L 4 P 1896/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 1164/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 1896/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. April 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger einen weiteren Zuschuss in Höhe von 2.557,00 EUR für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds nach § 40 Abs. 4 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) beanspruchen kann.

Der am 1996 geborene Kläger ist über seinen Vater bei der Beklagten familienpflegeversichert. Er leidet an einer inkompletten Querschnittssymptomatik L 4/5 nach operativer Versorgung einer Meninomyelocele, an einer Spina bifida mit Ausbildung einer zunehmenden Skoliose und Spastik in beiden Beinen sowie an einer neurogenen Blasen- und Darmentleerungsstörung. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) nach dem früheren Schwerbehindertengesetz (SchwbG) von 100 mit den Merkzeichen B, H und aG festgestellt. Der Kläger, der im Wesentlichen von seiner Mutter gepflegt wird, bezog seit Februar 1998 von der Beklagten Leistungen nach Pflegestufe I im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI; seit Dezember 1999 erhält er Leistungen nach Pflegestufe II (vgl. dazu Gutachten der Pflegefachkräfte S. und Ha. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg [MDK] in U.m vom 11. August 2000 sowie der Pflegefachkraft S. vom 22. Oktober 2001). Die Einstufung in die Pflegestufe III wurde abgelehnt (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2000). Der Kläger wurde erstmals im Oktober 1999 von der IKK Bayern mit einem Kinderrollstuhl versorgt. Im Januar 2002 erfolgte dann wachstumsbedingt die Versorgung mit einem neuen Rollstuhl; im November 2003 erhielt der Kläger einen Leichtgewichtsrollstuhl als Zweitrollstuhl. Im März 2004 erfolgte dann eine erneute Neuversorgung mit einem Rollstuhl.

Der Kläger wohnte mit seiner Familie zunächst in einer Vier-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in der S.-straße in 8. L ... Die Eltern errichteten dann ein Einfamilienhaus im Baugebiet "O. M." (A. L. 6) in L ... Sie entschlossen sich dabei, einen Personenaufzug der Firma OTIS zu installieren, dessen Einbau mit der TÜV-Abnahme am 20. März 2002 abgeschlossen war. Am 30. August 2002 war das Haus bezugsfertig. Dabei war in dem Haus u.a. auch eine mit dem Rollstuhl befahrbare Dusche eingebaut worden; die Waschbecken wurden abgesenkt und die Türen so geplant, dass ein müheloses Befahren der Räume mit einem Rollstuhl möglich war. Die Außenanlagen wurden erst nach dem Einzug im September 2002 fertig gestellt. Dabei wurden im Hinblick auf den Kläger realisiert ein rollstuhlgerechter Zugang/Eingang vom Parkplatz bzw. dem Carport, eine größere Plattform beim Carport, um dem Kläger das Umsteigen vom Rollstuhl in den PKW zu erleichtern, und eine rollstuhlgerechte Zufahrt zur Terrasse/Gartenanlage.

Am 09. August 2001 hatte der Kläger durch seinen Vater im Hinblick auf den genannten Neubau einen Zuschuss zum Einbau des Personenaufzugs "wegen Schwerbehinderung" beantragt. Es war das Angebot der Firma OTIS vom 17. November 2000 beigefügt, für das sich die Familie des Klägers entschieden hatte. Mit Bescheid vom 12. September 2001 lehnte die Beklagte die Zuschussgewährung zunächst ab, nachdem sie beim MDK in Ulm gutachterliche Stellungnahmen des Dr. K. vom 22. August und 04. September 2001 eingeholt hatte. Am 17. September 2002 äußerte sich die Pflegefachkraft He. dann dahin, der Einbau des Personenaufzugs zur individuellen Nutzung des Bewohners sei zu befürworten, damit der Kläger den gesamten Wohnraum auch ohne Hilfe eines Pflegenden nutzen könne. Dadurch könne auch einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustands vorgebeugt werden. Mit Bescheid vom 17. September 2002 befürwortete die Beklagte die Notwendigkeit des Personenaufzugs. Sie teilte dem Kläger mit, dass nach § 40 Abs. 4 SGB XI je Maßnahme ein Zuschuss bis zum Betrag von 2.557,00 EUR gewährt werden könne. Zur Erstattung des Zuschusses bitte sie um Übersendung der Rechnungen. Am 08. Oktober 2002 gingen bei der Beklagten Rechnungen der Firma OTIS über insgesamt 30.248,03 EUR für den Personenaufzug einschließlich Montage ein, woraufhin die Beklagte die Zahlung von 2.557,00 EUR an den Kläger anwies.

