L 13 R 3035/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 RA 2245/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3035/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. Juli 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1962 geborene Klägerin absolvierte nach einer einjährigen Berufsfachschule in der Zeit vom 1. August 1978 bis 31. Juli 1981 eine Ausbildung zur Damenschneiderin. In diesem Beruf arbeitete sie anschließend bis 2. Oktober 1981. Im Jahre 1982 begann sie eine Ausbildung zur Heilpädagogin, schloss diese jedoch nicht ab. In der Zeit vom 3. September 1984 bis 16. Juni 1987 wurde die Klägerin dann zur Einzelhandelskauffrau ausgebildet. Nach Abschluss der Ausbildung arbeitete sie vom 1. September 1987 bis 28. November 1990 in diesem Beruf als Verkäuferin. Seither war die Klägerin nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 21. November 2000 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit. Zur Begründung gab sie an, sie halte sich seit 1996 wegen Rücken- und Knieproblemen für berufs- oder erwerbsunfähig. Zur Ermittlung des medizinischen Sachverhalts beauftragte die Beklagte den Orthopäden Dr. Sch. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser führte in seinem Gutachten vom 16. März 2001 aus, die Klägerin leide an einem LWS-, HWS- und BWS-Syndrom, Myotendopathie und einer beginnenden Retropatellararthrose beider Kniegelenke. Aufgrund dieser Erkrankungen sei der Klägerin eine schwere oder mittelschwere Tätigkeit nicht mehr zuzumuten. Auch für leichte Tätigkeiten bestehe bereits eine deutliche Einschränkung, so dass nur noch Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ohne vermehrtes Bücken möglich seien. Insoweit bestehe allerdings noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Mit Bescheid vom 17. Mai 2001 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin könne in ihrem bisherigen Berufsbereich noch vollschichtig arbeiten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 1. Juni 2001 Widerspruch. Die Beklagte zog daraufhin einen Befundbericht des behandelnden Orthopäden Dr. H. vom 11. September 2001 bei. In ihrer Stellungnahme vom 8. Oktober 2001 führte die beratende Ärztin Dr. W. hierzu aus, neue Gesichtspunkte seien nicht erkennbar; eine Abhilfe könne nicht empfohlen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei zwar nicht in der Lage, ihren zuletzt ausgeübten Beruf der Einzelhandelskauffrau vollschichtig auszuüben. Unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustands und der während des Erwerbslebens erlangten und verwertbaren Kenntnisse sowie Fähigkeiten komme aber noch eine vollschichtige Beschäftigung als Einzelhandelskauffrau mit Einschränkung auf den kaufmännisch-verwaltenden Bereich in Betracht.

Mit ihrer am 13. Mai 2002 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie sei aufgrund der erheblichen Funktionseinschränkungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule nicht mehr in der Lage, selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig auszuführen. Darüber hinaus genieße sie qualifizierten Berufsschutz. Das von der Beklagten benannte Berufsbild einer Einzelhandelskauffrau mit Einschränkung auf den kaufmännisch-verwaltenden Bereich entspreche dem Berufsbild der Großhandelskauffrau. Auf diese Tätigkeit könne sie mangels entsprechender Qualifikation nicht zumutbar verwiesen werden. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Auf Anfrage des SG hat die Firma Breitling, Stuttgart mit Schreiben vom 19. Dezember 2002 mitgeteilt, die Klägerin sei bis 1990 als Verkäuferin beschäftigt gewesen. Weitere Angaben könnten nicht gemacht werden; Unterlagen über die Klägerin seien nicht mehr vorhanden. Das SG hat darüber hinaus eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Psychodramatherapeut Dr. E. eingeholt und den Orthopäden Dr. K. sowie den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. E. hat in seiner Aussage vom 20. Februar 2004 ausgeführt, er behandele die Klägerin seit 29. September 1992; seit diesem Zeitpunkt sei sie durchgängig arbeitsunfähig gewesen; ein auf dem Arbeitsmarkt verwertbares Leistungsvermögen bestehe nicht. Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 12. Februar 2003 ausgeführt, leichte Tätigkeiten könnten von der Klägerin seines Erachtens noch vollschichtig verrichtet werden. Zum selben Ergebnis ist auch Dr. H. in seinem Gutachten vom 3. April 2004 gelangt. Auf nervenärztlichem Fachgebiet hat er eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine Agoraphobie mit Panikstörung diagnostiziert. Nach Beiziehung berufskundlicher Informationen aus dem BERUFEnet der Bundesagentur für Arbeit hat das SG die Klage mit Urteil vom 5. Juli 2004 abgewiesen.

