L 12 EG 5/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 EG 22/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 EG 5/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Februar 2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung höheren Elterngeldes.

Die 1974 geborene Klägerin ist seit dem 14. März 2003 bei einem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden angestellt. Sie erhielt eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.500 Euro von November 2003 bis Januar 2004 und in Höhe von 1.700 Euro von Februar bis Oktober 2004 sowie jeweils einen Zuschuss zu den Fahrkosten in Höhe von 50 Euro.

Nach der Geburt ihres Sohnes R am 2004 nahm die Klägerin vom 10. Februar 2005 bis zum 10. Februar 2007 Elternzeit nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) in Anspruch und bezog Erziehungsgeld. Einer Erwerbstätigkeit ging sie in dieser Zeit nicht nach. Am 11. Februar 2007 nahm die zu dieser Zeit erneut schwangere Klägerin ihre Beschäftigung wieder auf. Sie erzielte im Februar 2007 ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1.020 Euro (nach Abzug der Beiträge zur Sozialversicherung 810,90 Euro) und im März 2007 in Höhe von 283,66 Euro. Ab dem 6. März 2007 zahlte ihr Arbeitgeber einen Zuschuss zu dem ihr von ihrer Krankenkasse für die Zeit vom 6. März bis 19. Juni 2007 gewährten Mutterschaftsgeld.

Am 2007 wurde der Sohn T geboren. Der Mutterschutz nach der Geburt endete am 19. Juni 2007; seit dem 20. Juni 2007 nimmt die Klägerin – voraussichtlich bis zum 23. April 2009 – Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in Anspruch.

Auf ihren am 22. Mai 2007 gestellten Antrag bewilligte ihr das beklagte Land mit Bescheid vom 24. Mai 2007 Elterngeld in Höhe von 0 Euro für den ersten Lebensmonat des Sohnes T (24. April bis 23. Mai 2007), in Höhe von 48,39 Euro für den zweiten Lebensmonat (24. Mai bis 23. Juni 2007), in Höhe von jeweils 375 Euro monatlich für den 3. bis 8. Lebensmonat (24. Juni bis 23. Dezember 2007) und in Höhe von jeweils 300 Euro monatlich für den 9. bis 12. Lebensmonat (24. Dezember 2007 bis 23. April 2008). Das Elterngeld wird in 24 halben Monatsbeträgen ausgezahlt.

Den von der Klägerin am 6. oder 7. Juni 2007 eingelegten Widerspruch, mit der sie die Gewährung eines Elterngeldes auf der Grundlage ihres zwischen November 2003 und Oktober 2004 erzielten Arbeitsentgelts forderte, wies das beklagte Land mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2007 zurück.

Zur Begründung ihrer am 10. August 2007 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass bei der Ermittlung der Höhe des Elterngeldes das von ihr in den zwölf Monaten vor der Geburt ihres ersten Sohnes erzielte Einkommen zugrunde zu legen sei. Es sei nicht im Sinne des Gesetzes, dass Mütter, die sich unmittelbar vor der Geburt eines Kindes im Jahr 2007 im Erziehungsurlaub befunden hätten, bestraft und finanziell schlechter gestellt würden. Das von ihr bis zum 11. Februar 2007 bezogene Erziehungsgeld sei kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Sie zähle zu den Frauen, die durch die Einführung des Elterngeldes gefördert werden soll-ten, um eine Fertilitätsrate von 2,1 Kindern pro Frau zu erreichen.

Durch Urteil vom 11. Februar 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe höheres Elterngeld nicht zu. Das beklagte Land habe zutreffend das Erwerbseinkommen aus den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Sohnes T und nicht das Erwerbseinkommen vor der Geburt des (ersten) Sohnes R berücksichtigt. § 2 Abs. 7 Satz 5 BEEG, wonach die Kalendermonate des Bezuges von Elterngeld für ein älteres Kind bei der Bestimmung der zwölf für der Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalen-dermonate unberücksichtigt blieben, sei nicht anwendbar, da die Klägerin nicht Elterngeld, sondern Erziehungsgeld bezogen habe. Diese unterschiedliche Behandlung des Bezuges von Eltern- und Erziehungsgeld sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Diese Regelung stehe in engem Zusammenhang mit der Übergangsregelung in § 27 BEEG, wonach Elterngeld nur für ab Januar 2007 geborene bzw. adoptierte Kinder gewährt werde und für Geburten vor dem 1. Januar 2007 weiterhin Erziehungsgeld gewährt werde. Damit habe sich der Gesetzgeber für eine klare Trennung beider Systeme entschieden. Im Einzelfall entstehende "Ungerechtigkeiten" seien angesichts des dem Gesetzgeber zustehenden weiten Gestaltungsspielraums hinzunehmen.

Gegen das ihr am 22. Februar 2008 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg gerichteten und am 25. März 2008 (Dienstag nach Ostern) beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Berufung. Das Elterngeld sei als Entgeltersatzleistung auch für Alleinerziehende mit kleinen Kindern zur Unterstützung bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage ausgestaltet. Das für ab dem 1. Januar 2007 geborene Kinder geltende Gesetz setze das Elterngeld an die Stelle des Erziehungsgeldes. Sie zähle zu den Frauen, die durch dieses Gesetz gefördert und nicht mangels einer entsprechenden Regelung für ältere Kinder bestraft werden sollten. Sie liege bei einer Fertilitätsrate von 2,0 und erreiche somit fast das demografisch gesetzte Ziel einer Fertilitätsrate von 2,1 Kindern pro Frau. Zwischen beiden Geburten habe sie wiederum Einkünfte aus Erwerbstätigkeit erzielt und werde auch wieder nach dem Ende der Elternzeit solche Einkünfte erzielen. Die zwölf für die Berechnung des El-terngeldes maßgeblichen Monate müssten nicht unmittelbar vor der Geburt des Kindes liegen. Schließlich verstoße die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin gegen Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Februar 2008 aufzuheben, den Bescheid des beklagten Landes vom 24. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2007 zu ändern und das beklagte Land zu verurteilen, ihr Elterngeld in Höhe von 864,11 Euro monatlich zu gewähren.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch unter Berücksichtigung ihres erst während des Berufungsverfahrens bekannt gewordenen Einkommens aus Erwerbstätigkeit stehe der Klägerin nur der Mindestbetrag in Höhe von 300 Euro (zuzüglich eines "Geschwisterbonus" von 75 Euro für die Monate bis einschließlich De-zember 2007) zu.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den vom beklagten Land vorgelegten Verwaltungsvorgang, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht höheres Elterngeld nicht zu.

Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG). Bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonate bleiben Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung bezogen hat, unberücksichtigt (§ 2 Abs. 7 Sätze 5 und 6 BEEG).

§ 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG ist nicht in dem Sinne auszulegen, dass für die Berechnung der Höhe des Elterngeldes nicht das in den zwölf Kalendermonate vor der Geburt des Kindes erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit maßgebend ist, sondern das Einkommen der letzten zwölf Monate, in denen Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt wurde – wie es augenscheinlich der Klägerin vorschwebt. Eine solche Auslegung widerspräche bereits dem Wortsinn der Vorschrift. Auch gibt weder die Systematik des Gesetzes etwas dafür her, noch zwingt dessen Zweck, "Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern" (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/2454 vom 25. August 2006), dazu. Eine bestimmte Ausgestaltung dieser Unterstützung – in der von der Klägerin für richtig gehaltenen Weise – lässt sich daraus nicht
ableiten.

Maßgeblich für die Ermittlung des durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit sind danach hier die Monate März 2006 bis Februar 2007, da die Klägerin ab 6. März 2007 Mutterschaftsgeld bezogen hat. In diesem Zeitraum hat die Klägerin lediglich im Februar 2007 Einkommen aus Erwerbstätigkeit bezogen; sie weist in ihrer Klagebegründung selbst zutreffend darauf hin, dass das bis zum 11. Februar 2007 bezogene Erziehungsgeld kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BEEG ist.

Im Februar 2007 erzielte die Klägerin ein Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit von 1.020 Euro. Nach Abzug der aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und nach Abzug eines Zwölftels des Werbungskostenpauschbetrages nach § 9 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (76,67 Euro) verbleibt ein Betrag von 734,23 Euro, woraus sich ein durchschnittliches monatliches Einkommen in Höhe von 61,19 Euro ergibt.

Da dieses durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit geringer als 1.000 Euro ist, erhöht sich der Prozentsatz von 67 Prozent (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG) um 0,1 Prozentpunkte für je zwei Euro, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1.000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent (§ 2 Abs. 2 BEEG). Dass die Beklagte diese Regelung, die hier zu einer Erhöhung des Prozentsatzes auf 100 Prozent führt, nicht beachtet hat, ist letztlich ohne Belang, da auch unter Beachtung dieser Bestimmung das Elterngeld nur 61,19 Euro monatlich betragen würde. Elterngeld ist deshalb in Höhe von 300 Euro zu zahlen (§ 2 Abs. 5 Satz 1 BEEG). Für die Monate bis einschließlich Dezember 2007 ist das Elterngeld um 75 Euro zu erhöhen (§ 2 Abs. 4 Satz 4 BEEG). Für den zweiten Lebensmonat (24. Mai bis 23. Juni 2007) beträgt das Elterngeld nur – anteilig – 48,39 Euro, da für die Zeit bis zum 19. Juni 2007 das der Klägerin zustehende Mutterschaftsgeld sowie der von ihrem Arbeitgeber nach § 14 des Mutterschutzgesetzes gezahlte Zuschuss zum Mutterschaftsgeld anzurechnen sind (§ 3 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BEEG).

Auch unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 7 Satz 5 BEEG, wonach Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt bleiben, kann die Klägerin höheres Elterngeld nicht beanspruchen. Denn sie hat für ihren älteren Sohn R nicht Eltern-, sondern Erziehungsgeld bezogen. Selbst wenn diese Regelung – aus verfassungsrechtlichen Erwägungen – entsprechend auch auf Eltern anzuwenden sein sollte, die Erziehungsgeld bezogen haben, könnte die Klägerin aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes, wonach wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist (Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes), lediglich verlangen, so gestellt zu werden, als hätte sie für ihren ersten Sohn (nicht Erziehungs-, sondern) Elterngeld bezogen. Da Elterngeld längstens bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden kann (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BEEG), hätte die Klägerin nach der Geburt ihres Sohnes R Elterngeld allenfalls bis zum 13. Februar 2006 beziehen können. Auch danach blieben für die Einkom-mensbestimmung die Monate März 2006 bis Februar 2007 maßgeblich. Würden auch diese Monate nicht berücksichtigt, würde die Klägerin nicht gleich, sondern – unzulässigerweise – besser behandelt als ein Elter, der tatsächlich Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz bezogen hat.

Andere verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht. Insbesondere und vor allem wird das natürliche Recht der Klägerin, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen (Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes), von der vom Gesetzgeber gewählten Art der Bemessung des Elterngeldes nicht beeinträchtigt. Im Übrigen ist die (pauschaliesierende) unwiderlegliche gesetzliche Ver-mutung, nur derjenige erleide einen auszugleichenden (höheren) Entgeltausfall, der in den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes tatsächlich ein höheres Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt hat, verfassungsrechtlich im Bereich der gewährenden Verwaltung nicht zu bean-standen.

Dass der Gesetzgeber bei der Einführung und Ausgestaltung des Elterngeldes den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum – auch in diesem Punkt – möglicherweise nicht in der denkbar besten Weise genutzt (vgl. dazu Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld [2007], Rdnr. 135) und unter Umständen weitergehenden Programmssätzen der Gesetzesbegründung nicht ent-sprochen hat, ist rechtlich unerheblich.

Die auf § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beruhende Entscheidung über die Erstattung von Kosten berücksichtigt, dass Klage und Berufung keinen Erfolg haben.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen jedenfalls im Fall der Klägerin nicht vor, weil selbst bei unterstelltem Bezug von Elterngeld nach dem ersten Kind das vor der Geburt des zweiten Kindes erzielte Einkommen zugrunde zu legen wäre.
Rechtskraft
Aus
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