Mit Schreiben vom 01. März 2003, bei der Beklagten am 04. März 2003 eingegangen, ließ der Kläger der Beklagten mitteilen, man habe mit einer zweiten Phase zur behindertengerechten bzw. rollstuhlgerechten Planung und Umgestaltung des Wohnumfelds begonnen. Wie der Beklagten bereits im Zusammenhang mit der ersten Maßnahme, nämlich des Personenaufzug, erläutert, sei es für ihn als mehrfach Schwerbehindertem nicht möglich, "sich in der gewohnten Anlage unserer Wohnung zu bewegen". Dies gelte auch für die Außenanlage und die Erschließung des Grundstücks. Als bauliche Maßnahmen wurden genannt: rollstuhlgerechter Zugang/Eingang vom Parkplatz bzw. der Abstellmöglichkeit des PKW (Carport) durch Bau einer Rampe mit einer Steigung von maximal vier von Hundert (v.H.), Anlegen einer rollstuhlgerechten Zufahrt zur Terrasse/Gartenanlage und größere Plattform beim Carport. Durch diese Maßnahme würden ihm und auch seiner Pflegeperson der Alltag und die häusliche Pflege erheblich erleichtert; dadurch werde eine Verbesserung der Selbstständigkeit erreicht. Mit diesem zweiten Antrag auf Unterstützung zur Verbesserung des Wohnumfelds bzw. zur Gestaltung eines rollstuhlgerechten Wohnumfelds (Zahlung eines weiteren Höchstzuschusses von 2.557,00 EUR) wurden Angebote der Bauunternehmung St. vom 18. November 2002 ("Behindertengerechter Zugang/Erschließung, Verbreiterung Carport, Verbesserung Zugang Terrasse") sowie der Firma H. Baggerbetrieb vom 03. Dezember 2002 über 4.911,49 EUR bzw. 5.660,80 EUR vorgelegt.

Vom 03. bis 09. November 2002 befand sich der Kläger mit seinen Eltern in einem diagnostisch-therapeutischen Familienaufenthalt im Kinderneurologischen Zentrum M. (Bericht des Ärztlichen Direktors sowie Kinder- und Jugendarztes Dr. P. vom 15. Januar 2003). Ferner erfolgten dort ambulante Untersuchungen in der Spina-bifida-Sprechstunde am 12. Mai und 10. November 2003 (Arztbriefe des Dr. P. vom 14. Mai und 17. November 2003). Ferner fand eine Untersuchung des Klägers am 20. März 2003 in der Urologischen Abteilung (Leitender Arzt Oberarzt Privatdozent Dr. Sp.) des Bundeswehrkrankenhauses U. statt.

Mit Bescheid vom 17. März 2003 lehnte die Beklagte die weitere Zuschussgewährung ab. Nach dem Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Pflegekassen im Leistungsrecht in der Pflegeversicherung (Rundschreiben) seien alle Maßnahmen, die zum Zeitpunkt der Zuschussgewährung und damit auch auf der Grundlage des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Hilfebedarfs erforderlich seien, als eine Verbesserungsmaßnahme zu bewerten. Hierbei sei nicht maßgeblich, ob die notwendigen Einzelmaßnahmen jeweils auf die Ermöglichung bzw. Erleichterung der häuslichen Pflege oder auf die Wiederherstellung einer möglichst sehr selbstständigen Lebensführung des Pflegebedürftigen gerichtet seien, jeweils auf die Verbesserung der Lage in demselben Pflegebereich oder auf verschiedenen Pflegebereichen abzielten, in demselben Raum der Wohnung oder in verschiedenen Räumen durchgeführt würden oder innerhalb oder außerhalb der Wohnung bzw. des Hauses stattfänden. Eine andere Beurteilung sei nur möglich, wenn sich die Pflegesituation ändere und weitere Maßnahmen zur Wohnumweltverbesserung erforderlich würden. Eine neue Pflegesituation sei nach den vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar. Die Firma St. Bauunternehmung hat die streitigen Arbeiten gemäß ihrem Angebot vom 18. November 2002 durchgeführt und dafür am 28. Februar 2003 4.980,98 EUR berechnet.

