L 4 KR 4694/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 1088/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4694/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. August 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, sie sei im Unternehmen des Beigeladenen zu 1), ihres Ehemannes, seit 01. August 1997 in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig beschäftigt und ab dem 01. Januar 2002 nur in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Die am 1972 geborene Klägerin, die eine Ausbildung zur Bürokauffrau absolvierte, ist seit Dezember 1996 mit dem Beigeladenen zu 1) verheiratet, lebt mit diesem im Güterstand der Zugewinngemeinschaft und ist Mutter zweier 1998 und 2001 geborener Söhne. Der Beigeladene zu 1) ist seit 09. Januar 1997 Inhaber der Einzelfirma "O.-S. S., K.-platz , 7. A.-W.", mit zwei Filialen in A. (B.-straße) und E. (M.-straße). Der frühere Betriebsinhaber, J. S., ist Verpächter der Betriebsstätten; von 1997 bis 2001 war er als nicht sozialversicherungspflichtiger freier Mitarbeiter und seine Ehefrau bis 2003 als sozialversicherungspflichtige Angestellte beim Beigeladenen zu 1) tätig. Insgesamt beschäftigt der Beigeladene zu 1) ca. 13 Mitarbeiter, davon einen Orthopädieschuhmachermeister und drei Schuhmacher. Die Klägerin übt seit 01. August 1997 eine Tätigkeit beim Beigeladenen zu 1) aus. Sie vertritt nach ihren eigenen Angaben die Geschäftsführung und ist für die Einkaufsplanung und abwicklung, die Führung und Organisation des Ladenverkaufs sowie als Personalchefin für die Einstellung und Entlassung von Verkaufspersonal zuständig. Sie erhält seit Beginn der Tätigkeit ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt (zuletzt brutto EUR 3.645,00), das als Betriebsausgabe gebucht wird und von dem Lohnsteuer sowie an die Beklagte als Einzugsstelle Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Die Anmeldung als pflichtversichertes Mitglied bei der Beklagten erfolgte am 22. Januar 1998 rückwirkend zum 01. August 1997. Bis zum 31. Dezember 2001 wurden Gesamtsozialversicherungsbeiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung geleistet; seit 01. Januar 2002 ist die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenzen entfallen.

