Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 2666/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 778/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Januar 2008 sowie der Bescheid vom 9. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2005 abgeändert. Es wird festgestellt, dass unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit wegen Unfallfolgen im Bereich der linken Hand bis einschließlich 22. Juni 2003 bestanden hat.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens werden nicht erstattet.
Tatbestand:
Im Streit steht noch die Frage, ob die gesundheitlichen Einschränkungen im Bereich beider Schultern Folge des Arbeitsunfalls vom 9. Juli 2002 sind, über den 16. August 2002 hinaus Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden hat und ob dem Kläger Anspruch auf Verletztenrente zusteht.
Der Kläger ist im Dezember 1943 geboren und als Bauvorarbeiter tätig. Am 9. Juli 2002 erlitt er einen Arbeitsunfall, als beim Betreten von drei nebeneinander ausgelegten Bohlen eine der Bohlen nachgab und der Kläger deshalb aus ca. 3 m Höhe abstürzte. Beim Sturz versuchte der Kläger nicht, sich noch festzuhalten. Er zog sich multiple Prellungen und eine Halswirbelsäulendistorsion zu (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 18. Juli 2002; Durchgangsarztbericht Dr. V. vom 9. Juli 2002). Darüber hinaus erlitt er einen Bandausriss am Mondbein der linken Hand bei (wie rechts) vorbestehenden degenerativen Veränderungen. Der Kläger teilte Dr. V. weiter mit, dass vor dem Unfall beide Schultern gelegentlich geschmerzt hätten. Das Klinikum am S., R., in dem sich der Kläger vom 9. bis 12. Juli 2002 in stationärer Behandlung befand, teilte als Diagnosen weiter Frakturen der 8. und 9. Rippe links, Verdacht auf Fraktur der 7. Rippe links, eine Teilruptur der Supraspinatussehne links, Verdacht auf komplette Ruptur der Supraspinatussehne rechts und eine Distorsion des rechten Handgelenks (richtig: des linken) mit. Über der linken Schulter habe sich eine Schürfwunde befunden, am rechten Handgelenk sei eine Schwellung und ein Druckschmerz festgestellt worden.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis von der Krankenkasse bei (u.a. Arbeitsunfähigkeit 1997 wegen akuter Schulterarthritis; weitere Eintragungen wegen Lumbalgie und Wirbelsäulenbeschwerden). Der behandelnde Arzt Dr. R. teilte der Beklagten in mehreren Schreiben fortbestehende Beschwerden des Klägers in den Schultern, vor allem links, mit. Nach weiteren Untersuchungen und der Feststellung einer scapholunären Dissoziation links mit knöchernem Ausriss aus dem Lunatum (Dr. R., Bericht vom 31. Oktober 2002) wurde der Kläger am linken Handgelenk operiert (stationärer Aufenthalt im Klinikum O. vom 12. bis 15. November 2002). Im Nachschaubericht vom 2. Januar 2003 wurde eine regelrechte Stellung des Handwurzelknochens bei Klagen über Schwäche und Schmerzen in beiden Schultergelenken berichtet.
Am 31. März 2003 nahm der Kläger eine Belastungserprobung auf und stellte sich zur fortlaufenden Kontrolle im Klinikum O. vor. Nach anfänglichen Problemen mit der Belastung der linken Hand teilte Prof. Dr. R. unter dem 22. Mai 2003 mit, ab 26. Mai 2003 könne die tägliche Belastung von 4 auf 6 Stunden gesteigert werden. Der Kläger berichte über Besserung, das Handgelenk könne aktiv 30/0/30 bewegt werden, die Narbenverhältnisse seien reizlos, die Schmerzintensität und -häufigkeit habe nachgelassen. Die Schulter bereite ihm aber Schwierigkeiten. Unter dem 12. Juni 2003 berichtete Prof. Dr. R. über die Untersuchung vom 5. Juni 2003. Danach sei klinisch das linke Schultergelenk frei beweglich gewesen, eine leichte Atrophie der Supra- und Infraspinatusmuskulatur habe bestanden mit Druckdolenz über der Bizepssehne und insgesamt deutlicher Schwäche der linken Schulter. Am Handgelenk sei die Beweglichkeit weiterhin eingeschränkt. Die Streckung/Beugung sei mit 40/0/30, der Faustschluss fast komplett möglich und die grobe Kraft noch gemindert.
Ab 23. Juni 2003 war der Kläger wieder vollschichtig arbeitsfähig. Prof. Dr. R. schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) über die 26. Woche hinaus mit 20 v.H. ein.
Unter dem 4. Juli 2003 erstatteten Prof. Dr. W./Dr. L. im Auftrag der Beklagten einen ambulanten Untersuchungsbericht. Darin wurde zusammenfassend ausgeführt, vor dem Unfall hätten zahlreiche degenerative Vorschäden bestanden. Der Zustand vor dem Unfall sei mittlerweile nahezu wieder erreicht. Ein stationäres Heilverfahren werde empfohlen.
Im Auftrag der Beklagten erstellte unter dem 10. März 2004 Dr. R. das erste Rentengutachten. Dieser diagnostizierte als wesentliche Unfallfolgen Schmerzen, eine Minderung der groben Kraft und Beweglichkeit in der linken Hand und zum Teil im linken Schultergelenk bei Zustand nach Sprengung des Bandes zwischen Mond- und Kahnbein und Rotatorenverletzung der linken Schulter sowie einen Zustand nach Rippenfrakturen ohne messbare Einbuße. Die MdE schlug er für die Zeit vom 23. Juni 2003 bis 9. Oktober 2003 mit 30 v.H., dann bis 9. März 2004 bzw. 9. März 2005 mit 20 v.H. und danach mit voraussichtlich noch 10 v.H. vor. Weiter teilte er mit, er veranlasse ein neurologisches Gutachten.
