Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 183/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 9/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 40/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorfs vom 08.11.2006 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, wie der Ausgleich einer Doppelbelastung durch Honorarabzüge wegen degressionsbedingter Punktwertabsenkungen einerseits und wegen Überschreitens individueller Bemessungsgrenzen andererseits zu erfolgen hat.
Die Klägerin ist als Kieferorthopädin in T niedergelassen.
Für die Jahre 2000 bis 2002 nahm die Beklagte wegen Überschreitung der der Klägerin auf der Grundlage des § 85 Abs. 4b ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zustehenden degressionsfreien Punktmenge Honorarabzüge vor. Gleichzeitig setzte die Beklagte endgültige Honorareinbehalte gemäß § 4 Abs. 1 a ihres Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) fest, die sich aus der Überschreitung der Abrechnungswerte für KFO und alle übrigen Leistungsarten gegenüber den individuellen Honorargrenzen ergaben:
Mit Abrechnung des Quartals IV/2000 (Belastungsanzeige vom 06.04.2001) stellte die Beklagte bei im Jahr 2000 von der Klägerin insgesamt 572.115 abgerechneten Punkten eine Überschreitung der degressionsfreien Punktmenge (350.000 Punkte) in Höhe von (i.H.v.) 222.115 Punkten fest. Unter Abzug der bereits in den Vorquartalen berücksichtigten Punktmengenüberschreitung (66.425 Punkte) ergab sich für das Quartal IV/2000 eine Restpunktmengenüberschreitung von 155.690 Punkten und darauf beruhend ein Honorarabzug von 53.217,80 DM, der den beteiligten Krankenkassen gutgeschrieben wurde.
Der Honorareinbehalt gemäß § 4 Abs. 1 a HVM wurde für das Jahr 2000 zunächst auf 154.149,24 DM (Belastungsanzeige vom 06.04.2001) und 2004 wegen endgültiger Feststellung der Honorargrenzen für Multiband-Behandlungen und Behandlungen mit herausnehmbaren Geräten auf 168.190,24 DM festgesetzt (Anlage zur Quartalsabrechnung II/2004 vom 27.08.2004).
Mit Abrechnung des Quartals IV/2001 (Belastungsanzeige vom 10.04.2002) stellte die Beklagte bei im Jahr 2001 von der Klägerin insgesamt 481.827 abgerechneten Punkten eine Überschreitung der degressionsfreien Punktmenge (350.000 Punkte) i.H.v. 131.827 Punkten fest. Unter Abzug der bereits in den Vorquartalen berücksichtigten Punktmengenüberschreitung (17.196 Punkte) ergab sich für das Quartal IV/2001 eine Restpunktmengenüberschreitung von 114.631 Punkten und darauf beruhend ein Honorarabzug von 30.542,73 DM, der den beteiligten Krankenkassen gutgeschrieben wurde.
Der Honorareinbehalt gemäß § 4 Abs. 1 a HVM wurde im Jahr 2001 zunächst mit 90.921,32 DM (Belastungsanzeigen vom 08.04.2002 - Primärkassen = 21.977,82 DM und Ersatzkassen = 68.943,50 DM) berechnet. 2004 wurde er wegen endgültiger Feststellung der Honorargrenzen für Multiband-Behandlungen und Behandlungen mit herausnehmbaren Geräten auf 101.811,32 DM festgesetzt (Anlage zur Quartalsabrechnung II/2004 vom 27.08.2004 - Primärkassen = 26.837,82 DM und Ersatzkassen = 74.973,50 DM).
Mit Abrechnung des Quartals IV/2002 (Belastungsanzeige vom 02.04.2003) stellte die Beklagte bei im Jahr 2002 von der Klägerin insgesamt 432.446 abgerechneten Punkten eine Überschreitung der degressionsfreien Punktmenge (350.000 Punkte) i.H.v. 82.446 Punkten und darauf beruhend einen Honorarabzug von 9.864,10 Euro fest, der den beteiligten Krankenkassen gutgeschrieben wurde. In den Vorquartalen lag keine Punktmengenüberschreitung vor.
Der Honorareinbehalt gemäß § 4 Abs. 1 a HVM belief sich im Jahr 2002 zunächst auf 15.977,68 Euro (Belastungsanzeige vom 04.04.2003). 2004 wurde er wegen endgültiger Feststellung der Honorargrenzen für Multiband-Behandlungen und Behandlungen mit herausnehmbaren Geräten auf 17.861,68 Euro festgesetzt (Anlage zur Quartalsabrechnung II/2004 vom 27.08.2004).
Unter dem 27.08.2004 erteilte die Beklagte der Klägerin vor dem Hintergrund, dass nach mehreren Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.05.2003 bei der Ermittlung der Vergütungsminderungen gemäß § 85 Abs. 4b SGB V nicht vergütete Punkte aus der Honorarverteilung nicht zu berücksichtigen seien, als Anlage zu der Quartalsabrechnung II/2004 drei "Gutschriftsanzeigen" (für das Jahr 2000 i.H.v. 36.309,47 DM, für das Jahr 2001 i.H.v. 11.620,37 DM und für das Jahr 2002 i.H.v. 3.471,59 Euro). Zur Berechnung der Gutschriften zog sie die in Punkte umgerechneten HVM-Einbehalte von der degressionswirksamen Punktmengenüberschreitung ab. Entsprechend der damit jeweils reduzierten Punktmengenüberschreitung verringerte sich der Honorarabzug.
