L 4 KR 5257/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 7452/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 5257/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. September 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, er sei im Unternehmen des Beigeladenen zu 1), seines Vaters, versicherungspflichtig beschäftigt, wobei er sein Begehren im Klageverfahren auf den Zeitraum vom 01. Januar 1990 bis 31. März 2005 beschränkt hat.

Der am 1963 geborene Kläger absolvierte von 1980 bis 1983 eine Ausbildung zum Kraftfahrzeug-Mechaniker und war anschließend von Januar bis Oktober 1984 als Motorenschlosser bei der (damaligen) D.-B. AG beschäftigt. Er übt seit 08. Oktober 1984 eine Tätigkeit im Fuhrunternehmen des Beigeladenen zu 1), der Einzelfirma "E. H. H. Transporte, J.-str., 7. S." aus. Er ist nach seinen eigenen Angaben als Fahrer und stellvertretender Geschäftsführer tätig. Von Beginn der Beschäftigung an wurde der Kläger bei der Beklagten zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie ab 01. Januar 1995 bei der Beigeladenen zu 4) zur Pflegeversicherung angemeldet. Er erhielt im streitigen Zeitraum ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von (brutto) EUR 1.022,00, das als Betriebsausgabe gebucht wurde und von dem Lohnsteuer und Beiträge zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle abgeführt wurden. Neben dieser Beschäftigung betreibt der Kläger seit 18. November 1993 ein eigenes Gewerbe mit den angemeldeten Tätigkeiten Kleintransporte mit PKW, Handelsvertretung mit umwelt- und gesundheitstechnischen, diätischen Lebensmitteln sowie ab 28. März 2001 auch mit gewerblichem Güterverkehr unter der Einzelfirma "H. H. Transporte, J.-str., 7. S." (Gewerbeanmeldung vom 27. Dezember 1993; Gewerbeummeldung vom 12. April 2001) und beschäftigt nach eigenen Angaben seit Mitte der 90er Jahre zwei feste Mitarbeiter. Mit Wirkung zum 31. März 2005 wurde der Kläger in allen Zweigen der Sozialversicherung abgemeldet.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. Februar 2005 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger fest, das Arbeitsverhältnis beim Beigeladenen zu 1) sei versicherungsfrei in der Kranken- und Pflegeversicherung, da gemäß § 5 Abs. 5 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) nicht versicherungspflichtig sei, wer hauptberuflich selbstständig sei. Hiervon sei auszugehen, da im Betrieb Arbeitnehmer beschäftigt würden. Nachdem der Beigeladene zu 1) mit Schreiben vom 23. April 2005 sein Einverständnis mit dem Erlöschen des Versicherungsschutzes zum 01. Januar 2005 erklärte und zugleich die Rücküberweisung der gesamten Sozialversicherungsbeiträge ab 01. Januar 2005 forderte, teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 02. Mai 2005 mit, ihr sei erst Ende des Jahres 2004 bekannt gegeben worden, dass der Kläger ein eigenes Unternehmen führe und mehr als geringfügig entlohnte Arbeitnehmer beschäftige. Als Arbeitnehmer bei ihm (dem Beigeladenen zu 1)) sei der Kläger weiterhin versicherungs- und beitragspflichtig in der Renten- und Arbeitslosenversicherung beschäftigt. Die ab 01. Januar 2005 eingezogenen Beiträge beträfen die Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie die Umlage (nach dem bis 31. Dezember 2005 geltenden § 14 Abs. 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG)) für den Kläger.