Die Beklagte gab daraufhin bei Prof. Dr. W., F., ein orthopädisches Gutachten in Auftrag. In seinem Gutachten vom 18. Juni 2004 führte dieser aus, nachdem im Oktober 2002 eine perilunäre Luxation diagnostiziert worden sei, scheide die Fehlstellung des Mondbeins als Unfallfolge aus. Es sei auch unwahrscheinlich, dass die Verletzungen an den Rotatorenmanschetten beider Schultern unfallbedingt seien. Es fehle schon am geeigneten Unfallhergang, jedenfalls aber an Initialsymptomen für derartige Verletzungen am Unfalltag. Darüber hinaus hätten schon vor dem Unfall Schulterbeschwerden bestanden, wie der Kläger ausgeführt habe und was auch das Vorerkrankungsverzeichnis belege. Er rate zu weiterer Sachverhaltsaufklärung.
Die Beklagte zog daraufhin das Vorerkrankungsverzeichnis auch für die Zeit von 1974 bis 1994 (keine weiteren Eintragungen bzgl. der Schultern) bei sowie Röntgen- bzw. Kernspinaufnahmen.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Februar 2005 führte Prof. Dr. W. sodann aus, schon am Unfalltag habe ein erheblicher Hochstand des Oberarmkopfes mit Einengung des subakromialen Raumes vorgelegen. Zeichen einer frischen knöchernen Verletzung kämen nicht zur Darstellung. Auch fänden sich am proximalen Humerusende, im Übergangsbereich Metaphyse zur Diaphyse Spongiosaverkalkungen, die typisch seien für einen alten Knocheninfarkt. Dies spreche für schwerwiegende krankhafte Veränderungen an den Schulterweichteilen schon am Unfalltag, da typischerweise ein Defekt der Rotatorenmanschette zu einem Oberarmkopfhochstand führe. Der Kläger habe sich beim Unfall nur eine Schulterprellung mit Bluterguss in den oberflächlichen Schulterweichteilen zugezogen. Die Kernspinaufnahmen vom 11. Juli 2002 zeigten auch, dass rechts die gleichen degenerativen Veränderungen vorliegen würden wie links. Verletzungen an der rechten Schulter seien durch das Unfallereignis nicht nachgewiesen. Was die Aufnahmen des linken Unterarms bzw. des linken Handgelenks (vom 9. Juli, 15. Juli und 11. Oktober 2002) anbetreffe, zeigten alle Aufnahmen eine Arthrose des linken Handgelenks ohne Hinweiszeichen für eine abgelaufene frische knöcherne Verletzung. Der radiokarpale Gelenkspalt sei verschmälert, die Speichengelenkfläche subchondral vermehrt sklerosiert. Der Gelenkspalt zwischen Os naviculare und Os lunatum sei etwas verbreitert, die früher diagnostizierte perilunäre Luxation bestehe tatsächlich nicht. Vorhanden sei hingegen eine Fehlstellung der proximalen Handwurzelknochenreihe im Sinne einer sogenannten scapholunären Dissoziation. Die Veränderungen seien aber auch nicht unfallbedingt.
Mit Bescheid vom 9. März 2005 lehnte die Beklagte Leistungen über den 16. August 2002 unter gleichzeitiger Anerkennung des Ereignisses vom 9. Juli 2002 als Arbeitsunfall ab, da keine Unfallfolgen mehr vorliegen würden. Vielmehr bestünden unfallunabhängig eine schmerzhafte Funktionsstörung beider Schultergelenke infolge von Rotatorenmanschettendefekten, degenerative Veränderungen an beiden Ellenbogengelenken und beiden Handgelenken.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, den der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2005 zurückwies.
Dagegen hat der Kläger am 30. Juni 2005 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und ausgeführt, die Bewegungseinschränkungen im Bereich der Schultern, der Ellbogen und der linken Hand seien unfallbedingt, so dass Anspruch auf Übernahme der weiteren Behandlungskosten über den 19. August 2003 hinaus bestünde und auch ein Anspruch auf Verletztenrente.
Im Auftrag des SG hat unter dem 6. Dezember 2005 Prof. Dr. B., Mooswaldklinik F., ein orthopädisches Gutachten erstattet. Als Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet hat Dr. B. eine deutliche Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, eine geringe Bewegungseinschränkung der Schultergelenke links mehr als rechts, eine mäßige Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenks, eine mittelgradige Bewegungseinschränkung und leichte Schwellung des linken Handgelenks sowie eine mäßige Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenks festgestellt. Die funktionellen Einschränkungen im Bereich der HWS beruhten eindeutig auf unfallunabhängigen, vorbestehenden degenerativen Veränderungen. Die Bewegungseinschränkungen der Schulter, beruhend auf den Verletzungen der Supraspinatussehne, seien ebenfalls nicht auf den Unfall zurückzuführen. Die Supraspinatussehne könne nur durch starken gewaltsamen Zug beim hochgerissenen Arm oder auch bei Zug am Arm in ausgeprägter Adduktionsstellung reißen. Auch auf Nachfrage habe der Kläger ein Nachfassen beim Sturz oder einen Halteversuch verneint. Wahrscheinlich sei bei dem Sturz daher lediglich eine Prellung der linken Schulter eingetreten, wozu auch die Schürfwunde passe. Die unfallbedingte Verschlimmerung der vorbestehenden Schäden sei nach spätestens 3 Monaten abgeklungen gewesen. Soweit das linke Handgelenk zu beurteilen sei, gehe er mit Prof. Dr. R. und Prof. Dr. W. davon aus, dass eine scapho-lunäre Dissoziation beidseits und unfallunabhängig vorbestanden habe; darüber hinaus sei aber auch ein unfallbedingter Bandausriss operativ zu versorgen gewesen. Damit sei auch die zu diesem Zeitpunkt bestehende und sich bis zum 22. Juni 2003 ungewöhnlich lange hinziehende Arbeitsunfähigkeit zum ganz überwiegenden Teil unfallbedingt. Dies gelte auch für die noch feststellbare deutlichere Bewegungseinschränkung links gegenüber rechts am Untersuchungstag. Die unfallbedingte MdE von Seiten des linken Handgelenks schätze er ab Beginn der Wiedereingliederung am 31. März 2003 auf 20 v.H., ab 23. Juni 2003 mit 10 v.H. ein.
Die Beklagte hat daraufhin im Vergleichswege u.a. vorgeschlagen, den operativ versorgten Bandausriss am Mondbein des linken Handgelenks als Unfallfolge anzuerkennen und bis 22. Juni 2003 insoweit unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit anzuerkennen.