Die Klägerin legte sowohl gegen die Gutschriftsanzeigen vom 27.08.2004 als auch gegen den Quartalsabrechnungsbescheid II/2004 Widerspruch mit der Begründung ein, die Beklagte habe nur die Degressionskürzungen unter Anrechnung der HVM-Kürzungen neu berechnet und habe damit die Berechnungen des BSG in seinem Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 25/02 R - nicht umgesetzt. Die Degressionsabzüge seien an die Krankenkassen zurückgeflossen und somit nicht an sie ausgezahlt worden. Gleichwohl würden die nicht ausgezahlten Honoraranteile rechtswidrig bei der Honorarverteilung berücksichtigt, so dass es zu einer doppelten Kürzung käme.
Die Beklagte wies die Widersprüche gegen die Gutschriftsanzeigen vom 27.08.2004 als unzulässig zurück (am 26.09.2005 zugestellte Widerspruchsbescheide vom 21.09.2005). Die Widersprüche bezögen sich auf die im Vorfeld zur Quartalsabrechnung II/2004 erstellten Gutschriftenanzeigen für die Jahre 2000 bis 2002. Demzufolge seien die Widersprüche vor Erlass des eigentlichen Honorarbescheides (Quartalsabrechnung II/004 vom 15.10.2004) eingelegt worden. Darüberhinaus seien nach Überprüfung keine Fehler bei der Ermittlung der Erstattung von Honorareinbehalten wegen Doppelbelastung (Degression/HVM) festzustellen.
Mit Klage vom 26.10.2005 hat sich die Klägerin im Wesentlich auf ihr Widerspruchsvorbringen bezogen.
Sie hat beantragt,
1.den Bescheid vom 27.08.2004 - Erstattung von Honorareinbehalten 2000 wegen Doppelbelastung durch Vergütungsminderung aufgrund von Punktmengenüberschreitung (§ 85 Abs. 4 b SGB V) und durch Honorareinbehalte gemäß § 4 Abs. 1 a HVM in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, sie - die Klägerin - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden,
2.den Bescheid vom 27.08.2004 - Erstattung von Honorareinbehalten 2001 wegen Doppelbelastung durch Vergütungsminderung aufgrund von Punktmengenüberschreitung (§ 85 Abs. 4 b SGB V) und durch Honorareinbehalte gemäß § 4 Abs. 1 a HVM in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, sie - die Klägerin - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden,
3.den Bescheid vom 27.08.2004 - Erstattung von Honorareinbehalten 2002 wegen Doppelbelastung durch Vergütungsminderung aufgrund von Punktmengenüberschreitung (§ 85 Abs. 4 b SGB V) und durch Honorareinbehalte gemäß § 4 Abs. 1 a HVM in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, sie - die Klägerin - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, mit ihrer Berechnung habe sie den Vorgaben des BSG entsprochen und eine Doppelbelastung vermieden. Sie habe eine Neuberechnung der Vergütungsminderung wegen Punktmengendegression in der Form vorgenommen, dass sie die der Degressionsberechnung zugrunde gelegten Punktmengen um die im Rahmen der Honorarverteilungsregelungen zu berücksichtigenden Punkte reduziert habe.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat der Klage mit Urteil vom 08.11.2006 - unter Zusammenfassung der Anträge - stattgegeben: Die Beklagte habe sich zu Unrecht darauf beschränkt, die Widersprüche der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen; sie sei verpflichtet gewesen, eine Sachentscheidung zu treffen. Die Entscheidung der Beklagten in den Gutschriftsanzeigen sei zwar im Ansatz zutreffend; eine Berücksichtigung der Degressionsabzüge im Rahmen der Honorarverteilung sei mit der Neuberechnung aber nicht erfolgt. Da der Klägerin durch die Degressionseinbehalte immer noch Beträge von 2.867,33 DM (2000), 6.548,87 DM (2001) und 6.124,36 Euro (2002) Euro entzogen werden, sei insoweit die honorarmäßige Grundlage beseitigt worden. Dies sei bei der erforderlichen Neuberechnung der endgültigen Honorareinbehalte nach § 4 Abs. 1a HVM zu berücksichtigen.