Am 03. August 2005 beantragten die Klägerin und der Beigeladene zu 1) unter Vorlage des mit 30. Juli 2005 datierten Feststellungsbogens für die versicherungsrechtliche Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen die Prüfung der Versicherungspflicht ab dem 01. August 1997. Sie legten dar, die Klägerin sei seit 01. August 1997 als Vertreter des Betriebsinhabers beschäftigt. Die Tätigkeit wurde wie folgt beschrieben: Selbstständige Mitarbeit und Vertretung der Geschäftsführung, Einkaufsplanung und -abwicklung, Führung und Organisation des Ladenverkaufs, Personalchefin, Einstellung und Entlassung von Verkaufspersonal. An sechs Wochentagen arbeite sie über 60 Stunden bei einer Arbeitszeit nach Belieben und einem regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelt von brutto EUR 3.645,00. Hinzu komme Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie ein Dienstfahrzeug. Das regelmäßig monatlich gezahlte Arbeitsentgelt werde auf ein privates Bankkonto überwiesen, wobei es wegen übertariflicher Mehrarbeit der Klägerin das tarifliche bzw. ortsübliche Gehalt übersteige. Sie sei nicht wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert und unterliege nicht den Weisungen des Beigeladenen zu 1). Des Weiteren könne sie ihre Tätigkeit frei bestimmen und gestalten, wirke bei der Führung des Betriebs im Sinne eines gleichberechtigten Nebeneinander mit und Ansprüche auf Urlaub oder Einhaltung von Kündigungsfristen bestünden nicht. Im Fall der Arbeitsunfähigkeit werde Arbeitsentgelt für sechs Wochen fortgezahlt. Vom Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet und das Arbeitsentgelt werde als Betriebsausgabe gebucht. Sie sei am Betrieb nicht beteiligt, habe dem Beigeladenen zu 1) jedoch Darlehen in Höhe von EUR 30.000,00 gewährt. Die Betriebstätte sei vom Beigeladenen zu 1) von J. S. gepachtet worden. Es wurden drei zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) geschlossene Darlehensverträge vom 28. Dezember 1996 in Höhe von DM 20.000,00 (Darlehen I), vom 30. März 1998 in Höhe von DM 22.000,00 (Darlehen II; nach Angaben der Klägerin im Berufungsverfahren für Ladeneinrichtung und Renovierung) und vom 30. Dezember 2002 in Höhe von EUR 10.000,00 (Darlehen V) vorgelegt. Mit Bescheiden vom 07. November 2005 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) fest, die Klägerin übe seit 01. August 1997 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus. Eine persönliche Arbeitsleistung trete nicht mehr in den Vordergrund, wenn das Gesamtgut des mitarbeitenden Familienangehörigen das Sechsfache des vereinbarten Jahresarbeitsentgelts überschreite. Das Sechsfache des vereinbarten Jahresentgelts von EUR 262.440,00 werde durch die gewährten Darlehen in Höhe von EUR 31.474,26 nicht überschritten.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei weder in den Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert, noch sei sie einem "faktischem Direktivrecht" des Beigeladenen zu 1) unterworfen. Sie führe das Unternehmen, dass aus insgesamt drei Filialen bestehe, gemeinsam mit dem Beigeladenen zu 1) in gleichberechtigter und arbeitsteiliger Weise. Das Unternehmen diene der Anfertigung und dem Handel von sog. Bequemschuhen und orthopädischen Hilfsmitteln. Während sich der Beigeladene zu 1) ausschließlich der Orthopädie (Anfertigungsprozesse) widme, kümmere sie sich um den Wareneinkauf, die Betreuung der beiden Filialen, den kaufmännischen Bereich des Gesamtunternehmens einschließlich der betriebswirtschaftlichen Planung der Buch- und Lohnbuchhaltung sowie auch um das Personalwesen einschließlich der Personalplanung und -weiterbildung sowie um die Erweiterung bzw. Reduzierung des Personalstammes. Im Übrigen führe sie dem Betrieb stets dann, wenn sie dies für erforderlich erachte, eigene Mittel darlehensweise zu, um die Liquidität zu erhalten. Sie habe dem Beigeladenen zu 1) zusätzlich zu den bereits genannten Darlehen am 20. Januar 2002 ein Darlehen in Höhe von DM 50.000,00 (Darlehen III; nach Angaben der Klägerin im Berufungsverfahren für Sondertilgung) und am 08. Januar 2002 ein Darlehen in Höhe von EUR 15.000,00 (Darlehen IV; nach Angaben der Klägerin im Berufungsverfahren ebenfalls für Sondertilgung) gewährt. Sie sei bereit, dem Beigeladenen zu 1) weitere Darlehen zur Verfügung stellen, falls unüberbrückbare Verbindlichkeiten entstünden. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 03. März 2006). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin erhalte ein angemessenes Arbeitsentgelt. Zwar unterliege sie keinen Weisungen, ihre Tätigkeit und das Aufgabengebiet seien aber fest umrissen. Die gewährten Darlehen überstiegen nicht das Sechsfache des regelmäßigen jährlichen Arbeitsentgelts, sodass der Wert der persönlichen Arbeitsleistung eindeutig im Vordergrund stehe und eine Mitunternehmerschaft ausgeschlossen sei. Die Klägerin trage kein unternehmerisches Risiko. Der Beigeladene zu 1) entrichte Lohnsteuer und das Arbeitsentgelt werde als Betriebsausgabe verbucht. Die Klägerin sei entsprechend der Meldungen des Beigeladenen zu 1) vom 01. August 1997 bis 31. Dezember 2001 sozialversicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung gewesen und ab 01. Januar 2002 bis heute in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Zudem seien im Zeitraum von 1997 bis 2001 aufgrund der Versicherungspflicht auch umfangreiche Leistungen der Krankenversicherung erbracht worden. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso der eigene Wille von 1997 sozialversicherungspflichtig zu werden, jetzt rückwirkend nach acht Jahren nicht mehr gelten und korrigiert werden solle.