Im Auftrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat am 15. Oktober 2006 Prof. Dr. R. ein unfallchirurgisches Sachverständigengutachten erstellt (mit radiologischer Zusatzuntersuchung durch Oberarzt K.). Prof. Dr. R. hat ausgeführt, die Teilruptur der Supraspinatussehne lasse sich nicht als Folge des Unfalls vom 9. Juli 2002 nachweisen, da die für eine Sehnenreißung nötige Zugbelastung nicht erfolgt sei und der verminderte subacromiale Raum sowie die Schultereckgelenksarthrose wahrscheinliche Ursache der Ruptur seien. Unfallabhängig bestehe eine Restinstabilität des scapholunären Bandapparats am linken Handgelenk und eine Bewegungseinschränkung. Diese sei mit einer MdE um 20 v.H. ab 23. Juni 2003 auf Dauer zu bewerten. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. Oktober 2006 hat Prof. Dr. B. ausgeführt, er halte an der getroffenen Bewertung der MdE mit 10 v.H. fest. Es sei zu beachten, dass auch am rechten Handgelenk eine gewisse Bewegungseinschränkung aufgrund arthrotischer Veränderungen bestehe, die auf den linksseitigen Befund anzurechnen sei. Zum anderen sei die MdE um 20 v.H. für eine nur mäßige bis mittelgradige Bewegungseinschränkung mit einer Gebrauchsminderung der Hand nur im Hinblick auf den Einsatz grober Kraft zu hoch angesetzt.
Mit Gerichtsbescheid vom 11. Januar 2008 hat das SG die angefochtenen Bescheide abgeändert und festgestellt, dass eine Einschränkung der Beweglichkeit des linken Handgelenks Unfallfolge sei, die Klage im Übrigen abgewiesen.
Gegen den am 18. Januar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18. Februar 2008 Berufung eingelegt. Er trägt zur Begründung vor, sowohl die Beschwerden an den Schultern wie auch an der linken Hand seien unfallbedingt und ihm stehe deshalb Verletztenrente zu. Insbesondere habe Prof. Dr. R. festgestellt, dass ihm für die Beschwerden an der linken Hand Verletztenrente zustehe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Januar 2008 sowie den Bescheid vom 9. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2005 abzuändern, festzustellen, dass die fortbestehenden Beschwerden an beiden Schultergelenken unfallbedingt sind, dass über den 16. August 2002 hinaus Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden hat und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. seit Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist teilweise begründet. Zwar hat der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente oder Feststellung von Unfallfolgen im Bereich der Schultern, wohl aber auf Übernahme der Heilbehandlungskosten im Bereich der linken Hand wegen der unfallbedingten Veränderungen bis 22. Juni 2003.
Versicherte haben nach den Vorschriften der §§ 26 ff Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch u.a. auf Heilbehandlung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Heilbehandlung umfasst insbesondere die Erstversorgung, ärztliche Behandlung, zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz, Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege, Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 und 3 bis 7 und Absatz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), § 27 Abs 1 SGB VII.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist in Übereinstimmung mit den Gutachtern Prof. Dr. W., Prof. Dr. B. und auch dem nach § 109 SGG benannten Prof. Dr. R. nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Teilriss der Supraspinatussehne links durch den Unfall vom 9. Juli 2002 wesentlich verursacht oder ein vorbestehendes Leiden richtunggebend verschlimmert worden ist. Deshalb waren die Bewegungseinschränkungen im Bereich der Schultern auch nicht als weitere Unfallfolgen festzustellen oder deshalb Leistungsansprüche der Unfallversicherung zu bejahen.
Diese Einschätzung stützt der Senat auf die schlüssigen Ausführungen aller mit dem Gesundheitszustand des Klägers befassten Gutachter (Prof. Dr. B., Prof. Dr. R.). Deren Beurteilung stimmt angesichts des vom Kläger geschilderten Unfallverlaufs auch mit der aktuellen unfallversicherungsrechtlichen Literatur zum geeigneten Unfallmechanismus, der zur Zerreißung der Supraspinatussehne führen kann, überein. Danach (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 Nr. 8.4.1.1. m.w.N.) sind nur große, während eines Unfallhergangs auftretende Kräfte geeignet, die Haltevorrichtungen des Oberarmkopfes so zu verletzen, dass dieser durch den entstandenen Defekt luxieren kann. Es muss sich um Hebel- oder Drehbewegungen des Oberarmkopfes gegen die Pfanne handeln. Dabei kann es sich um direkte Krafteinwirkungen, wie Stürze auf die nach hinten ausgestreckte Hand, Hebel- und Drehbewegungen, die den normalen Bewegungsumfang überschreiten, sowie Hängenbleiben bei erheblicher Beschleunigung des Körpers, z.B. Treppensturz mit der Hand am Geländer, oder an schnell bewegten Maschinenteilen handeln.
Keiner dieser geeigneten Unfallmechanismen ist jedoch für den 9. Juli 2002 nachgewiesen, so dass es schon an einem geeigneten Unfallereignis fehlt. Der Kläger hat konsistent ausgesagt, dass er sich mit der Hand beim Sturz nicht festgehalten hat bzw. festzuhalten versucht hat. Vielmehr ist er aus großer Höhe unmittelbar auf den Boden durch die durchgebrochene Bohle gestürzt. Schon deshalb kann nicht von einem Hebel- oder Drehmechanismus ausgegangen werden, der zu einer Ruptur der Supraspinatussehne hätte führen können.
Darüber hinaus liegen auch die medizinischen Voraussetzungen für die Bejahung eines entsprechenden Zusammenhangs nicht vor.
Der Kläger hat, dokumentiert im Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse und auch im Durchgangsarztbericht, schon vor dem Unfall über beidseitige, immer wieder auftretende Beschwerden im Bereich beider Schultern geklagt. Die diesen Beschwerden zugrundeliegenden degenerativen und damit vorbestehenden Veränderungen konnten unfallnah mittels der durchgeführten Kernspinuntersuchungen festgestellt werden. So hat schon am Unfalltag ein erheblicher Hochstand des Oberarmkopfes mit Einengung des subakromialen Raumes vorgelegen. Auch haben sich am proximalen Humerusende Zeichen für einen abgelaufenen Knocheninfarkt gefunden. Da typischerweise ein Defekt der Rotatorenmanschette zu einem Hochstand des Humeruskopfes führt und andere Ursachen für die Entstehung des Hochstands nicht zu erkennen sind, ist also davon auszugehen, dass schon vor dem Unfall ein Defekt im Bereich der Rotatorenmanschetten beider Schultern bestanden hat und die daraus noch resultierenden Beschwerden somit nicht unfallbedingt sind.