Gegen das am 02.01.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.02.2007 Berufung eingelegt, mit der sie sich auf ihr Vorbringen in dem beim Senat unter dem Aktenzeichen L 11 KA 6/07 anhängigen Rechtsstreit, der ebenfalls die Berechnung zum Ausgleich einer Doppelbelastung durch Honorarabzüge wegen degressionsbedingter Punktwertabsenkungen einerseits und wegen Überschreitens individueller Bemessungsgrenzen andererseits betrifft. Dort hat die Beklagte im Wesentlichen vorgetragen: Sie habe zunächst die Punktwertminderung im Rahmen der Degression nach Maßgabe der Vereinbarung gemäß § 85 Absatz 4 e Satz 5 SGB V ermittelt und die sich daraus ergebenden Beträge an die Krankenkassen ausgezahlt. Der sich danach ergebende Degressionsabzug stehe nicht zu ihrer Disposition und sei nach ihrem Verständnis der Rechtsprechung des BSG auch nicht bei der Ermittlung von HVM-Einbehalten vollständig in Abzug zu bringen. Dies würde ansonsten letztlich zu einer "Solidarisierung der Degressionsregelung" führen. Sie sei vielmehr gehalten, die Wechselwirkung der gesetzlichen Abschöpfung von Kosteneinsparungen im Rahmen der Punktwertdegression einerseits und die auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Mengenbegrenzungsregelungen in ihrem HVM anderseits zu berücksichtigen. Mit ihrer Berechnung werde die Klägerin hinsichtlich der Degression so gestellt, wie sich ihr Honorar nach Realisierung der HVM-Einbehalte bemesse. Gleichzeitig werde vermieden, dass der Vertragszahnarzt, der in beiden Bereichen die zulässigen Grenzen überschreite, besser gestellt werde, als der Vertragszahnarzt, der die die Mengenbegrenzungsregelungen des HM beachte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.11.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich ebenfalls auf das Vorbringen in dem Rechtsstreit L 11 KA 6/07. Dort wird die Auffassung vertreten, die vorrangigen Degressionskürzungen, die letztlich zu einem verringerten Punktwert führten, seien bei der bei der Honorarverteilung zu berücksichtigen. Es sei nämlich unzulässig, Honorarabzüge auch von Honoraranteilen vorzunehmen, die ein Vertragsarzt in Folge der vorrangigen Punktwertdegression überhaupt nicht ausgezahlt erhalten habe. Vielmehr sei bei der Honorarverteilung nach dem HVM nur das Honorar zu berücksichtigen, das er nach Abzug der Degressionskürzungen auch tatsächlich erhalten habe.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Neuentscheidung verurteilt; denn die angegriffene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Streitgegenstand ist allein die Frage, ob die Beklagte feststehende Kürzungen aufgrund der Degressionsregelungen des § 85 Abs. 4b SGB V einerseits und HVM-bedingte Kürzungen anderseits in einer Form verrechnet hat, dass eine so genannte Doppelbelastung der Klägerin ausgeschlossen ist. Nicht in Frage steht dabei die Richtigkeit der von der Beklagten in den o.a. Belastungsanzeigen errechneten Degressionsabzüge bzw. der sich aus den jeweiligen Belastungsanzeigen ergebenden Honorarkürzungen aufgrund ihres HVM. Die Degressionsvorschriften des § 85 Abs. 4 b bis 4 f SGB V, die u.a. eine Verringerung des vertragszahnärztlichen Vergütungsanspruchs bei Überschreiten bestimmter Punktmengen vorsehen, sind mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar (z.B. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 22; SozR 3-2500 § 85 Nr. 46; SozR 4-2500 § 85 Nr. 2; BVerfG NJW 2000, 3413; NVwZ-RR 2002, 802). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Punktwertminderung im Rahmen der Degression nach Maßgabe der - für sie nicht disponiblen - Vereinbarung gemäß § 85 Absatz 4 e Satz 5 SGB V unzutreffend umgesetzt haben könnte.
Die Frage, ob und wie die Beklagte mögliche Doppelbelastungen aufgrund Degressions- und HVM-Kürzungen zu vermeiden hat, war bereits Gegenstand des vom BSG entschiedenen Rechtsstreit B 6 KA 35/02 R. In dem dort ergangenen Urteil vom 21.05.2003 wurde zunächst klargestellt, dass Honorarbegrenzungen durch die Regelungen über die Punktwertdegression nicht ausgeschlossen sind. Allerdings fordere die für die Honorarverteilung maßgebende Bestimmung des § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem aus Art. 12 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, dass bei HVM-Begrenzungsmaßnahmen die Verringerung des Honoraranspruchs auf Grund der Punktwertdegression berücksichtigt wird. Es sei sachwidrig, von einem Honoraranspruch, der bereits durch die Degression vermindert ist, ohne Rücksicht hierauf zusätzlich einen Honorarabzug durch eine HVM-Begrenzung vorzunehmen.
Weiter heißt es dann: "Die KZÄV muss bei der Anwendung von HVM-Honorarbegrenzungen beachten, ob bzw inwieweit sie hierdurch die honorarmäßige Grundlage für einen Degressionsabzug beseitigt, und ggf den Degressionsabzug mit dem HVM-Honorarabzug verrechnen, dh diesen vermindern."
Die Beklagte ist diesen Vorgaben entsprechend verfahren: Sie hat in ihrer Berechnung berücksichtigt, dass sie bei der Anwendung von HVM-Honorarbegrenzungen ohne die von ihr vorgenommene Verrechnung die honorarmäßige Grundlage für den Degressionsabzug zumindest zum Teil beseitigen würde und insoweit eine Verrechnung von Degressions- und HVM-Abzug vorgenommen.
Sie hat dabei - auch wenn es ggf. den Anschein erwecken könnte - nicht den Degressionseinbehalt neu festgesetzt, sondern wie sich aus der Überschrift ihrer Bescheide vom 27.08.2004 (Gutschriftsanzeigen) ergibt, die "Erstattung von Honorareinbehalten. wegen der Doppelbelastung durch Vergütungsminderung aufgrund Punktmengenüberschreitungen (§ 85 Abs. 4b SGB V) und durch Honorareinbehalte gemäß § 4 Abs. 1a HVM" berechnet.