Mit Schreiben vom 14. Juni 2005 beantragte der Kläger die sozialversicherungsrechtliche Prüfung seines Beschäftigungsverhältnisses beim Beigeladenen zu 1) ab 01. Januar 1990. Er legte dar, seit diesem Zeitpunkt übe er aufgrund seiner Verantwortung und Fachkompetenz offiziell die Rolle des Junior-Chefs aus und besitze auch die entsprechenden Vollmachten. Hierzu legte er eine Kopie über eine Vollmacht für ein Konto des Beigeladenen zu 1) vor. Des Weiteren machte er geltend, er habe aus unternehmerischen Aspekten der Firma des Beigeladenen zu 1) ein Darlehen gegeben. Er könne seine Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Ort und Art frei bestimmen und unterliege keinen Weisungen. Außerdem habe er ein eigenes Gewerbe angemeldet. In diesem Zusammenhang legte der Kläger folgende Unterlagen vor: die Gewerbeanmeldung vom 27. Dezember 1993, die Gewerbeummeldung vom 12. April 2001, die Bescheinigung über die fachliche Eignung für den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart vom 14. Juni 2000 sowie Bestätigungen von Leasingverträgen für Fahrzeuge vom 01. März 2002, 28. Oktober 2003, 16. März 2004 und 17. März 2005 (als Vertragspartner wird der Kläger genannt), den Lebenslauf vom. 09. Juni 2005, die Erlaubnisurkunde für den gewerblichen Güterkraftverkehr und die Lizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterverkehr der Landeshauptstadt Stuttgart vom 28. März 2001, die Beschreibung der Tätigkeit beim Beigeladenen zu 1) vom 23. Juni 2005 (tägliche Fahrten mit LKW, Verteilung und Abholung von Stückgütern für Handel und Industrie bei einer Arbeitszeit von zehn Stunden, Erledigungen diverser Büroarbeiten abends), das Gesellenprüfungszeugnis vom 31. August 1983 sowie die Bestätigung des Beigeladenen zu 1) vom 14. Juni 2005, wonach er (der Kläger) aufgrund seiner Fachkompetenz und seiner Verantwortung als Juniorchef seit 01. Januar 1990 eine mündliche Handlungsvollmacht besitze, die "in der Praxis auch definitiv ausgeübt" werde. Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen gaben der Kläger und der Beigeladene zu 1) unter dem 22. Juni 2005 unter anderem an, der Kläger erhalte für seine Tätigkeit als Juniorchef seit Oktober 1984 ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von (brutto) EUR 1.022,00. Ein Arbeitsvertrag sei nicht abgeschlossen worden. Der Kläger sei an Weisungen des Betriebsinhabers nicht gebunden und das Weisungsrecht werde tatsächlich nicht ausgeübt. Er könne seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten, die Mitarbeit sei durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Ein Urlaubsanspruch und eine Kündigungsfrist seien zwar nicht vereinbart, bei Arbeitsunfähigkeit werde das Arbeitsentgelt aber "gesetzlich" fortgezahlt. Das Arbeitsentgelt sei den wirtschaftlichen Zwängen angepasst. Vom Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet und das Arbeitsentgelt werde als Betriebsausgabe gebucht. Der Kläger sei am Betrieb des Beigeladenen zu 1) zwar nicht beteiligt, er habe dem Betrieb aber ein Darlehen gewährt. Zum Nachweis der Darlehensgewährung wurde eine Vereinbarung zwischen der BMW-Leasing-GmbH und der Firma "H. H. Transporte" vom 11. März 2005 über das Leasing eines Fahrzeugs der Marke BMW Typ 525i Tour vorgelegt (Telefax vom 20. Oktober 2005). Des Weiteren beantragte der Kläger bei der Beigeladenen zu 2) die Rückerstattung von Rentenversicherungsbeiträgen ab Oktober 1984.