Die Klägerin erhob am 20. März 2006 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Zur Begründung verwies sie auf ihr bisheriges Vorbringen und legte verschiedene Unterlagen über Weiterbildungsmaßnahmen vor (Dekorationsseminar im Januar 1996, Workshops zu den Themen strategische Unternehmensführung [Februar 1998], Führung [Juli 1998], Vertriebsmanagement [Januar 2000] und Coaching/Jahreszielmeeting 2001 [Dezember 2000]), den Versicherungsverlauf der Beigeladenen zu 2) vom 11. Oktober 2005 und Darlehensverträge (Darlehen I bis V) vor. Weiter trug sie vor, dass es nicht darauf ankomme, ob man sich damals einen Sozialversicherungsschutz gewünscht habe, sondern allein darauf, ob die konkrete Tätigkeit in ihrer tatsächlichen Aus¬gestaltung der betrieblichen Praxis die Voraussetzungen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfülle oder nicht. Sie sei damals zusammen mit dem Beigeladenen zu 1) davon ausgegangen, dass jeder, der nicht selbst Inhaber oder Teilhaber eines Unternehmens sei, einer lückenlosen Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen unterliege. Weder sie noch der Beigeladene zu 1) seien mangels auch nur "fragmentarischer Kenntnis" des Rechts der Sozialversicherungspflicht in der Lage, zwischen einem abhängig und damit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und einem nicht abhängig und damit sozialversicherungsfreien Beschäftigten zu unterscheiden. Sie habe bereits im Jahr 1996 zusammen mit den Beigeladenen zu 1) über das "Ob" und "Wie" des Erwerbs des Orthopädie- und Schuhfachgeschäfts beraten. Das damalige Volumen habe sich auf insgesamt eine Million DM belaufen. Das notwendige Eigenkapital von DM 60.000,00 habe aus Mitteln von ihr in Höhe von DM 20.000,00 und aus Mitteln des Beigeladenen zu 1) in Höhe von DM 40.000,00 gestammt. Bei ihrem Betrag habe es sich um die Ansparsumme aus einem damals zuteilungsreifen Bausparvertrag gehandelt. Auf Veranlassung des Steuerberaters W. habe sie diesen Betrag in Form eines ungesicherten Darlehens erbracht, das bislang noch nicht zurückgezahlt worden sei. Ohne ihre finanzielle Beteiligung hätte der Unternehmenskauf nicht vollzogen werden können. Zudem stehe der Betrieb auf zwei Beinen, der Orthopädieleistung des Beigeladenen zu 1) und dem reinen Schuhhandel, um den sie sich allein kümmere. Sie führe auch zweimal im Jahr den "großen Wareneinkauf" durch, der ein Volumen von insgesamt ca. EUR 300.000,00 habe.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies darauf, dass die Klägerin im Januar 1998 rückwirkend zum 01. August 1997 zur Sozialversicherungspflicht angemeldet worden sei. Die Klägerin habe am 12. Juli 1998 ihren Sohn entbunden und hierfür Leistungen von ihr (der Beklagten) erhalten. Dies spreche dafür, dass der Sozialversicherungsschutz zum damaligen Zeitpunkt gewünscht worden sei. Auch habe die Beigeladene zu 2) mit Schreiben vom 30. Januar 2007 mitgeteilt, dass sie ebenfalls der Auffassung sei, dass die Klägerin der Sozialversicherungspflicht unterliege. Gegen das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit spreche, dass die Klägerin kein echtes Unternehmerrisikos trage, weil sie ein regelmäßiges Gehalt in angemessener Höhe erhalte. Zudem hafte im Einzelunternehmen ausschließlich der Einzelunternehmer. Bei einem entsprechenden Willen der Beteiligten hätte durch die Gründung einer Personengesellschaft dokumentiert werden können, dass eine selbstständige Tätigkeit vorliege.

Das SG hörte im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 14. November 2006 die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 14. November 2006 (Bl. 47 bis 51 der SG-Akte) Bezug genommen. Mit Beschluss vom 14. Februar 2007 lud das SG die "Firma S., Inhaber M. B.", die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Bundesagentur für Arbeit und die Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg (Beigeladene 1 bis 4)) zu dem Verfahren bei. Die Beigeladenen zu 2) bis 4) äußerten sich zur Sache und zum Verfahren nicht.

Mit Urteil vom 14. August 2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Klägerin übe seit dem 01. August 1997 im Betrieb des Beigeladenen zu 1) eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Das Aufgabengebiet der Klägerin sei klar umrissen und füge sich in die Rahmenbedingungen ein, die von der Firma des Beigeladenen zu 1) geprägt und gekennzeichnet würden. Dass sie innerhalb ihres Aufgabengebiets nach ihren Vorstellungen Schalten und Walten könne, reiche nicht aus, um von dem Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit ausgehen zu können. Ein weiteres Indiz für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses sei, dass ohne die Mitarbeit der Klägerin eine weitere, wenn nicht gar zwei weitere Arbeitskräfte eingestellt werden müssten. Sie erhalte seit 2002 ein über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegendes Entgelt, von dem nicht gesagt werden könne, dass es eine bloße Unterhaltsleistung oder nur ein Taschengeld sei; es sei ein leistungsgerechtes Entgelt, was ein Kriterium für eine abhängige Beschäftigung sei. Sie trage auch kein eigenes Unternehmerrisiko, da sie nicht (Mit-)Inhaberin der Firma des Beigeladenen zu 1) sei. Die finanzielle Beteiligung der Klägerin sei nicht maßgeblich, da der finanzielle Einsatz des Beigeladenen zu 1) deutlich höher gewesen sei. Dass sie eigenverantwortlich ihr zugewiesene Arbeiten ausführe, führe nicht dazu, dass sie Mitunternehmerin im Rechtssinne sei. Allein der Beigeladene zu 1) trete als Inhaber der Firma und Träger des Unternehmens in Erscheinung. Die Tatsache, dass sie seit August 1997 keine Zweifel an der Richtigkeit ihrer Behandlung als abhängige Beschäftigte gehegt und auch Leistungen der Sozialversicherung in Anspruch genommen habe, stehe in deutlichem Widerspruch zu dem jetzigen Feststellungsbegehren. Eine "Kündigung" der öffentlich-rechtlich und gesetzlich geregelten Versicherungs- und Beitragspflichten sei nicht vorgesehen. Die Frage der Sozialversicherungspflichtigkeit unterliege nicht der Disposition der Beteiligten.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 27. August 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. September 2007 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Es bestehe ein Feststellungsinteresse, da sie beabsichtige, nach Feststellung der Versicherungsfreiheit einen Antrag auf Erstattung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung zu stellen. Die vom SG herangezogenen Indizien könnten die Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht tragen. Die maßgeblichen Umstände beurteile das SG nicht oder rechtsfehlerhaft. Ein unternehmertypisches Risiko bestehe bereits wegen ihrer Erbenstellung. Dies begründe eine besondere Eingebundenheit und ein besonderes Engagement zugunsten des Betriebs. Sie habe auch die Gründung bzw. die Übernahme des Betriebs mit eigenem Geld nicht nur erleichtert, sondern im Hinblick auf das notwendige Gesamteigenkapital von insgesamt DM 60.000,00 mit ihren damals gesamten verfügbaren Mitteln in Höhe von DM 20.000,00 zuzüglich des Miteigentums an einem PKW erst ermöglicht. Bei dem Betrag von DM 20.000,00 habe es sich im Übrigen um sog. Wagniskapital gehandelt. Ein unternehmertypisches Risiko könne nicht dadurch gemindert sein, dass ein anderer Mitunternehmer ein noch größeres Risiko trage. Ausschlaggebend sei, dass bei ihr die für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung typische "Abhängigkeit" fehle. Dies ergebe sich daraus, dass sie weder Weisungen des Beigeladenen zu 1) unterliege noch wie eine fremde Arbeitskraft in dem Betrieb eingegliedert sei. Die betrieblichen "Rahmenbedingungen" hätten sie und der Beigeladene zu 1) in gleichem Maße geschaffen. Es gebe kein Aufgabengebiet, dass ihr "zugewiesen" sei. Im Übrigen sei die Abführung von Lohnsteuer lediglich ein untergeordnetes Indiz. Auch sei die steuerrechtliche Beurteilung im Sozialversicherungsrecht nicht entscheidend und nicht vorgreiflich.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. August 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 07. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2006 aufzuheben sowie festzustellen, dass sie beim Beigeladenen zu 1) vom 01. August 1997 bis 31. Dezember 2001 nicht in der gesetzlichen Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung versichersicherungspflichtig beschäftigt war und ab 01. Januar 2002 nicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig beschäftigt ist.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend und verweist darauf, dass die Beigeladene zu 2) ihre Rechtsauffassung teile. Die Beigeladene zu 2) verweist auf die zutreffenden Gründe der Entscheidung des SG. Die Beigeladene zu 3) hat sich in der mündlichen Verhandlung des Senats - ohne eigene Antragstellung - der Auffassung der Beklagten angeschlossen.