Die Berechnung der Beklagten ist nach der o.a. Maßgabe nicht zu beanstanden: Die Klägerin hat im Jahr 2000 ein Honorar von insgesamt 510.070,24 DM angefordert. Da ihre Honorargrenze 341.880,00 DM betrug, sind 168.190,24 DM einbehalten worden. Dementsprechend ergeben sich HVM-bedingte Einbehalte für 2001 i.H.v. 101.811,32 DM und für 2001 i.Hv. 17.861,68 Euro.
Diese aufgrund der "auf der Anwendung von HVM-Honorarbegrenzungen" (s.o.) beruhende Kürzung hat die "honorarmäßige Grundlage für einen Degressionsabzug beseitigt", und zwar insoweit, als bei der Berechnung der Degressionsüberschreitung auch die Punkte eingeflossen sind, für die die Klägerin infolge der HVM-bedingten Kürzung letztlich keine Vergütung erhält. Folgerichtig hat die Beklagte die HVM-Kürzung in Punkte umgerechnet und die sich so ergebenden Punkte (2000 = 142.808 Punkte, 2001 = 84.258 Punkte, 2002 = 30.593 Punkte) von der ursprünglichen Punktmengenüberschreitung i.S.d. § § 85 Abs. 4b SGB V in Abzug gebracht. Unschädlich ist, dass bei der Berechnung für die Jahre 2000 und 2001 die Punktmengenüberschreitung im jeweiligen 4. Quartal eingestellt wurde. Denn nur dann, wenn diese geringer wäre als die in Punkte umgerechnete HVM-Kürzung, wären auch die Punktmengenüberschreitungen der Vorquartale mit der Folge einer höheren Erstattung zu berücksichtigen. Aufgrund dieser Berechnung ergaben sich Reduzierungen der jeweiligen Punktmengenüberschreitung und mithin die der Klägerin erteilten Erstattungen. Auf die ansonsten nicht angegriffenen Berechnungen der Beklagten in den Bescheiden vom 27.08.2004 (Gutschriftsanzeigen), die auch der Senat nach Prüfung für zutreffend erachtet, wird verwiesen.
Die Klägerin wurde faktisch damit so gestellt, als wenn ihr Gesamthonoraranspruch insoweit nicht der Degression unterliegt, wie er aufgrund der Mengenbegrenzungsregelungen des HVM zu mindern ist. Für eine andere Berechnungsweise ergibt sich kein Anhaltspunkt; insbesondere sieht der Senat keinen Ansatzpunkt für die Forderung der Klägerin, im Ergebnis die HVM-Kürzungen durch Verrechnung der Degressionseinbehalte faktisch aufzuheben. Berechnungsgrundlage des Degressionseinbehalts sind nach § 85 Abs. 4 b SGB V die vor Eingreifen des HVM abgerechneten Punkte. Nur insoweit, wie diese Punktmenge bei HVM-bedingten Kürzungen (in Punkten) verringert wird, ist dies zu berücksichtigen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BSG vom 21.05.2003 in dem Rechtsstreit B 6 KA 25/06 R. In dem dort entschiedenen Fall entfiel zwar die Degressionskürzung wegen Doppelbelastung durch HVM-Kürzungen vollständig. Es lagen aber andere Kürzungsvolumina zugrunde. HVM-Kürzungen i.H.v. ca. 110.00 Punkten standen deutlich geringere Degressionskürzungen (ca. 40.000 Punkte) gegenüber. Die Anrechnung der 110.000 Punkte aus der HVM-Kürzung im Rahmen der - fiktiven - Neuberechnung der Degression führte schlicht dazu, dass für eine Degressionskürzung keine Grundlage mehr bestand und dass deshalb zur Vermeidung einer Doppelbelastung der sich zunächst errechnete Kürzungsbetrag aufgrund der Degressionsregelungen auf die HVM-bedingte Honorarkürzung in vollem Umfang anzurechnen war.
Im Übrigen würde die Auffassung der Klägerin dazu führen, dass Vertragszahnärzte, die neben einer Degressionskürzung auch einer HVM-Kürzung unterliegen, besser gestellt würden, als die Vertragszahnärzte, die nur der Degressionskürzung unterliegen. Denn dann könnten nur die Vertragszahnärzte, die neben der - gesetzlich vorgegebenen - Degressionskürzung darüber hinaus auch ihr Budget / Kontingent überschreiten, den Degressionsabzug verrechnen, während es bei den Vertragszahnärzten, die nur der Degressionskürzung unterliegen und ansonsten die Mengenbegrenzungsregelungen des HVM beachten, bei dieser Kürzung verbleibt. Die von der Klägerin zu ihren Gunsten geforderte Verrechnung hätte letztlich zur Folge, dass die sich aus den Degressionsregelungen ergebenden Kürzungsbeträge, die bereits vorab durch ihre an die Krankenkassen zwingend zu erfolgende Abführung die Gesamtvergütung gemindert haben, sich ein weiteres Mal zu Lasten des HVM-Topfes und damit zu Lasten aller übrigen Vertragszahnärzte auswirkten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision ist zuzulassen, da der Senat der Frage, wie der Ausgleich einer Doppelbelastung durch Honorarabzüge wegen degressionsbedingter Punktwertabsenkungen einerseits und wegen Überschreitens individueller Bemessungsgrenzen andererseits zu erfolgen hat, trotz der Entscheidungen des BSG vom 21.05.2003 weiterhin grundsätzliche Bedeutung zumisst (§ 160 Abs. Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, wie der Ausgleich einer Doppelbelastung durch Honorarabzüge wegen degressionsbedingter Punktwertabsenkungen einerseits und wegen Überschreitens individueller Bemessungsgrenzen andererseits zu erfolgen hat.
Die Klägerin ist als Kieferorthopädin in T niedergelassen.
Für die Jahre 2000 bis 2002 nahm die Beklagte wegen Überschreitung der der Klägerin auf der Grundlage des § 85 Abs. 4b ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zustehenden degressionsfreien Punktmenge Honorarabzüge vor. Gleichzeitig setzte die Beklagte endgültige Honorareinbehalte gemäß § 4 Abs. 1 a ihres Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) fest, die sich aus der Überschreitung der Abrechnungswerte für KFO und alle übrigen Leistungsarten gegenüber den individuellen Honorargrenzen ergaben:
Mit Abrechnung des Quartals IV/2000 (Belastungsanzeige vom 06.04.2001) stellte die Beklagte bei im Jahr 2000 von der Klägerin insgesamt 572.115 abgerechneten Punkten eine Überschreitung der degressionsfreien Punktmenge (350.000 Punkte) in Höhe von (i.H.v.) 222.115 Punkten fest. Unter Abzug der bereits in den Vorquartalen berücksichtigten Punktmengenüberschreitung (66.425 Punkte) ergab sich für das Quartal IV/2000 eine Restpunktmengenüberschreitung von 155.690 Punkten und darauf beruhend ein Honorarabzug von 53.217,80 DM, der den beteiligten Krankenkassen gutgeschrieben wurde.
Der Honorareinbehalt gemäß § 4 Abs. 1 a HVM wurde für das Jahr 2000 zunächst auf 154.149,24 DM (Belastungsanzeige vom 06.04.2001) und 2004 wegen endgültiger Feststellung der Honorargrenzen für Multiband-Behandlungen und Behandlungen mit herausnehmbaren Geräten auf 168.190,24 DM festgesetzt (Anlage zur Quartalsabrechnung II/2004 vom 27.08.2004).
Mit Abrechnung des Quartals IV/2001 (Belastungsanzeige vom 10.04.2002) stellte die Beklagte bei im Jahr 2001 von der Klägerin insgesamt 481.827 abgerechneten Punkten eine Überschreitung der degressionsfreien Punktmenge (350.000 Punkte) i.H.v. 131.827 Punkten fest. Unter Abzug der bereits in den Vorquartalen berücksichtigten Punktmengenüberschreitung (17.196 Punkte) ergab sich für das Quartal IV/2001 eine Restpunktmengenüberschreitung von 114.631 Punkten und darauf beruhend ein Honorarabzug von 30.542,73 DM, der den beteiligten Krankenkassen gutgeschrieben wurde.
Der Honorareinbehalt gemäß § 4 Abs. 1 a HVM wurde im Jahr 2001 zunächst mit 90.921,32 DM (Belastungsanzeigen vom 08.04.2002 - Primärkassen = 21.977,82 DM und Ersatzkassen = 68.943,50 DM) berechnet. 2004 wurde er wegen endgültiger Feststellung der Honorargrenzen für Multiband-Behandlungen und Behandlungen mit herausnehmbaren Geräten auf 101.811,32 DM festgesetzt (Anlage zur Quartalsabrechnung II/2004 vom 27.08.2004 - Primärkassen = 26.837,82 DM und Ersatzkassen = 74.973,50 DM).
Mit Abrechnung des Quartals IV/2002 (Belastungsanzeige vom 02.04.2003) stellte die Beklagte bei im Jahr 2002 von der Klägerin insgesamt 432.446 abgerechneten Punkten eine Überschreitung der degressionsfreien Punktmenge (350.000 Punkte) i.H.v. 82.446 Punkten und darauf beruhend einen Honorarabzug von 9.864,10 Euro fest, der den beteiligten Krankenkassen gutgeschrieben wurde. In den Vorquartalen lag keine Punktmengenüberschreitung vor.
Der Honorareinbehalt gemäß § 4 Abs. 1 a HVM belief sich im Jahr 2002 zunächst auf 15.977,68 Euro (Belastungsanzeige vom 04.04.2003). 2004 wurde er wegen endgültiger Feststellung der Honorargrenzen für Multiband-Behandlungen und Behandlungen mit herausnehmbaren Geräten auf 17.861,68 Euro festgesetzt (Anlage zur Quartalsabrechnung II/2004 vom 27.08.2004).
Unter dem 27.08.2004 erteilte die Beklagte der Klägerin vor dem Hintergrund, dass nach mehreren Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.05.2003 bei der Ermittlung der Vergütungsminderungen gemäß § 85 Abs. 4b SGB V nicht vergütete Punkte aus der Honorarverteilung nicht zu berücksichtigen seien, als Anlage zu der Quartalsabrechnung II/2004 drei "Gutschriftsanzeigen" (für das Jahr 2000 i.H.v. 36.309,47 DM, für das Jahr 2001 i.H.v. 11.620,37 DM und für das Jahr 2002 i.H.v. 3.471,59 Euro). Zur Berechnung der Gutschriften zog sie die in Punkte umgerechneten HVM-Einbehalte von der degressionswirksamen Punktmengenüberschreitung ab. Entsprechend der damit jeweils reduzierten Punktmengenüberschreitung verringerte sich der Honorarabzug.
