L 9 SO 10/07 PKH

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 10/07 PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt A-L P aus S zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten in Höhe von 4.517,50 EUR gemäß § 74 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), für ihre am 3. Januar 2004 verstorbene Mutter hat, wie sie mit Schreiben vom 29. Januar 2004 vom Bestattungsinstitut gegenüber der Klägerin in Rechnung gestellt wurden und bezüglich derer diese mit Schreiben vom 31. März 2005 am 4. April 2005 beim Amt Sa einen "Antrag auf Beerdigungskostenbeihilfe" stellte, den die Beklagte abschlägig beschied. Im anschließenden gerichtlichen Verfahren hat das Sozialgericht Schleswig die Klage mit Urteil vom 29. August 2007 zugestellt am 22. Oktober 2007 – abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die endgültige Kostentragung sei für die Klägerin nicht unzumutbar. Bei der Auslegung des Zumutbarkeitsbegriffs in § 74 SGB XII sei auch die seit der Bestattung verstrichene Zeit ein wesentlicher Aspekt. Je später der Anspruch auf Bestattungskostenübernahme dem Sozialhilfeträger gegenüber geltend gemacht werde (hier erst nach mehr als 13 Monaten), desto eher sei eine endgültige Verpflichtung des Bestattungskostenpflichtigen zu bejahen und desto gewichtiger müssten die Umstände sein, die im Einzelfall die verspätete Geltendmachung der Ansprüche zu rechtfertigen und somit doch noch die Unzumutbarkeit der Kostentragung zu begründen geeignet seien. Daran gemessen sei die Kostentragung durch die Klägerin angesichts aller hier relevanten Umstände nicht unzumutbar. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 12. November 2007 eingelegten Berufung; sie beantragt zugleich, ihr Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu gewähren.

II.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren hat keinen Erfolg. Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ist den Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn – neben hier dem Grunde nach nicht zweifelhaften Voraussetzungen – die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Dabei dürfen die Anforderungen an die tatsächlichen und rechtlichen Erfolgsaussichten nicht überspannt werden (vgl. Philippi in: Zöller, Kommentar zur ZPO, § 114, Rdnr. 19 m.w.N.). Es ist zu berücksichtigen, dass das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern lediglich zugänglich machen will. Dem genügt § 114 Satz 1 ZPO dadurch, dass er die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht erst bei sicherer, sondern bereits bei hinreichender Erfolgsaussicht vorsieht. Deren Feststellung soll mithin nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses anstelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet andererseits zugleich, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfGE 81, S. 341; BSG, SozR 3-1500, § 62 Nr. 19).

Danach hat die Klägerin hier keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil es an einer hinreichenden Erfolgsaussicht für das Berufungsverfahren fehlt.

Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften benannt und dargelegt, dass im Zusammenhang mit dem Zumutbarkeitsbegriff des § 74 SGB XII hier zu berücksichtigen sei, dass zwischen der Bestattung der Mutter der Klägerin und der Rechnungsstellung durch das Bestattungsinstitut Ende Januar 2004 und der erstmaligen Beantragung der Bestattungskostenübernahme Anfang April 2005 mehr als 13 Monate (tatsächlich waren es rund 14 Monate) gelegen hätten. Rechtfertigende Gründe, warum der Anspruch erst so spät und weitgehend losgelöst vom Entstehungsanlass der Schulden dem Beklagten gegenüber geltend gemacht worden sei, seien nicht gegeben. Sodann sind im Einzelnen die von der Klägerin geltend gemachten Einwendungen gewürdigt worden. Den dortigen rechtlichen Überlegungen wie auch der Würdigung des zugrunde liegenden Lebenssachverhaltes schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung vollumfänglich an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst entsprechend § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Die Darlegungen der Klägerin im Berufungsverfahren geben keinen Anlass, von dieser Einschätzung abzuweichen. Insoweit ist folgendes zu ergänzen: Bei dem Anspruch auf Übernahme von Bestattungskosten durch den Träger der Sozialhilfe nach § 74 SGB XII handelt es sich um einen sozialhilferechtlichen Anspruch eigener Art, dem nicht entgegen steht, dass die Bestattung bereits vor Unterrichtung des Sozialhilfeträgers durchgeführt worden ist und/oder die Kosten vor seiner Entscheidung beglichen worden sind. § 74 SGB XII erkennt somit ausnahmsweise eine Verbindlichkeit als sozialhilferechtlichen Bedarf an (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juni 1997 – 5 C 13/96 -, BVerwGE 105, 51 bis 54, zu der inhaltlich gleichen Vorschrift des § 15 im früheren Bundessozialhilfegesetz – BSHG -). Auf diese spezielle Kostenübernahmeanordnung ist somit § 18 SGB XII nicht anzuwenden. Eine bestimmte Frist, innerhalb derer nach Durchführung der Bestattung die Kostenübernahme beantragt werden müsste, ist in § 74 SGB XII nicht festgelegt. Wird die Kostenübernahme allerdings nicht binnen angemessener Frist nach Klärung der Kostentragungspflicht beantragt, sind regelmäßig Zweifel an der Unzumutbarkeit ihrer Tragung angezeigt (Berlit in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 74 Rz. 6; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/ Hohm, Kommentar zum SGB XII, 17. Aufl., § 74 Rz. 4). Die Person des "Verpflichteten" stand im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Bestattung bereits unzweifelhaft fest; es ist die Klägerin als Tochter der im Januar 2004 verstorbenen Frau K B , die zudem von der Klägerin allein beerbt wurde.

Die Klägerin hat den Kostenübernahmeantrag nicht binnen angemessener Frist gestellt. Es kann dahinstehen, wo möglicherweise in der Regel eine Grenzziehung bei der Bestimmung einer "angemessenen Frist" vorzunehmen sein wird. In dem von den Beteiligten im Verfahren vor dem Sozialgericht benannten Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 2004 – 16 A 1160/2 – (FEVS 56, 12 bis 17) ist die Rechtsprechung und Literaturmeinung (jeweils mit entsprechenden Zitaten) angegeben, die sich bis dahin herausgebildet hatte. Danach wird von ein bis zwei Monaten nach dem Todesfall ausgegangen. Ein Zeitraum von rund 14 Monaten, wie er hier ab Rechnungsstellung (29. Januar 2004) bis zur Antragsstellung (4. April 2005) vorliegt, führt auch angesichts des Ausnahmecharakters der abweichend von § 18 SGB XII in § 74 SGB XII konzipierten speziellen Kostenübernahmeanordnung auf jeden Fall dazu, dass nicht mehr von einer Antragsstellung binnen angemessener Frist nach der Bestattung und Rechnungsstellung gesprochen werden kann.

Auch eine analoge Anwendung von § 27 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), kommt zu Gunsten der Klägerin nicht in Betracht. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm bzw. ihr gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Bestimmung ist der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragsstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (Satz 2). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (Satz 3). Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Satz 4). Selbst wenn man den Rechtsgedanken der für die Versäumung einer gesetzlichen Frist konzipierten Regelung auf die vorliegende Konstellation anwenden wollte, so stünde einer Entscheidung zu Gunsten der Klägerin entgegen, dass sie trotz erfolgter Mahnungen (beginnend ca. drei Monate nach Rechnungsstellung) seitens des Bestattungsinstituts nichts unternommen hat, um dort nachzufragen, ob ein Antrag auf Kostenübernahme beim Sozialamt gestellt worden war – wie sie nach ihrem Bekunden irrig angenommen hatte -, bzw. direkt beim Sozialamt nachzufragen und sodann dort selbst einen entsprechenden Antrag zu stellen. Vielmehr hat die Klägerin rund 11 Monate abgewartet, bis sie dann – unter dem Druck der Forderung seitens des Bestattungsinstituts – am 6. Januar 2005 ein notarielles Schuldanerkenntnis mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung abgegeben hat, um – wie sie selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht angegeben hat – ein Klageverfahren seitens des Bestattungsinstituts zu vermeiden.

Bereits ab der ersten Mahnung konnte die Klägerin nicht mehr darauf vertrauen, dass das Bestattungsinstitut einen Antrag nach § 74 SGB XII, wie er im Übrigen auch nicht in dem detaillierten Leistungskatalog in der Rechnung vom 29. Januar 2004 aufgeführt war, für sie – die Klägerin – beim Sozialamt gestellt hatte. Diesbezügliche Nachforschungen bzw. ein eigenes Tätigwerden seitens der Klägerin hätte für diese beim Erhalt weiterer Mahnungen in der Folgezeit erst recht nahegelegen, allerspätestens zurzeit der Protokollierung des notariellen Schuldanerkenntnisses. Bei einer entsprechenden Anwendung des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand müsste gefordert werden, dass die Antragstellerin den Antrag auf Kostenübernahme spätestens binnen zwei Wochen nach Eintritt der vorgenannten Ereignisse gestellt hätte. Aber auch das ist hier nicht geschehen, sondern erst am 4. April 2005 ging erstmals ein darauf gerichteter Antrag, gefertigt vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der zuvor auch deren notarielles Schuldanerkenntnis protokolliert hatte, beim Sozialamt ein. Angesichts dessen braucht in der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht abschließend geklärt zu werden, ob darüber hinaus auch die Regelung des § 27 Abs. 3 SGB X dem Begehren der Klägerin entgegenzuhalten ist. Nach dieser Bestimmung kann die Wiedereinsetzung nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Insbesondere für letzteres sind keinerlei Anhaltspunkte vorhanden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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