Mit Schreiben vom 07. November 2005 wies die Beklagte sowohl den Kläger als auch die Clearing-Stelle der Deutschen Rentenversicherung Bund, die das Schreiben zuständigkeitshalber an die Beigeladene zu 2) weiterleitete, darauf hin, sie sei nach Prüfung der vorliegenden Unterlagen der Auffassung, dass der Kläger seine Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1) seit 01. Januar 1990 versicherungs- und beitragsfrei zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie zur Pflegeversicherung ab 01. Januar 1995 ausübe. Eine abschließende Entscheidung werde nach Abstimmung mit dem Rentenversicherungsträger getroffen. Mit Schreiben vom 19. Januar 2006 teilte die Beigeladene zu 2) der Beklagten mit, aus dem Umstand, dass der Kläger seit 1993 ein eigenes Gewerbe für Kleintransporte betreibe und eigene Arbeitnehmer beschäftige, sei zu schließen, dass er zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebereigenschaft unterscheiden könne. Auch sei er die ganze Zeit als abhängig Beschäftigter bei dem Beigeladenen zu 1) geführt worden. Der Beigeladene zu 1) trage allein das unternehmerische Risiko. Dass der Lohn des Klägers untertariflicher Art gewesen sei, sei nicht maßgeblich, da die Bezüge des Klägers eindeutig Entgeltfunktion hätten. Ein eingeschränktes Weisungsrecht sei bei familienhafter Mitarbeit in Beschäftigungsverhältnissen geradezu symptomatisch. Der Kläger lenke jedoch die Geschicke des Betriebs nicht ausschließlich selbstständig. Daher handle es sich um eine abhängige Beschäftigung. Mit weiterem Anhörungsschreiben vom 12. Mai 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass unter Beachtung der Stellungnahme der Beigeladenen zu 2) nunmehr davon auszugehen sei, dass seine Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1) von Beginn an eine abhängige Beschäftigung gewesen sei; die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung zum 01. Januar 2005 sei wegen hauptberuflicher selbstständiger Erwerbstätigkeit ausgeschlossen. Der Kläger erwiderte hierauf (Schreiben vom 22. Mai 2006), er habe die Arbeitszeit im Betrieb des Beigeladenen zu 1) nach Belieben einteilen und gestalten können und habe zudem keinem Weisungsrecht unterlegen. Die Inhaberschaft oder eine Unternehmensbeteiligung seien kein zwingendes Merkmal einer versicherungsfreien Tätigkeit. Der Beigeladene zu 1) tätige keine Investitionen und treffe auch sonst keine betrieblichen Entscheidungen ohne vorher sein Einverständnis einzuholen. Die Begründung der Beklagten sei widersprüchlich, da sie selbst festgestellt habe, dass er keinem Weisungsrecht des Beigeladenen zu 1) unterliege. Maßgeblich sei, dass er nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb des Beigeladenen zu 1) eingegliedert und kein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden sei, sowie der Umstand, dass kein Urlaubsanspruch und keine Kündigungsfristen vereinbart worden seien. Die Beigeladene zu 2), die von der Beklagten nochmals um Stellungnahme gebeten wurde, verblieb bei ihrer Auffassung (Schreiben vom 09. Juni 2006). Bei Beginn der Tätigkeit im Jahr 1984 sei der Kläger erst 21 Jahre alt gewesen, sodass eine weisungsfreie Tätigkeit völlig lebensfremd sei. Zudem habe er fast immer den gleichen Lohn (jährlich DM 24.032,00/EUR 12.275,00) erhalten. Der Umstand, dass der Kläger 1993 eine eigene Firma gegründet habe und nicht Teilhaber bei dem Beigeladenen zu 1) geworden sei, spreche ebenfalls nicht für eine selbstständige Tätigkeit im Betrieb des Beigeladenen zu 1). Die Beklagte nahm diese Ausführungen zum Anlass, mit Bescheid vom 03. Juli 2006 gegenüber dem Kläger festzustellen, dass er seit 08. Oktober 1984 versicherungs- und beitragspflichtig in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung und ab 01. Januar 1995 auch in der Pflegeversicherung sei. Die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung sei erst zum 01. Januar 2005 wegen hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätigkeit ausgeschlossen.

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch wiederholte der Kläger seine bisherige Begründung. Ergänzend trug er vor, die Abführung entsprechender Sozialversicherungsbeiträge über Jahre hinweg spreche nicht für eine abhängige Beschäftigung, denn diese seien zu Unrecht geflossen. Auch habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass ein schriftlicher Arbeitsvertrag nicht abgeschlossen worden sei. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. September 2006). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei in dem Betrieb des Beigeladenen zu 1) eingegliedert und unterliege dem "verfeinerten Weisungsrecht" des Beigeladenen zu 1). Er habe die Beschäftigung anstelle einer fremden Arbeitskraft ausgeübt, regelmäßiges angemessenes Arbeitsentgelt erhalten, von dem Lohnsteuer entrichtet und das als Betriebsausgabe gebucht worden sei, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhalten und der Beigeladene zu 1) habe allein das Unternehmensrisiko getragen. Die Gewährung eines Darlehens sei nicht nachgewiesen worden. Es sei mithin davon auszugehen, dass das Gesamtbild für eine abhängige Beschäftigung spreche.

Der Kläger erhob am 10. Oktober 2006 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung wiederholte er sein bisheriges Vorbringen und wies nochmals darauf hin, er sei nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb des