L 10 B 1854/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 137 AS 18153/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 1854/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
L 10 B 1858/08 AS PKH
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2008 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag der Antragstellerinnen, ihnen zur Durchführung der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2008, soweit darin der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist, Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.

Gründe:

Die zulässigen Beschwerden der Antragstellerinnen gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin sind nicht begründet, soweit darin ihr Antrag vom 09. Juni 2008 abgelehnt worden ist, die Antragsgegnerin im Wege einer Regelungsanordnung iS des § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, ihnen als anteilige Einzelansprüche (vgl zum Individualcharakter der Leistungsansprüche nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II): Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 07. November 2006 – B 7b 8/06 R, juris RdNr 12 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1) höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Zugrundelegung von monatlich insgesamt 875,63 EUR (tatsächliche Aufwendung von 890,00 EUR abzüglich einer Warmwasseraufbereitungspauschale von 14,37 EUR für drei Personen) statt lediglich unter Berücksichtigung von monatlich insgesamt 527,63 EUR (Unterkunftspauschale von 542,00 EUR abzüglich einer Warmwasseraufbereitungspauschale von 14,37 EUR) für die Zeit vom 01. April 2008 bis zum 30. September 2008 (nicht bestandskräftiger Bescheid vom 12. März 2008, Bl 248 der Verwaltungsakte (VA), idF des Änderungsbescheids vom 18. April 2008, Bl 315 VA, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2008, Bl 320 VA) zu gewähren.

Nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Anordnungsanspruch – die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung – sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der jeweiligen Instanz; im Beschwerdeverfahren kommt es demnach auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an.

Für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung ist bereits deshalb kein Raum, weil es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes fehlt. Die Antragstellerinnen werden ab dem 01. Oktober 2008 eine neue Wohnung beziehen. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, dass die Miete für den Monat August 2008 nur anteilig, nämlich in Höhe von nur 250,00 EUR, hat beglichen werden können (Bl 32 Gerichtsakte (GA)), so dass erstmals ein Mietrückstand aufgelaufen ist. Der Antragstellerin zu 1 droht – wie sie selbst ausführt (vgl den Beschwerdeschriftsatz vom 04. September 2008 (Bl 25 GA/Seite 5 des Schriftsatzes)) – eben gerade keine außerordentliche Kündigung ihres Mietverhältnisses und den Antragstellerinnen geht es gerade nicht um den Erhalt der derzeit noch inne gehabten Wohnung.

Im Gegensatz zu der Auffassung der Antragstellerinnen begründet allein der Umstand, Schulden zu haben, einen Anordnungsgrund nicht. Soweit geltend gemacht wird, durch ausstehende Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bedingte Schulden begründeten einen gegenwärtigen Nachteil deshalb, weil es dem Vermieter möglich sei, wegen der aufgelaufenen (Miet-) Schulden einen Vollstreckungstitel gegen die Antragstellerin zu 1 beschaffen, im Anschluss gegen sie die Vollstreckung zu betreiben, was mit Kosten zu ihren Lasten, ggf sogar mit der Abgabe eine eidesstattlichen Versicherung, verbunden sein könnte, mag dies zutreffen, wenn ein solcher Ablauf konkret und unmittelbar droht. So liegt der Fall hier aber nicht. Es ist weder vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass der Vermieter auf eine sofortige Begleichung der Schulden dringt und die Absicht besteht, anderenfalls einen Titel gegen die Antragstellerin zu 1 zu erwirken, um im Anschluss aus diesem Titel die Vollstreckung zu betreiben. Im Gegenteil dürfte es im konkreten Fall – auch und gerade unter Berücksichtigung der Pfändungsschutzvorschriften der ZPO - näher liegen, dass es zu einer außergerichtlichen Einigung zwischen der Antragstellerin zu 1 und dem bisherigen Vermieter kommen wird (etwa durch Abschluss einer Raten¬zahlungsvereinbarung (die Antragstellerin zu 1 erzielt Einkommen aus Erwerbstätigkeit, so dass sie den Erwerbstätigenfreibetrag einsetzen könnte ) oder durch Stundung der Schuld bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gegen die Antragsgegnerin), mithin die von der Antragstellerin zu 1 befürchten Folgen gar nicht drohen.

Soweit die von den Antragstellerinnen angezogene Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Juni 2006 (L 14 B 471/06 AS ER, juris) so zu verstehen sein sollte, dass in Fällen, in denen es möglicherweise aufgrund eines Fehlers der Behörde zu Schulden des Hilfebedürftigen gekommen ist, im Ergebnis auf die Prüfung eines Anordnungs¬grundes regelmäßig nicht ankommt, folgt der Senat dem nicht. Sollte die Darlegungen in dem zitierten Beschluss jedoch - wovon der Senat ausgeht - so gemeint sein, dass sich in den Fällen, in denen ein Anordnungsanspruch offensichtlich besteht, die An¬forderungen an den Anord¬nungsgrund vermindern, ohne dass auf diesen verzichtet werden kann, tritt der Senat dieser Auffassung ausdrücklich bei. Denn Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander, vielmehr besteht eine Wechsel¬beziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden in diesem Sinne aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, RdNrn 27 und 29 zu § 86b mwN).

Die zulässige Beschwerden der Antragstellerinnen gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des SG, soweit darin ihre Antrag abgelehnt worden ist, ihnen für die Durchführung des einst¬weiligen Rechtsschutzverfahrens erster Instanz Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu gewähren, ist nicht begründet, da der Eilrechtsantrag zu keinem Zeitpunkt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). Aus denselben Erwägungen – wegen mangelnder Erfolgs¬aussicht - waren auch die Anträge auf Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG bzw § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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