Der Beigeladene zu 1) schließt sich - ohne eigene Antragstellung - den Ausführungen der Klägerin in vollem Umfang an. Der Familienbetrieb werde weiterhin in der Rechtsform des Einzelunternehmens betrieben. Da er und die Klägerin das Unternehmen gemeinsam führten und auch gemeinsam in dieses Unternehmen investiert hätten, gehe er davon aus, dass die Klägerin bereits am Unternehmen beteiligt sei. Von einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung, d.h. der Gründung einer formalen Personen- und Kapitalgesellschaft, habe der Steuerberater abgeraten, da die für eine GmbH entsprechende Größe nicht gegeben sei und eine Personengesellschaft für sie steuerlich nachteilig sei. Dies habe er so akzeptiert, da es sich aus seiner Sicht ohnehin um ein gemeinsames Unternehmen handle.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Berufungsakte, der Klageakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn es geht um die Versicherungspflicht der Klägerin über einen längeren Zeitraum als ein Jahr. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid vom 07. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. März 2006 rechtmäßig ist. Die Beklagte hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Klägerin seit 01. August 1997 bei dem Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt ist und deshalb vom 01. August 1997 bis 31. Dezember 2001 in allen Zweigen der Sozialversicherung der Versicherungspflicht unterlag sowie seit 01. Januar 2002 der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.

1. Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die nach § 28i Satz 1 SGB IV zuständige Einzugsstelle war hier die Beklagte, weil sie die Krankenversicherung durchführte. Da sie auf die entsprechende Anfrage des Klägers ein Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht einleitete, scheidet das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV aus, für das die Beigeladene zu 2) zuständig ist. Eine Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht, die eine Zuständigkeit der Beklagten für die Entscheidung ausschließt, ergibt sich für den vorliegenden Fall noch nicht aus § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 01. Januar 2005 durch Art. 4 Nr. 3 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954). Nach dieser Bestimmung hat die Einzugsstelle einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Nach § 28a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. d SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 30. März 2005 durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005 (BGBl. I, S. 818), müssen die Meldungen enthalten für jeden Versicherten insbesondere bei der Anmeldung die Angabe, ob zum Arbeitgeber eine Beziehung als Ehegatte oder Lebenspartner, seit 01. Januar 2008 auch als Abkömmling (erweitert durch Art. 15 des Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I, S. 3024) besteht. Das obligatorische Statusfeststellungsverfahren ist bei Ehegatten damit erst bei Anmeldungen durchzuführen, die ab dem 01. Januar 2005 bei den Einzugsstellen erfolgen. Die Anmeldung der Klägerin erfolgte vor dem 01. Januar 2005, nämlich mit Beginn der Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1) zum 01. August 1997.

1.1. Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs ([SGB III], bis 31. Dezember 1997 § 168 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes) sowie in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht [BVerfG] SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 16).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff.; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; BSGE 87, 53, 56; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 17).

Hierbei hat das BSG in zahlreichen Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung betont, dass es auch bei einer Familiengesellschaft wesentlich auf die Kapitalbeteiligung und die damit verbundene Einflussnahme auf die Gesellschaft und deren Betrieb ankommt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSG, Urteile vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 8/06 - und vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -, jeweils veröffentlicht in juris). Zwar führt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung, jedoch ist in diesen Fällen von einer abhängigen Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen abzugehen. Ein solcher Ausnahmefall kann z.B. bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die z.B. dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 RAr 25/86 -, veröffentlicht in juris). Dies bedeutet aber nicht, dass jede familiäre Verbundenheit zum Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist vielmehr ebenfalls unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSGE 3, 30, 39 f.; 17, 1, 7 f.; 74, 275, 278 f.; BSG SozR 2200 § 165 Nr. 90; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11).

Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem gegebenenfalls abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Dabei kommt der Höhe des Entgelts lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtsatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -, veröffentlicht in juris). Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist (BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 17). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSGE 34, 207, 210; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 1; SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11).

1.2. Vor diesem Hintergrund bestimmen sich vorliegend die rechtlich relevanten Beziehungen nach dem in der Praxis gelebten Ablauf der Tätigkeit, da eine (schriftliche) vertragliche Vereinbarung (Arbeitsvertrag) zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) nach deren Angaben nicht bestand und auch nicht besteht. Trotz der von der Klägerin schlüssig dargelegten Freiheiten in der Ausübung ihrer Tätigkeit im Hinblick auf die kaufmännische Leitung des Gesamtbetriebs überwiegen qualitativ die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.

1.2.1. Die Tätigkeit der Klägerin ab 01. August 1997 wurde und wird wie ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis abgewickelt. Die Klägerin erhält seit Beginn ihrer Beschäftigung beim Beigeladenen zu 1) ein regelmäßiges monatliche Bruttoentgelt, zuletzt in Höhe von EUR 3.645,00. Auch hat sie nach den Angaben im Feststellungsbogen vom 30. Juli 2005 Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts. Diese Vergütungspraxis entspricht typischerweise der Vergütung abhängig Beschäftigter. Es sind keine Anhaltspunkte vorhanden und auch nicht vorgetragen, dass das Arbeitsentgelt Bestandteile enthält, die nur ansatzweise auf eine (ggf. geringe) Gewinn- bzw. Umsatzbeteiligung schließen lassen. Insbesondere die Gewährung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld spricht gegen eine selbstständige Tätigkeit der Klägerin. Es handelt sich hierbei um klassische Entgeltkomponenten im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Dass das Gehalt der Klägerin über dem tariflichen bzw. dem ortsüblichen Lohn oder Gehalt liegt, wird von der Klägerin schlüssig und nachvollziehbar damit begründet, dass sie übertariflich mehr arbeitet. Damit handelt es sich jedoch um ein angemessenes Arbeitsentgelt für die Tätigkeit beim Beigeladenen zu 1). Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Zahlung des angemessenen Arbeitsentgelts mit den genannten Entgeltkomponenten deutlich macht, dass ein (sozialversicherungspflichtiges) Beschäftigungsverhältnis gewollt gewesen war.

Aus diesem Bruttoentgelt, das als Betriebsausgabe verbucht wird, werden seit 01. August 1997 Steuern und Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt. Die Verbuchung der Vergütung an Ehegatten als Betriebsausgaben und die tatsächliche zeitnahe Entrichtung von Lohnsteuer ist jedoch ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung (BSG SozR Nr. 22 zu § 165 RVO).

Zu Beginn der Beschäftigung beim Beigeladenen zu 1) hat offenbar kein Interesse bestanden, sich der Versicherungspflicht zu entledigen oder dies wenigstens seitens der Versicherungsträger prüfen zu lassen. Demgemäß ist mit der Einleitung des vorliegenden Verfahrens, erstmals dokumentiert durch den Feststellungsbogen vom 30. Juli 2005, ein "Sinneswandel" eingetreten. Eine Änderung in der Entgeltform wurde dennoch nicht vorgenommen.

Ein wesentlichen Anhaltspunkt, dass die Klägerin und der Beigeladene zu 1) selbst davon ausgegangen sind, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt, ist die Tatsache, dass die Klägerin im Januar 1998 rückwirkend zum 01. August 1997 zur Sozialversicherungspflicht angemeldet wurde. Das Sozialversicherungsverhältnis war mithin gewollt und wurde in der Vergangenheit auch gelebt. Die Behauptung der Klägerin, man habe dies aus Unkenntnis der sozialversicherungsrechtlichen Situation heraus getan und sei im übrigen davon ausgegangen, dass jeder Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig sei, überzeugt den Senat nicht. Aus der Tatsache, dass der frühere Betriebsinhaber ab 1997 als freier Berater beschäftigt und nicht zur Sozialversicherung angemeldet wurde sowie dem Umstand, dass dessen Ehefrau bzw. die übrigen Mitarbeiter zur Sozialversicherung angemeldet wurden, folgt, dass sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene zu 1) den Unterschied zwischen sozialversicherungspflichtiger und sozialversicherungsfreier Tätigkeit sehr wohl kannten bzw. kennen. Die Anmeldung der Klägerin zur Sozialversicherung und die fortlaufende Beitragsentrichtung bis in die Gegenwart zeigt zudem, dass der Beigeladene zu 1) seine eigene rechtliche Stellung innerhalb des Betriebs anders beurteilt hat als die seiner Ehefrau (der Klägerin) und insoweit keine Gleichrangigkeit bzw. Gleichberechtigung gesehen hat.

Damit aber war die Klägerin nicht - im Sinne des vom Senat regelmäßig gewichteten Kriteriums - am Unternehmensrisiko beteiligt. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - Rdnr. 26). Ein sozialversicherungsrechtlich relevantes Unternehmerrisiko ergibt sich nicht dadurch, dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) in der Zeit von Dezember 1996 bis Dezember 2002 insgesamt fünf Darlehen (Nr. I bis V) gewährt hat. Nachdem die Darlehen nach den Angaben der Klägerin bislang noch nicht zurückgezahlt worden sind, trifft sie zwar das Risiko einer "Ausfallshaftung". Diese persönliche Haftung der Klägerin mit ihrem privaten Vermögen tritt jedoch im Hinblick auf die zahlreichen Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, in den Hintergrund. Denn die Gewährung von Darlehen unter Eheleuten ist mit der Gewährung eines Darlehens durch einen fremden Arbeitnehmer, der nicht Angehöriger des Unternehmensinhabers ist, nicht zu vergleichen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 15. August 2008 - L 4 KR 4577/06 -, veröffentlicht in juris). Eheleute haben in der Regel ein gesteigertes beiderseitiges Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Hieraus ergibt sich aber noch nicht, dass die Klägerin ein wesentliches Unternehmerrisiko eingegangen ist. Dies zeigt sich maßgeblich darin, dass sie unabhängig von dem wirtschaftlichen Erfolg des Beigeladenen zu 1) eine feste monatliche Vergütung für ihre Tätigkeit erhält. Für die darlehensweise Überlassung von Eigenmitteln der Klägerin an den Beigeladenen zu 1) haben in erster Linie steuerrechtliche Gründe gesprochen. Dies ergibt sich für den Senat aus den Angaben der Klägerin vor dem SG am 14. November 2006. Die Klägerin hat hierbei erklärt, dass Steuerberater W. ihr und dem Beigeladenen zu 1) vorgeschlagen habe, die Eigenmittel im Rahmen eines Darlehens zur Verfügung zu stellen.

Dass der persönliche Arbeitseinsatz der Klägerin dadurch mitbestimmt ist, dass sie an einem wirtschaftlich gut aufgestellten Betrieb partizipiert, begründet die Tragung eines aktuellen Unternehmerrisikos nicht. Der Umstand, dass der Erfolg eines Unternehmens (auch) von den Fähigkeiten und dem Engagement der Klägerin abhängt, unterscheidet die Position qualitativ nicht wesentlich von derjenigen leitender Angestellter, die unter dem Anreiz einer möglichen Steigerung auch der eigenen Bezüge sich für die Prosperität des Unternehmens einsetzen. Allein aus einer etwaigen Erbenstellung folgt daher auch kein aktuelles Unternehmensrisiko.

Dass die Klägerin und der Beigeladene zu 1) im Jahr 1996 zusammen über das "Ob" und "Wie" des Erwerbs des Orthopädie- und Schuhfachgeschäfts beraten haben und der Kauf des Unternehmens im Januar 1997 von der Gewährung des (ersten) Darlehens in Höhe von DM 20.000,00 abhängig war, führt nicht dazu, dass die Klägerin formal am Unternehmen des Beigeladenen zu 1) beteiligt ist. Wenn in finanzieller Hinsicht jedoch eine formale Beteiligung fehlt, setzt die Annahme eines Unternehmerrisikos jedenfalls voraus, dass eine für eine abhängige Beschäftigung unübliche Vereinbarung oder tatsächliche Handhabung der Gestaltung und Zahlung der Vergütung besteht, die den Schluss zulässt, dass möglicherweise bei entsprechend schlechter wirtschaftlicher Lage des Unternehmens die Vergütungsforderung in der bisherigen Höhe nicht durchgesetzt werden kann. Anhaltspunkte für eine solche Vereinbarung bzw. für eine derartige tatsächliche Handhabe sind weder ersichtlich noch von der Klägerin behauptet.