Die Klägerin legte sowohl gegen die Gutschriftsanzeigen vom 27.08.2004 als auch gegen den Quartalsabrechnungsbescheid II/2004 Widerspruch mit der Begründung ein, die Beklagte habe nur die Degressionskürzungen unter Anrechnung der HVM-Kürzungen neu berechnet und habe damit die Berechnungen des BSG in seinem Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 25/02 R - nicht umgesetzt. Die Degressionsabzüge seien an die Krankenkassen zurückgeflossen und somit nicht an sie ausgezahlt worden. Gleichwohl würden die nicht ausgezahlten Honoraranteile rechtswidrig bei der Honorarverteilung berücksichtigt, so dass es zu einer doppelten Kürzung käme.
Die Beklagte wies die Widersprüche gegen die Gutschriftsanzeigen vom 27.08.2004 als unzulässig zurück (am 26.09.2005 zugestellte Widerspruchsbescheide vom 21.09.2005). Die Widersprüche bezögen sich auf die im Vorfeld zur Quartalsabrechnung II/2004 erstellten Gutschriftenanzeigen für die Jahre 2000 bis 2002. Demzufolge seien die Widersprüche vor Erlass des eigentlichen Honorarbescheides (Quartalsabrechnung II/004 vom 15.10.2004) eingelegt worden. Darüberhinaus seien nach Überprüfung keine Fehler bei der Ermittlung der Erstattung von Honorareinbehalten wegen Doppelbelastung (Degression/HVM) festzustellen.
Mit Klage vom 26.10.2005 hat sich die Klägerin im Wesentlich auf ihr Widerspruchsvorbringen bezogen.
Sie hat beantragt,
1.den Bescheid vom 27.08.2004 - Erstattung von Honorareinbehalten 2000 wegen Doppelbelastung durch Vergütungsminderung aufgrund von Punktmengenüberschreitung (§ 85 Abs. 4 b SGB V) und durch Honorareinbehalte gemäß § 4 Abs. 1 a HVM in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, sie - die Klägerin - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden,
2.den Bescheid vom 27.08.2004 - Erstattung von Honorareinbehalten 2001 wegen Doppelbelastung durch Vergütungsminderung aufgrund von Punktmengenüberschreitung (§ 85 Abs. 4 b SGB V) und durch Honorareinbehalte gemäß § 4 Abs. 1 a HVM in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, sie - die Klägerin - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden,
3.den Bescheid vom 27.08.2004 - Erstattung von Honorareinbehalten 2002 wegen Doppelbelastung durch Vergütungsminderung aufgrund von Punktmengenüberschreitung (§ 85 Abs. 4 b SGB V) und durch Honorareinbehalte gemäß § 4 Abs. 1 a HVM in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, sie - die Klägerin - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, mit ihrer Berechnung habe sie den Vorgaben des BSG entsprochen und eine Doppelbelastung vermieden. Sie habe eine Neuberechnung der Vergütungsminderung wegen Punktmengendegression in der Form vorgenommen, dass sie die der Degressionsberechnung zugrunde gelegten Punktmengen um die im Rahmen der Honorarverteilungsregelungen zu berücksichtigenden Punkte reduziert habe.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat der Klage mit Urteil vom 08.11.2006 - unter Zusammenfassung der Anträge - stattgegeben: Die Beklagte habe sich zu Unrecht darauf beschränkt, die Widersprüche der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen; sie sei verpflichtet gewesen, eine Sachentscheidung zu treffen. Die Entscheidung der Beklagten in den Gutschriftsanzeigen sei zwar im Ansatz zutreffend; eine Berücksichtigung der Degressionsabzüge im Rahmen der Honorarverteilung sei mit der Neuberechnung aber nicht erfolgt. Da der Klägerin durch die Degressionseinbehalte immer noch Beträge von 2.867,33 DM (2000), 6.548,87 DM (2001) und 6.124,36 Euro (2002) Euro entzogen werden, sei insoweit die honorarmäßige Grundlage beseitigt worden. Dies sei bei der erforderlichen Neuberechnung der endgültigen Honorareinbehalte nach § 4 Abs. 1a HVM zu berücksichtigen.
Gegen das am 02.01.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.02.2007 Berufung eingelegt, mit der sie sich auf ihr Vorbringen in dem beim Senat unter dem Aktenzeichen L 11 KA 6/07 anhängigen Rechtsstreit, der ebenfalls die Berechnung zum Ausgleich einer Doppelbelastung durch Honorarabzüge wegen degressionsbedingter Punktwertabsenkungen einerseits und wegen Überschreitens individueller Bemessungsgrenzen andererseits betrifft. Dort hat die Beklagte im Wesentlichen vorgetragen: Sie habe zunächst die Punktwertminderung im Rahmen der Degression nach Maßgabe der Vereinbarung gemäß § 85 Absatz 4 e Satz 5 SGB V ermittelt und die sich daraus ergebenden Beträge an die Krankenkassen ausgezahlt. Der sich danach ergebende Degressionsabzug stehe nicht zu ihrer Disposition und sei nach ihrem Verständnis der Rechtsprechung des BSG auch nicht bei der Ermittlung von HVM-Einbehalten vollständig in Abzug zu bringen. Dies würde ansonsten letztlich zu einer "Solidarisierung der Degressionsregelung" führen. Sie sei vielmehr gehalten, die Wechselwirkung der gesetzlichen Abschöpfung von Kosteneinsparungen im Rahmen der Punktwertdegression einerseits und die auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Mengenbegrenzungsregelungen in ihrem HVM anderseits zu berücksichtigen. Mit ihrer Berechnung werde die Klägerin hinsichtlich der Degression so gestellt, wie sich ihr Honorar nach Realisierung der HVM-Einbehalte bemesse. Gleichzeitig werde vermieden, dass der Vertragszahnarzt, der in beiden Bereichen die zulässigen Grenzen überschreite, besser gestellt werde, als der Vertragszahnarzt, der die die Mengenbegrenzungsregelungen des HM beachte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.11.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich ebenfalls auf das Vorbringen in dem Rechtsstreit L 11 KA 6/07. Dort wird die Auffassung vertreten, die vorrangigen Degressionskürzungen, die letztlich zu einem verringerten Punktwert führten, seien bei der bei der Honorarverteilung zu berücksichtigen. Es sei nämlich unzulässig, Honorarabzüge auch von Honoraranteilen vorzunehmen, die ein Vertragsarzt in Folge der vorrangigen Punktwertdegression überhaupt nicht ausgezahlt erhalten habe. Vielmehr sei bei der Honorarverteilung nach dem HVM nur das Honorar zu berücksichtigen, das er nach Abzug der Degressionskürzungen auch tatsächlich erhalten habe.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Neuentscheidung verurteilt; denn die angegriffene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Streitgegenstand ist allein die Frage, ob die Beklagte feststehende Kürzungen aufgrund der Degressionsregelungen des § 85 Abs. 4b SGB V einerseits und HVM-bedingte Kürzungen anderseits in einer Form verrechnet hat, dass eine so genannte Doppelbelastung der Klägerin ausgeschlossen ist. Nicht in Frage steht dabei die Richtigkeit der von der Beklagten in den o.a. Belastungsanzeigen errechneten Degressionsabzüge bzw. der sich aus den jeweiligen Belastungsanzeigen ergebenden Honorarkürzungen aufgrund ihres HVM. Die Degressionsvorschriften des § 85 Abs. 4 b bis 4 f SGB V, die u.a. eine Verringerung des vertragszahnärztlichen Vergütungsanspruchs bei Überschreiten bestimmter Punktmengen vorsehen, sind mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar (z.B. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 22; SozR 3-2500 § 85 Nr. 46; SozR 4-2500 § 85 Nr. 2; BVerfG NJW 2000, 3413; NVwZ-RR 2002, 802). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Punktwertminderung im Rahmen der Degression nach Maßgabe der - für sie nicht disponiblen - Vereinbarung gemäß § 85 Absatz 4 e Satz 5 SGB V unzutreffend umgesetzt haben könnte.
Die Frage, ob und wie die Beklagte mögliche Doppelbelastungen aufgrund Degressions- und HVM-Kürzungen zu vermeiden hat, war bereits Gegenstand des vom BSG entschiedenen Rechtsstreit B 6 KA 35/02 R. In dem dort ergangenen Urteil vom 21.05.2003 wurde zunächst klargestellt, dass Honorarbegrenzungen durch die Regelungen über die Punktwertdegression nicht ausgeschlossen sind. Allerdings fordere die für die Honorarverteilung maßgebende Bestimmung des § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem aus Art. 12 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, dass bei HVM-Begrenzungsmaßnahmen die Verringerung des Honoraranspruchs auf Grund der Punktwertdegression berücksichtigt wird. Es sei sachwidrig, von einem Honoraranspruch, der bereits durch die Degression vermindert ist, ohne Rücksicht hierauf zusätzlich einen Honorarabzug durch eine HVM-Begrenzung vorzunehmen.
Weiter heißt es dann: "Die KZÄV muss bei der Anwendung von HVM-Honorarbegrenzungen beachten, ob bzw inwieweit sie hierdurch die honorarmäßige Grundlage für einen Degressionsabzug beseitigt, und ggf den Degressionsabzug mit dem HVM-Honorarabzug verrechnen, dh diesen vermindern."
Die Beklagte ist diesen Vorgaben entsprechend verfahren: Sie hat in ihrer Berechnung berücksichtigt, dass sie bei der Anwendung von HVM-Honorarbegrenzungen ohne die von ihr vorgenommene Verrechnung die honorarmäßige Grundlage für den Degressionsabzug zumindest zum Teil beseitigen würde und insoweit eine Verrechnung von Degressions- und HVM-Abzug vorgenommen.
Sie hat dabei - auch wenn es ggf. den Anschein erwecken könnte - nicht den Degressionseinbehalt neu festgesetzt, sondern wie sich aus der Überschrift ihrer Bescheide vom 27.08.2004 (Gutschriftsanzeigen) ergibt, die "Erstattung von Honorareinbehalten. wegen der Doppelbelastung durch Vergütungsminderung aufgrund Punktmengenüberschreitungen (§ 85 Abs. 4b SGB V) und durch Honorareinbehalte gemäß § 4 Abs. 1a HVM" berechnet.
Die Berechnung der Beklagten ist nach der o.a. Maßgabe nicht zu beanstanden: Die Klägerin hat im Jahr 2000 ein Honorar von insgesamt 510.070,24 DM angefordert. Da ihre Honorargrenze 341.880,00 DM betrug, sind 168.190,24 DM einbehalten worden. Dementsprechend ergeben sich HVM-bedingte Einbehalte für 2001 i.H.v. 101.811,32 DM und für 2001 i.Hv. 17.861,68 Euro.
Diese aufgrund der "auf der Anwendung von HVM-Honorarbegrenzungen" (s.o.) beruhende Kürzung hat die "honorarmäßige Grundlage für einen Degressionsabzug beseitigt", und zwar insoweit, als bei der Berechnung der Degressionsüberschreitung auch die Punkte eingeflossen sind, für die die Klägerin infolge der HVM-bedingten Kürzung letztlich keine Vergütung erhält. Folgerichtig hat die Beklagte die HVM-Kürzung in Punkte umgerechnet und die sich so ergebenden Punkte (2000 = 142.808 Punkte, 2001 = 84.258 Punkte, 2002 = 30.593 Punkte) von der ursprünglichen Punktmengenüberschreitung i.S.d. § § 85 Abs. 4b SGB V in Abzug gebracht. Unschädlich ist, dass bei der Berechnung für die Jahre 2000 und 2001 die Punktmengenüberschreitung im jeweiligen 4. Quartal eingestellt wurde. Denn nur dann, wenn diese geringer wäre als die in Punkte umgerechnete HVM-Kürzung, wären auch die Punktmengenüberschreitungen der Vorquartale mit der Folge einer höheren Erstattung zu berücksichtigen. Aufgrund dieser Berechnung ergaben sich Reduzierungen der jeweiligen Punktmengenüberschreitung und mithin die der Klägerin erteilten Erstattungen. Auf die ansonsten nicht angegriffenen Berechnungen der Beklagten in den Bescheiden vom 27.08.2004 (Gutschriftsanzeigen), die auch der Senat nach Prüfung für zutreffend erachtet, wird verwiesen.
Die Klägerin wurde faktisch damit so gestellt, als wenn ihr Gesamthonoraranspruch insoweit nicht der Degression unterliegt, wie er aufgrund der Mengenbegrenzungsregelungen des HVM zu mindern ist. Für eine andere Berechnungsweise ergibt sich kein Anhaltspunkt; insbesondere sieht der Senat keinen Ansatzpunkt für die Forderung der Klägerin, im Ergebnis die HVM-Kürzungen durch Verrechnung der Degressionseinbehalte faktisch aufzuheben. Berechnungsgrundlage des Degressionseinbehalts sind nach § 85 Abs. 4 b SGB V die vor Eingreifen des HVM abgerechneten Punkte. Nur insoweit, wie diese Punktmenge bei HVM-bedingten Kürzungen (in Punkten) verringert wird, ist dies zu berücksichtigen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BSG vom 21.05.2003 in dem Rechtsstreit B 6 KA 25/06 R. In dem dort entschiedenen Fall entfiel zwar die Degressionskürzung wegen Doppelbelastung durch HVM-Kürzungen vollständig. Es lagen aber andere Kürzungsvolumina zugrunde. HVM-Kürzungen i.H.v. ca. 110.00 Punkten standen deutlich geringere Degressionskürzungen (ca. 40.000 Punkte) gegenüber. Die Anrechnung der 110.000 Punkte aus der HVM-Kürzung im Rahmen der - fiktiven - Neuberechnung der Degression führte schlicht dazu, dass für eine Degressionskürzung keine Grundlage mehr bestand und dass deshalb zur Vermeidung einer Doppelbelastung der sich zunächst errechnete Kürzungsbetrag aufgrund der Degressionsregelungen auf die HVM-bedingte Honorarkürzung in vollem Umfang anzurechnen war.
Im Übrigen würde die Auffassung der Klägerin dazu führen, dass Vertragszahnärzte, die neben einer Degressionskürzung auch einer HVM-Kürzung unterliegen, besser gestellt würden, als die Vertragszahnärzte, die nur der Degressionskürzung unterliegen. Denn dann könnten nur die Vertragszahnärzte, die neben der - gesetzlich vorgegebenen - Degressionskürzung darüber hinaus auch ihr Budget / Kontingent überschreiten, den Degressionsabzug verrechnen, während es bei den Vertragszahnärzten, die nur der Degressionskürzung unterliegen und ansonsten die Mengenbegrenzungsregelungen des HVM beachten, bei dieser Kürzung verbleibt. Die von der Klägerin zu ihren Gunsten geforderte Verrechnung hätte letztlich zur Folge, dass die sich aus den Degressionsregelungen ergebenden Kürzungsbeträge, die bereits vorab durch ihre an die Krankenkassen zwingend zu erfolgende Abführung die Gesamtvergütung gemindert haben, sich ein weiteres Mal zu Lasten des HVM-Topfes und damit zu Lasten aller übrigen Vertragszahnärzte auswirkten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision ist zuzulassen, da der Senat der Frage, wie der Ausgleich einer Doppelbelastung durch Honorarabzüge wegen degressionsbedingter Punktwertabsenkungen einerseits und wegen Überschreitens individueller Bemessungsgrenzen andererseits zu erfolgen hat, trotz der Entscheidungen des BSG vom 21.05.2003 weiterhin grundsätzliche Bedeutung zumisst (§ 160 Abs. Nr. 1 SGG).
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