Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2556/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3337/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung und Entschädigung von Berufskrankheiten (BKen) nach der Nr. 1101 (Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen) und/oder der Nr. 1104 (Erkrankungen durch Cadmium oder seine Verbindungen) der Anlage zur Berufskrankheitenver-ordnung (BKV) streitig.
Die 1964 geborene Klägerin besuchte nach ihrem Hauptschulabschluss die Berufsaufbauschule für Friseure. Die Ausbildung zur Friseurin schloss sie 1982 mit der Gesellenprüfung ab. Nach ihren Angaben hat sie diesen Beruf noch im gleichen Jahr aufgrund einer Nickelsulfatallergie aufgegeben. Ab Juni 1983 war sie Maschinenführerin in einer Wellpappefabrik und ab Oktober 1983 Kabelfertigerin in einem Elektrobetrieb. Von November 1984 bis Februar 1989 arbeitete die Klägerin als feinmechanische Löterin in einer Firma für Messgeräteherstellung in M. (Firma R.). Im Zusammenhang mit der Prüfung von Berufsförderungsleistungen hat die Berufsgenossenschaft (BG) für G. in den Schreiben vom 18. April 1984 und 11. April 1988 das Vorliegen der BK Nr. 5101 (Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen mit Unterlassungszwang) verneint. Von Februar bis August 1990 war die Klägerin als Montagehelferin tätig, von Oktober bis November 1990 als Putzfrau in einer Bäckerei und führte dann - gefördert vom Arbeitsamt - von November 1991 bis November 1993 eine Umschulung zur Bürokauffrau durch. Von Februar bis März 1994 war sie als Bürokauffrau in einem Inkassobüro tätig, ab April 1994 als Sparkassenangestellte in M ... Zuletzt arbeitete sie noch für vier Wochen stundenweise bei einem Finanzdienstleister. Seit dem 1. August 2001 ist die Klägerin arbeitsunfähig geschrieben bzw. arbeitslos. Sie hat die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente beantragt und lebt zusammen mit ihrem Freund, der eine Berufsunfähigkeitsrente bezieht, in einem K.en Haus.
Am 30. April 2002 ging bei der Beklagten die ärztliche Anzeige über eine BK der Klägerin durch den Nervenarzt Dr. B. ein. Die Klägerin leide unter Magen-Darm-Beschwerden bei starker Überempfindlichkeit. Als Diagnosen benannte er eine schwere chemische Überempfindlichkeit, eine Neuropathie, eine Myopathie sowie eine Leistungsminderung und toxische Schäden. Die Klägerin gab in einem Fragebogen der Beklagten an, seit Anfang 1985 an gesundheitlichen Beschwerden zu leiden. Die Symptome hätten zwischen Schwindel, Kreislaufstörungen, Übelkeit mit Erbrechen, Magen- und Unterleibsbeschwerden, Schleier vor den Augen, Halsproblemen, Verstimmungszuständen, Grippe, Niedergeschlagenheit, Kopfschmerzen, Hand- und Unterarmbeschwerden, Rücken-, Blasen-, Zahn- und Ohrenschmerzen sowie Allergien gewechselt. Sie habe ständig einen Bleigeschmack im Mund verspürt und auf Bestecke aus Metall im Mund empfindlich reagiert. Durch den ständigen Kontakt mit Lötspulen sei es an den Fingern zu dunklen Hautverfärbungen gekommen. Während der Beschäftigungszeit hätten sich Magen-Darm-Infekte, Magenschleimhautentzündungen, ein Ulcus im Magen-Darm-Bereich, Unterbauchbeschwerden, Kreislaufschwächen, Erkältungen, Erbrechen und akute Entzündungen ergeben. In der Folge sei sie wegen Blinddarm- sowie Mandelentzündung und Zysten im Unterleib operiert worden. Nach der Beendigung der Beschäftigung hätten die Beschwerden angehalten, sich verschlimmert und nun bis zu Autoimmunerkrankungen ergänzt. Die Klägerin fügte eine neunseitige Auflistung ihrer Erkrankungen seit September 1985 bei.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der behandelnde Allgemeinmediziner Z. am 23. Dezember 2002 mit, er habe die Klägerin wegen gastritischer Beschwerden behandelt. Er könne keinen Zusammenhang zur Arbeit erkennen. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) führte in seinem Bericht vom 17. Januar 2003 aus, beim Löten in der Firma R. kämen die Arbeitnehmer zwar mit Blei und seinen Verbindungen sowie weiteren Gefahrstoffen in Kontakt, zahlreiche Messungen an verschiedenen Lötarbeitsplätzen mit und ohne Absaugung hätten aber eine sichere Einhaltung der Grenzwerte ergeben. Da die Arbeitsräume deutlich größer gewesen seien, als in der Arbeitsstättenverordnung gefordert, sei anzunehmen, dass die Schadstoffgrenzwerte bei Lötarbeiten eingehalten worden seien. Eine orale Aufnahme von Cadmium und Blei sei bei der Handhabung von Lötdraht nicht auszuschließen, aber in relevanten Mengen eher unwahrscheinlich. Da Absaugungen nicht vorhanden gewesen seien, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die niedrigen Grenzwerte für Cadmium zeitweise überschritten worden seien. Eine dauernde Überschreitung der Grenzwerte sei aber unwahrscheinlich. Auch bei Reinigungsarbeiten am Tauchbad könne aufgrund der zeitlichen Einwirkungen, der Art der Reinigungsanlage und der Reinigungsart hinsichtlich der eingesetzten Stoffe eine dauernde Grenzwertüberschreitung als eher unwahrscheinlich angesehen werden. Dagegen müsse eine kurzzeitige Überschreitung der Grenzwerte für Lösemittel, etwa beim Abbürsten von Leiterplatten, unterstellt werden. Ähnliches gelte für Reinigungsarbeiten an der Bürstenanlage. Klebearbeiten mit Silikon seien nur sporadisch angefallen, sodass eine Überschreitung der Grenzwerte der in diesen Produkten enthaltenen Gefahrstoffe unwahrscheinlich sei. Medizinaloberrat Dr. K., Facharzt für Arbeitsmedizin, kam in seiner gewerbeärztlichen Stellungnahme am 13. Februar 2003 unter Berücksichtigung des Berichts des TAD zu dem Ergebnis, die Anerkennung einer BK nach den Nrn. 1101 und 1104 der Anlage zur BKV könne nicht empfohlen werden. In der Akte fänden sich keine Blutblei- und Blutcadmiumwerte, weder für die Zeit der gefährdeten Beschäftigung noch aus der jüngeren Zeit. Außerdem sei die Klägerin Blei und Cadmium seit inzwischen 13 Jahren nicht mehr ausgesetzt. Es ergäben sich keine Hinweise für einen Zusammenhang der aktuellen Beschwerden der Klägerin mit den damaligen Tätigkeiten.
Mit Bescheid vom 12. März 2003 lehnte die Beklagte die Feststellung einer entschädigungspflichtigen BK ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin ging bei der Beklagten am 2. April 2003 ein. Sie machte geltend, ihre Magen-, Darm- und Unterleibsbeschwerden sowie ihre Überempfindlichkeit und ein extremer Leistungsabfall bestünden seit Beginn ihrer Tätigkeit bei der Firma R ... Davor habe sie keinerlei gesundheitlichen Probleme gehabt. Der von der Beklagten daraufhin befragte Allgemeinmediziner S. teilte am 6. Mai 2003 mit, er habe die Klägerin wegen rezidivierender Schmerzen an der Wirbelsäule sowie Gelenkschmerzen behandelt. Bezüglich des Magen-Darm-Traktes habe er keinen pathologischen Befund erhoben, aus der Krankenakte sei aber ersichtlich, dass die Klägerin früher häufiger über Magenschmerzen geklagt habe. Er fügte seinem Schreiben Arztbriefe aus den Jahren 2000 und 2001 bei. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2003 zurück. Es liege keine BK nach Nr. 1101 oder 1104 vor. Auch der Allgemeinmediziner S. habe einen beruflichen Zusammenhang nicht bestätigt.
Dagegen erhob die Klägerin am 24. Juli 2003 Klage beim Sozialgericht Augsburg. Das Sozialgericht Augsburg verwies den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Ulm (SG). Die Klägerin trug vor, die Beklagte habe sich fehlerhaft allein auf die Stellungnahme des Gewerbearztes berufen. Eine umfassende Sachprüfung bezüglich Exposition, Kausalzusammenhang und Erkrankung sei nicht erfolgt. Ihr konkreter Arbeitsplatz sei nicht durch entsprechende Nachmessungen überprüft worden, vielmehr habe der TAD nur statistische Auswertungen von Messungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen zugrunde gelegt. Der TAD der Beklagten erwiderte hierauf, die Arbeitsplätze, an denen die Klägerin beschäftigt gewesen sei, seien mittlerweile nicht bzw. nicht mehr unverändert vorhanden. Eine messtechnische Erfassung der Gefahrstoffe sei daher nicht möglich gewesen. Deswegen seien Messungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen sowie Erfahrungswerte herangezogen worden. Zeitweise sei durchaus von relevanten (die Grenzwerte überschreitenden) Einwirkungen durch Cadmium und Lösemittel auszugehen. Ergänzend legte die Beklagte die Stellungnahme des Arbeits- und Sozialmediziners Prof. Dr. H. vom 2. Juni 2004 vor, der den gutachtlichen Ausführungen des Dr. K. vorbehaltlos zustimmte und ausführte, bei der von Dr. B. gemeldeten "chemischen Unverträglichkeit" handle es sich um eine nicht näher definierte Gesundheitsstörung, die keiner Position der BKen-Liste zugeordnet werden könne. Insbesondere fehle ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der 1989 beendeten Tätigkeit der Klägerin als Löterin und den von Dr. B. im April 2002 dokumentierten Beschwerden. Die für den Zeitraum von 1984 bis 1989 geklagten Beschwerden des Unterleibes, die Endometriose und das Magenulcus könnten nicht im Sinne einer Intoxikation bewertet werden.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete der Nervenarzt Dr. B. am 28. April 2005 ein Gutachten. Im Rahmen der Schilderung der Vorgeschichte gab die Klägerin bei Dr. B. an, sie habe als Kind ständig unter Entzündungen gelitten. Den Beruf als Friseurin habe sie aufgrund schwerer Hauterkrankungen, die nicht ausheilten, und wegen einer Nickelallergie mit Ausschlägen aufgegeben. Als Löterin habe sie hauptsächlich Platinen gelötet und mit Lösungsmitteln gereinigt. Während dieser Zeit habe sie Unterleibsbeschwerden, eine Endometriose und Darmgeschwüre gehabt. Den Beruf als Löterin habe sie aus Gesundheitsgründen aufgeben müssen, weil man ihr nach Krankheitszeiten gekündigt habe. Danach sei es "erst richtig losgegangen mit ihren Krankheiten". Nachdem sie anhaltende Entzündungen (Scharlach und Eppstein-Barr-Virus) gehabt habe, sei 1996 eine Autoimmunkrankheit diagnostiziert worden. Im Jahr darauf sei eine Basedow’sche Erkrankung aufgetreten. Dr. B. benannte als Diagnosen eine Neuropathie und Myopathie, eine erhebliche Leistungsminderung bei der Messung kognitiver Funktionen, schwere Schäden der Glukose-Utilisation, Hormonstörungen mit endokriner Orbitopathie (Basedow), einen Zustand nach Entlastungs-OP der Augenhöhlen, chronische Entzündungen und schwere chemische Überempfindlichkeiten. Als Ursache benannte er eine langjährige toxische Belastung beginnend mit dem Beruf als Friseurin, dann erheblich verstärkt durch die langjährige Arbeit als Löterin und Zunahme der Beschwerden während ihrer Tätigkeit als Bürokauffrau (Klimaanlage, Elektrosmog, Drucker). Außerberufliche Belastungen bestünden durch Zahnmaterialien, Schimmel und Chlor im Schwimmbad. Muskel-, Nerven- und Gehirnschäden mitsamt den Hormonstörungen und der nachfolgenden Basedow’schen Erkrankungen seien im Wesentlichen durch Blei, Cadmium und Lösungsmittel entstanden. BKen nach den Nrn. 1101, 1104 sowie 1317 lägen vor. Die Schäden hätten sich zwischen 2002 und 2005 trotz sorgfältiger Einhaltung einer angemessenen Lebensweise nicht verbessert, sondern verschlechtert.
Dr. B. fügte ein testpsychologisches Zusatzgutachten des Dr. K. vom 21. März 2005 bei. Dieser führte aus, die Klägerin habe ein prämorbides Intelligenzniveau im unteren Durchschnittsbereich erreicht, welches Hinweise auf ihre kognitiv-intellektuelle Leistungsfähigkeit vor der Erkrankung liefere. Eine deutlich herabgesetzte körperliche Befindlichkeit ergebe sich aus der sehr auffälligen Beschwerdenliste der Klägerin bei stark subjektiv wahrgenommener Beeinträchtigung durch körperliche und/oder Allgemeinbeschwerden. Eine gravierende Beeinträchtigung der kognitiv-mentalen Leistungsfähigkeit der Klägerin habe nicht objektiviert werden können. Dennoch zeigten sich in einzelnen Leistungsbereichen deutliche Defizite. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Überempfindlichkeitsreaktionen auf Chemikalien im Niedrigdosisbereich müsse bei der Klägerin von expositionsbedingten Leistungsschwankungen ausgegangen werden.
Die Beklagte wandte ein, das Gutachten entbehre jeder wissenschaftlichen Auseinandersetzung zwischen eventuell vorliegender beruflicher Exposition und ursächlich darauf zurückzuführender Beschwerden.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 19. Juli 2005 ab. Die Voraussetzungen für die von der Klägerin geltend gemachten BKen Nr. 1101 und 1104 lägen nicht vor. So sei bereits der ursächliche Zusammenhang zwischen ihrer beruflichen Tätigkeit als Löterin und der behaupteten schädigenden Einwirkung durch Kontakt mit Blei und Cadmium nicht gegeben. Denn nach dem Bericht des TAD vom 17. Januar 2003 sei es eher unwahrscheinlich, dass die Klägerin bei ihrer Arbeit als Verlöterin in relevanten Mengen Cadmium oder Blei aufgenommen habe. Darüber hinaus scheitere der Anspruch der Klägerin auf Anerkennung der geltend gemachten BKen daran, dass das bei ihr bestehende diffuse Beschwerdebild nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf schädigende Einwirkungen am Arbeitsplatz zurückzuführen sei. Bereits der langjährige Abstand zwischen der Beendigung der Tätigkeit als Löterin und den von Dr. B. vermuteten Erkrankungen spreche gegen beruflich erworbene Beschwerden. Selbst nach dem Gutachten des Dr. B. seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, worin die besonderen Belastungen zu sehen seien, denen die Klägerin durch ihre berufliche Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt gewesen sein solle. Dr. B. verlasse mit seiner Stellungnahme den Boden einer sachlich fundierten Begründung.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 8. August 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. August 2005 Berufung eingelegt. Sie bemängelt, das SG habe dem Gutachten von Dr. B. zu Unrecht keine hinreichende Beachtung geschenkt. Insbesondere habe sich die bei ihr vorliegende toxische Encephalopathie seit Beendigung ihrer Tätigkeit als Löterin zunehmend verschlimmert. Das neue Merkblatt zur Listennummer 1317 beweise zweifelsfrei, dass diese Erkrankung - entgegen der früheren arbeitsmedizinisch herrschenden Lehrmeinung - auch lange nach Ende einer Exposition fortbestehen und sich sogar verschlimmern könne. Zwischenzeitlich erinnere sie sich auch wieder, dass weitere Mitarbeiter der Firma R. wegen eines neu verklebten Kunststoffbodens ebenfalls gesundheitliche Probleme gehabt hätten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 19. Juli 2005 und des Bescheids der Beklagten vom 12. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2003 festzustellen, dass die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen Folgen der Berufskrankheit Nr. 1101 oder Nr. 1104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Fachgutachten des Ärztlichen Direktors der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation am Bezirkskrankenhaus G., Prof. Dr. Dr. W., vom 10. Januar 2007 eingeholt. Auf dem psychiatrischen Fachgebiet hat er lediglich eine Somatisierungsstörung diagnostiziert und das Vorliegen einer Polyneuropathie oder einer Encephalopathie im Sinne einer organisch bedingten Hirnleistungsschwäche ausgeschlossen. Die Somatisierungsstörung sei möglicherweise auch sekundär im Rahmen einer komplexen Autoimmunerkrankung und/oder Epstein-Barr-Virus-Erkrankung verursacht oder mit unterhalten worden. Ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Somatisierungsstörung sei nicht zu erkennen. Es ergäben sich nur dann möglicherweise neue Aspekte, wenn die Autoimmunerkrankung als BK anzusehen wäre.
Der Senat hat zudem Prof. Dr. D. (Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität E.) mit der Erstellung eines arbeits- und sozialmedizinischen Fachgutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 29. August 2007 diagnostizierte er u. a. eine Somatisierungsstörung, eine Autoimmunerkrankung mit Schilddrüsenfunktionsstörung (übernommene Diagnose), Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden sowie als weitere übernommene Diagnose eine Medikamentenallergie. Aus arbeitsmedizinischer Sicht sei festzuhalten, dass durch die Ermittlungen des TAD zeitweise relevante Einwirkungen von Cadmium und Lösemitteln beschrieben worden seien. Der im Rahmen des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens diskutierte mögliche Zusammenhang zwischen der Somatisierungsstörung und einer möglicherweisen beruflich verursachten Autoimmunerkrankung erscheine aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht wahrscheinlich, da keine wissenschaftlich gesicherten Belege dafür existierten, dass die bei der Klägerin beschriebenen beruflichen Expositionen ursächlich für die Erkrankung an einer Autoimmunerkrankung seien. Aktuell hätten sich keine Hinweise auf eine erhöhte Cadmiumbelastung ergeben. Im Zusammenhang mit dem Hinweis, die Klägerin habe gesundheitliche Beschwerden auch auf Gerüche des Laser-Druckers sowie elektromagnetische Felder zurückgeführt, ist Prof. Dr. D. auf die Multiple Chemical Sensivity (MCS) eingegangen, deren Anerkennung als BK angesichts fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben nicht möglich sei. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beruflichen Einwirkungen und den Gesundheitsstörung im Sinne einer Somatisierungsstörung, von Wirbelsäulenbeschwerden und einer Autoimmunerkrankung könne nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden. Es bestehe weder ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der 1989 beendeten Tätigkeit und der erstmaligen Dokumentation der Beschwerden, noch könne das geklagte Beschwerdebild eindeutig einer bestimmten BK zugeordnet werden.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat, sachgerecht ausgelegt, schon erstinstanzlich einen Feststellungsantrag gestellt. Statthafte Klageart ist vorliegend die kombinierte Anfechtungs-/Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3, 56 SGG. Danach kann mit der Klage auch die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung die Folge einer BK ist.
Streitgegenständlich ist dabei, wie sich auch aus dem insoweit begrenzten Antrag der Klägerin ergibt, allein die Frage, ob die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen Folge der BKen Nr. 1101 oder Nr. 1104 sind. Einen Feststellungsantrag bezogen auf die BK Nr. 1317 hat die Klägerin nicht gestellt. Ein solcher Antrag wäre, obwohl die BK Nr. 1317 sowohl von Dr. B., als auch von Prof. Dr. Dr. W. in den Gutachten thematisiert werden und die Klägerin im Berufungsverfahren auch verschiedentlich auf diese BK hingewiesen hat, nicht zulässig. Denn die Klage eines Versicherten auf Feststellung einer Erkrankung als BK setzt eine vorherige Entscheidung durch Verwaltungsakt voraus und ist nur in Form einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Über das Vorliegen der BK Nr. 1317 hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden aber nicht entschieden. Diese Entscheidung betraf ausschließlich die BKen Nr. 1101 und 1104. Diese Entscheidung beinhaltet nicht gleichzeitig die Anerkennung oder Ablehnung anderer Listenkrankheiten, die bei dem Krankheitsbild möglicherweise ebenfalls in Betracht kommen können. Diese Beschränkung folgt schon daraus, dass für jede der in Frage kommenden Krankheiten eigene Voraussetzungen gelten und es gerade der Zweck des Verwaltungsverfahrens ist, das Vorliegen dieser Voraussetzungen bezogen auf die jeweilige Krankheit zu prüfen. Ein Verwaltungsakt über die Anerkennung oder Ablehnung einer BK ist aber zwingende Prozessvoraussetzung für eine darauf gerichtete Feststellungsklage (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 27. Juni 2006, B 2 U 77/06 B, zitiert nach Juris). Auf die Ausführungen der Klägerin und der genannten Gutachter zur BK Nr. 1317 ist daher nachfolgend nicht einzugehen.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die von der Klägerin gewünschte Feststellung kann nicht getroffen werden.
Der Senat lässt offen, ob hier noch die bis 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder - mit Blick auf das Datum der Antragsstellung - die ab 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Anwendung finden, da hinsichtlich der zu prüfenden Anspruchsvoraussetzungen zwischen altem und neuem Recht keine entscheidungserheblichen Unterschiede bestehen. Der Senat zitiert daher nachfolgend nur noch die Vorschriften des SGB VII in Verbindung mit der Anlage zur BKV vom 31. Oktober 1997.
Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Dabei sind gem. § 9 Abs. 1 SGB VII BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer versicherten Tätigkeit erleiden. Nach Satz 2 der Regelung ist die Bundesregierung ermächtigt, Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Ergänzend bestimmt § 9 Abs. 3 SGB VII: Erkranken Versicherte, die in Folge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Abs. 1 genannten BK ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, dass diese in Folge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.
Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum einen die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind. Das heißt, er muss im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt gewesen sein, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, sodass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt - in gleichem Maße - wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Kommt dagegen einer der Bedingungen gegenüber der oder den anderen Bedingung/en eine überwiegende Bedeutung zu, so ist sie allein wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne (BSG, Urteil vom 30. Juni 1960 - 2 RU 86/56 - SozR § 542 Nr. 27; BSG, Urteil vom 1. Dezember 1960 - 5 RKn 66/59 - SozR § 542 Nr. 32). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Hiervon ausgehend kann eine BK nach den Nrn. 1101 oder 1104 nicht festgestellt werden.
Die beiden genannten BKen sind in der Anlage zur BKV mit Erkrankungen durch Blei bzw. Cadmium und deren jeweiligen Verbindungen bezeichnet. Durch diese unbestimmte Bezeichnung als "Erkrankung durch " will der Verordnungsgeber alle denkbaren Krankheiten zu BKen erklären, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die genannten Einwirkungen zurückzuführen sind, ohne dass weitere Einschränkungen gemacht werden (BSG, Urteil vom 27. Juni 2000, B 2 U 29/99 R, zitiert nach Juris: zu der ebenfalls unbestimmt bezeichneten BK Nr. 1302 der Anlage zur BKV).
Hinsichtlich der BK Nr. 1101 geht der Senat davon aus, dass bei der Klägerin bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Feststellung dieser BK nicht nachgewiesen sind. Der Senat stützt sich dabei auf die umfassenden und nachvollziehbaren Ermittlungen und Berechnungen des TAD. Dieser hat sich zulässigerweise zur Ermittlung der Gefahrstoffexposition auf Messungen und Beobachtungen an Arbeitsplätzen, die mit dem früheren Arbeitsplatz der Klägerin bei der Firma R. vergleichbar sind, gestützt. Es wurde berücksichtigt, dass die Klägerin angab, ihr Arbeitsplatz sei ohne Absaugung betrieben worden und die Fenster seien weitgehend geschlossen geblieben. Denn Grundlage der Empfehlungen, auf die sich der TAD bezog, waren zahlreiche Messungen an verschiedenen Lötarbeitsplätzen mit und ohne Absaugung. Das Ergebnis dieser Messungen war eine sichere Einhaltung der Grenzwerte für Blei und seine Verbindungen. Es wurden Werte gemessen, die maximal 10 % der zulässigen Grenzwerte betrugen. Ferner wurde durch eine konkrete Prüfung der Grundrisse objektiviert, dass die Klägerin in Arbeitsräumen gearbeitet hatte, die deutlich größer waren, als in der Arbeitsstättenverordnung gefordert. Auch deswegen kann die Einhaltung der Grenzwerte angenommen werden. Die Einhaltung der Grenzwerte für Blei und seine Verbindungen wurde sowohl für das Nach- und Verlöten der nachträglich bestückten Bauteile und Verbindungen als auch für das Verlöten von Blechabschirmungen ("Dichtlöten") überprüft. Ferner wurde aufgrund einer Untersuchung von 11 Löterinnen eines Betriebs mit ähnlichem Tätigkeitsspektrum ausgeschlossen, dass Blei durch mangelnde Hygiene oral aufgenommen wurde, obwohl damals an den Arbeitsplätzen noch kein striktes Rauch- und Trinkverbot galt. Soweit sich beim Dichtlöten eine orale Aufnahme von Blei und Cadmium aufgrund der Handhabung des Lötdrahtes nicht ausschließen lässt, ist unwahrscheinlich, dass dies in relevanten Mengen geschah.
Prof. Dr. Dr. W. bestätigt letztlich die Einschätzung des TAD. Er schloss eine inhalative chronische Intoxikation bei Verwendung von "üblichem" Weichlot weitgehend aus, da die entsprechenden Temperaturen für die Entwicklung von Bleidämpfen bei Anwendung der in den 80er Jahren allgemein üblichen temperaturgeregelten Lötkolben nicht erreicht wurden und es sich bei den charakteristischen "Lötdämpfen" vor allem um Dämpfe handelte, die durch das Flussmittel (im Allgemeinen Cholophonium) bedingt waren. Eine orale Aufnahme durch Kontamination der Finger mit Blei ist seiner Einschätzung nach grundsätzlich als möglich anzusehen. Da die Klägerin jedoch angegeben hat, schwarze Flecken an den Händen während der Arbeit mit dem Blei-Zinn-Lot bemerkt zu haben, sieht es auch der Senat - wie Prof. Dr. Dr. W. - für wenig wahrscheinlich an, dass sie, wie damals bei der Arbeit durchaus üblich, vor dem Genuss von Speisen auf das Händewaschen verzichtete.
Auch Prof. Dr. D. hat sich in seinem Gutachten der Einschätzung des TAD angeschlossen. Einzuräumen ist, dass er die von Prof. Dr. Dr. W. angeregte laborchemische Untersuchung auf Bleispuren nicht durchgeführt hat, diese vielmehr auf eine Kontrolle der Cadmiumwerte im Urin beschränkte. Dies hält der Senat angesichts der begründeten Einschätzung des TAD, die Prof. Dr. Dr. W. sogar argumentativ untermauerte, jedoch für unschädlich. Nach dem Merkblatt der früheren BK Nr. 6 der Anlage 1 zur BKVO (jetzt zur BK Nr. 1101) können zwar die Ergebnisse von Laboratoriumsuntersuchungen wertvoll sein, sie dürfen aber in ihrer Bedeutung für die Diagnostik nicht überschätzt werden. Und zwar insbesondere dann nicht, wenn klinische Erkrankungszeichen fehlen. Zum Bleigehalt in Blut, Urin und Stuhl wird ausgeführt, sehr hohe Bleiwerte, die nach beruflich bedingter Einwirkung relativ geringer Dosen oder erst mehrere Monate nach einer beruflichen Exposition festgestellt werden, könnten durch eine Bleiaufnahme verursacht worden sein, die nicht mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhänge (Mehrtens/Brandenburg, BKV M 1101, Seite 5 f.). Zu den klinischen Krankheitszeichen führte Prof. Dr. Dr. W. zwar aus, bei chronischer Bleiintoxikation seien sowohl depressive als auch psychotische Symptome bekannt und derartige Symptome seien gemäß den Unterlagen während der Zeit der möglichen Exposition der Klägerin auch erstmalig benannt worden. Andererseits bestand nachweislich damals eine familiäre Belastung (Suizid des Vaters) für die Entwicklung psychiatrischer Krankheiten, sodass allein aus der psychiatrischen Anamnese der Nachweis einer chronischen Bleiintoxikation nicht geführt werden kann.
Hinsichtlich der BK Nr. 1104 der Anlage zur BKV kann unter Zugrundelegung der Bewertung durch den TAD offen bleiben, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Hinblick auf eine gelegentliche Überschreitung der Grenzwerte für Cadmium erfüllt sind. Denn die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen können nicht hinreichend wahrscheinlich auf eine Cadmiumexposition zurückgeführt werden.
Der Senat konnte sich hinsichtlich der Erkrankungen der Klägerin lediglich eine Überzeugung davon verschaffen, dass auf dem psychiatrischen Fachgebiet eine Somatisierungsstörung, die möglicherweise auch sekundär im Rahmen einer komplexen Autoimmunerkrankung und/oder einer Epstein-Barr-Virus-Erkrankung verursacht oder mit unterhalten wird, vorliegt. Er stützt sich dabei auf das überzeugende Gutachten von Prof. Dr. Dr. W., der auf dem neurologischen Fachgebiet insbesondere eine Polyneuropathie und eine Encephalopathie ausschließen konnte. Zwar hat die Klägerin bei der neurologisch-psychiatrischen Begutachtung über ein breites Spektrum an Beschwerden geklagt. Die neurologische Untersuchung konnte jedoch keine Auffälligkeiten objektivieren. Sämtliche Muskeleigenreflexe einschließlich der Achillessehnenreflexe waren beidseits gut auslösbar, es ergaben sich keine Hinweise auf autonome Störungen. Eine Schwankneigung verschwand weitgehend während einer Ablenkung. Der überprüfte Vibrationssinn war vollständig erhalten. Die Nervenleitgeschwindigkeiten an den Beinen lagen im Normbereich. Während der Exploration wurden keine Merk- oder Konzentrationsfähigkeitsstörungen deutlich. Es ergab sich selbst nach deutlich mehr als zwei Stunden kein Leistungsabfall. Im Antrieb und im Affekt zeigte sich die Klägerin nicht beeinträchtigt. Ihre eigene Beschreibung als ausgesprochen depressiv stand im Kontrast zum klinischen Befund. Zur abweichenden Auffassung von Dr. B. führt Prof. Dr. Dr. W. nachvollziehbar und im Einzelnen begründet aus, dass die von Dr. B. gestellten Diagnosen nicht nach den medizinischen Standards des neurologisch-psychiatrischen Fachgebiets erstellt wurden und im Übrigen eine sachgerechte Diskussion von Zusammenhangsfragen nicht erkennbar sei. Dem schließt sich der Senat unter ausdrücklichem Hinweis auf die weiteren Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen an.
Neben der Somatisierungsstörung hat Prof. Dr. D. noch eine Autoimmunerkrankung mit Schilddrüsenfunktionsstörung, Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden, eine Medikamentenallergie, eine Makrozytose, eine Mikrohämaturie, eine Fettstoffwechselstörung bei einer Elektrolytstörung und eine gynäkologische Erkrankung beschrieben. Im Rahmen seiner Untersuchung konnten die weiteren von Dr. B. beschriebenen Diagnosen aber nicht bestätigt werden. Ferner weist er auf die von den behandelnden Ärzten der Klägerin gestellte Diagnose eines Sjögren-Syndrom hin.
Die genannten Erkrankungen können nicht auf eine Cadmiumexposition zurückgeführt werden. Prof. Dr. Dr. W. weist nachvollziehbar darauf hin, dass im entsprechenden Merkblatt zur BK Nr. 1104 der Anlage zur BKV keine Angaben über Schädigungen des zentralen Nervensystems durch eine chronische Cadmiumexposition zu finden sind. Auch eine Medline-Literaturrecherche, die er durchführte, gab nur marginale Hinweise auf derartige Schäden in einigen wenigen Arbeiten im Tierversuch. Daher ist die toxische Schädigung des Nervensystems durch Cadmiumverbindungen als unwahrscheinlich anzusehen. Soweit Prof. Dr. Dr. W. - unter Hinweis auf die damals noch ausstehende Begutachtung durch Prof. Dr. D. - offen ließ, ob ein Zusammenhang zwischen einer Cadmiumintoxikation und der autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen besteht, hat dies Prof. Dr. D. als nicht wahrscheinlich bezeichnet. Es existieren keine gesicherten Belege dafür, dass die bei der Klägerin beruflichen Expositionen ursächlich für die Autoimmunerkrankung sind. Eine Überprüfung des Urins ergab zudem keinen aktuellen Hinweis auf eine erhöhte Cadmiumbelastung.
Gegen einen Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit einer schädigenden Einwirkung bei der Arbeit als Löterin spricht zudem, dass die Klägerin gegenüber Prof. Dr. D. angab, ihre Beschwerden hätten ca. 1982 bis 1984, also vor Beginn der Tätigkeit im November 1984, begonnen. Bei Dr. B. hatte sie darüber hinaus mitgeteilt, schon als Kind ständig Entzündungen gehabt zu haben.
Ferner beschreibt die Klägerin durch äußere Einflüsse bedingte Gesundheitsstörungen nicht nur bezogen auf ihre Tätigkeit als Löterin. Insbesondere fällt auf, dass die Klägerin gegenüber Prof. Dr. D. angab, selbst auf Gerüche des Laser-Druckers oder auf elektromagnetische Felder mit gesundheitlichen Beschwerden zu reagieren. Vielfältige Belastungsfaktoren werden auch im Gutachten von Dr. B. genannt. Naheliegend geht Prof. Dr. D. auf das Beschwerdebild der MCS ein, die jedoch angesichts fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht als BK anerkannt ist. Neben dem fehlenden zeitlichen Zusammenhang, auf den schon Prof. Dr. H. hinwies, spricht daher auch das vielgestaltige Beschwerdebild der Klägerin, das keiner bestimmten BK eindeutig zugeordnet werden kann, gegen eine entsprechende Schädigung.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung und Entschädigung von Berufskrankheiten (BKen) nach der Nr. 1101 (Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen) und/oder der Nr. 1104 (Erkrankungen durch Cadmium oder seine Verbindungen) der Anlage zur Berufskrankheitenver-ordnung (BKV) streitig.
Die 1964 geborene Klägerin besuchte nach ihrem Hauptschulabschluss die Berufsaufbauschule für Friseure. Die Ausbildung zur Friseurin schloss sie 1982 mit der Gesellenprüfung ab. Nach ihren Angaben hat sie diesen Beruf noch im gleichen Jahr aufgrund einer Nickelsulfatallergie aufgegeben. Ab Juni 1983 war sie Maschinenführerin in einer Wellpappefabrik und ab Oktober 1983 Kabelfertigerin in einem Elektrobetrieb. Von November 1984 bis Februar 1989 arbeitete die Klägerin als feinmechanische Löterin in einer Firma für Messgeräteherstellung in M. (Firma R.). Im Zusammenhang mit der Prüfung von Berufsförderungsleistungen hat die Berufsgenossenschaft (BG) für G. in den Schreiben vom 18. April 1984 und 11. April 1988 das Vorliegen der BK Nr. 5101 (Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen mit Unterlassungszwang) verneint. Von Februar bis August 1990 war die Klägerin als Montagehelferin tätig, von Oktober bis November 1990 als Putzfrau in einer Bäckerei und führte dann - gefördert vom Arbeitsamt - von November 1991 bis November 1993 eine Umschulung zur Bürokauffrau durch. Von Februar bis März 1994 war sie als Bürokauffrau in einem Inkassobüro tätig, ab April 1994 als Sparkassenangestellte in M ... Zuletzt arbeitete sie noch für vier Wochen stundenweise bei einem Finanzdienstleister. Seit dem 1. August 2001 ist die Klägerin arbeitsunfähig geschrieben bzw. arbeitslos. Sie hat die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente beantragt und lebt zusammen mit ihrem Freund, der eine Berufsunfähigkeitsrente bezieht, in einem K.en Haus.
Am 30. April 2002 ging bei der Beklagten die ärztliche Anzeige über eine BK der Klägerin durch den Nervenarzt Dr. B. ein. Die Klägerin leide unter Magen-Darm-Beschwerden bei starker Überempfindlichkeit. Als Diagnosen benannte er eine schwere chemische Überempfindlichkeit, eine Neuropathie, eine Myopathie sowie eine Leistungsminderung und toxische Schäden. Die Klägerin gab in einem Fragebogen der Beklagten an, seit Anfang 1985 an gesundheitlichen Beschwerden zu leiden. Die Symptome hätten zwischen Schwindel, Kreislaufstörungen, Übelkeit mit Erbrechen, Magen- und Unterleibsbeschwerden, Schleier vor den Augen, Halsproblemen, Verstimmungszuständen, Grippe, Niedergeschlagenheit, Kopfschmerzen, Hand- und Unterarmbeschwerden, Rücken-, Blasen-, Zahn- und Ohrenschmerzen sowie Allergien gewechselt. Sie habe ständig einen Bleigeschmack im Mund verspürt und auf Bestecke aus Metall im Mund empfindlich reagiert. Durch den ständigen Kontakt mit Lötspulen sei es an den Fingern zu dunklen Hautverfärbungen gekommen. Während der Beschäftigungszeit hätten sich Magen-Darm-Infekte, Magenschleimhautentzündungen, ein Ulcus im Magen-Darm-Bereich, Unterbauchbeschwerden, Kreislaufschwächen, Erkältungen, Erbrechen und akute Entzündungen ergeben. In der Folge sei sie wegen Blinddarm- sowie Mandelentzündung und Zysten im Unterleib operiert worden. Nach der Beendigung der Beschäftigung hätten die Beschwerden angehalten, sich verschlimmert und nun bis zu Autoimmunerkrankungen ergänzt. Die Klägerin fügte eine neunseitige Auflistung ihrer Erkrankungen seit September 1985 bei.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der behandelnde Allgemeinmediziner Z. am 23. Dezember 2002 mit, er habe die Klägerin wegen gastritischer Beschwerden behandelt. Er könne keinen Zusammenhang zur Arbeit erkennen. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) führte in seinem Bericht vom 17. Januar 2003 aus, beim Löten in der Firma R. kämen die Arbeitnehmer zwar mit Blei und seinen Verbindungen sowie weiteren Gefahrstoffen in Kontakt, zahlreiche Messungen an verschiedenen Lötarbeitsplätzen mit und ohne Absaugung hätten aber eine sichere Einhaltung der Grenzwerte ergeben. Da die Arbeitsräume deutlich größer gewesen seien, als in der Arbeitsstättenverordnung gefordert, sei anzunehmen, dass die Schadstoffgrenzwerte bei Lötarbeiten eingehalten worden seien. Eine orale Aufnahme von Cadmium und Blei sei bei der Handhabung von Lötdraht nicht auszuschließen, aber in relevanten Mengen eher unwahrscheinlich. Da Absaugungen nicht vorhanden gewesen seien, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die niedrigen Grenzwerte für Cadmium zeitweise überschritten worden seien. Eine dauernde Überschreitung der Grenzwerte sei aber unwahrscheinlich. Auch bei Reinigungsarbeiten am Tauchbad könne aufgrund der zeitlichen Einwirkungen, der Art der Reinigungsanlage und der Reinigungsart hinsichtlich der eingesetzten Stoffe eine dauernde Grenzwertüberschreitung als eher unwahrscheinlich angesehen werden. Dagegen müsse eine kurzzeitige Überschreitung der Grenzwerte für Lösemittel, etwa beim Abbürsten von Leiterplatten, unterstellt werden. Ähnliches gelte für Reinigungsarbeiten an der Bürstenanlage. Klebearbeiten mit Silikon seien nur sporadisch angefallen, sodass eine Überschreitung der Grenzwerte der in diesen Produkten enthaltenen Gefahrstoffe unwahrscheinlich sei. Medizinaloberrat Dr. K., Facharzt für Arbeitsmedizin, kam in seiner gewerbeärztlichen Stellungnahme am 13. Februar 2003 unter Berücksichtigung des Berichts des TAD zu dem Ergebnis, die Anerkennung einer BK nach den Nrn. 1101 und 1104 der Anlage zur BKV könne nicht empfohlen werden. In der Akte fänden sich keine Blutblei- und Blutcadmiumwerte, weder für die Zeit der gefährdeten Beschäftigung noch aus der jüngeren Zeit. Außerdem sei die Klägerin Blei und Cadmium seit inzwischen 13 Jahren nicht mehr ausgesetzt. Es ergäben sich keine Hinweise für einen Zusammenhang der aktuellen Beschwerden der Klägerin mit den damaligen Tätigkeiten.
Mit Bescheid vom 12. März 2003 lehnte die Beklagte die Feststellung einer entschädigungspflichtigen BK ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin ging bei der Beklagten am 2. April 2003 ein. Sie machte geltend, ihre Magen-, Darm- und Unterleibsbeschwerden sowie ihre Überempfindlichkeit und ein extremer Leistungsabfall bestünden seit Beginn ihrer Tätigkeit bei der Firma R ... Davor habe sie keinerlei gesundheitlichen Probleme gehabt. Der von der Beklagten daraufhin befragte Allgemeinmediziner S. teilte am 6. Mai 2003 mit, er habe die Klägerin wegen rezidivierender Schmerzen an der Wirbelsäule sowie Gelenkschmerzen behandelt. Bezüglich des Magen-Darm-Traktes habe er keinen pathologischen Befund erhoben, aus der Krankenakte sei aber ersichtlich, dass die Klägerin früher häufiger über Magenschmerzen geklagt habe. Er fügte seinem Schreiben Arztbriefe aus den Jahren 2000 und 2001 bei. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2003 zurück. Es liege keine BK nach Nr. 1101 oder 1104 vor. Auch der Allgemeinmediziner S. habe einen beruflichen Zusammenhang nicht bestätigt.
Dagegen erhob die Klägerin am 24. Juli 2003 Klage beim Sozialgericht Augsburg. Das Sozialgericht Augsburg verwies den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Ulm (SG). Die Klägerin trug vor, die Beklagte habe sich fehlerhaft allein auf die Stellungnahme des Gewerbearztes berufen. Eine umfassende Sachprüfung bezüglich Exposition, Kausalzusammenhang und Erkrankung sei nicht erfolgt. Ihr konkreter Arbeitsplatz sei nicht durch entsprechende Nachmessungen überprüft worden, vielmehr habe der TAD nur statistische Auswertungen von Messungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen zugrunde gelegt. Der TAD der Beklagten erwiderte hierauf, die Arbeitsplätze, an denen die Klägerin beschäftigt gewesen sei, seien mittlerweile nicht bzw. nicht mehr unverändert vorhanden. Eine messtechnische Erfassung der Gefahrstoffe sei daher nicht möglich gewesen. Deswegen seien Messungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen sowie Erfahrungswerte herangezogen worden. Zeitweise sei durchaus von relevanten (die Grenzwerte überschreitenden) Einwirkungen durch Cadmium und Lösemittel auszugehen. Ergänzend legte die Beklagte die Stellungnahme des Arbeits- und Sozialmediziners Prof. Dr. H. vom 2. Juni 2004 vor, der den gutachtlichen Ausführungen des Dr. K. vorbehaltlos zustimmte und ausführte, bei der von Dr. B. gemeldeten "chemischen Unverträglichkeit" handle es sich um eine nicht näher definierte Gesundheitsstörung, die keiner Position der BKen-Liste zugeordnet werden könne. Insbesondere fehle ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der 1989 beendeten Tätigkeit der Klägerin als Löterin und den von Dr. B. im April 2002 dokumentierten Beschwerden. Die für den Zeitraum von 1984 bis 1989 geklagten Beschwerden des Unterleibes, die Endometriose und das Magenulcus könnten nicht im Sinne einer Intoxikation bewertet werden.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete der Nervenarzt Dr. B. am 28. April 2005 ein Gutachten. Im Rahmen der Schilderung der Vorgeschichte gab die Klägerin bei Dr. B. an, sie habe als Kind ständig unter Entzündungen gelitten. Den Beruf als Friseurin habe sie aufgrund schwerer Hauterkrankungen, die nicht ausheilten, und wegen einer Nickelallergie mit Ausschlägen aufgegeben. Als Löterin habe sie hauptsächlich Platinen gelötet und mit Lösungsmitteln gereinigt. Während dieser Zeit habe sie Unterleibsbeschwerden, eine Endometriose und Darmgeschwüre gehabt. Den Beruf als Löterin habe sie aus Gesundheitsgründen aufgeben müssen, weil man ihr nach Krankheitszeiten gekündigt habe. Danach sei es "erst richtig losgegangen mit ihren Krankheiten". Nachdem sie anhaltende Entzündungen (Scharlach und Eppstein-Barr-Virus) gehabt habe, sei 1996 eine Autoimmunkrankheit diagnostiziert worden. Im Jahr darauf sei eine Basedow’sche Erkrankung aufgetreten. Dr. B. benannte als Diagnosen eine Neuropathie und Myopathie, eine erhebliche Leistungsminderung bei der Messung kognitiver Funktionen, schwere Schäden der Glukose-Utilisation, Hormonstörungen mit endokriner Orbitopathie (Basedow), einen Zustand nach Entlastungs-OP der Augenhöhlen, chronische Entzündungen und schwere chemische Überempfindlichkeiten. Als Ursache benannte er eine langjährige toxische Belastung beginnend mit dem Beruf als Friseurin, dann erheblich verstärkt durch die langjährige Arbeit als Löterin und Zunahme der Beschwerden während ihrer Tätigkeit als Bürokauffrau (Klimaanlage, Elektrosmog, Drucker). Außerberufliche Belastungen bestünden durch Zahnmaterialien, Schimmel und Chlor im Schwimmbad. Muskel-, Nerven- und Gehirnschäden mitsamt den Hormonstörungen und der nachfolgenden Basedow’schen Erkrankungen seien im Wesentlichen durch Blei, Cadmium und Lösungsmittel entstanden. BKen nach den Nrn. 1101, 1104 sowie 1317 lägen vor. Die Schäden hätten sich zwischen 2002 und 2005 trotz sorgfältiger Einhaltung einer angemessenen Lebensweise nicht verbessert, sondern verschlechtert.
Dr. B. fügte ein testpsychologisches Zusatzgutachten des Dr. K. vom 21. März 2005 bei. Dieser führte aus, die Klägerin habe ein prämorbides Intelligenzniveau im unteren Durchschnittsbereich erreicht, welches Hinweise auf ihre kognitiv-intellektuelle Leistungsfähigkeit vor der Erkrankung liefere. Eine deutlich herabgesetzte körperliche Befindlichkeit ergebe sich aus der sehr auffälligen Beschwerdenliste der Klägerin bei stark subjektiv wahrgenommener Beeinträchtigung durch körperliche und/oder Allgemeinbeschwerden. Eine gravierende Beeinträchtigung der kognitiv-mentalen Leistungsfähigkeit der Klägerin habe nicht objektiviert werden können. Dennoch zeigten sich in einzelnen Leistungsbereichen deutliche Defizite. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Überempfindlichkeitsreaktionen auf Chemikalien im Niedrigdosisbereich müsse bei der Klägerin von expositionsbedingten Leistungsschwankungen ausgegangen werden.
Die Beklagte wandte ein, das Gutachten entbehre jeder wissenschaftlichen Auseinandersetzung zwischen eventuell vorliegender beruflicher Exposition und ursächlich darauf zurückzuführender Beschwerden.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 19. Juli 2005 ab. Die Voraussetzungen für die von der Klägerin geltend gemachten BKen Nr. 1101 und 1104 lägen nicht vor. So sei bereits der ursächliche Zusammenhang zwischen ihrer beruflichen Tätigkeit als Löterin und der behaupteten schädigenden Einwirkung durch Kontakt mit Blei und Cadmium nicht gegeben. Denn nach dem Bericht des TAD vom 17. Januar 2003 sei es eher unwahrscheinlich, dass die Klägerin bei ihrer Arbeit als Verlöterin in relevanten Mengen Cadmium oder Blei aufgenommen habe. Darüber hinaus scheitere der Anspruch der Klägerin auf Anerkennung der geltend gemachten BKen daran, dass das bei ihr bestehende diffuse Beschwerdebild nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf schädigende Einwirkungen am Arbeitsplatz zurückzuführen sei. Bereits der langjährige Abstand zwischen der Beendigung der Tätigkeit als Löterin und den von Dr. B. vermuteten Erkrankungen spreche gegen beruflich erworbene Beschwerden. Selbst nach dem Gutachten des Dr. B. seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, worin die besonderen Belastungen zu sehen seien, denen die Klägerin durch ihre berufliche Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt gewesen sein solle. Dr. B. verlasse mit seiner Stellungnahme den Boden einer sachlich fundierten Begründung.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 8. August 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. August 2005 Berufung eingelegt. Sie bemängelt, das SG habe dem Gutachten von Dr. B. zu Unrecht keine hinreichende Beachtung geschenkt. Insbesondere habe sich die bei ihr vorliegende toxische Encephalopathie seit Beendigung ihrer Tätigkeit als Löterin zunehmend verschlimmert. Das neue Merkblatt zur Listennummer 1317 beweise zweifelsfrei, dass diese Erkrankung - entgegen der früheren arbeitsmedizinisch herrschenden Lehrmeinung - auch lange nach Ende einer Exposition fortbestehen und sich sogar verschlimmern könne. Zwischenzeitlich erinnere sie sich auch wieder, dass weitere Mitarbeiter der Firma R. wegen eines neu verklebten Kunststoffbodens ebenfalls gesundheitliche Probleme gehabt hätten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 19. Juli 2005 und des Bescheids der Beklagten vom 12. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2003 festzustellen, dass die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen Folgen der Berufskrankheit Nr. 1101 oder Nr. 1104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Fachgutachten des Ärztlichen Direktors der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation am Bezirkskrankenhaus G., Prof. Dr. Dr. W., vom 10. Januar 2007 eingeholt. Auf dem psychiatrischen Fachgebiet hat er lediglich eine Somatisierungsstörung diagnostiziert und das Vorliegen einer Polyneuropathie oder einer Encephalopathie im Sinne einer organisch bedingten Hirnleistungsschwäche ausgeschlossen. Die Somatisierungsstörung sei möglicherweise auch sekundär im Rahmen einer komplexen Autoimmunerkrankung und/oder Epstein-Barr-Virus-Erkrankung verursacht oder mit unterhalten worden. Ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Somatisierungsstörung sei nicht zu erkennen. Es ergäben sich nur dann möglicherweise neue Aspekte, wenn die Autoimmunerkrankung als BK anzusehen wäre.
Der Senat hat zudem Prof. Dr. D. (Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität E.) mit der Erstellung eines arbeits- und sozialmedizinischen Fachgutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 29. August 2007 diagnostizierte er u. a. eine Somatisierungsstörung, eine Autoimmunerkrankung mit Schilddrüsenfunktionsstörung (übernommene Diagnose), Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden sowie als weitere übernommene Diagnose eine Medikamentenallergie. Aus arbeitsmedizinischer Sicht sei festzuhalten, dass durch die Ermittlungen des TAD zeitweise relevante Einwirkungen von Cadmium und Lösemitteln beschrieben worden seien. Der im Rahmen des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens diskutierte mögliche Zusammenhang zwischen der Somatisierungsstörung und einer möglicherweisen beruflich verursachten Autoimmunerkrankung erscheine aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht wahrscheinlich, da keine wissenschaftlich gesicherten Belege dafür existierten, dass die bei der Klägerin beschriebenen beruflichen Expositionen ursächlich für die Erkrankung an einer Autoimmunerkrankung seien. Aktuell hätten sich keine Hinweise auf eine erhöhte Cadmiumbelastung ergeben. Im Zusammenhang mit dem Hinweis, die Klägerin habe gesundheitliche Beschwerden auch auf Gerüche des Laser-Druckers sowie elektromagnetische Felder zurückgeführt, ist Prof. Dr. D. auf die Multiple Chemical Sensivity (MCS) eingegangen, deren Anerkennung als BK angesichts fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben nicht möglich sei. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beruflichen Einwirkungen und den Gesundheitsstörung im Sinne einer Somatisierungsstörung, von Wirbelsäulenbeschwerden und einer Autoimmunerkrankung könne nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden. Es bestehe weder ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der 1989 beendeten Tätigkeit und der erstmaligen Dokumentation der Beschwerden, noch könne das geklagte Beschwerdebild eindeutig einer bestimmten BK zugeordnet werden.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat, sachgerecht ausgelegt, schon erstinstanzlich einen Feststellungsantrag gestellt. Statthafte Klageart ist vorliegend die kombinierte Anfechtungs-/Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3, 56 SGG. Danach kann mit der Klage auch die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung die Folge einer BK ist.
Streitgegenständlich ist dabei, wie sich auch aus dem insoweit begrenzten Antrag der Klägerin ergibt, allein die Frage, ob die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen Folge der BKen Nr. 1101 oder Nr. 1104 sind. Einen Feststellungsantrag bezogen auf die BK Nr. 1317 hat die Klägerin nicht gestellt. Ein solcher Antrag wäre, obwohl die BK Nr. 1317 sowohl von Dr. B., als auch von Prof. Dr. Dr. W. in den Gutachten thematisiert werden und die Klägerin im Berufungsverfahren auch verschiedentlich auf diese BK hingewiesen hat, nicht zulässig. Denn die Klage eines Versicherten auf Feststellung einer Erkrankung als BK setzt eine vorherige Entscheidung durch Verwaltungsakt voraus und ist nur in Form einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Über das Vorliegen der BK Nr. 1317 hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden aber nicht entschieden. Diese Entscheidung betraf ausschließlich die BKen Nr. 1101 und 1104. Diese Entscheidung beinhaltet nicht gleichzeitig die Anerkennung oder Ablehnung anderer Listenkrankheiten, die bei dem Krankheitsbild möglicherweise ebenfalls in Betracht kommen können. Diese Beschränkung folgt schon daraus, dass für jede der in Frage kommenden Krankheiten eigene Voraussetzungen gelten und es gerade der Zweck des Verwaltungsverfahrens ist, das Vorliegen dieser Voraussetzungen bezogen auf die jeweilige Krankheit zu prüfen. Ein Verwaltungsakt über die Anerkennung oder Ablehnung einer BK ist aber zwingende Prozessvoraussetzung für eine darauf gerichtete Feststellungsklage (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 27. Juni 2006, B 2 U 77/06 B, zitiert nach Juris). Auf die Ausführungen der Klägerin und der genannten Gutachter zur BK Nr. 1317 ist daher nachfolgend nicht einzugehen.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die von der Klägerin gewünschte Feststellung kann nicht getroffen werden.
Der Senat lässt offen, ob hier noch die bis 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder - mit Blick auf das Datum der Antragsstellung - die ab 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Anwendung finden, da hinsichtlich der zu prüfenden Anspruchsvoraussetzungen zwischen altem und neuem Recht keine entscheidungserheblichen Unterschiede bestehen. Der Senat zitiert daher nachfolgend nur noch die Vorschriften des SGB VII in Verbindung mit der Anlage zur BKV vom 31. Oktober 1997.
Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Dabei sind gem. § 9 Abs. 1 SGB VII BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer versicherten Tätigkeit erleiden. Nach Satz 2 der Regelung ist die Bundesregierung ermächtigt, Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Ergänzend bestimmt § 9 Abs. 3 SGB VII: Erkranken Versicherte, die in Folge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Abs. 1 genannten BK ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, dass diese in Folge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.
Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum einen die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind. Das heißt, er muss im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt gewesen sein, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, sodass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt - in gleichem Maße - wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Kommt dagegen einer der Bedingungen gegenüber der oder den anderen Bedingung/en eine überwiegende Bedeutung zu, so ist sie allein wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne (BSG, Urteil vom 30. Juni 1960 - 2 RU 86/56 - SozR § 542 Nr. 27; BSG, Urteil vom 1. Dezember 1960 - 5 RKn 66/59 - SozR § 542 Nr. 32). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Hiervon ausgehend kann eine BK nach den Nrn. 1101 oder 1104 nicht festgestellt werden.
Die beiden genannten BKen sind in der Anlage zur BKV mit Erkrankungen durch Blei bzw. Cadmium und deren jeweiligen Verbindungen bezeichnet. Durch diese unbestimmte Bezeichnung als "Erkrankung durch " will der Verordnungsgeber alle denkbaren Krankheiten zu BKen erklären, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die genannten Einwirkungen zurückzuführen sind, ohne dass weitere Einschränkungen gemacht werden (BSG, Urteil vom 27. Juni 2000, B 2 U 29/99 R, zitiert nach Juris: zu der ebenfalls unbestimmt bezeichneten BK Nr. 1302 der Anlage zur BKV).
Hinsichtlich der BK Nr. 1101 geht der Senat davon aus, dass bei der Klägerin bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Feststellung dieser BK nicht nachgewiesen sind. Der Senat stützt sich dabei auf die umfassenden und nachvollziehbaren Ermittlungen und Berechnungen des TAD. Dieser hat sich zulässigerweise zur Ermittlung der Gefahrstoffexposition auf Messungen und Beobachtungen an Arbeitsplätzen, die mit dem früheren Arbeitsplatz der Klägerin bei der Firma R. vergleichbar sind, gestützt. Es wurde berücksichtigt, dass die Klägerin angab, ihr Arbeitsplatz sei ohne Absaugung betrieben worden und die Fenster seien weitgehend geschlossen geblieben. Denn Grundlage der Empfehlungen, auf die sich der TAD bezog, waren zahlreiche Messungen an verschiedenen Lötarbeitsplätzen mit und ohne Absaugung. Das Ergebnis dieser Messungen war eine sichere Einhaltung der Grenzwerte für Blei und seine Verbindungen. Es wurden Werte gemessen, die maximal 10 % der zulässigen Grenzwerte betrugen. Ferner wurde durch eine konkrete Prüfung der Grundrisse objektiviert, dass die Klägerin in Arbeitsräumen gearbeitet hatte, die deutlich größer waren, als in der Arbeitsstättenverordnung gefordert. Auch deswegen kann die Einhaltung der Grenzwerte angenommen werden. Die Einhaltung der Grenzwerte für Blei und seine Verbindungen wurde sowohl für das Nach- und Verlöten der nachträglich bestückten Bauteile und Verbindungen als auch für das Verlöten von Blechabschirmungen ("Dichtlöten") überprüft. Ferner wurde aufgrund einer Untersuchung von 11 Löterinnen eines Betriebs mit ähnlichem Tätigkeitsspektrum ausgeschlossen, dass Blei durch mangelnde Hygiene oral aufgenommen wurde, obwohl damals an den Arbeitsplätzen noch kein striktes Rauch- und Trinkverbot galt. Soweit sich beim Dichtlöten eine orale Aufnahme von Blei und Cadmium aufgrund der Handhabung des Lötdrahtes nicht ausschließen lässt, ist unwahrscheinlich, dass dies in relevanten Mengen geschah.
Prof. Dr. Dr. W. bestätigt letztlich die Einschätzung des TAD. Er schloss eine inhalative chronische Intoxikation bei Verwendung von "üblichem" Weichlot weitgehend aus, da die entsprechenden Temperaturen für die Entwicklung von Bleidämpfen bei Anwendung der in den 80er Jahren allgemein üblichen temperaturgeregelten Lötkolben nicht erreicht wurden und es sich bei den charakteristischen "Lötdämpfen" vor allem um Dämpfe handelte, die durch das Flussmittel (im Allgemeinen Cholophonium) bedingt waren. Eine orale Aufnahme durch Kontamination der Finger mit Blei ist seiner Einschätzung nach grundsätzlich als möglich anzusehen. Da die Klägerin jedoch angegeben hat, schwarze Flecken an den Händen während der Arbeit mit dem Blei-Zinn-Lot bemerkt zu haben, sieht es auch der Senat - wie Prof. Dr. Dr. W. - für wenig wahrscheinlich an, dass sie, wie damals bei der Arbeit durchaus üblich, vor dem Genuss von Speisen auf das Händewaschen verzichtete.
Auch Prof. Dr. D. hat sich in seinem Gutachten der Einschätzung des TAD angeschlossen. Einzuräumen ist, dass er die von Prof. Dr. Dr. W. angeregte laborchemische Untersuchung auf Bleispuren nicht durchgeführt hat, diese vielmehr auf eine Kontrolle der Cadmiumwerte im Urin beschränkte. Dies hält der Senat angesichts der begründeten Einschätzung des TAD, die Prof. Dr. Dr. W. sogar argumentativ untermauerte, jedoch für unschädlich. Nach dem Merkblatt der früheren BK Nr. 6 der Anlage 1 zur BKVO (jetzt zur BK Nr. 1101) können zwar die Ergebnisse von Laboratoriumsuntersuchungen wertvoll sein, sie dürfen aber in ihrer Bedeutung für die Diagnostik nicht überschätzt werden. Und zwar insbesondere dann nicht, wenn klinische Erkrankungszeichen fehlen. Zum Bleigehalt in Blut, Urin und Stuhl wird ausgeführt, sehr hohe Bleiwerte, die nach beruflich bedingter Einwirkung relativ geringer Dosen oder erst mehrere Monate nach einer beruflichen Exposition festgestellt werden, könnten durch eine Bleiaufnahme verursacht worden sein, die nicht mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhänge (Mehrtens/Brandenburg, BKV M 1101, Seite 5 f.). Zu den klinischen Krankheitszeichen führte Prof. Dr. Dr. W. zwar aus, bei chronischer Bleiintoxikation seien sowohl depressive als auch psychotische Symptome bekannt und derartige Symptome seien gemäß den Unterlagen während der Zeit der möglichen Exposition der Klägerin auch erstmalig benannt worden. Andererseits bestand nachweislich damals eine familiäre Belastung (Suizid des Vaters) für die Entwicklung psychiatrischer Krankheiten, sodass allein aus der psychiatrischen Anamnese der Nachweis einer chronischen Bleiintoxikation nicht geführt werden kann.
Hinsichtlich der BK Nr. 1104 der Anlage zur BKV kann unter Zugrundelegung der Bewertung durch den TAD offen bleiben, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Hinblick auf eine gelegentliche Überschreitung der Grenzwerte für Cadmium erfüllt sind. Denn die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen können nicht hinreichend wahrscheinlich auf eine Cadmiumexposition zurückgeführt werden.
Der Senat konnte sich hinsichtlich der Erkrankungen der Klägerin lediglich eine Überzeugung davon verschaffen, dass auf dem psychiatrischen Fachgebiet eine Somatisierungsstörung, die möglicherweise auch sekundär im Rahmen einer komplexen Autoimmunerkrankung und/oder einer Epstein-Barr-Virus-Erkrankung verursacht oder mit unterhalten wird, vorliegt. Er stützt sich dabei auf das überzeugende Gutachten von Prof. Dr. Dr. W., der auf dem neurologischen Fachgebiet insbesondere eine Polyneuropathie und eine Encephalopathie ausschließen konnte. Zwar hat die Klägerin bei der neurologisch-psychiatrischen Begutachtung über ein breites Spektrum an Beschwerden geklagt. Die neurologische Untersuchung konnte jedoch keine Auffälligkeiten objektivieren. Sämtliche Muskeleigenreflexe einschließlich der Achillessehnenreflexe waren beidseits gut auslösbar, es ergaben sich keine Hinweise auf autonome Störungen. Eine Schwankneigung verschwand weitgehend während einer Ablenkung. Der überprüfte Vibrationssinn war vollständig erhalten. Die Nervenleitgeschwindigkeiten an den Beinen lagen im Normbereich. Während der Exploration wurden keine Merk- oder Konzentrationsfähigkeitsstörungen deutlich. Es ergab sich selbst nach deutlich mehr als zwei Stunden kein Leistungsabfall. Im Antrieb und im Affekt zeigte sich die Klägerin nicht beeinträchtigt. Ihre eigene Beschreibung als ausgesprochen depressiv stand im Kontrast zum klinischen Befund. Zur abweichenden Auffassung von Dr. B. führt Prof. Dr. Dr. W. nachvollziehbar und im Einzelnen begründet aus, dass die von Dr. B. gestellten Diagnosen nicht nach den medizinischen Standards des neurologisch-psychiatrischen Fachgebiets erstellt wurden und im Übrigen eine sachgerechte Diskussion von Zusammenhangsfragen nicht erkennbar sei. Dem schließt sich der Senat unter ausdrücklichem Hinweis auf die weiteren Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen an.
Neben der Somatisierungsstörung hat Prof. Dr. D. noch eine Autoimmunerkrankung mit Schilddrüsenfunktionsstörung, Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden, eine Medikamentenallergie, eine Makrozytose, eine Mikrohämaturie, eine Fettstoffwechselstörung bei einer Elektrolytstörung und eine gynäkologische Erkrankung beschrieben. Im Rahmen seiner Untersuchung konnten die weiteren von Dr. B. beschriebenen Diagnosen aber nicht bestätigt werden. Ferner weist er auf die von den behandelnden Ärzten der Klägerin gestellte Diagnose eines Sjögren-Syndrom hin.
Die genannten Erkrankungen können nicht auf eine Cadmiumexposition zurückgeführt werden. Prof. Dr. Dr. W. weist nachvollziehbar darauf hin, dass im entsprechenden Merkblatt zur BK Nr. 1104 der Anlage zur BKV keine Angaben über Schädigungen des zentralen Nervensystems durch eine chronische Cadmiumexposition zu finden sind. Auch eine Medline-Literaturrecherche, die er durchführte, gab nur marginale Hinweise auf derartige Schäden in einigen wenigen Arbeiten im Tierversuch. Daher ist die toxische Schädigung des Nervensystems durch Cadmiumverbindungen als unwahrscheinlich anzusehen. Soweit Prof. Dr. Dr. W. - unter Hinweis auf die damals noch ausstehende Begutachtung durch Prof. Dr. D. - offen ließ, ob ein Zusammenhang zwischen einer Cadmiumintoxikation und der autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen besteht, hat dies Prof. Dr. D. als nicht wahrscheinlich bezeichnet. Es existieren keine gesicherten Belege dafür, dass die bei der Klägerin beruflichen Expositionen ursächlich für die Autoimmunerkrankung sind. Eine Überprüfung des Urins ergab zudem keinen aktuellen Hinweis auf eine erhöhte Cadmiumbelastung.
Gegen einen Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit einer schädigenden Einwirkung bei der Arbeit als Löterin spricht zudem, dass die Klägerin gegenüber Prof. Dr. D. angab, ihre Beschwerden hätten ca. 1982 bis 1984, also vor Beginn der Tätigkeit im November 1984, begonnen. Bei Dr. B. hatte sie darüber hinaus mitgeteilt, schon als Kind ständig Entzündungen gehabt zu haben.
Ferner beschreibt die Klägerin durch äußere Einflüsse bedingte Gesundheitsstörungen nicht nur bezogen auf ihre Tätigkeit als Löterin. Insbesondere fällt auf, dass die Klägerin gegenüber Prof. Dr. D. angab, selbst auf Gerüche des Laser-Druckers oder auf elektromagnetische Felder mit gesundheitlichen Beschwerden zu reagieren. Vielfältige Belastungsfaktoren werden auch im Gutachten von Dr. B. genannt. Naheliegend geht Prof. Dr. D. auf das Beschwerdebild der MCS ein, die jedoch angesichts fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht als BK anerkannt ist. Neben dem fehlenden zeitlichen Zusammenhang, auf den schon Prof. Dr. H. hinwies, spricht daher auch das vielgestaltige Beschwerdebild der Klägerin, das keiner bestimmten BK eindeutig zugeordnet werden kann, gegen eine entsprechende Schädigung.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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