Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 9 AL 182/06
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 72/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 3. Juli 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen nach Eigenkündigung der Klägerin.
Die 1977 geborene Klägerin war vom 9. April 1996 bis zum 30. Juni 2006 als Verkäuferin und Kassiererin sowie stellvertretende Marktleiterin bei der A GmbH S beschäftigt. Im Juni 2006 verzehrte sie an ihrem Arbeitsplatz ein Getränk sowie ein Fertiggericht aus dem Sortiment, ohne dieses vorher zu bezahlen. Mit ihrem Arbeitsvertrag hatte die Klägerin eine Dienstanweisung unterschrieben, mit der die Arbeitnehmer darüber informiert wurden, dass die am Arbeitsplatz zum Verzehr beabsichtigten Lebensmittel aus dem Sortiment der Arbeitgeberin vor dem Verzehr zu bezahlen und die Produkte nebst Kassenbon vom Marktleiter vor dem Verzehr abzuzeichnen seien.
Am 19. Juni 2006 stellte die Klägerin mit Wirkung zum 1. Juli 2006 einen Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg). Nach der Arbeitgeberbescheinigung hatte die Klägerin am 16. Juni 2006 zum 30. Juni 2006 selbst gekündigt. In dem "Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Abschluss eines Aufhebungs-/Auflösungsver¬trages" gab die Klägerin an, ihr sei vorgeworfen worden, einen Diebstahl begangen zu haben. Sie habe lediglich vergessen, vor dem Verzehr von Lebensmitteln diese zu bezahlen. Die Selter sei angetrunken gewesen und habe noch im Lager gelegen. Sie habe dies zu Hause bemerkt, eine Mitarbeiterin informiert und gebeten, die Sache für sie am nächsten Tag zu erledigen. Die Kollegin habe dieses dann aber nicht gemacht. Sie brauche sich so was nicht sagen lassen.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2006 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen fest. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe ohne wichtigen Grund durch ihre eigene Kündigung das Beschäftigungsverhältnis bei der Firma A GmbH & Co KG gelöst.
Am 19. Juli 2006 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, sie sei zu Unrecht beschuldigt worden, eine Straftat begangen zu haben. Jedenfalls sei die Dauer der Sperrzeit unverhältnismäßig, weil eine besondere Härte vorliege. Sie habe sich in einem entschuldbaren Irrtum darüber befunden, dass ein wichtiger Grund nicht vorgelegen habe. Nach arbeitsrechtlichen Maßstäben hätte sie sich nicht gefallen lassen müssen, vom Arbeitgeber einer strafbaren Handlung bezichtigt zu werden. Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Arbeitgeber unter dem 23. August 2006 mit, dass die Klägerin mehrmals Lebensmittel verzehrt habe, ohne diese zu bezahlen. Ihr Vorgesetzter habe sie deshalb zur Rechenschaft gezogen. Nach diesem Gespräch habe die Klägerin es vorgezogen, selbst zu kündigen. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2006 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheides. Ergänzend führte sie aus, der Arbeitgeber habe mitgeteilt, dass die Klägerin mehrfach Lebensmittel verzehrt habe, ohne zu bezahlen. Auch wenn der Arbeitgeber mit einer Kündigung drohe und der Arbeitnehmer dem zuvorkomme und selber kündige, könne darin kein wichtiger Grund erkannt werden. Der Arbeitnehmer sei gehalten, die Kündigung abzuwarten. Der Klägerin sei zuzumuten gewesen, bis zu einer Anschlussarbeitsstelle weiter an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten. Härtegründe seien nicht ersichtlich. Die Sperrzeit betrage 12 Wochen.
Am 5. September 2006 hat die Klägerin dagegen Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren vertieft.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 10. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr auch in dem Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 22. September 2006 Arbeitslosengeld in Höhe der gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.
Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2007 Beweis erhoben durch Anhörung des Zeugen Sa T (seinerzeit zuständiger Bezirksleiter) und im Anschluss daran die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zum Sitzungsprotokoll verwiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin für ihre Kündigung keinen wichtigen Grund gehabt habe. Eine im Raum stehende mögliche fristlose Kündigung sei als wichtiger Grund für eine Eigenkündigung zur Vermeidung von Nachteilen im beruflichen Fortkommen nur dann anzuerkennen, wenn die fristlose Kündigung offensichtlich rechtswidrig gewesen wäre, da es allein in einem solchen Fall der Klägerin nicht mehr zumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Die Eigenkündigung der Klägerin sei durch arbeitsvertragswidriges Verhalten veranlasst worden, indem sie ein Getränk und ein Fertiggericht aus dem Sortiment des Arbeitgebers zum anschließenden Verzehr ohne zu bezahlen entnommen habe. Auch die Entwendung von im Eigentum des Arbeitgebers stehenden geringwertigen Sachen berechtige diesen zur fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Abmahnungen seien bei Verletzungen des Vertrauensbereichs entbehrlich. Zudem entspreche es dem Grundverständnis unseres Kulturkreises, dass die Verletzung fremden Eigentums grundsätzlich verboten sei. Vor dem Hintergrund des Geschehens wäre der Arbeitgeberin eine Weiterbeschäftigung der Klägerin aufgrund des Vertrauensverlustes nicht zumutbar gewesen. Eine besondere Härte liege auch unter Berücksichtigung des geringen materiellen Wertes der verzehrten Ware nicht vor, da der Klägerin in ihrer Position die Ware der Arbeitgeberin gerade auch zur Obhut anvertraut worden sei. Der Umstand, dass die Klägerin ihr Verhalten selbst nicht als eine strafrechtsrelevante Handlung gegenüber ihrer Arbeitgeberin angesehen, sondern lediglich als ein versehentliches Vergessen des Bezahlens eingestuft habe und sich somit den Vorwurf einer strafbaren Handlung irrtümlich nicht habe gefallen lassen wollen, könne in diesem Zusammenhang keine Beachtung finden.
Gegen dieses der Klägerin am 3. August 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. August 2007 bei dem Schleswig-Holstei¬nischen Landessozialgericht eingegangene Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor: Sie habe zwar unstreitig Waren aus dem Sortiment ihres Arbeitgebers verzehrt, ohne diese zuvor bezahlt zu haben. Das berechtige den Arbeitgeber aber nicht zur fristlosen Kündigung, da sie nicht vorsätzlich gehandelt habe, sondern lediglich das Bezahlen vergessen habe. Als ihr zu Hause aufgefallen sei, dass sie die Waren nicht bezahlt habe, habe sie sofort eine Arbeitskollegin verständigt und diese gebeten, die Waren am nächsten Tag, an dem sie dienstfrei gehabt habe, für sie zu bezahlen. Trotz Zusage habe die Arbeitskollegin die Waren am nächsten Tag nicht bezahlt. Vielmehr sei ihr am 16. Juni 2006 der konkrete Diebstahl der verzehrten Sachen sowie der mehrfache Diebstahl von Waren in der Vergangenheit, ohne dass es dafür Beweise gegeben hätte, vorgehalten worden. Ihr sei erklärt worden, dass sie das Arbeitsverhältnis entweder selbst kündigen oder einen Aufhebungsvertrag schließen könne, andernfalls werde der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung aussprechen. Ihr sei nicht die Gelegenheit eingeräumt worden, die entlastenden Tatsachen vorzutragen und den Sachverhalt richtig zu stellen, so dass sie sich unter Druck gesetzt gefühlt und der Kündigung zum 30. Juni 2006 zugestimmt habe. Dies sei auf den Umstand zurückzuführen, dass sie davon ausgegangen sei, im Falle einer fristlosen Kündigung bei der Beklagten eine Sperrfrist von 12 Wochen zu erhalten. Auf Grund der Drucksituation sei es ihr auch nicht möglich gewesen, sich vor der Eigenkündigung rechtskundigen Rat einzuholen, so dass die Dauer der Sperrzeit zumindest zu reduzieren sei. Das Sozialgericht habe zudem zu Unrecht aus ihrer Einlassung, die Bezahlung vor dem Verzehr der Ware vergessen zu haben, geschlossen, der Arbeitgeber sei – auch angesichts der Geringwertigkeit der Sache – zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen. Mangels Vorsatz hätte eine fristlose Kündigung einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung jedoch nicht standgehalten. Auch habe das Sozialgericht die sie die Klägerin entlastenden Umstände nicht hinreichend berücksichtigt, insbesondere die noch zu benennende Arbeitskollegin nicht zu den gemachten Vorwürfen gehört.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 3. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2006 zu verurteilen, der Klägerin vom 1. Juli 2006 bis zum 22. September 2006 Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, dass die Arbeitgeberin mit der Dienstanweisung eine eindeutige Sachlage zum eigenen Verzehr von Lebensmitteln geschaffen habe. Mit dem unstrittigen Verstoß gegen diese Dienstanweisung habe sie den Verdacht eines Diebstahls auf sich gelenkt. Dieser begründete Verdacht genüge als Grund für eine fristlose Kündigung, auf ein vorsätzliches Handeln komme es insoweit nicht an. Zu berücksichtigen sei zudem, dass die Klägerin als stellvertretende Marktleiterin im Umgang mit der Dienstanweisung in besonderem Maße vertraut gewesen sei, da sie für die zum Sofortverzehr gekauften Waren die Kassenbons abgezeichnet habe, wenn der Marktleiter nicht im Dienst gewesen sei.
In der Berufungsverhandlung am 25. Januar 2008 hat die die Klägerin betreffende Leistungsakte der Beklagten vorgelegen. Hierauf sowie auf die Streitakte wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden berechtigt war, den Eintritt einer Sperrzeit vom 01. Juli 2006 bis zum 22. September 2006 nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförde¬rung - (SGB III) festzustellen und Alg erst nach Ablauf der Sperrzeit zu bewilligen.
Danach tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und er dadurch seine Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben.
Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sind vorliegend erfüllt. Unstreitig hat die Klägerin durch die Eigenkündigung vom 16. Juni 2006 zum 30. Juni 2006 ihr Beschäftigungsverhältnis mit der A GmbH & Co KG gelöst und dadurch, weil sie keine Aussichten auf den unmittelbaren Erhalt eines Anschluss-Arbeitsplatzes hatte, auch zumindest grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt (vgl. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 12.04.1984, Az.: 7 RAr 28/83, veröffentlicht in juris).
Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann sich die Klägerin auch nicht auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes berufen.
Bei dem Tatbestandsmerkmal "wichtiger Grund" in § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im SGB III selbst nicht definiert und im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu bestimmen ist. Sie soll die Solidargemeinschaft vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte schützen, die den Eintritt des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt oder zu vertreten haben; eine Sperrzeit soll mithin nur eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (vgl. Niesel, SGB III, 3. Auflage, § 144 Rz. 77, 78; BSG, Urteil vom 25.04.2002, B 11 AL 65/01 R, veröffentlicht in juris). Der wichtige Grund muss nicht nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses decken. Der Arbeitslose muss einen wichtigen Grund dafür haben, dass er das Arbeitsverhältnis gerade zu dem bestimmten Zeitpunkt auflöst (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.1984, 7 RAr 28/83, veröffentlicht in juris; Urteil vom 17.10.2002, B 7 AL 136/01 R, SozR 3-4300 § 144 Nr. 12). Ein wichtiger Grund kann demnach nicht ohne Weiteres darin gesehen werden, dass ein Arbeitnehmer einer drohenden bzw. feststehenden Kündigung des Arbeitgebers zuvorkommt, denn grundsätzlich ist dem Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten, die Kündigung abzuwarten, sofern nicht besondere Umstände vorliegen. Solche besonderen Umstände können dann gegeben sein, wenn dem Arbeitnehmer eine nach arbeitsrechtlichen Maßstäben rechtmäßige Kündigung aus einem von seinem Verhalten unabhängigen Grund zu einem Zeitpunkt droht, zu dem er das Arbeitsverhältnis löst, und er durch eine einverständliche Lösung des Arbeitsverhältnisses Nachteile vermeiden kann, die sich durch eine Kündigung des Arbeitgebers für sein berufliches Fortkommen ergeben (BSG, Urteil vom 12.04.1984, 7 RAr 28/83; BSG, Urteile vom 25.04.2002, B 11 AL 65/01 R und B 11 AL 100/01 R; BSG, Urteil vom 17.10.2002, B 7 AL 136/01 R, veröffentlicht in juris). Ausschlaggebend für das Vorliegen eines wichtigen Grundes sind allein objektive Umstände, wie sie sich einem neutralen Beobachter im Zeitpunkt der Auflösung des alten Beschäftigungsverhältnisses darstellen (BSG, Urteil vom 26.10.2004, B 7 AL 98/03 R, SozR 4-4300 § 144 Nr 9).
Zu Recht sind die Beklagte und das Sozialgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin unter Berücksichtigung der Belange der Versichertengemeinschaft kein wichtiger Grund für eine Eigenkündigung des Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma A GmbH S zugebilligt werden kann.
Die Klägerin hat ein Eigentumsdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers begangen, indem sie gegen die Dienstanweisung, wonach Waren, die zum Verzehr in der Verkaufsstelle bestimmt sind, vor dem Verzehr zu bezahlen und der Bon sowie die Ware dem Marktleiter zur Abzeichnung vorzulegen sind, verstoßen hat. Bei der Ware handelt es sich um ein Getränk sowie ein Fertiggericht, mithin Waren von dem Grunde nach geringem Wert. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dieses Verhalten objektiv geeignet, eine nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen rechtmäßige fristlose Kündigung des Arbeitgebers zu begründen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt in seiner ständigen Rechtsprechung (Urteil vom 17.05.1984, 2 AZR 3/83, AP Nr. 14 zu § 626 BGB, Verdacht strafbarer Handlung [Bienenstichurteil]; Urteil vom 12.08.1999, 2 AZR 923/98, AP Nr. 28 zu § 626 BGB, Verdacht strafbarer Handlung [3 Kaffeebecher und Schinken zum Gesamtwert von 19,57 DM], Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 36/03, AP Nr 179 zu § 626 BGB [20 Miniflaschen Alkoholika zum Gesamtwert von ca. 20 DM]) darauf ab, dass auch nur versuchte Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers grundsätzlich geeignet sind, eine außerordentliche Kündigung zu stützen. Aufgrund der durch den Arbeitsvertrag begründeten Nebenpflicht zur Loyalität habe der Arbeitnehmer auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung beinhalte zugleich das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Der Arbeitnehmer breche durch die Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers. Dies gelte auch für den Diebstahl bzw. die Unterschlagung geringwertiger Sachen aus dem Eigentum des Arbeitgebers. Die rechtswidrige und vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers sei stets, auch wenn die Sachen nur geringen Wert besäßen, als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich geeignet. Liegt – wie hier – für den Arbeitgeber ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich vor, so kann auch bei einem Eigentumsdelikt nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. dazu zuletzt das Urteil vom 27.04.2006, 2 AZR 415/05, AP Nr. 203 zu § 626 BGB = NZA 2006, 1033, mit zahlreichen w.N.) eine hierauf gestützte beabsichtigte außerordentliche Kündigung gleichwohl das Arbeitsverhältnis nur wirksam beenden, wenn bei der umfassenden Interessenabwägung das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend für alle Fälle festlegen. Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung sind die Schadenshöhe, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, die Art des entwendeten Gutes, die besonderen betrieblichen Verhältnisse, die Auswirkungen auf den Betrieb und das Obhutsverhältnis über die entwendeten Gegenstände der Zumutbarkeitsprüfung im Rahmen der Interessenabwägung zuzuordnen (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 10.08.2006, L 1 AL 102/05, veröffentlicht in juris; Schlachter, Fristlose Kündigung wegen Entwendung geringwertiger Sachen des Arbeitgebers, NZA 2005, 433 ff). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist von den Arbeitsgerichten in einer Vielzahl jüngerer Entscheidungen (veröffentlicht in juris) eine fristlose Kündigung bei Diebstahl bzw. Unterschlagung geringwertiger Sachen für rechtmäßig erklärt worden: Landesarbeitsgericht [LAG] Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.02.2007, 9 Sa 292/06 [drei- bis viermal drei bis vier Brötchen]; Hessisches LAG, Urteil vom 08.09.2007, 3 Sa 2206/05 [drei Überraschungseier, ein Päckchen Kaffee, eine Leinentasche, eine Plastiktüte]; LAG Hamm, Urteil vom 31.08.2006, 17 Sa 536/06 [über das Deputat hinausgehend Frischholz abtransportiert]; Arbeitsgericht [ArbG] Frankfurt am Main, Urteil vom 23.08.2006, 22 Ca 803/06 [5 EUR]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.07.2006, 6 Sa 295/06 [Bockwürste im Wert von 8,05 EUR, mehrfache Nichtverbuchung von Kleinbeträgen wie 1,80 EUR, 2,45 EUR, etc.]; ArbG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.07.2006, 22 Ca 966/06 [unerlaubtes Frankieren im Wert von zirka 5 EUR] bestätigt durch Hessisches LAG Urteil vom 14.05.2007, 16 Sa 1885/06; LAG Niedersachsen, Beschluss vom 25.11.2005, 16 TaBV 54/05 [drei Pikkoloflaschen Sekt im Wert von knapp 6 EUR]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.10.2005, 5 Sa 341/05 [Aluminiumreste aus dem Abfall für 79,80 EUR an ein Entsorgungs- und Recyclingunternehmen veräußert]; ArbG Halle (Saale), Urteil vom 06.10.2005, 1 Ca 391/05 [eine Flasche Mineralwasser]; LAG Düsseldorf, Urteil vom 16.08.2005, 3 Sa 375/05 [ein Brot im Wert von 2,50 EUR]; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.02.2005, 2 Ta 26/05 [ein Kugelschreiber im Wert von 8,74 EUR, ein Feuerzeug, beide als Werbegeschenke des Arbeitgebers vorgesehen]; LAG Baden-Württem¬berg, Urteil vom 20.10.2004, 12 Sa 107/04 [Kaffee vom Früh¬stücksbüffet 0,20 EUR]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.09.2004, 4 Sa 328/04 [regelmäßiger Verzehr von Kaffee und Backwaren]; LAG Hamm, Urteil vom 15.07.2004, 8 Sa 425/04 [ein Päckchen Kabelbinder, zwei Schleifmopteller]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.10.2003, 7 Sa 784/03 [drei Weihnachtssterne]; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.04.2003, 2 Sa 15/03 [60 EUR]; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.08.2001, 12 Sa 43/01 [Zeitungen im Wert von 2,70 DM].
Die Klägerin hat mit dem Verzehr der Lebensmittel unter Verstoß gegen die Dienstanweisung einen Diebstahl begangen. Mit dieser Dienstanweisung will sich die Arbeitgeberin angesichts des grundsätzlich erleichterten Zugriffs ihres Verkaufspersonals auf die eigenen Waren gegen eine rechtswidrige Vermögensentziehung absichern. Die Waren sind daher grundsätzlich vor dem Verzehr zu bezahlen und der Bon dem Filialleiter zur Kontrolle der Ware vorzulegen. Bei angebrochenen, teilweise oder ganz verzehrten Lebensmitteln ist dies nicht möglich. Daher soll durch die Dienstanweisung mit der Anordnung des Bezahlens und des zusätzlichen Anbringens des Bons an der Ware von vornherein sichergestellt werden, dass bei diesen Artikeln auch eine jederzeitige Kontrolle der Bezahlung ermöglicht wird. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin dürften auch die subjektiven Voraussetzungen des Diebstahls erfüllt sein, denn sie wusste und wollte durch das Verzehren die Sachherrschaft über eine fremde bewegliche Sache ausüben. Dabei konnte die Klägerin selbst bei laienhafter Betrachtungsweise nicht annehmen, dass die Zueignung im Zeitpunkt des Verzehrs rechtmäßig war. Auch nur teilweise gegessene Lebensmittel haben für die Arbeitgeberin keinerlei Wert mehr. Die Klägerin unterlag auch nicht einem Verbotsirrtum, denn sie kannte die Dienstanweisung. Letztlich entscheidend ist, dass die Klägerin dagegen verstoßen hat. Die Dienstanweisung regelt die Mitnahme und den Verzehr von Waren durch die Beschäftigten und dient damit dem Schutz der Vermögensinteressen der Arbeitgeberin. Derartige Regelwerke sind von zentraler Bedeutung für die Ausübung einer Tätigkeit als Kassiererin bzw. Verkäuferin. Ein Verstoß dagegen ist daher geeignet, einen Grund für eine außerordentliche Kündigung auch dann darzustellen, wenn die Sache nur einen geringen Wert hat (LAG Berlin, Urteil vom 9.07.2002, 7 Sa 40/02, veröffentlicht in juris). Aus Sicht des Senats war der Arbeitgeberin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nicht zumutbar. Zwar wäre im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie über 10 Jahre für die Arbeitgeberin gearbeitet hat und als gute und gewissenhafte Mitarbeiterin galt. Auch wäre zu beachten, dass die beiden Artikel nur einen geringen Wert hatten. Dies allein hätte hingegen nicht den Vertrauensverlust aufgewogen, den der Verstoß gegen die Dienstanweisung angesichts der Position der Klägerin bei der Arbeitgeberin ausgelöst hat. Zudem hat die Klägerin auch gegenüber dem Senat eingeräumt, dass sie schon des Öfteren vergessen habe, Ware vor dem Verzehr zu zahlen. Dies war offensichtlich auch anderen Kolleginnen und Kollegen der Klägerin nicht verborgen geblieben. Der Senat kann auch nicht davon ausgehen, dass die Klägerin die Ware bezahlen wollte. Feststellungen dazu konnte der Senat nicht treffen, da die Klägerin auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage nicht bereit war, die Kollegin namentlich zu benennen, die sie durch Übersenden einer SMS gebeten haben will, die Waren am für die Klägerin dienstfreien Folgetag zu bezahlen. Entgegen der Annahme der Klägerin war auch eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich. Einer Abmahnung bedarf es nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nicht, wenn es sich um eine Vertragsverletzung handelt, die zu einer Störung im Vertrauensbereich führt und die derart gravierend ist, dass ein verständiger Arbeitnehmer erkennen muss, dass ein Arbeitgeber die Vertragsverletzung nicht billigen wird. Auch ohne einschlägige Abmahnung ist eine fristlose Kündigung insbesondere bei Straftaten gegen den Arbeitgeber wie Diebstahl, Betrug, Untreue gerechtfertigt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.10.2003, 7 Sa 784/03, veröffentlicht in juris; BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 36/03, AP Nr 179 zu § 626 BGB, Schlachter, Kündigung wegen Entwendung geringwertiger Sachen des Arbeitgebers, NZA 2005, 433, 435). Denn ein Arbeitnehmer muss nur abgemahnt werden, wenn er mit vertretbaren Gründen annehmen durfte, das Verhalten werde geduldet oder als nicht erheblicher Vertragsverstoß angesehen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2004, 12 Sa 107/04 veröffentlicht in juris). Anhaltspunkte dafür sind angesichts der eindeutigen Regelung in der Dienstanweisung nicht ersichtlich. Auf den Wert einer z. B. entwendeten Sache, die im Eigentum des Arbeitgebers steht, kommt es dabei nicht an (BAG, Urteil vom 17.05.1984, 2 AZR 3/83, EzA § 626 BGB Neue Fassung Nr. 90 [Bienenstichurteil], Urteil vom 12.08.1999, 2 AZR 923/98, EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen Nr. 8).
Die Sperrzeit war auch nicht nach § 144 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a SGB III zu reduzieren. Danach halbiert sich die Regelsperrzeit, wenn eine Sperrzeit von 12 Wochen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeutet. Eine besondere Härte kann unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles auch bei einem unverschuldeten, für den Arbeitslosen unvermeidbaren Irrtum über den wichtigen Grund - die Rechtmäßigkeit der drohenden Kündigung - vorliegen (BSG, Urteil vom 13.03.1997, 11 RAr 17/96, NZA-RR 1997, 495; BSG, Urteil vom 17.10.2002, B 7 AL 136/01 R, a.a.O). Diese Bewertung wird bei einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die Überlegung gestützt, dass ansonsten der sorgfältige Arbeitnehmer, der sich vor der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses mit den sich hieraus ergebenden sozialrechtlichen Folgerungen vertraut macht, benachteiligt würde. Der Irrtum kann aber nur dann im Einzelfall wegen einer besonderen Härte zur Verminderung der Regeldauer der Sperrzeit führen, wenn er durch die konkrete Auskunft einer hiermit vertrauten Stelle - dies wird in der Regel eine Dienststelle der Beklagten sein - hervorgerufen oder gestützt wird. Anhaltspunkte für eine solche Beratung zu den Auswirkungen ihres Verhaltens auf den Leistungsanspruch sind nicht ersichtlich. Die Klägerin ist nach den Gesamtumständen auch nicht übermäßig bedrängt worden, selbst zu kündigen. Die sowohl strafrechtlich als auch arbeitsrechtlich unzutreffende Bewertung ihrer Handlung, kann, worauf bereits das Sozialgericht hingewiesen hat, in diesem Zusammenhang nicht zu einer anderen Beurteilung führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen nach Eigenkündigung der Klägerin.
Die 1977 geborene Klägerin war vom 9. April 1996 bis zum 30. Juni 2006 als Verkäuferin und Kassiererin sowie stellvertretende Marktleiterin bei der A GmbH S beschäftigt. Im Juni 2006 verzehrte sie an ihrem Arbeitsplatz ein Getränk sowie ein Fertiggericht aus dem Sortiment, ohne dieses vorher zu bezahlen. Mit ihrem Arbeitsvertrag hatte die Klägerin eine Dienstanweisung unterschrieben, mit der die Arbeitnehmer darüber informiert wurden, dass die am Arbeitsplatz zum Verzehr beabsichtigten Lebensmittel aus dem Sortiment der Arbeitgeberin vor dem Verzehr zu bezahlen und die Produkte nebst Kassenbon vom Marktleiter vor dem Verzehr abzuzeichnen seien.
Am 19. Juni 2006 stellte die Klägerin mit Wirkung zum 1. Juli 2006 einen Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg). Nach der Arbeitgeberbescheinigung hatte die Klägerin am 16. Juni 2006 zum 30. Juni 2006 selbst gekündigt. In dem "Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Abschluss eines Aufhebungs-/Auflösungsver¬trages" gab die Klägerin an, ihr sei vorgeworfen worden, einen Diebstahl begangen zu haben. Sie habe lediglich vergessen, vor dem Verzehr von Lebensmitteln diese zu bezahlen. Die Selter sei angetrunken gewesen und habe noch im Lager gelegen. Sie habe dies zu Hause bemerkt, eine Mitarbeiterin informiert und gebeten, die Sache für sie am nächsten Tag zu erledigen. Die Kollegin habe dieses dann aber nicht gemacht. Sie brauche sich so was nicht sagen lassen.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2006 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen fest. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe ohne wichtigen Grund durch ihre eigene Kündigung das Beschäftigungsverhältnis bei der Firma A GmbH & Co KG gelöst.
Am 19. Juli 2006 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, sie sei zu Unrecht beschuldigt worden, eine Straftat begangen zu haben. Jedenfalls sei die Dauer der Sperrzeit unverhältnismäßig, weil eine besondere Härte vorliege. Sie habe sich in einem entschuldbaren Irrtum darüber befunden, dass ein wichtiger Grund nicht vorgelegen habe. Nach arbeitsrechtlichen Maßstäben hätte sie sich nicht gefallen lassen müssen, vom Arbeitgeber einer strafbaren Handlung bezichtigt zu werden. Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Arbeitgeber unter dem 23. August 2006 mit, dass die Klägerin mehrmals Lebensmittel verzehrt habe, ohne diese zu bezahlen. Ihr Vorgesetzter habe sie deshalb zur Rechenschaft gezogen. Nach diesem Gespräch habe die Klägerin es vorgezogen, selbst zu kündigen. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2006 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheides. Ergänzend führte sie aus, der Arbeitgeber habe mitgeteilt, dass die Klägerin mehrfach Lebensmittel verzehrt habe, ohne zu bezahlen. Auch wenn der Arbeitgeber mit einer Kündigung drohe und der Arbeitnehmer dem zuvorkomme und selber kündige, könne darin kein wichtiger Grund erkannt werden. Der Arbeitnehmer sei gehalten, die Kündigung abzuwarten. Der Klägerin sei zuzumuten gewesen, bis zu einer Anschlussarbeitsstelle weiter an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten. Härtegründe seien nicht ersichtlich. Die Sperrzeit betrage 12 Wochen.
Am 5. September 2006 hat die Klägerin dagegen Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren vertieft.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 10. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr auch in dem Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 22. September 2006 Arbeitslosengeld in Höhe der gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.
Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2007 Beweis erhoben durch Anhörung des Zeugen Sa T (seinerzeit zuständiger Bezirksleiter) und im Anschluss daran die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zum Sitzungsprotokoll verwiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin für ihre Kündigung keinen wichtigen Grund gehabt habe. Eine im Raum stehende mögliche fristlose Kündigung sei als wichtiger Grund für eine Eigenkündigung zur Vermeidung von Nachteilen im beruflichen Fortkommen nur dann anzuerkennen, wenn die fristlose Kündigung offensichtlich rechtswidrig gewesen wäre, da es allein in einem solchen Fall der Klägerin nicht mehr zumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Die Eigenkündigung der Klägerin sei durch arbeitsvertragswidriges Verhalten veranlasst worden, indem sie ein Getränk und ein Fertiggericht aus dem Sortiment des Arbeitgebers zum anschließenden Verzehr ohne zu bezahlen entnommen habe. Auch die Entwendung von im Eigentum des Arbeitgebers stehenden geringwertigen Sachen berechtige diesen zur fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Abmahnungen seien bei Verletzungen des Vertrauensbereichs entbehrlich. Zudem entspreche es dem Grundverständnis unseres Kulturkreises, dass die Verletzung fremden Eigentums grundsätzlich verboten sei. Vor dem Hintergrund des Geschehens wäre der Arbeitgeberin eine Weiterbeschäftigung der Klägerin aufgrund des Vertrauensverlustes nicht zumutbar gewesen. Eine besondere Härte liege auch unter Berücksichtigung des geringen materiellen Wertes der verzehrten Ware nicht vor, da der Klägerin in ihrer Position die Ware der Arbeitgeberin gerade auch zur Obhut anvertraut worden sei. Der Umstand, dass die Klägerin ihr Verhalten selbst nicht als eine strafrechtsrelevante Handlung gegenüber ihrer Arbeitgeberin angesehen, sondern lediglich als ein versehentliches Vergessen des Bezahlens eingestuft habe und sich somit den Vorwurf einer strafbaren Handlung irrtümlich nicht habe gefallen lassen wollen, könne in diesem Zusammenhang keine Beachtung finden.
Gegen dieses der Klägerin am 3. August 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. August 2007 bei dem Schleswig-Holstei¬nischen Landessozialgericht eingegangene Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor: Sie habe zwar unstreitig Waren aus dem Sortiment ihres Arbeitgebers verzehrt, ohne diese zuvor bezahlt zu haben. Das berechtige den Arbeitgeber aber nicht zur fristlosen Kündigung, da sie nicht vorsätzlich gehandelt habe, sondern lediglich das Bezahlen vergessen habe. Als ihr zu Hause aufgefallen sei, dass sie die Waren nicht bezahlt habe, habe sie sofort eine Arbeitskollegin verständigt und diese gebeten, die Waren am nächsten Tag, an dem sie dienstfrei gehabt habe, für sie zu bezahlen. Trotz Zusage habe die Arbeitskollegin die Waren am nächsten Tag nicht bezahlt. Vielmehr sei ihr am 16. Juni 2006 der konkrete Diebstahl der verzehrten Sachen sowie der mehrfache Diebstahl von Waren in der Vergangenheit, ohne dass es dafür Beweise gegeben hätte, vorgehalten worden. Ihr sei erklärt worden, dass sie das Arbeitsverhältnis entweder selbst kündigen oder einen Aufhebungsvertrag schließen könne, andernfalls werde der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung aussprechen. Ihr sei nicht die Gelegenheit eingeräumt worden, die entlastenden Tatsachen vorzutragen und den Sachverhalt richtig zu stellen, so dass sie sich unter Druck gesetzt gefühlt und der Kündigung zum 30. Juni 2006 zugestimmt habe. Dies sei auf den Umstand zurückzuführen, dass sie davon ausgegangen sei, im Falle einer fristlosen Kündigung bei der Beklagten eine Sperrfrist von 12 Wochen zu erhalten. Auf Grund der Drucksituation sei es ihr auch nicht möglich gewesen, sich vor der Eigenkündigung rechtskundigen Rat einzuholen, so dass die Dauer der Sperrzeit zumindest zu reduzieren sei. Das Sozialgericht habe zudem zu Unrecht aus ihrer Einlassung, die Bezahlung vor dem Verzehr der Ware vergessen zu haben, geschlossen, der Arbeitgeber sei – auch angesichts der Geringwertigkeit der Sache – zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen. Mangels Vorsatz hätte eine fristlose Kündigung einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung jedoch nicht standgehalten. Auch habe das Sozialgericht die sie die Klägerin entlastenden Umstände nicht hinreichend berücksichtigt, insbesondere die noch zu benennende Arbeitskollegin nicht zu den gemachten Vorwürfen gehört.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 3. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2006 zu verurteilen, der Klägerin vom 1. Juli 2006 bis zum 22. September 2006 Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, dass die Arbeitgeberin mit der Dienstanweisung eine eindeutige Sachlage zum eigenen Verzehr von Lebensmitteln geschaffen habe. Mit dem unstrittigen Verstoß gegen diese Dienstanweisung habe sie den Verdacht eines Diebstahls auf sich gelenkt. Dieser begründete Verdacht genüge als Grund für eine fristlose Kündigung, auf ein vorsätzliches Handeln komme es insoweit nicht an. Zu berücksichtigen sei zudem, dass die Klägerin als stellvertretende Marktleiterin im Umgang mit der Dienstanweisung in besonderem Maße vertraut gewesen sei, da sie für die zum Sofortverzehr gekauften Waren die Kassenbons abgezeichnet habe, wenn der Marktleiter nicht im Dienst gewesen sei.
In der Berufungsverhandlung am 25. Januar 2008 hat die die Klägerin betreffende Leistungsakte der Beklagten vorgelegen. Hierauf sowie auf die Streitakte wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden berechtigt war, den Eintritt einer Sperrzeit vom 01. Juli 2006 bis zum 22. September 2006 nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförde¬rung - (SGB III) festzustellen und Alg erst nach Ablauf der Sperrzeit zu bewilligen.
Danach tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und er dadurch seine Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben.
Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sind vorliegend erfüllt. Unstreitig hat die Klägerin durch die Eigenkündigung vom 16. Juni 2006 zum 30. Juni 2006 ihr Beschäftigungsverhältnis mit der A GmbH & Co KG gelöst und dadurch, weil sie keine Aussichten auf den unmittelbaren Erhalt eines Anschluss-Arbeitsplatzes hatte, auch zumindest grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt (vgl. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 12.04.1984, Az.: 7 RAr 28/83, veröffentlicht in juris).
Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann sich die Klägerin auch nicht auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes berufen.
Bei dem Tatbestandsmerkmal "wichtiger Grund" in § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im SGB III selbst nicht definiert und im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu bestimmen ist. Sie soll die Solidargemeinschaft vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte schützen, die den Eintritt des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt oder zu vertreten haben; eine Sperrzeit soll mithin nur eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (vgl. Niesel, SGB III, 3. Auflage, § 144 Rz. 77, 78; BSG, Urteil vom 25.04.2002, B 11 AL 65/01 R, veröffentlicht in juris). Der wichtige Grund muss nicht nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses decken. Der Arbeitslose muss einen wichtigen Grund dafür haben, dass er das Arbeitsverhältnis gerade zu dem bestimmten Zeitpunkt auflöst (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.1984, 7 RAr 28/83, veröffentlicht in juris; Urteil vom 17.10.2002, B 7 AL 136/01 R, SozR 3-4300 § 144 Nr. 12). Ein wichtiger Grund kann demnach nicht ohne Weiteres darin gesehen werden, dass ein Arbeitnehmer einer drohenden bzw. feststehenden Kündigung des Arbeitgebers zuvorkommt, denn grundsätzlich ist dem Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten, die Kündigung abzuwarten, sofern nicht besondere Umstände vorliegen. Solche besonderen Umstände können dann gegeben sein, wenn dem Arbeitnehmer eine nach arbeitsrechtlichen Maßstäben rechtmäßige Kündigung aus einem von seinem Verhalten unabhängigen Grund zu einem Zeitpunkt droht, zu dem er das Arbeitsverhältnis löst, und er durch eine einverständliche Lösung des Arbeitsverhältnisses Nachteile vermeiden kann, die sich durch eine Kündigung des Arbeitgebers für sein berufliches Fortkommen ergeben (BSG, Urteil vom 12.04.1984, 7 RAr 28/83; BSG, Urteile vom 25.04.2002, B 11 AL 65/01 R und B 11 AL 100/01 R; BSG, Urteil vom 17.10.2002, B 7 AL 136/01 R, veröffentlicht in juris). Ausschlaggebend für das Vorliegen eines wichtigen Grundes sind allein objektive Umstände, wie sie sich einem neutralen Beobachter im Zeitpunkt der Auflösung des alten Beschäftigungsverhältnisses darstellen (BSG, Urteil vom 26.10.2004, B 7 AL 98/03 R, SozR 4-4300 § 144 Nr 9).
Zu Recht sind die Beklagte und das Sozialgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin unter Berücksichtigung der Belange der Versichertengemeinschaft kein wichtiger Grund für eine Eigenkündigung des Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma A GmbH S zugebilligt werden kann.
Die Klägerin hat ein Eigentumsdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers begangen, indem sie gegen die Dienstanweisung, wonach Waren, die zum Verzehr in der Verkaufsstelle bestimmt sind, vor dem Verzehr zu bezahlen und der Bon sowie die Ware dem Marktleiter zur Abzeichnung vorzulegen sind, verstoßen hat. Bei der Ware handelt es sich um ein Getränk sowie ein Fertiggericht, mithin Waren von dem Grunde nach geringem Wert. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dieses Verhalten objektiv geeignet, eine nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen rechtmäßige fristlose Kündigung des Arbeitgebers zu begründen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt in seiner ständigen Rechtsprechung (Urteil vom 17.05.1984, 2 AZR 3/83, AP Nr. 14 zu § 626 BGB, Verdacht strafbarer Handlung [Bienenstichurteil]; Urteil vom 12.08.1999, 2 AZR 923/98, AP Nr. 28 zu § 626 BGB, Verdacht strafbarer Handlung [3 Kaffeebecher und Schinken zum Gesamtwert von 19,57 DM], Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 36/03, AP Nr 179 zu § 626 BGB [20 Miniflaschen Alkoholika zum Gesamtwert von ca. 20 DM]) darauf ab, dass auch nur versuchte Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers grundsätzlich geeignet sind, eine außerordentliche Kündigung zu stützen. Aufgrund der durch den Arbeitsvertrag begründeten Nebenpflicht zur Loyalität habe der Arbeitnehmer auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung beinhalte zugleich das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Der Arbeitnehmer breche durch die Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers. Dies gelte auch für den Diebstahl bzw. die Unterschlagung geringwertiger Sachen aus dem Eigentum des Arbeitgebers. Die rechtswidrige und vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers sei stets, auch wenn die Sachen nur geringen Wert besäßen, als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich geeignet. Liegt – wie hier – für den Arbeitgeber ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich vor, so kann auch bei einem Eigentumsdelikt nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. dazu zuletzt das Urteil vom 27.04.2006, 2 AZR 415/05, AP Nr. 203 zu § 626 BGB = NZA 2006, 1033, mit zahlreichen w.N.) eine hierauf gestützte beabsichtigte außerordentliche Kündigung gleichwohl das Arbeitsverhältnis nur wirksam beenden, wenn bei der umfassenden Interessenabwägung das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend für alle Fälle festlegen. Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung sind die Schadenshöhe, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, die Art des entwendeten Gutes, die besonderen betrieblichen Verhältnisse, die Auswirkungen auf den Betrieb und das Obhutsverhältnis über die entwendeten Gegenstände der Zumutbarkeitsprüfung im Rahmen der Interessenabwägung zuzuordnen (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 10.08.2006, L 1 AL 102/05, veröffentlicht in juris; Schlachter, Fristlose Kündigung wegen Entwendung geringwertiger Sachen des Arbeitgebers, NZA 2005, 433 ff). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist von den Arbeitsgerichten in einer Vielzahl jüngerer Entscheidungen (veröffentlicht in juris) eine fristlose Kündigung bei Diebstahl bzw. Unterschlagung geringwertiger Sachen für rechtmäßig erklärt worden: Landesarbeitsgericht [LAG] Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.02.2007, 9 Sa 292/06 [drei- bis viermal drei bis vier Brötchen]; Hessisches LAG, Urteil vom 08.09.2007, 3 Sa 2206/05 [drei Überraschungseier, ein Päckchen Kaffee, eine Leinentasche, eine Plastiktüte]; LAG Hamm, Urteil vom 31.08.2006, 17 Sa 536/06 [über das Deputat hinausgehend Frischholz abtransportiert]; Arbeitsgericht [ArbG] Frankfurt am Main, Urteil vom 23.08.2006, 22 Ca 803/06 [5 EUR]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.07.2006, 6 Sa 295/06 [Bockwürste im Wert von 8,05 EUR, mehrfache Nichtverbuchung von Kleinbeträgen wie 1,80 EUR, 2,45 EUR, etc.]; ArbG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.07.2006, 22 Ca 966/06 [unerlaubtes Frankieren im Wert von zirka 5 EUR] bestätigt durch Hessisches LAG Urteil vom 14.05.2007, 16 Sa 1885/06; LAG Niedersachsen, Beschluss vom 25.11.2005, 16 TaBV 54/05 [drei Pikkoloflaschen Sekt im Wert von knapp 6 EUR]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.10.2005, 5 Sa 341/05 [Aluminiumreste aus dem Abfall für 79,80 EUR an ein Entsorgungs- und Recyclingunternehmen veräußert]; ArbG Halle (Saale), Urteil vom 06.10.2005, 1 Ca 391/05 [eine Flasche Mineralwasser]; LAG Düsseldorf, Urteil vom 16.08.2005, 3 Sa 375/05 [ein Brot im Wert von 2,50 EUR]; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.02.2005, 2 Ta 26/05 [ein Kugelschreiber im Wert von 8,74 EUR, ein Feuerzeug, beide als Werbegeschenke des Arbeitgebers vorgesehen]; LAG Baden-Württem¬berg, Urteil vom 20.10.2004, 12 Sa 107/04 [Kaffee vom Früh¬stücksbüffet 0,20 EUR]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.09.2004, 4 Sa 328/04 [regelmäßiger Verzehr von Kaffee und Backwaren]; LAG Hamm, Urteil vom 15.07.2004, 8 Sa 425/04 [ein Päckchen Kabelbinder, zwei Schleifmopteller]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.10.2003, 7 Sa 784/03 [drei Weihnachtssterne]; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.04.2003, 2 Sa 15/03 [60 EUR]; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.08.2001, 12 Sa 43/01 [Zeitungen im Wert von 2,70 DM].