1.2.2. Gegenüber den genannten fixen Entgeltbedingungen vermag die Klägerin ihren Anteil an den unternehmerischen Dispositionen nicht entscheidend ins Feld zu führen. Zwar vertritt sie nach ihren eigenen Angaben die Geschäftsführung und ist für die Einkaufsplanung und -abwicklung (u.a. gehört hierzu auch der "große Wareneinkauf" zweimal im Jahr mit einem Umfang von EUR 300.000,00), die Führung und Organisation des Ladenverkaufs sowie als Personalchefin für die Einstellung und Entlassung von Verkaufspersonal einschließlich der Urlaubplanung zuständig. Nach ihren Angaben gegenüber dem SG wird sie hierbei von einer Angestellten im Bürobereich unterstützt, die für die Abrechnung mit den Krankenkassen zuständig ist, soweit es sich um Hilfsmittel handelt. Auch hat die Klägerin sich im Bereich der Unternehmensführung durch verschiedene Workshops fortgebildet. Diese Indizien sprechen zwar für eine selbstständige Tätigkeit der Klägerin. Sie treten jedoch im Hinblick auf die Gesamtumstände in den Hintergrund. Die der Klägerin eingeräumten Befugnisse im Hinblick auf das Personalwesen (Einstellungen und Kündigungen) ändern nichts daran, dass nicht sie, sondern der Beigeladene zu 1) Arbeitgeber des Personals war und ist. Zwar mögen die zur Expansion des Unternehmens des Beigeladenen zu 1) führenden Dispositionen (wie zum Beispiel die Gründung der Filiale in A. oder die Renovierung der Niederlassung in E. im Jahr 1998) tatsächlich auf gemeinsamen Entscheidungen und auch dem (finanziellen) Einsatz der Klägerin beruht haben. Die Entscheidungen vollzogen sich aber im Rahmen der alleinigen Unternehmerschaft des Beigeladenen zu 1), der - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - auch alleiniger Träger des Haftungs- und Insolvenzrisikos ist. Wäre die Klägerin nicht Ehefrau des Beigeladenen zu 1), sondern ein Fremder unter Akzeptanz der gleichen Arbeitsbedingungen, wäre die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht vorstellbar. Die Klägerin ist ausweislich der Angaben im Feststellungsbogen vom 30. Juli 2005 auch nicht an eigener Betriebsstätte tätig, sondern an derjenigen des Beigeladenen zu 1), der die Betriebsräume gepachtet hat.

Eine Rechtsgrundlage, die die weitgehende Dispositionsfreiheit der Klägerin rechtfertigen würde, ist nicht erkennbar. Der Beigeladene zu 1) hätte es in der Hand, als alleiniger Unternehmer hindernd in die Freiheiten der Klägerin einzugreifen und diese dann im Sinne des hier entscheidenden Kriteriums "persönlich abhängig" werden zu lassen. Wenn er aufgrund der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Klägerin dies weitgehend unterlässt, unterscheidet sich die Situation nicht wesentlich von derjenigen eines Minderheitsgesellschafters, dem von der Mehrheit trotz bestehender Rechtsmacht freie Hand gelassen wird (vgl. hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Dass wegen des familiären Vertrauensverhältnisses auf die (schriftliche) Regelung typischer arbeitsrechtlicher Fragen wie Urlaub oder Kündigung verzichtet wird, vermag bei alledem nicht wesentlich ins Gewicht zu fallen. Gerade bei in einem Betrieb mitarbeitenden Ehegatten bestehen regelmäßig größere Freiheiten im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 1; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11). Solche größeren Freiheiten sind für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses unschädlich (BSG SozR Nr. 22 zu § 165 RVO).

Das Kriterium der Weisungsgebundenheit hilft nur begrenzt bei der Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt. So ist insbesondere die inhaltliche oder fachliche Weisungsbefugnis bei hoch qualifizierten Tätigkeiten eingeschränkt. Hierzu gehört die kaufmännische Leitung eines Unternehmens, wie sie die Klägerin im Betrieb des Beigeladenen zu 1) als - wie von ihr behauptet - stellvertretende Geschäftsführerin ausübte. Zudem kann auch die Tätigkeit eines Selbstständigen Bindungen und Weisungen eines Auftraggebers unterliegen. Auch der selbstständige Auftragnehmer (z.B. Handelsvertreter) steht in einem ständigen Vertragsverhältnis zu seinem Auftraggeber, dessen Interessen er wahrzunehmen hat.

Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) das Unternehmen weiterhin als Einzelfirma betreibt, ist ein (weiteres) Indiz dafür, dass er den Betrieb nicht aus der Hand geben will. Dass hierfür steuerrechtliche Gründe sprechen, wie der Beigeladene zu 1) behauptet, ist nicht maßgeblich. Denn aus rechtlicher Sicht bleibt er weiterhin Alleininhaber der Firma und haftet auch allein für Verbindlichkeiten seiner Firma.

Die Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, überwiegen mithin bei weitem.

2. Die Beklagte hat die Feststellung der Versicherungspflicht für die Zeit ab dem 01. Januar 2002 zu Recht auf die gesetzliche Renten- und Arbeitslosenversicherung begrenzt. Denn seit diesem Zeitpunkt ist die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenzen entfallen. Anhaltspunkte dafür, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenzen bereits zu einem früheren Zeitpunkt entfallen ist, liegen nicht vor. Dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved