihm ein Medikament verschrieben habe; dieses nehme er abends ein, wodurch er nervlich etwas entspanne. Er habe vor, mit seiner bereits Rente beziehenden Ehefrau nach Sarajevo zurückzukehren, sobald er selbst Rente bekomme.
Der Gutachter erhob den Tagesablauf des Klägers (Aufstehen um 6:00 Uhr, Kaffee trinken, in den Morgenstunden am Neckar spazieren gehen, Treffen mit Freunden, mit einem Bekannten zum Angeln gehen, manchmal mit der Ehefrau einkaufen oder Arzttermine, nach dem Mittagessen Mittagsschlaf und Spaziergang oder Erledigungen, Besuch von Freunden oder Aufenthalt im Innenhof des Hauses, abends Fernsehen, Zeitung lesen oder Freunde treffen, zu Bett zwischen 22:00 und 23:00 Uhr) und diagnostizierte Angst und Depression gemischt, sensomotorisch gemischte, axonal betonte Polyneuropathie, Zervikozephalsyndrom sowie Karpaltunnelsyndrom links. Die Stimmung sei leichtgradig gedrückt, es liege aber eine erhaltene Schwingungsfähigkeit vor. Der Antrieb sei ungestört. Der Kläger werde von Dr. S. mit einem leichten Antidepressivum medikamentös behandelt. Eine psychosomatische Rehabilitation oder eine psychotherapeutische Behandlung habe bislang nicht stattgefunden. Der psychopathologische Befund sei geprägt von einer leichtgradig depressiven Grundstimmung, Schlafstörungen, innerlichen Ängsten und Unruhe. Symptome, die für eine schwergradige depressive Störung sprächen, wie formelle Denkstörungen, Antriebslosigkeit, eine schwere vegetative Mitbeteiligung oder aufgehobene Schwingungsfähigkeit, lägen nicht vor. Der Kläger habe zwar über nächtliche Alpträume sowie quälende Erinnerungen an Kriegserlebnisse im ehemaligen Jugoslawien berichtet; diese habe er jedoch eher als passiver Beobachter für einige Monate, vor der Flucht nach Deutschland, erlebt. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor. Insgesamt finde sich ein doch eher leichtes depressives Syndrom, das auch bislang nicht zur Notwendigkeit einer medikamentösen antidepressiven Therapie oder zu einer ambulanten Psychotherapie geführt habe. Auch die Kontakte zum niedergelassenen Nervenarzt fänden in eher sporadischem Abstand statt. Bei Betrachtung des üblichen Tagesablaufs bzw. der Gestaltungsfähigkeit des Alltags ließen sich keine wesentlichen Einschränkungen erkennen. Der Kläger könne leichte bis gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne häufiges Bücken und Treppensteigen sowie ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und ohne Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Tritt- und Standsicherheit vollschichtig verrichten.
Nachdem der Kläger im Hinblick auf testpsychologische Befunde Einwendungen erhoben hatte, führte Dr. N. in der ergänzenden Stellungnahme vom 25.4.2007 aus, bei dem so genannten "Beck-Depressions-Inventar", das eine klinisch relevante Depression ergeben habe, handele es sich um eine Selbstbeurteilungsskala, die bewusst in Ergänzung zu einer Fremdbeurteilungsskala (hier der "Hamilton-Depressions-Skala") eingesetzt werde. Entscheidend sei der Eindruck der Fremdbeurteilungsskala, die ein objektiveres Bild gebe. Dieses sei hier unauffällig gewesen. Die testpsychologischen Ergebnisse wiesen darauf hin, dass sich der Kläger vor allem selbst (Hervorhebung im Original) als depressiv wahrnehme. Wie im Gutachten dargelegt, sei es ihm möglich, diese depressiven Verstimmungen und die subjektive Antriebslosigkeit mit einer entsprechenden Willensanstrengung zu überwinden.
Mit Urteil vom 22.6.2007 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger könne Erwerbsminderungsrente (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) nicht beanspruchen, weil er noch in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten 6 Stunden täglich zu verrichten. Das gehe aus den Gutachten der Dres. T. und N. schlüssig hervor. Demgegenüber könnten teilweise abweichende Auffassungen behandelnder Ärzte nicht überzeugen.
Auf das ihm am 27.6.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.7.2007 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Sozialgericht habe die Diagnosen des Dr. S., wonach er unter Angst und depressiver Störung leide, nicht ausreichend berücksichtigt. Außerdem habe er zuvor den Neurologen und Psychiater Dr. S. aufgesucht, der Niedergeschlagenheit, Antriebsminderung und eine angst-depressive Stimmungslage festgestellt habe (Arztbrief vom 11.4.2005, Senatsakte S. 5: neurologisch-psychiatrischer Befund: klagsam, niedergeschlagen, lahm, müde, erschöpft, angst-depressive Stimmungslage, auf eigene psycho-physische Befindlichkeit fixiert, antriebsgemindert, vorzeitige Ermüdbarkeit, Belastbarkeitsminderung). Entgegen der Auffassung des Dr. N. leide er unter einer schwergradigen Depression und habe Anspruch auf Erwerbsminderungsrente.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22.6.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.5.2006 zu verurteilen, ihm ab 1.7.2005 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 15.5.2008 erhoben. Darin ist ausgeführt, der Kläger sei seit 17.1.2006 als Patient bekannt. Seitdem erfolgten regelmäßige Konsultationen, zuletzt am 17.1.2008.
Der Kläger habe angegeben, er sei geschieden. Seit der Zeit (1978) sei er alleine und habe keinen Kontakt zu anderen Frauen gehabt. Der Krieg habe in seinem Heimatland (Bosnien) alles zerstört; er besitze dort nichts mehr. Seit zwei Monaten beziehe er Arbeitslosengeld II, habe kein Telefon und unternehme nichts. Die Rente habe er wegen seiner körperlichen Beschwerden beantragt. Er lebe mit einer Frau zusammen seit 1991; seine eigene Frau habe ihn wegen eines anderen Mannes verlassen. Er habe keine Kinder, sei seit 1968 in Deutschland und verheiratet.
Der Gutachter fand ausreichenden Antrieb. Die Stimmung sei indifferent bis subdepressiv. Am Gesichtsausdruck sei aber nur geringes Leiden und geringe Trauer feststellbar (Gutachten S. 13). Der Kläger sei im Affekt klagsam hinsichtlich multipler Beschwerden und subjektivem Unwohl- und Unglücklichsein. Er sei besorgt durch die Angabe eines Tumors im Gesicht. Deswegen komme es auch zu Missempfindungen im Gesicht und (seit 3 Monaten) einem Hitzegefühl im Bereich des linken Kiefers. Außerdem sei der Kläger dauernd nervös und unruhig. Die anamnestischen Daten würden mangelhaft wiedergegeben, eine chronologische Lebensgeschichte sei nur mühsam zu erfahren.
Dr. S. diagnostizierte Angst und Depression gemischt, lumbales Syndrom, Verdacht auf Restless-Legs-Syndrom, Neuropathie der unteren Extremitäten, neuralgieforme Schmerzen der unteren Extremitäten und essentiellen Tremor. Auf neurologischem Fachgebiet liege (u. a.) eine Neuropathie vor sowie der Verdacht auf ein Restless-Legs-Syndrom, wenngleich die Kardinalfragen nicht eindeutig bejaht würden; subjektiv trete unter Behandlung mit L-Dopa eine Besserung der Beschwerden auf. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine chronifizierte depressive Symptomatik und Angst, zusammengefasst als Angst und Depression gemischt. Es handele sich um ein depressives Syndrom (Initiativlosigkeit, Antriebsstörung und Störung der Körpervitalität). In Zusammenschau der bisherigen Beschwerden, Symptomatologie und Verlauf sowie der auf Grund der Diagnosen bisher durchgeführten Behandlungen könnten chronifizierte Beschwerden festgestellt werden, die zu einer Minderung der körperlichen Leistungsfähigkeit führten. Aus seiner (des Gutachters) Sicht sei der allgemeine Eindruck hier ausschlaggebend für die von ihm festgestellten Einschränkungen; es handele sich um ein typisches Phänomen des einfachen Migranten. Leichte körperliche Arbeiten seien 2 bis 3 Stunden täglich möglich. Die Leistungseinschränkung beruhe auf psychophysischer Basis. Die Gewährung der Rente werde sicherlich dazu beitragen, dass eine andere Gestaltung der Alltags- und Lebenssituation möglich wäre. Nach seinem (des Gutachters) klinischem Eindruck sei der Kläger nicht in der Lage, viermal täglich 500 Meter zu Fuß zurückzulegen; er könne aber Autofahren. Die Beschwerden lägen bereits seit dem Jahr 2005 vor. Er komme zu seiner Entscheidung im Zusammenhang mit den Beschwerden des Klägers und berücksichtige unter anderem die kulturelle Herkunft, die Lebenssituation des Migranten, sein Alter, geringen sozialen Rückhalt, Ängste, Kinderlosigkeit, den Verlust des eigenen Geschäfts im Heimatland und anderes.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme der Nervenärztin und Sozialmedizinerin Dr. K. vom 30.6.2008 vor. Diese führte aus, der behandelnde Nervenarzt Dr. S. beziehe die Leistungsminderung auf das Jahr 2005, gehe also nicht von einer Verschlechterung aus. Vielmehr handele es sich um eine andere Leistungsbeurteilung bei gleichem medizinischen Sachverhalt. Der Vergleich mit den bereits von Dr. S. vorliegenden Befunden (Bericht vom 30.7.2006) lasse eine wesentliche Verschlechterung auch nicht erkennen. In der genannten Zeit sei das nervenärztliche Gutachten des Dr. N. vom 4.4.2007 erstellt worden. Dieser sei nachvollziehbar auf Grund der erhobenen Befunde zu dem Ergebnis gelangt, dass eine zeitliche Leistungsminderung nicht vorliege. Die Diagnosen in beiden Gutachten stimmten im Wesentlichen überein. Dr. N. habe auch den von Dr. S. als eigenständige Diagnose aufgeführten essentiellen Tremor berücksichtigt; Dr. N. habe festgestellt, dass lediglich ein leichter grobschlächtiger Haltetremor der Extremitäten mit Betonung der Arme beidseits vorliege sowie ein feinschlägiger Neinsagetremor des Kopfes ohne Rigor.
Der Kläger trug abschließend vor, im Gegensatz zu Dr. S. habe Dr. N. keine Antriebslosigkeit oder aufgehobene Schwingungsfähigkeit festgestellt. Dr. S. habe Initiativlosigkeit, Antriebsstörung und Störung der Körpervitalität diagnostiziert. Insoweit liege eine Diskrepanz vor. Er, der Kläger habe seine depressive Verstimmung nicht mit entsprechender Willensanstrengung überwinden können. Laut Gutachten des Dr. S. habe er geringe soziale Kontakte und sei gesellschaftlich nicht integriert und könne auch nicht viermal täglich 500 Meter zu Fuß zurücklegen. Maßgeblich sei der allgemeine Eindruck.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätzen sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat die Gewährung von Erwerbsminderungsrente zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat darauf keinen Anspruch.
Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 43 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist, und weshalb ihm danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten und die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren anzumerken:
Aus den von der Beklagten und vom Sozialgericht erhobenen Gutachten der Dres. Z., T. und N. geht überzeugend hervor, dass eine rentenberechtigende Leistungsminderung nicht vorliegt. Das gilt auch für vom Kläger behauptete Leistungseinschränkungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Der Neurologe und Psychiater Dr. N. hat das in seinem Gutachten vom 4.4.2007 (mit ergänzender Stellungnahme vom 25.4.2007) schlüssig dargelegt. Danach mag sich der Kläger selbst als depressiv wahrnehmen, von einer rentenrechtlich beachtlichen Depressionserkrankung kann freilich keine Rede sein. Dr. N. fand lediglich eine leichtgradig gedrückte Stimmung bei erhaltener Schwingungsfähigkeit und ungestörtem Antrieb; der vom Gutachter eruierte, im Wesentlichen unbeeinträchtigte Tagesablauf des Klägers unterstreicht diese Einschätzung.
Zu der begehrten Rente können dem Kläger auch die Atteste bzw. Gutachten der Dres. S. und S. nicht verhelfen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat Dr. N. insbesondere die Diagnosen und Behandlungen des Dr. S. in seinem Gutachten berücksichtigt und zutreffend gewürdigt. Davon abgesehen sind für die Gewährung von Erwerbsminderungsrente Leistungseinschränkungen und nicht Diagnosen für sich allein maßgeblich. Das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG erhobene Gutachten des Dr. S. belegt eine rentenberechtigende Leistungsminderung ebenfalls nicht. Die Nervenärztin und Sozialmedizinerin Dr. K. hat das in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30.6.2008 schlüssig dargelegt. Auch Dr. S. fand ausreichenden Antrieb und eine indifferente bis subdepressive Stimmung. Unbeschadet dessen, dass Zweifel an der Richtigkeit (auch) dieser Einschätzung bzw. der Selbstdarstellung des Klägers insoweit aufkommen, als Dr. S. bei der Exploration im Gesichtsausdruck des Klägers nur geringes Leid und geringe Trauer hat feststellen können, sind rentenrechtlich beachtliche Leistungsminderungen daraus nicht abzuleiten. Die (quantitative) Leistungseinschätzung des Gutachters (Leistungsfähigkeit für körperlich leichte Arbeiten 2 bis 3 Stunden täglich) ist durch nichts begründet. Irgendwelche Befunde, die hierfür von Belang sein könnten, finden sich in dem Gutachten nicht. Vielmehr hat sich der Gutachter ersichtlich im Kern auf die subjektiven Beschwerdebehauptungen des Klägers gestützt. Außerdem hat er (im Gegensatz zu den Dres. Z. und N.) dessen Tagesablauf und Alltagsleben nicht weiter eruiert. Eine schlüssige Leistungsbeurteilung für das psychiatrische Fachgebiet ist mit einem Gutachten dieser Art nicht abzugeben. Das gilt auch für die Annahme, der Kläger könne (bei auf die Zeit ab 2005 datierten Leistungseinschränkungen) nicht viermal täglich Wegstrecken von 500 Meter zu Fuß zurücklegen. Woraus, wenn nicht aus bloßen Behauptungen des Klägers, der Gutachter diese Erkenntnis bzw. den als solchen bezeichneten "klinischen Eindruck" gewinnt, geht aus dem Gutachten nicht schlüssig hervor; bei Dr. Z. (Gutachten vom 10.4.2006) gab der Kläger demgegenüber an, nach dem Frühstück bis zu einer Stunde spazieren zu gehen. Morgendliche Spaziergänge am Neckar sind auch im Gutachten des Dr. N. vom 4.4.2007 berichtet. Angesichts der orthopädischen Befunde des Dr. Z. (kein therapeutischer Handlungsbedarf und kein pathologischer Befund hinsichtlich des Kniegelenks) und des Dr. T. (beginnende Retropatellararthrose beidseits ohne wesentliche Kapselreizung oder Funktionseinschränkung) ist für eine Einschränkung der Wegefähigkeit nichts ersichtlich. Die behandelnden Orthopäden Dres. R. und Hinrichs haben hierfür ebenfalls nichts berichtet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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