Die Klägerin hat mit dem Verzehr der Lebensmittel unter Verstoß gegen die Dienstanweisung einen Diebstahl begangen. Mit dieser Dienstanweisung will sich die Arbeitgeberin angesichts des grundsätzlich erleichterten Zugriffs ihres Verkaufspersonals auf die eigenen Waren gegen eine rechtswidrige Vermögensentziehung absichern. Die Waren sind daher grundsätzlich vor dem Verzehr zu bezahlen und der Bon dem Filialleiter zur Kontrolle der Ware vorzulegen. Bei angebrochenen, teilweise oder ganz verzehrten Lebensmitteln ist dies nicht möglich. Daher soll durch die Dienstanweisung mit der Anordnung des Bezahlens und des zusätzlichen Anbringens des Bons an der Ware von vornherein sichergestellt werden, dass bei diesen Artikeln auch eine jederzeitige Kontrolle der Bezahlung ermöglicht wird. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin dürften auch die subjektiven Voraussetzungen des Diebstahls erfüllt sein, denn sie wusste und wollte durch das Verzehren die Sachherrschaft über eine fremde bewegliche Sache ausüben. Dabei konnte die Klägerin selbst bei laienhafter Betrachtungsweise nicht annehmen, dass die Zueignung im Zeitpunkt des Verzehrs rechtmäßig war. Auch nur teilweise gegessene Lebensmittel haben für die Arbeitgeberin keinerlei Wert mehr. Die Klägerin unterlag auch nicht einem Verbotsirrtum, denn sie kannte die Dienstanweisung. Letztlich entscheidend ist, dass die Klägerin dagegen verstoßen hat. Die Dienstanweisung regelt die Mitnahme und den Verzehr von Waren durch die Beschäftigten und dient damit dem Schutz der Vermögensinteressen der Arbeitgeberin. Derartige Regelwerke sind von zentraler Bedeutung für die Ausübung einer Tätigkeit als Kassiererin bzw. Verkäuferin. Ein Verstoß dagegen ist daher geeignet, einen Grund für eine außerordentliche Kündigung auch dann darzustellen, wenn die Sache nur einen geringen Wert hat (LAG Berlin, Urteil vom 9.07.2002, 7 Sa 40/02, veröffentlicht in juris). Aus Sicht des Senats war der Arbeitgeberin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nicht zumutbar. Zwar wäre im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie über 10 Jahre für die Arbeitgeberin gearbeitet hat und als gute und gewissenhafte Mitarbeiterin galt. Auch wäre zu beachten, dass die beiden Artikel nur einen geringen Wert hatten. Dies allein hätte hingegen nicht den Vertrauensverlust aufgewogen, den der Verstoß gegen die Dienstanweisung angesichts der Position der Klägerin bei der Arbeitgeberin ausgelöst hat. Zudem hat die Klägerin auch gegenüber dem Senat eingeräumt, dass sie schon des Öfteren vergessen habe, Ware vor dem Verzehr zu zahlen. Dies war offensichtlich auch anderen Kolleginnen und Kollegen der Klägerin nicht verborgen geblieben. Der Senat kann auch nicht davon ausgehen, dass die Klägerin die Ware bezahlen wollte. Feststellungen dazu konnte der Senat nicht treffen, da die Klägerin auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage nicht bereit war, die Kollegin namentlich zu benennen, die sie durch Übersenden einer SMS gebeten haben will, die Waren am für die Klägerin dienstfreien Folgetag zu bezahlen. Entgegen der Annahme der Klägerin war auch eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich. Einer Abmahnung bedarf es nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nicht, wenn es sich um eine Vertragsverletzung handelt, die zu einer Störung im Vertrauensbereich führt und die derart gravierend ist, dass ein verständiger Arbeitnehmer erkennen muss, dass ein Arbeitgeber die Vertragsverletzung nicht billigen wird. Auch ohne einschlägige Abmahnung ist eine fristlose Kündigung insbesondere bei Straftaten gegen den Arbeitgeber wie Diebstahl, Betrug, Untreue gerechtfertigt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.10.2003, 7 Sa 784/03, veröffentlicht in juris; BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 36/03, AP Nr 179 zu § 626 BGB, Schlachter, Kündigung wegen Entwendung geringwertiger Sachen des Arbeitgebers, NZA 2005, 433, 435). Denn ein Arbeitnehmer muss nur abgemahnt werden, wenn er mit vertretbaren Gründen annehmen durfte, das Verhalten werde geduldet oder als nicht erheblicher Vertragsverstoß angesehen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2004, 12 Sa 107/04 veröffentlicht in juris). Anhaltspunkte dafür sind angesichts der eindeutigen Regelung in der Dienstanweisung nicht ersichtlich. Auf den Wert einer z. B. entwendeten Sache, die im Eigentum des Arbeitgebers steht, kommt es dabei nicht an (BAG, Urteil vom 17.05.1984, 2 AZR 3/83, EzA § 626 BGB Neue Fassung Nr. 90 [Bienenstichurteil], Urteil vom 12.08.1999, 2 AZR 923/98, EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen Nr. 8).
Die Sperrzeit war auch nicht nach § 144 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a SGB III zu reduzieren. Danach halbiert sich die Regelsperrzeit, wenn eine Sperrzeit von 12 Wochen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeutet. Eine besondere Härte kann unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles auch bei einem unverschuldeten, für den Arbeitslosen unvermeidbaren Irrtum über den wichtigen Grund - die Rechtmäßigkeit der drohenden Kündigung - vorliegen (BSG, Urteil vom 13.03.1997, 11 RAr 17/96, NZA-RR 1997, 495; BSG, Urteil vom 17.10.2002, B 7 AL 136/01 R, a.a.O). Diese Bewertung wird bei einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die Überlegung gestützt, dass ansonsten der sorgfältige Arbeitnehmer, der sich vor der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses mit den sich hieraus ergebenden sozialrechtlichen Folgerungen vertraut macht, benachteiligt würde. Der Irrtum kann aber nur dann im Einzelfall wegen einer besonderen Härte zur Verminderung der Regeldauer der Sperrzeit führen, wenn er durch die konkrete Auskunft einer hiermit vertrauten Stelle - dies wird in der Regel eine Dienststelle der Beklagten sein - hervorgerufen oder gestützt wird. Anhaltspunkte für eine solche Beratung zu den Auswirkungen ihres Verhaltens auf den Leistungsanspruch sind nicht ersichtlich. Die Klägerin ist nach den Gesamtumständen auch nicht übermäßig bedrängt worden, selbst zu kündigen. Die sowohl strafrechtlich als auch arbeitsrechtlich unzutreffende Bewertung ihrer Handlung, kann, worauf bereits das Sozialgericht hingewiesen hat, in diesem Zusammenhang nicht zu einer anderen Beurteilung führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.
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