Mit den gegen den Ablehnungsbescheid eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, das im Rundschreiben aufgezeigte Beispiel zeige, dass das zunehmende Alter mit den dadurch bedingten weiteren Einschränkungen in der Hilfestellung durch die Pflegeperson einen erneuten Zuschuss rechtfertigen könne. So verhalte es sich bei der Pflegesituation bei ihm. Er werde in seinem persönlichen Entwicklungszustand nicht nur vom Gewicht schwerer, so dass damit die Pflege- und Transportsituation erschwert werde; vielmehr habe auch die medizinische Gesamtsituation einen schleichenden Verschlechterungsprozess genommen. Dazu verweise er auf die vorgelegten Klinikberichte. Die "zunehmend eingeschränkten Hilfestellungen" seien als Änderung der Pflegesituation zu werten. Eine Erhöhung der Pflegestufe sei keineswegs Voraussetzung für die erneute Zuschussgewährung. Zur Änderung der Pflegesituation müsse ein Gutachter gehört werden, der in Fragen seiner spezifischen Erkrankung und der damit einhergehenden täglich wechselnden Pflegesituation vertraut sei. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid der bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsstelle vom 29. April 2003 zurückgewiesen. Darin wurde ausgeführt, die Leistungsvoraussetzungen des § 40 Abs. 4 SGB XI lägen nicht vor. Es wurde auf die MDK-Stellungnahme des Dr. K. vom 22. August 2001 Bezug genommen, in der ausgeführt war, die Frage, ob die Maßnahmen der Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse des Versicherten dienten (beispielsweise Verlassen der Wohnung/des Hauses), sei für die Bewertung im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes nicht relevant.

