L 10 R 4769/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 2830/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4769/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.08.2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.04.2005 bis zum 31.08.2009.

Der im Jahre 1956 geborene Kläger ist gelernter Elektroinstallateur, war in diesem Beruf aber nur bis 1978 tätig. Anschließend war er, zuletzt ab 1983 bei der Firma W. A. GmbH, D. , als Kraftfahrer, Lagerarbeiter und schließlich im Wesentlichen als Disponent beschäftigt.

Am 05.09.2004 erlitt der Kläger einen Motorradunfall, bei dem er sich u. a. einen Bruch des 6. Brustwirbels und eine Schädigung des Nervengeflechts des rechten oberen Armes (Plexus-brachialis-Läsion) zuzog. Infolge des in Fehlstellung verheilten Wirbelkörperbruchs bestehen Muskelspannungsstörungen und Schmerzen an der Wirbelsäule; aufgrund der inkompletten Läsion des oberen Plexus brachialis ist die Bewegungsfähigkeit des rechten Armes eingeschränkt. Darüber hinaus leidet der Kläger an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus.

Nach durchgeführter Behandlung der Unfallfolgen erfolgte ab Juni 2005 eine stufenweise Wiedereingliederung des Klägers am Arbeitsplatz im Wesentlichen in der Fuhrparkverwaltung mit zunächst vier und ab August 2005 sechs Stunden täglich. Hierfür gewährte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Übernahme der Kosten für einen Drehstuhl mit höhenverstellbaren Armlehnen und Torsions-System einschließlich aktiver Beckenstütze sowie eines höhenverstellbaren Arbeitstisches. Die Wiedereingliederung wurde nach eigenen Angaben des Klägers im Februar 2006 im Wesentlichen wegen starker Schmerzen beendet. In der Folgezeit wurde sein Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig zum 30.11.2006 gekündigt.

Bereits im August 2005 hatte die Beklagte auf einen am 01.04.2005 gestellten Antrag des Klägers, ihm Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren, ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. G. eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, der Kläger könne seine letzte Tätigkeit als Disponent sowie unter Beachtung qualitativer Einschränkungen auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden je Arbeitstag ausüben. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rehabilitationsantrag ab.

Am 26.10.2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Neurologen und Psychiater Dr. G. , den Orthopäden Dr. Sch. sowie den Internisten und Sozialmediziner MDir. L ... Nachdem Dr. G. eine mehr als sechsstündige Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sowie für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit angenommen hatte, schätzte Dr. Sch. das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf bis etwa sechs Stunden. Unter Zugrundelegung dessen kam der Endbegutachter MDir. L. zu dem Ergebnis, der Kläger könne den bisherigen Beruf nur noch unter sechs Stunden ausüben; eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit zeitweise im Sitzen sowie überwiegend und auch zeitweise im Stehen oder Gehen ohne längere Wirbelsäulen-Zwangshaltungen, häufiges Bücken, häufige Überkopfarbeiten und volle Belastung des rechten Armes sei ihm hingegen mindestens sechs Stunden zumutbar. Mit Bescheid vom 09.02.2006 und Widerspruchsbescheid vom 04.07.2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab.

Am 02.08.2006 hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben und die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung begehrt.

In einem weiteren Verfahren auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation hat der Kläger einen Bericht des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. B. vom 03.08.2006 vorgelegt. Darin heißt es, dem Kläger sei im Moment nur eine kurzzeitige Tätigkeit als Disponent möglich; allerdings sei zu erwarten, dass die bisherige berufliche Tätigkeit weitergeführt werden könne und habe er nicht zu einem Rentenantrag geraten. Nach Ablehnung entsprechender Leistungen durch die Beklagte ist insoweit ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Reutlingen - S 3 R 1865/07 - anhängig.

Das Sozialgericht hat im vorliegenden Rentenverfahren schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Allgemeinmediziner Dr. B. und des Orthopäden Dr. M. eingeholt. Dr. B. hat berichtet, nach den aufgrund der Verformung des sechsten Brustwirbels objektiv nachvollziehbaren Angaben des Klägers bestünden ständig starke bis sehr starke Schmerzen der Wirbelsäule, die nur im Liegen erträglich seien. Er halte deshalb allenfalls eine leichte Tätigkeit von täglich drei bis vier Stunden für zumutbar. Dr. M. hat angegeben, er habe den Kläger im August und September 2006 für eine private Versicherungsgesellschaft begutachtet. Auch leichte Tätigkeiten seien ihm nicht zuzumuten, da er den rechten Arm nicht abheben, sondern nur noch bei hängendem Arm die Finger bewegen und auch nicht längere Zeit sitzen könne.

Im daraufhin eingeholten Gutachten des Neurologen Dr. N. heißt es, der Kläger könne allenfalls leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung verrichten. Längeres Sitzen und häufiges Bücken seien zu vermeiden. Die in Frage kommenden Tätigkeiten müssten überwiegend mit dem linken Arm bzw. der linken Hand verrichtet werden. Aufgrund der glaubhaften Wirbelsäulenbeschwerden könne er nur noch zwischen drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten.

Mit Urteil vom 30.08.2007 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 09.02.2006 der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2006 aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger ab dem 01.04.2005 bis zum 31.08.2009 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Angesichts der nach der Fraktur der Wirbelsäule verbliebenen Schmerzen im Bereich der oberen Brustwirbelsäule sei eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens auf täglich unter sechs Stunden anzunehmen. Dies ergebe sich aus den überzeugenden Ausführungen des Neurologen Dr. N. sowie der Einschätzung der Orthopäden Dr. M. und Dr. Sch ... Liege danach eine teilweise Erwerbsminderung vor, so sei dem Kläger aufgrund der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Stellung des Antrages auf Gewährung von Rehabilitationsleistungen zu gewähren. Diese Entscheidung ist der Beklagten am 07.09.2007 zugestellt worden.

Am 02.10. 502007 hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Der Senat hat eine Arbeitgeberauskunft der W. A. GmbH eingeholt. Diese hat die Frage, ob die Tätigkeit des Klägers als Lagerarbeiter und Disponent im allgemeinen nur von Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung von mehr als zwei Jahren verrichtet werde, verneint und mitgeteilt, die Einlernphase dauere ca. 1,5 Jahre.

Dr. H. hat im vom Senat ferner eingeholten orthopädisch-traumatologischen Gutachten ausgeführt, durch die beim Kläger unfallbedingt vorliegende Keilwirbelbildung werde eine Änderung des Haltungsprofils der Wirbelsäule und der gesamten Haltung hervorgerufen. Messtechnisch sei zwar eine vermehrte Rundrückenhaltung nachzuweisen. Dies sei jedoch insgesamt balanciert und muskulär ausreichend kompensiert. Damit seien zwar mittelschwere und schwere Tätigkeiten zu vermeiden, jedoch erscheine eine leichte Tätigkeit an einem ergonomischen Arbeitsplatz mit der Möglichkeit des Positionswechsels etwa einmal in der Stunde, nicht aber eine Tätigkeit mit dauerndem Stehen oder Gehen, täglich sechs Stunden zumutbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.08.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Kläger sei nach dem Ergebnis der Ermittlungen noch der Lage, seine frühere Tätigkeit als Disponent, die allenfalls in die Gruppe der Angelernten des oberen Bereiches einzuordnen sei, weiterhin auszuüben. Gleiches gelte für die sozial zumutbare Tätigkeit eines Pförtners.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor, er sei aufgrund seiner Rückenschmerzen nicht in der Lage, sechs Stunden erwerbstätig zu sein. Hinzu komme die mangelnde Beweglichkeit seines rechten Armes sowie sein insulinpflichtiger Diabetes. Angesichts seines erlernten Berufs sei auch die Frage der Berufsunfähigkeit prüfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Reutlingen sowie die beigezogenen Renten- und Reha-Akten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) durch den Berichterstatter allein (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG).

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die ablehnenden Rentenbescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.04.2005 bis zum 31.08.2009 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Rechtsgrundlage für die Gewärung von Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert.

Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Facharbeiter sind dementsprechend nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten mit einer Ausbildungszeit von wenigstens drei Monaten verweisbar (BSG, Urteil vom 30.09.1987, 5b RJ 20/86 in SozR 2200 § 1246 Nr. 147). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter zerfällt nach der Rechtsprechung des BSG in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe mit dem Leitberuf des Angelernten sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen, Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29.03.1994, 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Angehörige der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich können nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen, wobei mindestens eine solche Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen ist (BSG, a.a.O.). Versicherte, die zur Gruppe der ungelernten Arbeiter oder zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend ist allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird.

In Anwendung dieser Grundsätze kann dem Kläger keine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewährt werden. Denn er ist schon nicht i. S. des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI berufsunfähig, so dass auch eine Rente wegen teilweiser oder gar voller Erwerbsminderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gem. § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI ausscheidet.

Berufsschutz als Elektroinstallateur genießt der Kläger nicht, nachdem er sich von dem erlernten Beruf bereits im Jahre 1978 gelöst hat. Darauf, ob er die von ihm zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lagerarbeiter und Disponent weiterhin sechs Stunden täglich zu verrichten vermag, kommt es im Ergebnis nicht an. Denn der Kläger kann zumutbar auf die von der Beklagten in das Verfahren eingeführte Tätigkeit eines Pförtners - hier diejenige eines Pförtners an der Nebenpforte - verwiesen werden. Mit seiner bisherigen Tätigkeit ist er nämlich in Ansehung der von seiner letzten Arbeitgeberin mitgeteilten Einlernphase von ca. 1,5 Jahren in die Gruppe der angelernten Arbeiter des oberen Bereichs (mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten) einzuordnen. Damit ist ihm die im Lohngruppenverzeichnis i.d.F. des Änderungstarifver¬trages Nr. 11 vom 22.3.1991 des Manteltarifvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter der Länder II der Lohngruppe 2 (Arbeiter mit Tätigkeiten, für die eine eingehende Einarbeitung erforderlich ist - Ziff. 1.9) zugeordnete Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte sozial zumutbar. Den Anforderungen dieser Tätigkeit kann er mit dem verbliebenen Leistungsvermögen gerecht werden.

Der Pförtner an der Nebenpforte hat insbesondere bekannte Fahrzeuge der Firma bzw. Mitar¬beiter passieren zu lassen (vgl. hierzu BSG vom 22.10.1996 - 13 RJ 35/95 - und Urteil des 2. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.6.1997 - L 2 J 3307/96 -). Die Tätig¬keit des Pförtners an der Nebenpforte kann im Wechsel von Sitzen und Stehen ausgeübt werden und ist nicht mit dem Heben und Tragen von Lasten verbunden. Tätigkeiten eines Pförtners an der Nebenpforte stellen auch keine besonderen (sprachlichen) Anforderungen an das Kommu¬nikationsvermögen.

Pförtnertätigkeiten kommen darüber hinaus in den unterschiedlichsten Ausprägungen vor. Sie eignen sich auch für - wie hier - Personen, deren obere Extremitäten Funktionsbeeinträchtigungen aufweisen oder deren Hebe- und Tragefähigkeit eingeschränkt ist, weil derartige Einschränkungen sich - je nach konkretem Arbeitsplatz - berücksichtigen lassen (vgl. zur Pförtnertätigkeit faktisch Einarmiger das Urteil des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 17.10.1997 - L 8 J 262/97 -, gestützt auf entsprechende berufskundliche Feststellungen des - damaligen - Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg). Es gibt nach Feststellungen des Berufsverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. sogar Tätigkeiten im Pfortenbereich, die lediglich im Sitzen ausgeführt werden können und bei denen der Pförtner nur auf ein Klingelzeichen hin die Tür öffnen muss.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht über die für die Tätigkeit als Pförtner notwendige Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit verfügt, bestehen nicht. Denn er hat nicht nur einen Berufsabschluss erworben, sondern in der Folgezeit verschiedene Tätigkeiten bis hin zu der eine weitgehende Flexibilität erfordernden Disponententätigkeit ausgeübt.

Daran, dass der Kläger die Tätigkeit eines an der Nebenpforte mit den bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen in qualitativer Hinsicht auszuüben vermag, besteht angesichts dessen kein Zweifel. Die eingeschränkte Beweglichkeit seines rechten Armes hindert eine Pförtnertätigkeit - wie ausgeführt - nicht. Auch besteht die Möglichkeit eines nach den übereinstimmenden Einschätzungen von MDir. L. , Dr. N. und Dr. H. erforderlichen Wechsels zwischen Sitzen, Stehen und ggf. auch Gehen.

Arbeitsplätze als Pförtner sind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in genügender Anzahl vor¬handen und sind nicht nur leistungsgeminderten Betriebsangehörigen vorbehalten, sondern wer¬den auch mit Bewerbern vom freien Arbeitsmarkt besetzt (vgl. das Urteil des 8. Senats a. a. O.). Ob entsprechende Arbeitsplätze frei oder besetzt sind, ist nicht zu ermitteln, denn das Risiko, dass der Kläger möglicherweise keinen geeigneten Arbeitsplatz finden könnte, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 19; BSG NZS 1993, 403, 404 und vom 21.7.1992 - 3 RA 13/91 -). Ebenso ist nicht festzustellen, ob der Kläger aus der genannten Verweisungstätigkeit die "erforderliche Lohnhälfte" seines bisherigen Bruttoeinkommens er¬zielen kann, denn nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist davon auszugehen, dass Ver¬sicherte, die - wie die Klägerin - eine ihnen zumutbare Verweisungstätigkeit vollschichtig und regelmäßig verrichten können, damit auch in der Lage sind, die gesetzliche Lohnhälfte zu ver¬dienen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 60 und BSG vom 22.10.1996 - 13 RJ 35/95 -).

Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit liegt ebenfalls nicht vor. Die eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Armes des Klägers berührt sein zeitliches Leistungsvermögen ebenso wenig, wie sein insulinpflichtiger Diabetes mellitus. Nichts anderes gilt im Ergebnis mit Blick auf den in Fehlstellung verheilten Wirbelkörperbruch sowie die damit einhergehenden Muskelspannungsstörungen und Schmerzen an der Wirbelsäule.

Zwar hat Dr. H. im vom Senat eingeholten orthopädisch-traumatologischen Gutachten dargelegt, dass durch die beim Kläger unfallbedingt vorliegende Keilwirbelbildung eine Änderung des Haltungsprofils der Wirbelsäule sowie der gesamten Haltung hervorgerufen wird und eine vermehrte Rundrückenhaltung nachzuweisen ist. Jedoch ist dies insgesamt balanciert sowie muskulär ausreichend kompensiert und bestehen auch keine Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen. Dementsprechend war der Kläger im Rahmen der Untersuchung durch Dr. H. auch in der Lage, während der knapp sechzig-minütigen Befragung in aufrechter Haltung ohne sichtbare Ausweichbewegung und bei nur gelegentlichem Wechsel der Sitzposition auf dem Stuhl zu sitzen. Seine Angabe im Rahmen der Untersuchung durch Dr. H. und in der mündlichen Verhandlung, er müsse sich nach etwa eine Stunde Sitzen oder Stehen hinlegen, da seine Schmerzen sonst fast nicht mehr zu ertragen seien, ist daher nicht objektivierbar. Zutreffend hat der gerichtliche Sachverständige daher eine sechsstündige Einsatzfähigkeit des Klägers an fünf Tagen in der Woche für möglich angesehen.

Die Einschätzung von Dr. Sch. im Verwaltungsverfahren, dem Kläger seien seinem qualitativen Leistungsvermögen entsprechende Tätigkeiten noch bis etwa sechs Stunden täglich zumutbar, steht dem nicht entgegen. Denn sie schließt eine sechsstündige Tätigkeit nicht aus. Die Auffassung von Dr. N. , der Kläger könne nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten ist nicht durch entsprechende Befunde gedeckt. Gleiches gilt für die unter dem 20.11.2006 abgegebene Einschätzung des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. B. , er halte allenfalls eine tägliche Arbeitszeit von drei bis vier Stunden für zumutbar. Diese Einschätzung steht i. Ü. auch im Widerspruch zu der von dem genannten Arzt nur rund drei Monate zuvor (unter dem 03.08.2006) im parallelen Rehabilitationsverfahren vertretenen Auffassung, es sei zu erwarten, dass die bisherige berufliche Tätigkeit als Disponent weitergeführt werden könne sowie der zugleich erfolgten Mitteilung, er habe nicht zu einem Rentenantrag geraten. Soweit schließlich Dr. M. in seiner vom Sozialgericht eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage die Zumutbarkeit leichter Tätigkeiten generell ausgeschlossen hat, bezieht sich diese Einschätzung auf die für die quantitative Leistungsfähigkeit unerhebliche Bewegungseinschränkung des rechten Armes sowie eine mangelnde Fähigkeit des Klägers, längere Zeit zu sitzen, was ihm - wie oben ausgeführt - allerdings nicht abgefordert wird.

Besondere Arbeitsbedingungen sind auch mit Blick auf den insulinpflichtigen Diabetes mellitus nicht erforderlich. Schließlich bestehen auch keine sonstigen Einschränkungen, die eine Rentengewährung rechtfertigen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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