Gegen das ihr gegen Empfangsbekenntnis am 13. Juli 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. Juli 2004 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Das Gutachten des vom SG beauftragten Sachverständigen Dr. H. sei nicht schlüssig und die hierauf gestützte Beweiswürdigung durch das SG deshalb nicht überzeugend. Zu Unrecht sei das SG davon ausgegangen, sie könne leichte Tätigkeiten noch vollschichtig verrichten. Jedenfalls habe das SG den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Insoweit sei die Einholung eines psychosomatischen und eines berufskundlichen Gutachtens erforderlich; vorrangig sei zu klären, welche körperlichen Anforderungen an eine kaufmännische Tätigkeit im verwaltenden Bereich gestellt werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2002 zu verurteilen, ihr ab 1. November 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide für rechtmäßig und das Urteil des SG für zutreffend. Zur weiteren Begründung legt sie das Urteil des Landessozialgerichts Saarland vom 8. November 1995 - L 1 A 11/94 - und das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. August 1995 - L 6 A 66/94 - vor.

Der Senat hat zunächst von Amts wegen den Internisten und Rheumatologen Dr. M. und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetztes (SGG) den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Privatdozent Dr. W. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. M. hat in seinem Gutachten vom 24. Februar 2005 ausgeführt, die Klägerin leide an einer chronischen Schmerzerkrankung, die einer somatisch betonten Form der Fibromyalgie entspreche. Der Ausprägungsgrad im körperlichen Bereich sei als mäßig bis mittelgradig ausgeprägt anzusehen. Im geistigen und seelischen Bereich sei der Ausprägungsgrad eher geringer einzuschätzen. Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, leichte und gelegentlich auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig auszuführen. Privatdozent Dr. W. hat die Klägerin in seinem Gutachten vom 6. September 2005 für fähig erachtet, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig auszuführen. In qualitativer Hinsicht müssten vor allem Zeitdruck und ein Wechsel zwischen Tag- und Nachtschicht vermieden werden. In der Folge ist Dr. H. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 27. November 2006 die Auffassung vertreten, die Klägerin könne auch aus orthopädischer Sicht leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch vollschichtig verrichten. Darüber hinaus hat der Senat eine (weitere) schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. E. eingeholt und Herrn K. von der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Baden-Württemberg, mit der Erstattung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens beauftragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird insoweit auf Bl. 177 bis 184 und 201 bis 213 der Berufungsakte des Senats verwiesen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 13 RA 2245/02) und die Berufungsakte des Senats (L 13 R 3035/04) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag der Klägerin vom 21. November 2000 ablehnende Bescheid vom 17. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2002. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keine Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit. Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem seit 1. Januar 2001 geltenden Recht.

Maßgeblich für den erhobenen Anspruch sind zunächst, da sich unter Zugrundelegung des klägerischen Begehrens ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 ergeben würde, noch die Bestimmungen des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (vgl. §§ 300 Abs. 2, 302 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl. I S. 1827 (a.F.); Jörg in Kreikebohm, SGB VI, § 302 b Rdnr. 3). Gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sowie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben und erwerbsunfähig sind; entsprechende Regelungen sind in § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. für die Rente wegen Berufsunfähigkeit vorgesehen. Berufsunfähig sind nach allen Fassungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI - geändert erst durch die Einführung der neuen Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI ab 1. Januar 2001 - Versicherte deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen oder Fähigkeiten gesunken ist. Der K. der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI a.F.). Zu beachten ist außerdem die Vorschrift des § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des SGB VI vom 2. Mai 1996 (BGBl. I S. 659; vgl. BSGE 78, 207, 212; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 52); danach ist bei vollschichtigem Leistungsvermögen die jeweilige Arbeitsmarktlage grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl. dazu allgemein BSG - großer Senat - BSGE 80, 24 ff.).

Die Klägerin hat weder Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit noch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach §§ 43, 44 SGB VI a.F., denn bis 30. November 2000 - nur in diesem Fall könnte sich ein vor dem 1. Januar 2001 liegender Rentenbeginn ergeben (vgl. dazu § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) und dementsprechend das bis 31. Dezember 2000 geltende Recht Anwendung finden - lagen bereits die weniger weitgehenden Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht vor. Zwar ist die allgemeine Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 1 SGB VI) und - unter Zugrundelegung eines bis 30. November 2000 eingetretenen Leistungsfalls - die erforderliche Drei-Fünftel-Belegung mit Pflichtbeiträgen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI a.F.) erfüllt. Die Klägerin war jedenfalls bis 30. November 2000 aber nicht berufsunfähig.

Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Eine (höherwertige) Beschäftigung oder Tätigkeit ist jedoch dann nicht mehr maßgebend, wenn sich der Versicherte von dieser gelöst und eine andere (geringwertigere) Tätigkeit aufgenommen hat (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI, Rdnr. 21 m.w.N.). Eine solche Lösung vom früheren Beruf liegt jedoch nur dann vor, wenn der neue Beruf versicherungsrechtlich relevant ist, wenn er also die Voraussetzungen erfüllt, die unabhängig von der früheren Berufsentwicklung zum Erwerb eines versicherungsrechtlich geschützten Berufs führen. Das ist dann der Fall, wenn der Beruf mit dem Ziel aufgenommen und ausgeübt wird, ihn weiterhin bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zur Erreichung der Altersgrenze - also auf Dauer - auszuüben (BSG, Urteil vom 4. November 1998 - B 13 RJ 95/97 - veröffentlicht in Juris). Deshalb ist die nur vorübergehende Aufnahme einer anderen Tätigkeit unschädlich; sie führt nicht zum Erwerb eines neuen Dauerberufs und damit nicht zum Verlust des alten Berufs (BSG SozR 2200 § 1264 Nr. 158 m.w.N.) Weitere Voraussetzung für eine im Sinne des Rentenrechts relevante Lösung vom bisherigen Beruf ist die Freiwilligkeit des Berufswechsel. Deshalb liegt eine Lösung grundsätzlich nicht vor, wenn die Berufsaufgabe aus gesundheitlichen Gründen erfolgt. In diesem Fall bleibt der Berufsschutz erhalten, da sich insofern gerade das versicherte Risiko der gesetzlichen Rentenversicherung verwirklicht hat (vgl. BSGE 2, 182, 187).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist im Fall der Klägerin als "bisheriger Beruf" derjenige der Einzelhandelskauffrau zugrunde zulegen. Diese Tätigkeit hat die Klägerin zuletzt auf Dauer ausgeübt, nach dem sie zuvor in der Zeit vom 3. September 1984 bis 16. Juni 1987 eine entsprechende Berufsausbildung erfolgreich durchlaufen hatte. Den ursprünglich erlernten Beruf der Damenschneiderin (Ausbildung in der Zeit vom 1. August 1978 bis 31. Juli 1981) hatte die Klägerin bereits im Oktober 1981 aufgegeben und sich damit von diesem Berufsbild gelöst. Anhaltspunkte dafür, dass diese Berufsaufgabe unfreiwillig, insbesondere aus gesundheitlichen Gründen erfolgt wäre, sind nicht ersichtlich und wurden von der Klägerin auch nicht vorgetragen. Als Einzelhandelskauffrau konnte die Klägerin jedenfalls bis 30. November 2000 trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen vollschichtig arbeiten.

Auf orthopädischem Fachgebiet leidet die Klägerin, wie der vom SG beauftragte Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten vom 12. Februar 2003 dargelegt hat, an Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie der Kniegelenke. Trotz dieser Leiden sind der Klägerin, wie der Sachverständige Dr. K. aus den von ihm erhobenen Befunden schlüssig gefolgert hat, leichte körperliche Tätigkeiten noch vollschichtig zuzumuten. Dr. K. bestätigt damit die sozialmedizinische Beurteilung, die bereits Dr. Sch. in seinem im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachten vom 16. März 2001 abgegeben hatte.

Auf psychiatrischem Fachgebiet hat der vom SG beauftragte Sachverständige Dr. H. in seinem Gutachten vom 3. April 2004 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine Agoraphopbie mit Panikstörung diagnostiziert. Demgegenüber konnte der Sachverständige Zeichen einer depressiven Erkrankung ebenso wenig feststellen, wie Hinweise auf das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms oder einer Demenz. Die diagnostizierten Leiden führen dazu, dass die Klägerin im freien Gebrauch ihrer seelischen und körperlichen Kräfte leicht- bis streckenweise mäßiggradig behindert ist. Auf der Grundlage dieser Befunde hat auch Dr. H. der Klägerin nachvollziehbar ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten attestiert. Die Klägerin muss dabei gleichförmige Körperhaltungen, Überkopfarbeiten, Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken, häufiges Treppensteigen, Arbeiten in Kälte oder unter Kälteeinfluss oder Arbeiten im Freien vermeiden. Darüber hinaus ist eine Überforderung durch Akkordarbeit, Wechselschicht - oder Nachtarbeit sowie durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck auszuschließen.

Durch die im Verlauf des Berufsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme wurde die Richtigkeit der Beurteilungen von Dr. K. und Dr. H. bestätigt. Dr. M. hat die Schmerzerkrankung der Klägerin zwar in diagnostischer Hinsicht als somatisch betonte Form einer Fibromyalgie gewertet, er hat dieses Krankheitsbild jedoch ebenfalls für nicht so schwerwiegend erachtet, als es der Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit entgegen stünde. Weitere, nicht bereits von Dr. K. und Dr. H. genannte qualitative Funktionseinschränkungen hat er nicht für erforderlich gehalten. Das gleiche gilt für die Beurteilung des auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG gehörten Sachverständigen Privatdozent Dr. W ... Bezogen auf leichte körperliche Tätigkeiten hat auch dieser - ebenso wie später der Orthopäde Dr. H. ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin angenommen.

Angesichts der insoweit bestehenden Übereinstimmung zwischen sämtlichen mit der Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin betrauten Sachverständigen vermochte der Senat der abweichenden Auffassung von Dr. E. nicht zu folgen. Dieser hat seine Einschätzung, die Klägerin könne aufgrund ihrer Schmerzerkrankung nicht einmal für die Dauer einer Stunde arbeiten, nicht nachvollziehbar begründet. Der Hinweis, die Klägerin sei nicht einmal in der Lage, ihren Dreipersonenhaushalt zu führen, überzeugt insoweit nicht. Die im Haushalt anfallenden Tätigkeiten umfassen durchaus auch mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten, so dass das diesbezüglich bestehende Leistungsvermögen keinen zuverlässigen Rückschluss auf die Arbeitsfähigkeit hinsichtlich leichter körperlicher Tätigkeiten zulässt.

Qualitative Funktionseinschränkungen standen der Ausübung einer Tätigkeit im bisherigen Beruf als Einzelhandelskauffrau jedenfalls bis 30. November 2000 nicht entgegen. Wie sich aus dem vom SG beigezogenen Auszug aus dem BERUFEnet (Datenbank für Ausbildungs- und Tätigkeitsbeschreibungen) der Bundesagentur für Arbeit ergibt, sind Einzelhandelskaufleute in unterschiedlichsten Bereichen tätig. Vorwiegend arbeiten sie zwar im Verkauf, zu den Aufgaben von Einzelhandelskaufleuten gehören aber auch Verwaltungstätigkeiten wie die Bearbeitung von Bestellungen, Reklamationen und Gewährleistungsansprüchen, die Durchführung von Inventuren und Bestandskontrollen, die Mitwirkung bei der Kosten- und Leistungsrechnung sowie bei der Kalkulation, die Prüfung von Ein- und Ausgangsrechnung, die Erstellung von Rechnungen, die Einleitung von Mahnverfahren und die Abwicklung von Schriftwechsel und Zahlungsverkehr. Einzelhandelskaufleute buchen Geschäftsvorfälle, berechnen Steuern, Abgaben und Gebühren, erstellen Bilanzen und wirken bei Ergebnisrechnungen mit. Sie bearbeiten Vorgänge im Rahmen der Personalverwaltung, rechnen Gehälter und Löhne ab, werten warenwirtschaftliche Informationen aus und wirken bei der Planung, Organisation und Durchführung betrieblicher Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen mit. Vor allem in größeren Handelsunternehmen ist eine Spezialisierung auf bestimmte Tätigkeitsfelder möglich, zu denen auch der Verwaltungsbereich gehört. Im Rahmen einer solchen Tätigkeit als Einzelhandelskauffrau im kaufmännisch-verwaltenden Bereich konnte bis 30. November 2000 den qualitativen Funktionseinschränkungen der Klägerin, soweit sie bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen haben, in ausreichender Weise Rechnung getragen werden. Dies schließt der Senat aus dem Gutachten des Sachverständigen K., der unter Würdigung der ihm vorliegenden medizinischen Ermittlungsergebnisse nachvollziehbar ausgeführt hat, auch unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen sei eine Tätigkeit als Kauffrau im Einzelhandel im Bereich der Verwaltung vollschichtig möglich. Soweit die Klägerin einwendet, nach dem Auszug aus dem BERUFEnet beinhalte die Tätigkeit einer Einzelhandelskauffrau zeitweise auch mittelschwere bis schwere körperliche Arbeiten, verkennt sie, dass diese Einschränkung sich nur auf solche Arbeitsplätze beziehen kann, die auch Verkaufstätigkeiten im eigentlichen Sinn umfassen. Dies ist bei einer auf Verwaltungstätigkeiten spezialisierten Einzelhandelskauffrau aber gerade nicht der Fall. Dass die Klägerin Stressbelastung und Arbeiten unter besonderem Zeitdruck vermeiden muss sowie für Bildschirmarbeiten nur eingeschränkt einsetzbar ist, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn diese qualitativen Funktionseinschränkungen haben jedenfalls bis 30. November 2000 noch nicht vorgelegen. Die Klägerin hat ihren (zeitnah gestellten) Rentenantrag ausschließlich mit Leiden auf orthopädischen Fachgebiet begründet. Die im Verlauf des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme erbrachte ebenfalls keine Hinweise auf ein relevantes Leiden auf nervenärztlichem Fachgebiet. Dementsprechend kann nicht davon auszugehen sein, dass andere als durch orthopädische Leiden bedingte Funktionseinschränkungen bereits im November 2000, also zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung vorgelegen haben. Solche stehen einer Tätigkeit als Einzelhandelskauffrau im kaufmännisch-verwaltenden Bereich gerade nicht entgegen.

Soweit der Sachverständige K. Zweifel im Hinblick auf tatsächliche Beschäftigungsmöglichkeiten der Klägerin geäußert hat, führen diese nicht zur Bejahung von Berufsunfähigkeit. Maßgeblich für die Frage, ob bei der Klägerin Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorliegt, ist nämlich nicht, ob diese tatsächlich in der Lage ist, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Entscheidend ist allein, ob solche Arbeitsplätze in ausreichender Zahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt - besetzt oder unbesetzt - vorhanden sind. Dies ist, wie zur vollen Überzeugung des Senats insbesondere aufgrund der Auszüge aus dem BERUFEnet feststeht, der Fall. Das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz auch zu erhalten, hat nicht die Renten-, sondern die Arbeitslosenversicherung zu tragen. Auch der Umstand, dass die Klägerin wegen des erheblichen Zeitablaufs über heute geforderte Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr verfügt, vermag einen Rentenanspruch nicht zu begründen.

Da die Klägerin somit nicht berufsunfähig ist, erfüllt sie erst Recht nicht die noch strengeren Anforderungen für das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit. Auch ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem seit 1. Januar 2001 geltenden Recht (§ 43, 240 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 BGBl. I S. 1827 (n.F.)), über die der Senat zu entscheiden hat, nach dem die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 16. April 2002 hierüber eine Verwaltungsentscheidung getroffen hat (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2006 - B 4 RA 24/05 B - veröffentlicht in Juris), besteht nicht. Die Anspruchsvoraussetzungen der § 43, 240 SGB VI n.F., die bei einem Rentenbeginn nach dem 31. Dezember 2000 maßgeblich wären, liegen angesichts des oben festgestellten Leistungsvermögens der Klägerin ebenfalls nicht vor; die Klägerin ist auch über den 30. November 2000 hinaus jedenfalls in der Lage, leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden arbeitstäglich und länger zu verreichten. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kann die Klägerin nicht beanspruchen, da diese Rentenart nur für Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, in Betracht kommt (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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