Deswegen erhob der Kläger am 16. Mai 2003 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Der Kläger trug vor, der Neubau/Umbau bzw. die Bezugsfertigkeit des Hauses sei am 30. August 2002 hergestellt gewesen. Die Einbauarbeiten bzw. Fertigstellung des Aufzugs sei mit der TÜV-Abnahme am 20. März 2002 abgeschlossen gewesen. Aus dem vorgelegten Bericht des Dr. P. vom 15. Januar 2003 ergebe sich, dass er zwischenzeitlich mit einem Rollstuhl versorgt gewesen sei. Einschießende Spasmen im Bereich beider Beine hätten ein selbstständiges Fortbewegen nur noch mit dem Rollstuhl möglich gemacht. Eine entsprechende Verschlechterung sei so in dieser Form vor ungefähr drei Jahren noch nicht absehbar gewesen. Vom Rollstuhl habe er selbstständig zum Tripp-Trapp-Stuhl wechseln können. Den Rollstuhl könne er selbst fahren. In der wärmeren Jahreszeit ergebe sich die Notwendigkeit, dass er, der Kläger, die Möglichkeit haben müsse, ins Freie zu gelangen. Er müsse aus Sicherheitsgründen auf dem Grundstück verbleiben. Im häuslichen Bereich und im Garten seien umso mehr die zur Zuschussgewährung vorgetragenen Baumaßnahmen erforderlich gewesen, um seine Pflegepersonen zu entlasten, wenn er, der Kläger, seine Bewegungsübungen im Rollstuhl durchführe. Dabei gehe es auch um die positive Beeinflussung des Harnwegsmanagements. Bei der Entscheidung aus dem Jahre 2001 sei es um verschiedene Baumaßnahmen gegangen, die dem Innenausbau gedient hätten und in einem inneren Zusammenhang damit gestanden hätten. Bei Herstellung des Aufzugs sei man davon ausgegangen, dass es ihm noch möglich sein werde, den Außenbereich mit seinen Orthesen eigenständig begehen zu können. Dies habe sich jedoch nicht bewahrheitet. Er sei zunehmend auf den Rollstuhl angewiesen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe er noch eine beckenübergreifende Gehorthese mit Rollator verwendet. Später habe er nur noch im Rollstuhl gesessen. Die jetzt streitigen Maßnahmen dienten der Verbesserung im Außenbereich, um es ihm zu ermöglichen, selbstständig das Wohnhaus zu verlassen und den Park bzw. Terrassenbereich eigenständig zu erreichen. Bei der Bezuschussung des eingebauten Aufzugs sei es um das Überwinden der Treppen im Innenbereich gegangen. Das Bundessozialgericht (BSG) lege den Wortlaut des § 40 Abs. 4 SGB XI zu eng aus, wenn es die Gewährung eines zweiten Zuschusses erst dann zulasse, wenn sich die Pflegesituation objektiv ändere und dadurch im Laufe der Zeit Schritte zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds erforderlich würden, die bei Durchführung der ersten Baumaßnahmen noch nicht notwendig gewesen seien. Der Kläger verwies auch auf ein Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Mai 2003. Er reichte auch weitere Unterlagen ein, darunter die oben genannten Arztbriefe, ferner Baupläne und Rechnungen des TÜV Bau und Betrieb vom 03. Mai 2002 sowie die Schlussrechnung der Firma OTIS vom 26. März 2002.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Ein weiterer Zuschuss könnte nur bewilligt werden, wenn sich die Pflegesituation ändere und weitere Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung erforderlich würden. Unter Zurückstellung von Bedenken und unter Berücksichtigung des fortschreitendem Lebensalters, damit auch der Zunahme des Körpergewichts und der Größe des Kindes sowie einer eher zu erwartenden Verschlechterung seines Gesundheitszustands, sei sie, die Beklagte, dem Kläger bereits entgegengekommen und habe prospektiv die erste Maßnahme, Einbau des Aufzugs, schließlich befürwortet, damit diese bei dem Hausneubau von Anfang an habe berücksichtigt werden können und nicht erst in einigen Jahren nachträglich mit erheblichen Mehrkosten hätte realisiert werden müssen. Mit der Zahlung des Betrags von 2.557,00 EUR am 15. Oktober 2002 sei der Höchstbetrag ausgeschöpft. Aus dem vorgelegten Bericht des Dr. P. vom 15. Januar 2003 gehe nicht hervor, dass sich innerhalb kürzester Zeit gravierende Änderungen in der Pflegesituation ergeben hätten, es werde vielmehr vorausschauend dargelegt, welche Möglichkeiten in der Zukunft ergriffen werden könnten. Belegt sei lediglich eine langsam fortschreitende Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers. Bereits zum Zeitpunkt der Beantragung des Zuschusses für den Innenlift sei bekannt gewesen, dass ebenfalls ein behindertengerechter Zugang zum Haus erforderlich sein werde. Insoweit seien nach der Rechtsprechung des BSG alle Einzelmaßnahmen bei der Erstellung des Neubaus rechtlich als eine Maßnahme (Gesamtmaßnahme) anzusehen, weil sie aufgrund des objektiven Pflegebedarfs des Klägers zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses erforderlich gewesen seien. Insoweit verwies die Beklagte auf die Urteile des BSG vom 03. November 1999 (B 3 P 6/99 R) und vom 26. April 2001 (B 3 P 24/00 R). Der Bericht des Dr. P. vom 15. Januar 2003 bestätige weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers, sondern formuliere den Befund als "weiterhin unverändert" bzw. "in unveränderter Weise".

Das SG erhob schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des Kinder- und Jugendarztes Dr. Ru. vom 08. September 2003, des Privatdozenten Dr. Sp. vom 15. September 2003 und der Ärztin E. vom Kinderneurologischen Zentrum M. vom 22. September 2003. Auf die Auskünfte wird Bezug genommen.

Mit Urteil vom 15. April 2005, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 04. Mai 2005 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Im Falle des Klägers bestehe kein Anspruch auf einen weiteren Zuschuss, da alle Maßnahmen, sowohl der behindertengerechte Innenausbau als auch die behindertengerechte Gestaltung des Außenbereichs, als eine Maßnahme anzusehen seien, da sie aufgrund des objektiven Pflegebedarfs des Klägers zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses erforderlich gewesen seien. In seinem Gesundheitszustand habe sich seit der ersten Antragstellung auf Zuschussgewährung bzw. seit Beginn des Hausbaus nur eine geringfügige Verschlechterung ergeben. Bereits zum damaligen Zeitpunkt habe dem Kläger ein Rollstuhl zur Verfügung gestanden. Auch deswegen seien ein Personenaufzug, eine befahrbare Dusche im Bad, abgesenkte Waschbecken und verbreiterte Türen eingebaut worden. Weshalb ein behindertengerechter Zugang zum Carport des Hauses bzw. zur Terrasse bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht erforderlich gewesen sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Dass die Gestaltung der Außenanlage zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen worden sei, habe den allgemeinen Gegebenheiten entsprochen. Allein der objektive Pflegebedarf des Klägers mache die Gestaltung eines behindertengerechten Zugangs zu einem späteren Zeitpunkt jedenfalls nicht erforderlich.

Gegen das Urteil des SG hat der Kläger am 11. Mai 2005 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er hat das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 26. Mai 2003 (L 3 P 54/02) vorgelegt. Er trägt vor, dass sich bei ihm die Pflegesituation seit der Bewilligung des ersten Zuschusses objektiv und gravierend verändert habe. Der Innenbereich des Hauses sei von Anfang an behindertengerecht geplant, d.h. rollstuhlgerecht ausgestattet, gewesen, damit er sich mit dem Rollstuhl zu jeder Zeit im gesamten Haus habe aufhalten und frei bewegen können. Insoweit sei "sicherheitshalber" eine komplette rollstuhlgerechte Ausgestaltung vorgenommen worden. Es sei klar gewesen, dass er in besten Fall hilfsweise auf einen Rollstuhl würde zurückgreifen müssen. Da er trotz seiner Erkrankung überaus mobil gewesen und von seinen Eltern entsprechend gefördert worden sei, seien diese daher davon ausgegangen, dass er auch noch weiterhin in der Lage sein würde, sich mittels Orthesen oder ohne Hilfsmittel krabbelnd zu bewegen und dass der Rollstuhl im Wesentlichen nur bei längeren Verrichtungen in Zwangshaltung sowie bei Krankheit oder Ermüdung notwendig sein würde. Anfangs habe er mittels der Orthesen eine Wegstrecke von rund 400 Metern zurücklegen können. Insoweit sei im Außenbereich zunächst eine Garage geplant gewesen. Der Zugang zur Garage hätte über eine Rampe erfolgen sollen. Im Rahmen der diagnostischen Woche, an der er und seine Eltern vom 03. bis 09. November 2002 teilgenommen hätten, sei eine Verschlechterung des Allgemeinzustands bei ihm absehbar gewesen. Im Kleinkindalter hätten sich die Beeinträchtigungen bei ihm in Grenzen gehalten und sich dann im Laufe der Zeit verstärkt. Auf die drohende Verschlechterung sei bereits im vorgelegten Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2000 hingewiesen worden. Seine Eltern hätten dann die ursprüngliche Planung des Außenbereichs in den jetzigen Zustand geändert. Der Außenbereich sei inzwischen fertig gestellt. Der Zugang zur Terrasse sei 2004 geschaffen worden, der Pflasterbelag sei dann 2005 aufgebracht worden. Mit einem Rollstuhl sei er erstmals am 30. November 1999 versorgt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. April 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2003 zu verurteilen, ihn einen weiteren Zuschuss in Höhe von 2.557,00 EUR zu gewähren, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf Gewährung eines weiteren Zuschusses vom 04. März 2003 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden, weiter hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide im Hinblick auf die Urteile des BSG vom 03. November 1999 und 26. April 2001 für zutreffend. Sie äußerte sich auch zur Rollstuhlversorgung des Klägers durch die Krankenkasse seit Oktober 1999 und reichte die MDK-Pflegegutachten vom 11. August 2000 und 22. Oktober 2001 ein.

Der Berichterstatter des Senats hat die Beteiligten mit Schreiben vom 11. Oktober 2005 und 24. April 2008 auf die Möglichkeit einer Entscheidung des Senats durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen. Dazu hat sich der Kläger zuletzt dahin geäußert, dass er mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, ist der Bescheid der Beklagten vom 17. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2003 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von EUR 2.557,00, aber auch nicht auf die mit der Berufung hilfsweise verfolgte erneute Bescheidung seines Antrags vom 04. März 2003.

Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Der Kläger begehrt die Zahlung von EUR 2.557,00 für den im März 2003 beantragten (weiteren) Zuschuss zur behindertengerechten (rollstuhlgerechten) Planung und Umgestaltung des Wohnumfelds im am 30. August 2002 mit seiner Familie bezogenen Neubau, nämlich im Außenbereich rollstuhlgerechter Zugang/Eingang zum Parkplatz bzw. der Abstellmöglichkeit des PKW (Carport) durch Bau einer Rampe mit einer Steigung von maximal 4 v.H., Anlegen einer rollstuhlgerechten Zufahrt zur Terrasse/Gartenanlage und größere Plattform beim Carport. Entsprechende Arbeiten im Außenbereich des Neubaus wurden von der Bauunternehmung St. gemäß dem Angebot vom 18. November 2002 durchgeführt und am 28. Februar 2003 mit EUR 4.980,98 berechnet. Für den am 20. März 2002 abgeschlossenen Einbau eines Personenaufzugs hatte der Kläger in der Planungsphase des Neubaus bereits im August 2001 einen Zuschuss beantragen lassen, den die Beklagte (nach ursprünglich ablehnendem Bescheid vom 12. September 2001) dann mit dem Höchstbetrag mit Bescheid vom 17. September 2002 bewilligt und nach Vorlage von Rechnungen über insgesamt EUR 30.247,03 ausgezahlt hatte.

Der Zahlungsanspruch beurteilt sich nach § 40 Abs. 4 SGB XI, der bestimmt: Die Pflegekassen könne subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Die Höhe der Zuschüsse ist unter Berücksichtigung der Kosten der Maßnahme sowie eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit von dem Einkommen des Pflegebedürftigen zu bemessen. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von EUR 2.557,00 je Maßnahme nicht übersteigen. Welche Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes in Betracht kommen, liegt nicht im Ermessen der Pflegekassen, vielmehr handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Überprüfung durch die Gerichte unterliegt (BSG SozR 3-3300 § 40 Nr. 1; SozR 3-3300 § 40 Nr. 1). Eine "Maßnahme" im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB XI umfasst sämtliche Umbauten und technische Hilfen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen objektiv erforderlich sind (BSG SozR 3-3300 § 40 Nrn. 2 und 3). Die Zusammenfassung mehrerer Einzelmaßnahmen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verbesserung des individuellen Umfeldes eines Pflegebedürftigen notwendig sind, zu einer Gesamtmaßnahme im Rechtssinne mit der Folge, dass nur einmal ein Anspruch auf Zuschuss bis zum Höchstbetrag besteht, gilt auch dann, wenn die Einzelmaßnahmen nicht in einem Auftrag gemeinsam vergeben oder zeitlich nacheinander durchgeführt werden. Für die Qualifizierung als Gesamtmaßnahme ist auch nicht maßgeblich, ob die notwendigen Einzelmaßnahmen innerhalb oder außerhalb der Wohnung bzw. des Hauses stattgefunden haben. Die Gewährung eines zweiten Zuschusses kommt also erst dann in Betracht, wenn sich die Pflegesituation objektiv ändert und dadurch im Lauf der Zeit Schritte zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds erforderlich werden, die im Zuge der ersten Umbaumaßnahme noch nicht notwendig waren (BSG SozR 3-3300 § 40 Nr. 2; SozR 4-3300 § 40 Nr. 4). Auch der Neubau eines behindertengerecht gestalteten Eigenheims kann als Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes von der Pflegekasse bezuschusst werden. Jedoch sind alle Einzelmaßnahmen bei der Erstellung eines Neubaus rechtlich als "eine Maßnahme" (Gesamtmaßnahme) anzusehen, wenn sie aufgrund des objektiven Pflegebedarfs zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses erforderlich waren. In derartigen Fällen ist eine Aufspaltung in rechtlich getrennt zu betrachtender Einzelmaßnahmen nicht zulässig (BSG SozR 3-3300 § 40 Nr. 5). Für die Frage, welche Maßnahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt objektiv erforderlich waren, soll insoweit der Zeitpunkt der Durchführung der Umbauarbeiten, wenn der Zuschuss nachträglich beantragt wird, bzw. der Zeitpunkt der Antragstellung, wenn die Umbauarbeiten erst danach durchgeführt worden sind oder werden sollen, maßgebend sein (BSG SozR 4-3300 § 40 Nr. 4 Rdnr. 19).