Darüber hinaus wurden kernspintomografisch Zeichen einer Muskelkontusion in Form von Flüssigkeitseinlagerungen im lateralen Abschnitt des Deltamuskels unterhalb des Oberarmkopfs gesichert, die Zeichen der stattgehabten Prellung der linken Schulter (äußerlich erkennbar an der Hautabschürfung) sind. Durch eine Schulterprellung oder den Sturz auf einen ausgestreckten Arm kann jedoch die Supraspinatussehne, die sich unterhalb des knöchernen Schulterdachs befindet, nicht reißen.
Im Hinblick auf den schon für eine Verletzung der Supraspinatussehne ungeeigneten Unfallverlauf ist auch eine richtunggebende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens nicht eingetreten, da der Unfallhergang auch insoweit nicht geeignet war, die vorbestehenden degenerativen Erkrankungen zu verschlimmern.
Soweit es um die Frage von Unfallfolgen im Bereich der linken Hand geht, war dem Antrag des Klägers jedenfalls insoweit zu entsprechen, dass wegen der unfallbedingten Ausreißung des Bandes am Mondbein der linken Hand unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis einschließlich 22. Juni 2003 bestanden hat. Ein Anspruch auf Verletztenrente wegen der unfallbedingten Veränderungen an der linken Hand besteht jedoch nicht, da über den 22. Juni 2003 hinaus keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) verblieben ist.
Durch den Unfall ist ein Bandausriss am Mondbein verursacht worden, der operativ versorgt werden musste, wie Prof. Dr. B. in seinem Gutachten überzeugend nachgewiesen hat. Zwar hat auch an der linken Hand des Klägers unfallunabhängig anlagebedingt eine Störung in der Artikulation der radialen Handwurzelreihe bestanden. An der Unfallursächlichkeit des Bandausrisses selbst hat zwischen den oben aufgeführten Gutachtern jedoch keine Meinungsverschiedenheit bestanden. Dieser Beurteilung, die auf einer sorgfältigen Analyse der vorbestehenden Veränderungen und des Unfallmechanismus beruht, schließt sich der Senat - in Übereinstimmung mit der im Vergleichsangebot/Teilanerkenntnis auch durch die Beklagte vertretenen Auffassung - an.
Die unfallbedingte Verletzung an der linken Hand hat, wie Prof. Dr. B. in seinem Gutachten weiter nachvollziehbar und schlüssig ausgeführt hat, auch bis zum 22. Juni 2003 Behandlungsbedürftigkeit verursacht. Dies hat die Beklagte in ihrem Vergleichsangebot/Teilanerkenntnis, das in erster Instanz abgegeben worden ist, auch nicht in Frage gestellt. Insoweit war dem Antrag des Klägers zu entsprechen.
Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Diesen Grundsätzen entsprechend ist der Senat in Übereinstimmung mit Prof. Dr. B. der Auffassung, dass mit Ende der Arbeitsunfähigkeit ab 23. Juni 2003 die MdE mit 10 v.H. festzusetzen ist.
In der unfallversicherungsrechtlichen Literatur (z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 622; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Anhang 12; Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung S. 165) werden als Erfahrungswerte für die Versteifung des Handgelenks in Nullstellung (0/0/0) oder in 10/0/10-Stellung MdE-Werte zwischen 20 und 30 angegeben, eine Handgelenksversteifung in Beugung und Überstreckung von je 45 Grad mit 40 v.H. bewertet, der Mondbeintod (allmähliches Absterben des Mondbeins infolge kompressionsbedingter Ernährungsstörung) mit Arthrose und Falschgelenkbildung mit einer MdE zwischen 10 und 20.
Berücksichtigt man die in den Akten dokumentierten Beweglichkeiten des Handgelenks links (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik im Juli 2003: 30/0/30; Dr. Roesner März 2004: 15/0/20; Prof. Dr. Weber Juni 2004: Strecken/Beugen 20/0/40 bzw. Speichen-/ellenwärts 20/0/20), so wird bereits aus dem Vergleich der oben aufgeführten Erfahrungswerte mit den tatsächlich beim Kläger gemessenen Bewegungsausmaßen deutlich, dass eine rentenberechtigende MdE nicht zu rechtfertigen ist.
Keine andere Bewertung ergibt sich daraus, dass beim Kläger zusätzlich bei der groben Kraft Einschränkungen bestehen. Zum einen ist schon aufgrund des Umstands, dass der Kläger seine Tätigkeit als Vorarbeiter bei der Montage von Betonfertigteilen wieder aufgenommen hat, nicht davon auszugehen, dass es sich um eine erhebliche Einschränkung handelt. Dem entspricht, dass die Muskelreliefe der Arme im Wesentlichen seitengleich beschrieben werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sowohl Prof. Dr. W. wie auch Prof. Dr. B. im Bereich des linken Handgelenks (wie auch rechts) vorbestehende degenerative Veränderungen festgestellt haben, die jedenfalls auch für die dargestellten funktionellen Einschränkungen mitursächlich sind. Deshalb kann der Beurteilung von Prof. Dr. R., der sich im Übrigen insoweit auch nicht mit den abweichenden Beurteilungen durch Prof. Dr. W. und Prof. Dr. B. auseinander gesetzt hat, nicht gefolgt werden, da dieser vorbestehende degenerative Veränderungen verneint hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine anteilige Kostentragung der Beklagten kam auch angesichts des geringen Obsiegens des Klägers in der Berufungsinstanz nicht in Betracht, da die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren, zunächst im Wege eines Vergleichsangebots, dann eines als Teilanerkenntnis bezeichneten Angebots sofort nach Kenntnis des Gutachtens von Prof. Dr. B. die Übernahme der Behandlungskosten und die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit über den 16. August 2002 hinaus anerkannt hatte, der Kläger sich zu diesen Angeboten aber nicht geäußert hat.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens werden nicht erstattet.
Tatbestand:
Im Streit steht noch die Frage, ob die gesundheitlichen Einschränkungen im Bereich beider Schultern Folge des Arbeitsunfalls vom 9. Juli 2002 sind, über den 16. August 2002 hinaus Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden hat und ob dem Kläger Anspruch auf Verletztenrente zusteht.
Der Kläger ist im Dezember 1943 geboren und als Bauvorarbeiter tätig. Am 9. Juli 2002 erlitt er einen Arbeitsunfall, als beim Betreten von drei nebeneinander ausgelegten Bohlen eine der Bohlen nachgab und der Kläger deshalb aus ca. 3 m Höhe abstürzte. Beim Sturz versuchte der Kläger nicht, sich noch festzuhalten. Er zog sich multiple Prellungen und eine Halswirbelsäulendistorsion zu (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 18. Juli 2002; Durchgangsarztbericht Dr. V. vom 9. Juli 2002). Darüber hinaus erlitt er einen Bandausriss am Mondbein der linken Hand bei (wie rechts) vorbestehenden degenerativen Veränderungen. Der Kläger teilte Dr. V. weiter mit, dass vor dem Unfall beide Schultern gelegentlich geschmerzt hätten. Das Klinikum am S., R., in dem sich der Kläger vom 9. bis 12. Juli 2002 in stationärer Behandlung befand, teilte als Diagnosen weiter Frakturen der 8. und 9. Rippe links, Verdacht auf Fraktur der 7. Rippe links, eine Teilruptur der Supraspinatussehne links, Verdacht auf komplette Ruptur der Supraspinatussehne rechts und eine Distorsion des rechten Handgelenks (richtig: des linken) mit. Über der linken Schulter habe sich eine Schürfwunde befunden, am rechten Handgelenk sei eine Schwellung und ein Druckschmerz festgestellt worden.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis von der Krankenkasse bei (u.a. Arbeitsunfähigkeit 1997 wegen akuter Schulterarthritis; weitere Eintragungen wegen Lumbalgie und Wirbelsäulenbeschwerden). Der behandelnde Arzt Dr. R. teilte der Beklagten in mehreren Schreiben fortbestehende Beschwerden des Klägers in den Schultern, vor allem links, mit. Nach weiteren Untersuchungen und der Feststellung einer scapholunären Dissoziation links mit knöchernem Ausriss aus dem Lunatum (Dr. R., Bericht vom 31. Oktober 2002) wurde der Kläger am linken Handgelenk operiert (stationärer Aufenthalt im Klinikum O. vom 12. bis 15. November 2002). Im Nachschaubericht vom 2. Januar 2003 wurde eine regelrechte Stellung des Handwurzelknochens bei Klagen über Schwäche und Schmerzen in beiden Schultergelenken berichtet.
Am 31. März 2003 nahm der Kläger eine Belastungserprobung auf und stellte sich zur fortlaufenden Kontrolle im Klinikum O. vor. Nach anfänglichen Problemen mit der Belastung der linken Hand teilte Prof. Dr. R. unter dem 22. Mai 2003 mit, ab 26. Mai 2003 könne die tägliche Belastung von 4 auf 6 Stunden gesteigert werden. Der Kläger berichte über Besserung, das Handgelenk könne aktiv 30/0/30 bewegt werden, die Narbenverhältnisse seien reizlos, die Schmerzintensität und -häufigkeit habe nachgelassen. Die Schulter bereite ihm aber Schwierigkeiten. Unter dem 12. Juni 2003 berichtete Prof. Dr. R. über die Untersuchung vom 5. Juni 2003. Danach sei klinisch das linke Schultergelenk frei beweglich gewesen, eine leichte Atrophie der Supra- und Infraspinatusmuskulatur habe bestanden mit Druckdolenz über der Bizepssehne und insgesamt deutlicher Schwäche der linken Schulter. Am Handgelenk sei die Beweglichkeit weiterhin eingeschränkt. Die Streckung/Beugung sei mit 40/0/30, der Faustschluss fast komplett möglich und die grobe Kraft noch gemindert.
Ab 23. Juni 2003 war der Kläger wieder vollschichtig arbeitsfähig. Prof. Dr. R. schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) über die 26. Woche hinaus mit 20 v.H. ein.
Unter dem 4. Juli 2003 erstatteten Prof. Dr. W./Dr. L. im Auftrag der Beklagten einen ambulanten Untersuchungsbericht. Darin wurde zusammenfassend ausgeführt, vor dem Unfall hätten zahlreiche degenerative Vorschäden bestanden. Der Zustand vor dem Unfall sei mittlerweile nahezu wieder erreicht. Ein stationäres Heilverfahren werde empfohlen.
Im Auftrag der Beklagten erstellte unter dem 10. März 2004 Dr. R. das erste Rentengutachten. Dieser diagnostizierte als wesentliche Unfallfolgen Schmerzen, eine Minderung der groben Kraft und Beweglichkeit in der linken Hand und zum Teil im linken Schultergelenk bei Zustand nach Sprengung des Bandes zwischen Mond- und Kahnbein und Rotatorenverletzung der linken Schulter sowie einen Zustand nach Rippenfrakturen ohne messbare Einbuße. Die MdE schlug er für die Zeit vom 23. Juni 2003 bis 9. Oktober 2003 mit 30 v.H., dann bis 9. März 2004 bzw. 9. März 2005 mit 20 v.H. und danach mit voraussichtlich noch 10 v.H. vor. Weiter teilte er mit, er veranlasse ein neurologisches Gutachten.
Die Beklagte gab daraufhin bei Prof. Dr. W., F., ein orthopädisches Gutachten in Auftrag. In seinem Gutachten vom 18. Juni 2004 führte dieser aus, nachdem im Oktober 2002 eine perilunäre Luxation diagnostiziert worden sei, scheide die Fehlstellung des Mondbeins als Unfallfolge aus. Es sei auch unwahrscheinlich, dass die Verletzungen an den Rotatorenmanschetten beider Schultern unfallbedingt seien. Es fehle schon am geeigneten Unfallhergang, jedenfalls aber an Initialsymptomen für derartige Verletzungen am Unfalltag. Darüber hinaus hätten schon vor dem Unfall Schulterbeschwerden bestanden, wie der Kläger ausgeführt habe und was auch das Vorerkrankungsverzeichnis belege. Er rate zu weiterer Sachverhaltsaufklärung.
Die Beklagte zog daraufhin das Vorerkrankungsverzeichnis auch für die Zeit von 1974 bis 1994 (keine weiteren Eintragungen bzgl. der Schultern) bei sowie Röntgen- bzw. Kernspinaufnahmen.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Februar 2005 führte Prof. Dr. W. sodann aus, schon am Unfalltag habe ein erheblicher Hochstand des Oberarmkopfes mit Einengung des subakromialen Raumes vorgelegen. Zeichen einer frischen knöchernen Verletzung kämen nicht zur Darstellung. Auch fänden sich am proximalen Humerusende, im Übergangsbereich Metaphyse zur Diaphyse Spongiosaverkalkungen, die typisch seien für einen alten Knocheninfarkt. Dies spreche für schwerwiegende krankhafte Veränderungen an den Schulterweichteilen schon am Unfalltag, da typischerweise ein Defekt der Rotatorenmanschette zu einem Oberarmkopfhochstand führe. Der Kläger habe sich beim Unfall nur eine Schulterprellung mit Bluterguss in den oberflächlichen Schulterweichteilen zugezogen. Die Kernspinaufnahmen vom 11. Juli 2002 zeigten auch, dass rechts die gleichen degenerativen Veränderungen vorliegen würden wie links. Verletzungen an der rechten Schulter seien durch das Unfallereignis nicht nachgewiesen. Was die Aufnahmen des linken Unterarms bzw. des linken Handgelenks (vom 9. Juli, 15. Juli und 11. Oktober 2002) anbetreffe, zeigten alle Aufnahmen eine Arthrose des linken Handgelenks ohne Hinweiszeichen für eine abgelaufene frische knöcherne Verletzung. Der radiokarpale Gelenkspalt sei verschmälert, die Speichengelenkfläche subchondral vermehrt sklerosiert. Der Gelenkspalt zwischen Os naviculare und Os lunatum sei etwas verbreitert, die früher diagnostizierte perilunäre Luxation bestehe tatsächlich nicht. Vorhanden sei hingegen eine Fehlstellung der proximalen Handwurzelknochenreihe im Sinne einer sogenannten scapholunären Dissoziation. Die Veränderungen seien aber auch nicht unfallbedingt.
Mit Bescheid vom 9. März 2005 lehnte die Beklagte Leistungen über den 16. August 2002 unter gleichzeitiger Anerkennung des Ereignisses vom 9. Juli 2002 als Arbeitsunfall ab, da keine Unfallfolgen mehr vorliegen würden. Vielmehr bestünden unfallunabhängig eine schmerzhafte Funktionsstörung beider Schultergelenke infolge von Rotatorenmanschettendefekten, degenerative Veränderungen an beiden Ellenbogengelenken und beiden Handgelenken.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, den der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2005 zurückwies.
Dagegen hat der Kläger am 30. Juni 2005 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und ausgeführt, die Bewegungseinschränkungen im Bereich der Schultern, der Ellbogen und der linken Hand seien unfallbedingt, so dass Anspruch auf Übernahme der weiteren Behandlungskosten über den 19. August 2003 hinaus bestünde und auch ein Anspruch auf Verletztenrente.
Im Auftrag des SG hat unter dem 6. Dezember 2005 Prof. Dr. B., Mooswaldklinik F., ein orthopädisches Gutachten erstattet. Als Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet hat Dr. B. eine deutliche Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, eine geringe Bewegungseinschränkung der Schultergelenke links mehr als rechts, eine mäßige Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenks, eine mittelgradige Bewegungseinschränkung und leichte Schwellung des linken Handgelenks sowie eine mäßige Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenks festgestellt. Die funktionellen Einschränkungen im Bereich der HWS beruhten eindeutig auf unfallunabhängigen, vorbestehenden degenerativen Veränderungen. Die Bewegungseinschränkungen der Schulter, beruhend auf den Verletzungen der Supraspinatussehne, seien ebenfalls nicht auf den Unfall zurückzuführen. Die Supraspinatussehne könne nur durch starken gewaltsamen Zug beim hochgerissenen Arm oder auch bei Zug am Arm in ausgeprägter Adduktionsstellung reißen. Auch auf Nachfrage habe der Kläger ein Nachfassen beim Sturz oder einen Halteversuch verneint. Wahrscheinlich sei bei dem Sturz daher lediglich eine Prellung der linken Schulter eingetreten, wozu auch die Schürfwunde passe. Die unfallbedingte Verschlimmerung der vorbestehenden Schäden sei nach spätestens 3 Monaten abgeklungen gewesen. Soweit das linke Handgelenk zu beurteilen sei, gehe er mit Prof. Dr. R. und Prof. Dr. W. davon aus, dass eine scapho-lunäre Dissoziation beidseits und unfallunabhängig vorbestanden habe; darüber hinaus sei aber auch ein unfallbedingter Bandausriss operativ zu versorgen gewesen. Damit sei auch die zu diesem Zeitpunkt bestehende und sich bis zum 22. Juni 2003 ungewöhnlich lange hinziehende Arbeitsunfähigkeit zum ganz überwiegenden Teil unfallbedingt. Dies gelte auch für die noch feststellbare deutlichere Bewegungseinschränkung links gegenüber rechts am Untersuchungstag. Die unfallbedingte MdE von Seiten des linken Handgelenks schätze er ab Beginn der Wiedereingliederung am 31. März 2003 auf 20 v.H., ab 23. Juni 2003 mit 10 v.H. ein.
Die Beklagte hat daraufhin im Vergleichswege u.a. vorgeschlagen, den operativ versorgten Bandausriss am Mondbein des linken Handgelenks als Unfallfolge anzuerkennen und bis 22. Juni 2003 insoweit unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit anzuerkennen.
Im Auftrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat am 15. Oktober 2006 Prof. Dr. R. ein unfallchirurgisches Sachverständigengutachten erstellt (mit radiologischer Zusatzuntersuchung durch Oberarzt K.). Prof. Dr. R. hat ausgeführt, die Teilruptur der Supraspinatussehne lasse sich nicht als Folge des Unfalls vom 9. Juli 2002 nachweisen, da die für eine Sehnenreißung nötige Zugbelastung nicht erfolgt sei und der verminderte subacromiale Raum sowie die Schultereckgelenksarthrose wahrscheinliche Ursache der Ruptur seien. Unfallabhängig bestehe eine Restinstabilität des scapholunären Bandapparats am linken Handgelenk und eine Bewegungseinschränkung. Diese sei mit einer MdE um 20 v.H. ab 23. Juni 2003 auf Dauer zu bewerten. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. Oktober 2006 hat Prof. Dr. B. ausgeführt, er halte an der getroffenen Bewertung der MdE mit 10 v.H. fest. Es sei zu beachten, dass auch am rechten Handgelenk eine gewisse Bewegungseinschränkung aufgrund arthrotischer Veränderungen bestehe, die auf den linksseitigen Befund anzurechnen sei. Zum anderen sei die MdE um 20 v.H. für eine nur mäßige bis mittelgradige Bewegungseinschränkung mit einer Gebrauchsminderung der Hand nur im Hinblick auf den Einsatz grober Kraft zu hoch angesetzt.
Mit Gerichtsbescheid vom 11. Januar 2008 hat das SG die angefochtenen Bescheide abgeändert und festgestellt, dass eine Einschränkung der Beweglichkeit des linken Handgelenks Unfallfolge sei, die Klage im Übrigen abgewiesen.
Gegen den am 18. Januar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18. Februar 2008 Berufung eingelegt. Er trägt zur Begründung vor, sowohl die Beschwerden an den Schultern wie auch an der linken Hand seien unfallbedingt und ihm stehe deshalb Verletztenrente zu. Insbesondere habe Prof. Dr. R. festgestellt, dass ihm für die Beschwerden an der linken Hand Verletztenrente zustehe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Januar 2008 sowie den Bescheid vom 9. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2005 abzuändern, festzustellen, dass die fortbestehenden Beschwerden an beiden Schultergelenken unfallbedingt sind, dass über den 16. August 2002 hinaus Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden hat und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. seit Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist teilweise begründet. Zwar hat der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente oder Feststellung von Unfallfolgen im Bereich der Schultern, wohl aber auf Übernahme der Heilbehandlungskosten im Bereich der linken Hand wegen der unfallbedingten Veränderungen bis 22. Juni 2003.
Versicherte haben nach den Vorschriften der §§ 26 ff Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch u.a. auf Heilbehandlung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Heilbehandlung umfasst insbesondere die Erstversorgung, ärztliche Behandlung, zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz, Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege, Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 und 3 bis 7 und Absatz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), § 27 Abs 1 SGB VII.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist in Übereinstimmung mit den Gutachtern Prof. Dr. W., Prof. Dr. B. und auch dem nach § 109 SGG benannten Prof. Dr. R. nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Teilriss der Supraspinatussehne links durch den Unfall vom 9. Juli 2002 wesentlich verursacht oder ein vorbestehendes Leiden richtunggebend verschlimmert worden ist. Deshalb waren die Bewegungseinschränkungen im Bereich der Schultern auch nicht als weitere Unfallfolgen festzustellen oder deshalb Leistungsansprüche der Unfallversicherung zu bejahen.
Diese Einschätzung stützt der Senat auf die schlüssigen Ausführungen aller mit dem Gesundheitszustand des Klägers befassten Gutachter (Prof. Dr. B., Prof. Dr. R.). Deren Beurteilung stimmt angesichts des vom Kläger geschilderten Unfallverlaufs auch mit der aktuellen unfallversicherungsrechtlichen Literatur zum geeigneten Unfallmechanismus, der zur Zerreißung der Supraspinatussehne führen kann, überein. Danach (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 Nr. 8.4.1.1. m.w.N.) sind nur große, während eines Unfallhergangs auftretende Kräfte geeignet, die Haltevorrichtungen des Oberarmkopfes so zu verletzen, dass dieser durch den entstandenen Defekt luxieren kann. Es muss sich um Hebel- oder Drehbewegungen des Oberarmkopfes gegen die Pfanne handeln. Dabei kann es sich um direkte Krafteinwirkungen, wie Stürze auf die nach hinten ausgestreckte Hand, Hebel- und Drehbewegungen, die den normalen Bewegungsumfang überschreiten, sowie Hängenbleiben bei erheblicher Beschleunigung des Körpers, z.B. Treppensturz mit der Hand am Geländer, oder an schnell bewegten Maschinenteilen handeln.
Keiner dieser geeigneten Unfallmechanismen ist jedoch für den 9. Juli 2002 nachgewiesen, so dass es schon an einem geeigneten Unfallereignis fehlt. Der Kläger hat konsistent ausgesagt, dass er sich mit der Hand beim Sturz nicht festgehalten hat bzw. festzuhalten versucht hat. Vielmehr ist er aus großer Höhe unmittelbar auf den Boden durch die durchgebrochene Bohle gestürzt. Schon deshalb kann nicht von einem Hebel- oder Drehmechanismus ausgegangen werden, der zu einer Ruptur der Supraspinatussehne hätte führen können.
Darüber hinaus liegen auch die medizinischen Voraussetzungen für die Bejahung eines entsprechenden Zusammenhangs nicht vor.
Der Kläger hat, dokumentiert im Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse und auch im Durchgangsarztbericht, schon vor dem Unfall über beidseitige, immer wieder auftretende Beschwerden im Bereich beider Schultern geklagt. Die diesen Beschwerden zugrundeliegenden degenerativen und damit vorbestehenden Veränderungen konnten unfallnah mittels der durchgeführten Kernspinuntersuchungen festgestellt werden. So hat schon am Unfalltag ein erheblicher Hochstand des Oberarmkopfes mit Einengung des subakromialen Raumes vorgelegen. Auch haben sich am proximalen Humerusende Zeichen für einen abgelaufenen Knocheninfarkt gefunden. Da typischerweise ein Defekt der Rotatorenmanschette zu einem Hochstand des Humeruskopfes führt und andere Ursachen für die Entstehung des Hochstands nicht zu erkennen sind, ist also davon auszugehen, dass schon vor dem Unfall ein Defekt im Bereich der Rotatorenmanschetten beider Schultern bestanden hat und die daraus noch resultierenden Beschwerden somit nicht unfallbedingt sind.
Darüber hinaus wurden kernspintomografisch Zeichen einer Muskelkontusion in Form von Flüssigkeitseinlagerungen im lateralen Abschnitt des Deltamuskels unterhalb des Oberarmkopfs gesichert, die Zeichen der stattgehabten Prellung der linken Schulter (äußerlich erkennbar an der Hautabschürfung) sind. Durch eine Schulterprellung oder den Sturz auf einen ausgestreckten Arm kann jedoch die Supraspinatussehne, die sich unterhalb des knöchernen Schulterdachs befindet, nicht reißen.
Im Hinblick auf den schon für eine Verletzung der Supraspinatussehne ungeeigneten Unfallverlauf ist auch eine richtunggebende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens nicht eingetreten, da der Unfallhergang auch insoweit nicht geeignet war, die vorbestehenden degenerativen Erkrankungen zu verschlimmern.
Soweit es um die Frage von Unfallfolgen im Bereich der linken Hand geht, war dem Antrag des Klägers jedenfalls insoweit zu entsprechen, dass wegen der unfallbedingten Ausreißung des Bandes am Mondbein der linken Hand unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis einschließlich 22. Juni 2003 bestanden hat. Ein Anspruch auf Verletztenrente wegen der unfallbedingten Veränderungen an der linken Hand besteht jedoch nicht, da über den 22. Juni 2003 hinaus keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) verblieben ist.
Durch den Unfall ist ein Bandausriss am Mondbein verursacht worden, der operativ versorgt werden musste, wie Prof. Dr. B. in seinem Gutachten überzeugend nachgewiesen hat. Zwar hat auch an der linken Hand des Klägers unfallunabhängig anlagebedingt eine Störung in der Artikulation der radialen Handwurzelreihe bestanden. An der Unfallursächlichkeit des Bandausrisses selbst hat zwischen den oben aufgeführten Gutachtern jedoch keine Meinungsverschiedenheit bestanden. Dieser Beurteilung, die auf einer sorgfältigen Analyse der vorbestehenden Veränderungen und des Unfallmechanismus beruht, schließt sich der Senat - in Übereinstimmung mit der im Vergleichsangebot/Teilanerkenntnis auch durch die Beklagte vertretenen Auffassung - an.
Die unfallbedingte Verletzung an der linken Hand hat, wie Prof. Dr. B. in seinem Gutachten weiter nachvollziehbar und schlüssig ausgeführt hat, auch bis zum 22. Juni 2003 Behandlungsbedürftigkeit verursacht. Dies hat die Beklagte in ihrem Vergleichsangebot/Teilanerkenntnis, das in erster Instanz abgegeben worden ist, auch nicht in Frage gestellt. Insoweit war dem Antrag des Klägers zu entsprechen.
Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Diesen Grundsätzen entsprechend ist der Senat in Übereinstimmung mit Prof. Dr. B. der Auffassung, dass mit Ende der Arbeitsunfähigkeit ab 23. Juni 2003 die MdE mit 10 v.H. festzusetzen ist.
In der unfallversicherungsrechtlichen Literatur (z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 622; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Anhang 12; Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung S. 165) werden als Erfahrungswerte für die Versteifung des Handgelenks in Nullstellung (0/0/0) oder in 10/0/10-Stellung MdE-Werte zwischen 20 und 30 angegeben, eine Handgelenksversteifung in Beugung und Überstreckung von je 45 Grad mit 40 v.H. bewertet, der Mondbeintod (allmähliches Absterben des Mondbeins infolge kompressionsbedingter Ernährungsstörung) mit Arthrose und Falschgelenkbildung mit einer MdE zwischen 10 und 20.
Berücksichtigt man die in den Akten dokumentierten Beweglichkeiten des Handgelenks links (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik im Juli 2003: 30/0/30; Dr. Roesner März 2004: 15/0/20; Prof. Dr. Weber Juni 2004: Strecken/Beugen 20/0/40 bzw. Speichen-/ellenwärts 20/0/20), so wird bereits aus dem Vergleich der oben aufgeführten Erfahrungswerte mit den tatsächlich beim Kläger gemessenen Bewegungsausmaßen deutlich, dass eine rentenberechtigende MdE nicht zu rechtfertigen ist.
Keine andere Bewertung ergibt sich daraus, dass beim Kläger zusätzlich bei der groben Kraft Einschränkungen bestehen. Zum einen ist schon aufgrund des Umstands, dass der Kläger seine Tätigkeit als Vorarbeiter bei der Montage von Betonfertigteilen wieder aufgenommen hat, nicht davon auszugehen, dass es sich um eine erhebliche Einschränkung handelt. Dem entspricht, dass die Muskelreliefe der Arme im Wesentlichen seitengleich beschrieben werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sowohl Prof. Dr. W. wie auch Prof. Dr. B. im Bereich des linken Handgelenks (wie auch rechts) vorbestehende degenerative Veränderungen festgestellt haben, die jedenfalls auch für die dargestellten funktionellen Einschränkungen mitursächlich sind. Deshalb kann der Beurteilung von Prof. Dr. R., der sich im Übrigen insoweit auch nicht mit den abweichenden Beurteilungen durch Prof. Dr. W. und Prof. Dr. B. auseinander gesetzt hat, nicht gefolgt werden, da dieser vorbestehende degenerative Veränderungen verneint hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine anteilige Kostentragung der Beklagten kam auch angesichts des geringen Obsiegens des Klägers in der Berufungsinstanz nicht in Betracht, da die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren, zunächst im Wege eines Vergleichsangebots, dann eines als Teilanerkenntnis bezeichneten Angebots sofort nach Kenntnis des Gutachtens von Prof. Dr. B. die Übernahme der Behandlungskosten und die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit über den 16. August 2002 hinaus anerkannt hatte, der Kläger sich zu diesen Angeboten aber nicht geäußert hat.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved