L 7 AS 3709/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 2069/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 3709/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444)) eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt von den Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) sowie der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung aufgrund Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Anordnungsvoraussetzungen sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann grundsätzlich nur summarisch erfolgen, es sei denn, das sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebende Gebot der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie der grundrechtlich geschützte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erforderten eine abschließende Überprüfung. Ist in diesen Fällen im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG); z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927; zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 - NZS 2008, 365). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - a.a.O. und vom 17. August 2005 - a.a.O.).

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Zu entscheiden ist im vorliegenden Verfahren bei verständiger Würdigung des Beschwerdevorbringens allein über die Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) in der Zeit vom 10. Juni 2008 (Eingang des Antrags beim Sozialgericht Reutlingen (SG)) bis 30. September 2008, d.h. dem Ablauf des im Bescheid vom 2. April 2008 (vgl. auch den Änderungsbescheid vom 17. Mai 2008) verfügten Bewilligungszeitraums. Der Antragsteller hat am 6. Oktober 2008 beim SG mit Blick auf den - den nachfolgenden Bewilligungszeitraum (1. Oktober 2008 bis 31. März 2009) regelnden - Bescheid vom 25. September 2008 erneut eine einstweilige Anordnung beantragt und damit zum Ausdruck gebracht, dass er für die Zeit ab 1. Oktober 2008 keine Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren begehrt. Ohnehin grenzt der Senat in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Nichteinbeziehung von Folgezeiträumen (vgl. etwa BSG SozR 4-4200 § 20 Nr. 1 Rdnr. 30; ferner BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 59/06 R - juris Rdnr. 13) in den Verfahren der einstweiligen Anordnung - unter dem Gesichtspunkt, dass den Antragstellern in diesen Verfahren in der Regel nicht mehr als im Hauptsacheverfahren gewährt werden kann (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 28. April 2008 - L 7 AS 1707/08 ER-B -) - in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich den Entscheidungszeitraum auf den jeweiligen Bewilligungsabschnitt ein.

Für den sonach hier noch entscheidungserheblichen Zeitraum bis 30. September 2008 fehlt es indessen nunmehr nach den besonderen Umständen des Falles an dem nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlichen Gegenwartsbezug und damit auch am Anordnungsgrund, nämlich der besonderen Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens; dies darf der Senat nicht unbeachtet lassen. Denn die Regelungsanordnung dient zur "Abwendung" wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind (vgl. schon Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 2005 - L 7 SO 2060/05 ER-B - (juris) und vom 1. August 2005 a.a.O.; ferner Senatsbeschluss vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B- (juris)). Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen, ist deshalb grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 a.a.O.; ferner Krodel, NZS 2007, 20, 21 (m.w.N. aus der Rechtsprechung)). Einen derartigen Nachholbedarf hat der Antragsteller indessen nicht glaubhaft gemacht. Eine Räumungsklage seitens seiner anscheinend bereits seit 1. Februar 2008 bei ihrer Schwester lebenden Ehefrau Martina B. - der Eigentümerin der vom Antragsteller derzeit noch bewohnten Wohnung - muss dieser offenkundig gegenwärtig nicht befürchten (vgl. Schriftsatz vom 1. September 2008, Schreiben der Ehefrau vom 11. September 2008). Ohnehin hatte der Antragsteller bereits in seinem Schreiben vom 15. Juli 2008 (vgl. auch Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. August 2008) vorgebracht, ab November 2008 Aussicht auf eine Wohnung in Reutlingen-S. zu haben, ohne dass er in der Folgezeit - trotz gerichtlicher Nachfrage (vgl. Verfügung vom 3. September 2008) - geltend macht hätte, dass sich diese Aussicht zwischenzeitlich zerschlagen habe. Mit seiner - im Übrigen nicht glaubhaft gemachten - Behauptung, der Stromversorger (F.E.) halte weiterhin daran fest, die Stromlieferungen einzustellen, vermag der Antragsteller schon deswegen eine gegenwärtige Notlage nicht zu begründen, weil die Kosten der Haushaltsenergie von der Regelleistung umfasst sind (vgl. § 20 Abs. 1 SGB II; ferner BSG, Urteil vom 27. Februar 2009 - B 14/11b AS 15/07 R - (juris)), während im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein über die (einstweilige) Gewährung der Leistungen für Unterkunft und Heizung gestritten wird. Überdies hat der Antragsteller (vgl. Schriftsatz vom 8. Oktober 2008) vorgebracht, dass es ihm zwischenzeitlich unter Aufbietung der letzten Mittel gelungen sei, die Sperrung des Stromanschlusses zu vermeiden.

Mithin ist nicht ausreichend dargetan und erst recht nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in der hier entscheidungserheblichen Zeit dringend auf einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit angewiesen ist. Ohnehin erscheint sehr zweifelhaft, ob der vom Antragsteller und seiner Ehefrau noch vor der Eheschließung geschlossene Mietvertrag (Bl. 210 ff. der Verwaltungsakten) unter dem Gesichtspunkt des § 117 des Bürgerlichen Gesetzbuchs überhaupt wirksam war und ob er, sollte er - trotz der vom Senat geteilten Bedenken des SG - nicht als Scheingeschäft zu werten sein, zumindest ab der Eheschließung (3. September 2007) keine Wirkungen mehr entfalten sollte.

Nach alledem ist der angefochtene Beschluss im Ergebnis zu bestätigen, weil jedenfalls eine Eilbedürftigkeit für das Begehren des Antragstellers nicht mehr erkennbar ist. Deshalb braucht auch nicht mehr darauf eingegangen zu werden, ob der Antrag auf eine einstweilige Anordnung nicht ohnedies wegen der möglicherweise eingetretenen Bestandkraft des Bescheids vom 2. April 2008 unstatthaft gewesen ist (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 13. Juni 2007 - L 7 AS 2050/07 ER-B - (juris)).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6); hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass auch hinsichtlich des Anordnungsanspruchs in der noch streitbefangenen Zeit nach den obigen Ausführungen von Anfang an Bedenken bestanden haben.

Aus den oben genannten Gründen hat auch das Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers keinen Erfolg (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung), weshalb es auf die weiteren Bewilligungsvoraussetzungen nicht mehr ankommt.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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