Der Senat unterstellt zwar, dass bei den ersichtlich zwischen dem 18. November 2002 (Angebot) und dem 28. Februar 2003 (Rechnung) durchgeführten Arbeiten im Außenbereich des Neubaus die Voraussetzungen des Zuschussanspruchs dem Grunde nach gegeben sind. Die Beklagte hat jedoch den dem Grunde nach bestehenden Zuschussanspruch des Klägers durch die Zahlung des gesetzlichen Höchstbetrags von EUR 2.557,00 für den Personenaufzug bereits erfüllt. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass im November 2002/Februar 2003 eine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers objektiviert ist, sodass sich erst jetzt, nachdem der Neubau am 30. August 2002 bezogen worden war, die Notwendigkeit ergeben hat, mit der, so der Kläger im Antrag vom 01. März 2003, zweiten Phase zur behindertengerechten bzw. rollstuhlgerechten Planung und Umgestaltung des Wohnumfeldes zu beginnen. Der Senat berücksichtigt, dass es bei beiden Gestaltungen im Innenbereich (Einbau des Personenaufzugs, der am 20. März 2002 abgeschlossen war) einerseits und im Außenbereich hinsichtlich des erst am 30. August 2002 bezogenen Neubaus darum ging, diesen Neubau insgesamt für den Kläger rollstuhlgerecht zu gestalten. Insoweit spricht der Kläger selbst im Antrag vom 01. März 2003 von der zweiten Phase der rollstuhlgerechten Planung und Umgestaltung des Wohnumfeldes, da schon mit dem Einbau des Personenumzugs dem Umstand Rechnung getragen werden sollte, dass es für ihn als mehrfach Schwerbehindertem nicht möglich gewesen sei, sich in der gewohnten Anlage der Wohnung zu bewegen. Schon der Einbau des Personenaufzugs war im Hinblick darauf, dass der Kläger wesentlich auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen war, ersichtlich eine Maßnahme im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB XI (vgl. dazu auch BSG SozR 4-3300 § 40 Nr. 1 Rdnr. 5). Der Kläger war bereits seit Oktober 1999 wegen der bei ihm bestehenden Behinderungen mit einem Kinderrollstuhl versorgt, der im Januar 2002 wachstumsbedingt erneuert wurde. Im Pflegegutachten vom 11. August 2000 wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger außer Haus einen Rollstuhl benutze. Auch Dr. P. hat im Arztbrief vom 15. Januar 2003 insoweit erwähnt, dass der Kläger seit Frühjahr 2002 einen Rollstuhl besitze, den er gut und gerne benutze. Daraus entnimmt der Senat, dass die rollstuhlgerechte Ausgestaltung des Wohnumfeldes des Klägers sowohl im Innen- als auch im Außenbereich bereits spätestens beim Bezug des Neubau im August 2002 objektiv erforderlich war, ohne dass es darauf ankommt, ob und in welchem Umfang bis dahin dem Kläger die Benutzung der Orthesen zum Stehen möglich war, wobei Dr. P. im genannten Arztbrief hervorgehoben hat, dass im November 2002 die Orthesen dreimal wöchentlich für eine Stunde zum Stehen getragen würden. Damit ist im rechtlichen Sinne davon auszugehen, dass der Einbau des Personenaufzugs und die Maßnahmen zur rollstuhlgerechten Gestaltung des Außenbereichs des Neubaus eine Maßnahme waren, für die nur ein Zuschuss, der bereits ausgezahlt worden ist, beansprucht werden kann. Die beiden Phasen dienten im Hinblick auf die Benutzung des Rollstuhls durch den Kläger dazu, sein Wohnumfeld rollstuhlgerecht zu gestalten. Selbst wenn zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung im August 2001 die objektive Notwendigkeit des Personenaufzugs nur prospektiv im Hinblick auf den Einzug in den Neubau beurteilt wurde, geht der Senat davon aus, dass jedenfalls beim Einzug in den Neubau im August 2002 die Benutzung des Personenaufzugs aufgrund der damals bereits bestehenden Pflegesituation geboten war. Jedenfalls kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass im August 2001 die Benutzung eines Rollstuhls im damaligen Wohnumfeld noch nicht erforderlich gewesen sein könnte.

Da bereits die Rechtsvoraussetzungen für den Anspruch auf einen Zuschuss für eine Maßnahme im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB XI nicht vorliegen, kam es auf eine Ermessensausübung durch die Beklagte nicht an.

Danach war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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