Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1568/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3397/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2007 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 3. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2006 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ab 15. August 2005 für die Dauer von 960 Kalendertagen zu gewähren.
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen des Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit.
Der 1948 geborene Kläger stand in der Zeit vom 11. Januar 1971 bis 31. Mai 2005 in einem unbefristetes Beschäftigungsverhältnis als Meister bei der I.W.K. Verpackungstechnik GmbH (IWK) in St ... Am 23. Mai 2005 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 15. August 2005 bei der Agentur für Arbeit Karlsruhe (AA) arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung der Firma IWK war das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag vom 19. November 2003 mit Wirkung zum 31. Mai 2005 beendet worden. Zum Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstands hatte der Kläger eine Abfidung in Höhe von 90.000,00 EUR erhalten. Im Aufhebungsvertrag war ferner ausgeführt, der bisherige Arbeitsplatz des Klägers falle infolge von Umstrukturierungsmaßnahmen ersatzlos weg; ein anderer freier Arbeitsplatz stehe nicht zur Verfügung. In dem Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Abschluss eines Aufhebungs-/Auflösungsvertrages vom 19. August 2005 erklärte der Kläger, wegen der psychischen Belastung sei er aus seiner Sicht berechtigt gewesen, das Beschäftigungsverhältnis zu lösen. Mit Bescheid vom 19. August 2005 stellte die AA den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit (1. Juni bis 23. August 2005) fest. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma IWK durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Für dieses Verhalten habe er keinen wichtigen Grund gehabt. Mit Bescheid vom 23. August 2005 bewilligte die AA dem Kläger Alg ab 24. August 2005 in Höhe von monatlich 1.559,40 EUR (Bemessungsentgelt täglich 170,00 EUR, Lohnsteuerklasse IV, Prozentsatz 60) für die Dauer von 585 Tagen (780 Tage abzüglich 195 Tage wegen des Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit).
Gegen den Bescheid vom 19. August 2005 erhob der Kläger am 14. September 2005 und gegen den Bescheid vom 23. August 2005 am 23. September 2005 Widerspruch. Er trug vor, er habe Alg erst mit Wirkung vom 15. August 2005, also nach Vollendung seines 57. Lebensjahres beantragt. Deshalb habe er Anspruch auf Alg für die Dauer von 32 Kalendermonaten. Im übrigen habe die AA zu Unrecht den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit festgestellt. Er sei von seinem ehemaligen Arbeitgeber massiv unter Druck gesetzt worden und habe nur deshalb einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen. Nachdem er sich zunächst geweigert habe, einen solchen Vertrag abzuschließen, seien ihm Stück für Stück Kompetenzen entzogen worden. Ihm sei sein eigenes Büro weggenommen und die Befugnis, wie bisher die wöchentlichen Sitzungen mit seinen Mitarbeitern zu leiten, entzogen worden. Zu Sitzungen auf höhere Ebene sei er - anders als früher - nicht mehr eingeladen worden. Zum Teil habe man ihn mit Aufgaben betraut, die gewöhnlich Praktikanten erledigten. So habe er z. B. die Lampen in einer Halle in PC-Baupläne eintragen müssen, eine Tätigkeit, die normalerweise von Angelernten ausgeführt werde. Mehrere Versuche, die Situation durch Gespräche mit dem direkten Vorgesetzten und dem stellvertretenden Personalleiter zu entschärfen, seien gescheitert; der Arbeitgeber sei hieran schlicht nicht interessiert gewesen. Auf Anfrage der AA erklärten die Mitarbeiter der IWK G. und Sch., der Vortrag des Klägers sei weitestgehend zutreffend, lediglich die detaillierten Angaben, zu welchen Hilfstätigkeiten er herangezogen worden sei, könnten nicht mehr überprüft werden, da auch der (ehemalige) direkte Vorgesetzte des Klägers aus dem Unternehmen ausgeschieden sei. Dem Kläger sei in mehreren Gesprächen unmissverständlich erklärt worden, dass das Arbeitsverhältnis gekündigt werde, wenn er einer Auflösung nicht zustimme. Man habe dem Kläger auch zu verstehen gegeben, dass er im Falle einer Kündigung nicht mehr mit einer Abfindung rechnen könne; im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung würde seitens des Arbeitgebers keine gütliche Einigung mehr angestrebt. Die Erklärung des Klägers, er sei massiv unter Druck gesetzt worden und habe dem Druck psychisch nicht mehr standhalten können, könne man nachvollziehen. Eine Kündigung zum 31. Mai 2005 sei arbeitsrechtlich zulässig gewesen; die maßgebliche Kündigungsfrist von 18 Monaten habe man eingehalten (Schreiben vom 19. Januar 2006). Mit Änderungsbescheid vom 3. November 2005 bewilligte die AA dem Kläger ab 24. August 2005 Alg unter Beibehaltung der übrigen Berechnungsgrundlagen für die Dauer von 720 Tagen (960 Tage abzüglich 240 Tage wegen des Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit). Mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2005 wies die Widerspruchsstelle der AA den Widerspruch zurück. Der am 6. April 2006 seitens des Klägers beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2007 stattgegeben und den Bescheid vom 19. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2006 aufgehoben. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Kläger könne sich auf einen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses berufen; ein anderes Verhalten sei ihm auch unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft nicht zuzumuten. Eine Sperrzeit sei deshalb nicht eingetreten.
Gegen den ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 22. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 10. Juli 2007 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt; der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 2. September 2008 Anschlussberufung erhoben. Die Beklagte trägt vor, eine objektiv rechtmäßige Kündigung habe dem Kläger nicht gedroht, denn dieser sei zum Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung nicht mehr ordentlich kündbar gewesen. Das Verhalten des Arbeitgebers im Vorfeld des Aufhebungsvertrages begründe ebenfalls keinen wichtigen Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Zu berücksichtigen sei insoweit, dass der Kläger es unterlassen habe, sich durch Einschalten seiner Gewerkschaft gegen die aus seiner Sicht bedrückende Arbeitssituation zu wehren. Wegen des weiteren Vortrags der Beklagten im Einzelnen wird auf Bl. 21 bis 23, 31 und 33 bis 36 der Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2007 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2007 abzuändern, die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 3. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2006 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab 15. August 2005 für die Dauer von 960 Kalendertagen zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält die rechtliche Würdigung des SG für zutreffend. Darüber hinaus begehrt er die Gewährung von Alg ohne Aussparung der Zeit der Sperrzeit und ohne Kürzung der Anspruchsdauer um ein Viertel.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 11 AL 1568/06) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 3397/07) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg; die Anschlussberufung des Klägers ist hingegen erfolgreich.
Die Berufungen sind statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands (jeweils) 500 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der hier noch anzuwendenden bis 31. März 2008 geltenden Fassung) und auch ansonsten zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG; zur (unselbständigen) Anschlussberufung vgl. § 202 SGG in Verbindung mit § 524 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung) eingelegt wurden.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet; das SG hat zu Recht den Bescheid vom 19. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2006 aufgehoben, denn dieser erweist sich als rechtswidrig und den Kläger in subjektiven Rechten verletzend. Die Beklagte hat zu Unrecht den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit festgestellt.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (Hartz III; BGBl. I S. 2848) ruht der Anspruch (auf Alg) für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III liegt versicherungswidriges Verhalten unter anderem vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Sperrzeit beginnt mit dem Tage nach dem Ereignis das sie begründet; im Fall der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt ihre Dauer zwölf Wochen (§ 144 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB III). Bei Sperrzeiten nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III ist das die Sperrzeit begründende und damit für den Beginn der Sperrzeit gemäß § 144 Abs. 2 Satz 1 SGB III maßgebliche Ereignis das rechtliche Ende des Beschäftigungsverhältnisses (Niesel, SGB III, § 144 Rdnr. 93). Deshalb beginnt die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe mit der durch die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses herbeigeführten Beschäftigungslosigkeit (Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-4300 § 144 Nr. 8).
Im Fall des Klägers ist auch zur vollen Überzeugung des Senats eine Sperrzeit nicht eingetreten. Der Kläger hat zwar durch Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 19. November 2003 die am 1. Juni 2005 eingetretene Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, denn er hatte zu diesem Zeitpunkt keine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 28 und 33); der Kläger kann sich jedoch mit Erfolg auf einen wichtigen Grund für sein Verhalten berufen. Der unbestimmte Rechtsbegriff des "wichtigen Grundes" ist für jeden Sperrzeittatbestand gesondert nach Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu definieren. Maßgeblich ist, ob dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit denjenigen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 16; BSG NZS 1998, 136). Bei Sperrzeiten wegen der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses ist dementsprechend zu fragen, ob Umstände vorliegen, die dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheinen lassen, weil sonst seine eigenen Interessen in unbilliger Weise geschädigt würden (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 2 und 17). Solche Umstände liegen hier vor.
Ein wichtiger Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III kann allerdings noch nicht allein darin gesehen werden, dass der Arbeitnehmer dem Ausspruch einer drohenden oder bereits feststehenden, aber noch nicht erfolgten Kündigung des Arbeitgebers - auch bei Zahlung einer Abfindung - zuvorkommt. Grundsätzlich ist es dem Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten, die Kündigung abzuwarten, sofern nicht besondere Umstände ein anderes Verhalten rechtfertigen (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002 - B 7 AL 134/01 R - zitiert nach Juris m.w.H. auf die Rspr. des BSG). Ob derartige Umstände bereits deshalb vorliegen, weil der ehemalige Arbeitgeber dem Kläger eine nach Arbeitsrecht rechtmäßige Kündigung aus einem vom Verhalten des Klägers unabhängigen Grund für den selben Zeitpunkt angedroht hat, zu dem das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet worden ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn auch bei einer drohenden oder feststehenden, aber noch nicht erfolgten rechtswidrigen Kündigung kann aufgrund sonstiger Umstände, etwa des Verhaltens des Arbeitgebers, ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages gegeben sein (BSG a.a.O.).
Demgemäß kann auch unrechtmäßiges oder nicht sozialadäquates Verhalten des Arbeitgebers bzw. einzelner Vorgesetzter zu einem derartigen psychischer Druck führen, dass dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses unzumutbar wird und dementsprechend die Annahme eines wichtigen Grundes gerechtfertigt ist (vgl. BSG SozR 3-4300 § 144 Nr. 4). Maßgeblich sind auch hier immer die Umstände des Einzelfalls. Zu berücksichtigen ist insbesondere, ob aufgrund ungerechtfertigten und unangemessenen Verhaltens des Arbeitgebers das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber derart gestört ist, dass eine zumutbare gemeinsame Basis für eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1995 - 11 Rar 39/94 - zitiert nach Juris). Unangemessen in diesem Sinn ist ein Verhalten des Arbeitgebers, durch das der Arbeitnehmer aus der Betriebsgemeinschaft ausgegrenzt, geringschätzig behandelt, von einer Kommunikation ausgeschlossen, beleidigt oder diskriminiert wird (vgl. dazu Schaub, Arbeitsrechtshandbuch § 108 Rdnr. 57). Liegen diese Voraussetzungen vor, können selbst an sich rechtmäßige Maßnahmen des Arbeitgebers angesichts ihrer Vielzahl den Rahmen der Sozialadäquanz verlassen und eine dem Arbeitnehmer nicht mehr zumutbare Situation schaffen (BSG SozR 3-4300 § 144 Nr. 4).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war dem Kläger eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma IWK und insbesondere ein Abwarten der angedrohten Kündigung nicht zuzumuten. Der Arbeitgeber hat in seiner gegenüber der Beklagten im Verlauf des Widerspruchsverfahrens abgegebenen Stellungnahme vom 19. Januar 2006 selbst eingeräumt, die Erklärung des Klägers, er sei (durch den Arbeitgeber) massiv unter Druck gesetzt worden und habe diesem Druck psychisch letztlich nicht mehr standhalten können, könne man nachvollziehen. Dies bedeutet nichts anderes, als dass der Kläger durch seinen Arbeitgeber solange massiv unter Druck gesetzt worden ist, bis er diesem nicht mehr standhalten konnte und sich nicht anders zu helfen wusste, als den ihm angebotenen Aufhebungsvertrag (doch) zu unterzeichnen. Die Maßnahmen, mit denen der Arbeitgeber diesen Druck ausgeübt hat, räumt er ebenfalls ein. Dem Kläger wurde sein bisheriges Büro genommen, ihm wurde die Befugnis zur Leitung von Sitzungen entzogen, zu anderen Sitzungen wurde er entgegen der bisherigen Übung nicht mehr eingeladen. Der Kläger, der die Qualifikation eines Meisters besitzt und bei der IWK auch entsprechend eingesetzt war, wurde plötzlich mit Arbeiten betraut, die üblicherweise von angelernten Kräften oder Praktikanten ausgeübt wurden, mithin weit unter seinem Qualifikationsniveau lagen. Durch diese Maßnahmen wurde der Kläger in unangemessener Weise geringschätzig behandelt und aus der Betriebsgemeinschaft ausgegrenzt. Im Ergebnis ist der Senat ist aufgrund der glaubhaften und inhaltlich vom ehemaligen Arbeitgeber bestätigten Schilderung des Klägers, insbesondere aber aufgrund des Schreibens der IWK vom 19. Januar 2006, an dessen Wahrheitsgehalt zu zweifeln kein Anlass besteht, davon überzeugt, dass dem Arbeitgeber praktisch jedes Mittel recht war, um den Kläger, der sich zunächst geweigert hatte, den angebotenen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, doch noch zur Unterschrift zu zwingen. Vor diesem Hintergrund war dem Kläger - auch unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft - nicht zuzumuten, sich weiterhin zu verweigern und die angedrohte Kündigung abzuwarten.
Die Beklagte kann sich letztlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger habe sich nicht ausreichend um die Beseitigung der ihn belastenden Umstände bemüht. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass den Arbeitnehmer grundsätzlich eine solche Obliegenheit trifft (BSG SozR 4-4100 § 119 Nr. 1). Entsprechende Bemühungen durch den Arbeitnehmer sind allerdings dann nicht zu fordern, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, eine Vorsprache beim Arbeitgeber hätte ohnehin keine Aussicht auf Erfolg. So liegt der Fall hier; der Kläger war nicht verpflichtet, sich bei seinem Arbeitgeber um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu bemühen, denn solche Bemühungen waren hier offensichtlich aussichtslos. Der Arbeitgeber hat ganz bewusst auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses hingearbeitet und war an einer Fortsetzung desselben unter keinen Umständen interessiert. Im übrigen hat der Kläger solche Bemühungen, wie auch der Arbeitgeber in seiner Stellungnahme vom 19. Januar 2006 bestätigt hat, wiederholt (erfolglos) unternommen. Die Obliegenheit des Arbeitnehmers, zumutbare Versuche zur Beseitigung der die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nach sich ziehenden Umstände zu unternehmen, geht allerdings nicht so weit, dass dieser auch verpflichtet wäre, zur Wahrung seiner Rechte gerichtlichen Rechtsschutz oder eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Dass für Arbeitnehmer, die als Mitglied einer Gewerkschaft Anspruch auf gewerkschaftlichen Rechtsbeistand haben, nichts anderes gilt, bedarf keiner weiteren Begründung.
Die unselbständige Anschlussberufung des Klägers ist demgegenüber begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht als reine Anfechtungsklage gewertet, denn der Kläger begehrt nicht nur die Aufhebung des den Eintritt einer Sperrzeit für den Zeitraum 1. Juni bis 23. August 2005 feststellenden Bescheids vom 19. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2006. Sein Begehren ist darüber hinaus auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Alg für die Dauer von 960 Kalendertagen gerichtet; insoweit wendet er sich gegen den (Bewilligungs-) Bescheid vom 23. August 2005, geändert durch Bescheid vom 3. November 2005, mit dem die Beklagte dem Kläger zuletzt Alg (wegen des Eintritts einer Sperrzeit) für die Dauer von (nur) 720 Kalendertagen gewährt hat. Dieser im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machenden Anspruch über den der Senat zu entscheiden hat, steht dem Kläger zu. Er hat ab 15. August 2005 Anspruch auf Alg in Höhe von monatlich 1.559,40 EUR (Bemessungsentgelt täglich 170,00 EUR, Lohnsteuerklasse IV, Prozentsatz 60) für die Dauer von 960 Kalendertagen. Die Anspruchsdauer ergibt sich - über die übrigen Berechnungselemente besteht zwischen den Beteiligten kein Streit - gemäß § 434l Abs. 1 SGB III aus § 127 Abs. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung. Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. dazu § 118 Abs. 2 SGB III) das 57. Lebensjahr vollendet und zu diesem Zeitpunkt mindestens 64 Monate innerhalb der um vier Jahre erweiterten Rahmenfrist in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Die Dauer des Anspruchs mindert sich nicht nach Maßgabe des § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III, denn eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ist, wie oben ausgeführt, nicht eingetreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen des Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit.
Der 1948 geborene Kläger stand in der Zeit vom 11. Januar 1971 bis 31. Mai 2005 in einem unbefristetes Beschäftigungsverhältnis als Meister bei der I.W.K. Verpackungstechnik GmbH (IWK) in St ... Am 23. Mai 2005 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 15. August 2005 bei der Agentur für Arbeit Karlsruhe (AA) arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung der Firma IWK war das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag vom 19. November 2003 mit Wirkung zum 31. Mai 2005 beendet worden. Zum Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstands hatte der Kläger eine Abfidung in Höhe von 90.000,00 EUR erhalten. Im Aufhebungsvertrag war ferner ausgeführt, der bisherige Arbeitsplatz des Klägers falle infolge von Umstrukturierungsmaßnahmen ersatzlos weg; ein anderer freier Arbeitsplatz stehe nicht zur Verfügung. In dem Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Abschluss eines Aufhebungs-/Auflösungsvertrages vom 19. August 2005 erklärte der Kläger, wegen der psychischen Belastung sei er aus seiner Sicht berechtigt gewesen, das Beschäftigungsverhältnis zu lösen. Mit Bescheid vom 19. August 2005 stellte die AA den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit (1. Juni bis 23. August 2005) fest. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma IWK durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Für dieses Verhalten habe er keinen wichtigen Grund gehabt. Mit Bescheid vom 23. August 2005 bewilligte die AA dem Kläger Alg ab 24. August 2005 in Höhe von monatlich 1.559,40 EUR (Bemessungsentgelt täglich 170,00 EUR, Lohnsteuerklasse IV, Prozentsatz 60) für die Dauer von 585 Tagen (780 Tage abzüglich 195 Tage wegen des Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit).
Gegen den Bescheid vom 19. August 2005 erhob der Kläger am 14. September 2005 und gegen den Bescheid vom 23. August 2005 am 23. September 2005 Widerspruch. Er trug vor, er habe Alg erst mit Wirkung vom 15. August 2005, also nach Vollendung seines 57. Lebensjahres beantragt. Deshalb habe er Anspruch auf Alg für die Dauer von 32 Kalendermonaten. Im übrigen habe die AA zu Unrecht den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit festgestellt. Er sei von seinem ehemaligen Arbeitgeber massiv unter Druck gesetzt worden und habe nur deshalb einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen. Nachdem er sich zunächst geweigert habe, einen solchen Vertrag abzuschließen, seien ihm Stück für Stück Kompetenzen entzogen worden. Ihm sei sein eigenes Büro weggenommen und die Befugnis, wie bisher die wöchentlichen Sitzungen mit seinen Mitarbeitern zu leiten, entzogen worden. Zu Sitzungen auf höhere Ebene sei er - anders als früher - nicht mehr eingeladen worden. Zum Teil habe man ihn mit Aufgaben betraut, die gewöhnlich Praktikanten erledigten. So habe er z. B. die Lampen in einer Halle in PC-Baupläne eintragen müssen, eine Tätigkeit, die normalerweise von Angelernten ausgeführt werde. Mehrere Versuche, die Situation durch Gespräche mit dem direkten Vorgesetzten und dem stellvertretenden Personalleiter zu entschärfen, seien gescheitert; der Arbeitgeber sei hieran schlicht nicht interessiert gewesen. Auf Anfrage der AA erklärten die Mitarbeiter der IWK G. und Sch., der Vortrag des Klägers sei weitestgehend zutreffend, lediglich die detaillierten Angaben, zu welchen Hilfstätigkeiten er herangezogen worden sei, könnten nicht mehr überprüft werden, da auch der (ehemalige) direkte Vorgesetzte des Klägers aus dem Unternehmen ausgeschieden sei. Dem Kläger sei in mehreren Gesprächen unmissverständlich erklärt worden, dass das Arbeitsverhältnis gekündigt werde, wenn er einer Auflösung nicht zustimme. Man habe dem Kläger auch zu verstehen gegeben, dass er im Falle einer Kündigung nicht mehr mit einer Abfindung rechnen könne; im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung würde seitens des Arbeitgebers keine gütliche Einigung mehr angestrebt. Die Erklärung des Klägers, er sei massiv unter Druck gesetzt worden und habe dem Druck psychisch nicht mehr standhalten können, könne man nachvollziehen. Eine Kündigung zum 31. Mai 2005 sei arbeitsrechtlich zulässig gewesen; die maßgebliche Kündigungsfrist von 18 Monaten habe man eingehalten (Schreiben vom 19. Januar 2006). Mit Änderungsbescheid vom 3. November 2005 bewilligte die AA dem Kläger ab 24. August 2005 Alg unter Beibehaltung der übrigen Berechnungsgrundlagen für die Dauer von 720 Tagen (960 Tage abzüglich 240 Tage wegen des Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit). Mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2005 wies die Widerspruchsstelle der AA den Widerspruch zurück. Der am 6. April 2006 seitens des Klägers beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2007 stattgegeben und den Bescheid vom 19. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2006 aufgehoben. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Kläger könne sich auf einen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses berufen; ein anderes Verhalten sei ihm auch unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft nicht zuzumuten. Eine Sperrzeit sei deshalb nicht eingetreten.
Gegen den ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 22. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 10. Juli 2007 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt; der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 2. September 2008 Anschlussberufung erhoben. Die Beklagte trägt vor, eine objektiv rechtmäßige Kündigung habe dem Kläger nicht gedroht, denn dieser sei zum Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung nicht mehr ordentlich kündbar gewesen. Das Verhalten des Arbeitgebers im Vorfeld des Aufhebungsvertrages begründe ebenfalls keinen wichtigen Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Zu berücksichtigen sei insoweit, dass der Kläger es unterlassen habe, sich durch Einschalten seiner Gewerkschaft gegen die aus seiner Sicht bedrückende Arbeitssituation zu wehren. Wegen des weiteren Vortrags der Beklagten im Einzelnen wird auf Bl. 21 bis 23, 31 und 33 bis 36 der Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2007 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2007 abzuändern, die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 3. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2006 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab 15. August 2005 für die Dauer von 960 Kalendertagen zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält die rechtliche Würdigung des SG für zutreffend. Darüber hinaus begehrt er die Gewährung von Alg ohne Aussparung der Zeit der Sperrzeit und ohne Kürzung der Anspruchsdauer um ein Viertel.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 11 AL 1568/06) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 3397/07) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg; die Anschlussberufung des Klägers ist hingegen erfolgreich.
Die Berufungen sind statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands (jeweils) 500 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der hier noch anzuwendenden bis 31. März 2008 geltenden Fassung) und auch ansonsten zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG; zur (unselbständigen) Anschlussberufung vgl. § 202 SGG in Verbindung mit § 524 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung) eingelegt wurden.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet; das SG hat zu Recht den Bescheid vom 19. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2006 aufgehoben, denn dieser erweist sich als rechtswidrig und den Kläger in subjektiven Rechten verletzend. Die Beklagte hat zu Unrecht den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit festgestellt.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (Hartz III; BGBl. I S. 2848) ruht der Anspruch (auf Alg) für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III liegt versicherungswidriges Verhalten unter anderem vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Sperrzeit beginnt mit dem Tage nach dem Ereignis das sie begründet; im Fall der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt ihre Dauer zwölf Wochen (§ 144 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB III). Bei Sperrzeiten nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III ist das die Sperrzeit begründende und damit für den Beginn der Sperrzeit gemäß § 144 Abs. 2 Satz 1 SGB III maßgebliche Ereignis das rechtliche Ende des Beschäftigungsverhältnisses (Niesel, SGB III, § 144 Rdnr. 93). Deshalb beginnt die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe mit der durch die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses herbeigeführten Beschäftigungslosigkeit (Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-4300 § 144 Nr. 8).
Im Fall des Klägers ist auch zur vollen Überzeugung des Senats eine Sperrzeit nicht eingetreten. Der Kläger hat zwar durch Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 19. November 2003 die am 1. Juni 2005 eingetretene Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, denn er hatte zu diesem Zeitpunkt keine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 28 und 33); der Kläger kann sich jedoch mit Erfolg auf einen wichtigen Grund für sein Verhalten berufen. Der unbestimmte Rechtsbegriff des "wichtigen Grundes" ist für jeden Sperrzeittatbestand gesondert nach Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu definieren. Maßgeblich ist, ob dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit denjenigen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 16; BSG NZS 1998, 136). Bei Sperrzeiten wegen der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses ist dementsprechend zu fragen, ob Umstände vorliegen, die dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheinen lassen, weil sonst seine eigenen Interessen in unbilliger Weise geschädigt würden (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 2 und 17). Solche Umstände liegen hier vor.
Ein wichtiger Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III kann allerdings noch nicht allein darin gesehen werden, dass der Arbeitnehmer dem Ausspruch einer drohenden oder bereits feststehenden, aber noch nicht erfolgten Kündigung des Arbeitgebers - auch bei Zahlung einer Abfindung - zuvorkommt. Grundsätzlich ist es dem Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten, die Kündigung abzuwarten, sofern nicht besondere Umstände ein anderes Verhalten rechtfertigen (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002 - B 7 AL 134/01 R - zitiert nach Juris m.w.H. auf die Rspr. des BSG). Ob derartige Umstände bereits deshalb vorliegen, weil der ehemalige Arbeitgeber dem Kläger eine nach Arbeitsrecht rechtmäßige Kündigung aus einem vom Verhalten des Klägers unabhängigen Grund für den selben Zeitpunkt angedroht hat, zu dem das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet worden ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn auch bei einer drohenden oder feststehenden, aber noch nicht erfolgten rechtswidrigen Kündigung kann aufgrund sonstiger Umstände, etwa des Verhaltens des Arbeitgebers, ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages gegeben sein (BSG a.a.O.).
Demgemäß kann auch unrechtmäßiges oder nicht sozialadäquates Verhalten des Arbeitgebers bzw. einzelner Vorgesetzter zu einem derartigen psychischer Druck führen, dass dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses unzumutbar wird und dementsprechend die Annahme eines wichtigen Grundes gerechtfertigt ist (vgl. BSG SozR 3-4300 § 144 Nr. 4). Maßgeblich sind auch hier immer die Umstände des Einzelfalls. Zu berücksichtigen ist insbesondere, ob aufgrund ungerechtfertigten und unangemessenen Verhaltens des Arbeitgebers das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber derart gestört ist, dass eine zumutbare gemeinsame Basis für eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1995 - 11 Rar 39/94 - zitiert nach Juris). Unangemessen in diesem Sinn ist ein Verhalten des Arbeitgebers, durch das der Arbeitnehmer aus der Betriebsgemeinschaft ausgegrenzt, geringschätzig behandelt, von einer Kommunikation ausgeschlossen, beleidigt oder diskriminiert wird (vgl. dazu Schaub, Arbeitsrechtshandbuch § 108 Rdnr. 57). Liegen diese Voraussetzungen vor, können selbst an sich rechtmäßige Maßnahmen des Arbeitgebers angesichts ihrer Vielzahl den Rahmen der Sozialadäquanz verlassen und eine dem Arbeitnehmer nicht mehr zumutbare Situation schaffen (BSG SozR 3-4300 § 144 Nr. 4).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war dem Kläger eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma IWK und insbesondere ein Abwarten der angedrohten Kündigung nicht zuzumuten. Der Arbeitgeber hat in seiner gegenüber der Beklagten im Verlauf des Widerspruchsverfahrens abgegebenen Stellungnahme vom 19. Januar 2006 selbst eingeräumt, die Erklärung des Klägers, er sei (durch den Arbeitgeber) massiv unter Druck gesetzt worden und habe diesem Druck psychisch letztlich nicht mehr standhalten können, könne man nachvollziehen. Dies bedeutet nichts anderes, als dass der Kläger durch seinen Arbeitgeber solange massiv unter Druck gesetzt worden ist, bis er diesem nicht mehr standhalten konnte und sich nicht anders zu helfen wusste, als den ihm angebotenen Aufhebungsvertrag (doch) zu unterzeichnen. Die Maßnahmen, mit denen der Arbeitgeber diesen Druck ausgeübt hat, räumt er ebenfalls ein. Dem Kläger wurde sein bisheriges Büro genommen, ihm wurde die Befugnis zur Leitung von Sitzungen entzogen, zu anderen Sitzungen wurde er entgegen der bisherigen Übung nicht mehr eingeladen. Der Kläger, der die Qualifikation eines Meisters besitzt und bei der IWK auch entsprechend eingesetzt war, wurde plötzlich mit Arbeiten betraut, die üblicherweise von angelernten Kräften oder Praktikanten ausgeübt wurden, mithin weit unter seinem Qualifikationsniveau lagen. Durch diese Maßnahmen wurde der Kläger in unangemessener Weise geringschätzig behandelt und aus der Betriebsgemeinschaft ausgegrenzt. Im Ergebnis ist der Senat ist aufgrund der glaubhaften und inhaltlich vom ehemaligen Arbeitgeber bestätigten Schilderung des Klägers, insbesondere aber aufgrund des Schreibens der IWK vom 19. Januar 2006, an dessen Wahrheitsgehalt zu zweifeln kein Anlass besteht, davon überzeugt, dass dem Arbeitgeber praktisch jedes Mittel recht war, um den Kläger, der sich zunächst geweigert hatte, den angebotenen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, doch noch zur Unterschrift zu zwingen. Vor diesem Hintergrund war dem Kläger - auch unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft - nicht zuzumuten, sich weiterhin zu verweigern und die angedrohte Kündigung abzuwarten.
Die Beklagte kann sich letztlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger habe sich nicht ausreichend um die Beseitigung der ihn belastenden Umstände bemüht. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass den Arbeitnehmer grundsätzlich eine solche Obliegenheit trifft (BSG SozR 4-4100 § 119 Nr. 1). Entsprechende Bemühungen durch den Arbeitnehmer sind allerdings dann nicht zu fordern, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, eine Vorsprache beim Arbeitgeber hätte ohnehin keine Aussicht auf Erfolg. So liegt der Fall hier; der Kläger war nicht verpflichtet, sich bei seinem Arbeitgeber um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu bemühen, denn solche Bemühungen waren hier offensichtlich aussichtslos. Der Arbeitgeber hat ganz bewusst auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses hingearbeitet und war an einer Fortsetzung desselben unter keinen Umständen interessiert. Im übrigen hat der Kläger solche Bemühungen, wie auch der Arbeitgeber in seiner Stellungnahme vom 19. Januar 2006 bestätigt hat, wiederholt (erfolglos) unternommen. Die Obliegenheit des Arbeitnehmers, zumutbare Versuche zur Beseitigung der die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nach sich ziehenden Umstände zu unternehmen, geht allerdings nicht so weit, dass dieser auch verpflichtet wäre, zur Wahrung seiner Rechte gerichtlichen Rechtsschutz oder eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Dass für Arbeitnehmer, die als Mitglied einer Gewerkschaft Anspruch auf gewerkschaftlichen Rechtsbeistand haben, nichts anderes gilt, bedarf keiner weiteren Begründung.
Die unselbständige Anschlussberufung des Klägers ist demgegenüber begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht als reine Anfechtungsklage gewertet, denn der Kläger begehrt nicht nur die Aufhebung des den Eintritt einer Sperrzeit für den Zeitraum 1. Juni bis 23. August 2005 feststellenden Bescheids vom 19. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2006. Sein Begehren ist darüber hinaus auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Alg für die Dauer von 960 Kalendertagen gerichtet; insoweit wendet er sich gegen den (Bewilligungs-) Bescheid vom 23. August 2005, geändert durch Bescheid vom 3. November 2005, mit dem die Beklagte dem Kläger zuletzt Alg (wegen des Eintritts einer Sperrzeit) für die Dauer von (nur) 720 Kalendertagen gewährt hat. Dieser im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machenden Anspruch über den der Senat zu entscheiden hat, steht dem Kläger zu. Er hat ab 15. August 2005 Anspruch auf Alg in Höhe von monatlich 1.559,40 EUR (Bemessungsentgelt täglich 170,00 EUR, Lohnsteuerklasse IV, Prozentsatz 60) für die Dauer von 960 Kalendertagen. Die Anspruchsdauer ergibt sich - über die übrigen Berechnungselemente besteht zwischen den Beteiligten kein Streit - gemäß § 434l Abs. 1 SGB III aus § 127 Abs. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung. Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. dazu § 118 Abs. 2 SGB III) das 57. Lebensjahr vollendet und zu diesem Zeitpunkt mindestens 64 Monate innerhalb der um vier Jahre erweiterten Rahmenfrist in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Die Dauer des Anspruchs mindert sich nicht nach Maßgabe des § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III, denn eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ist, wie oben ausgeführt, nicht eingetreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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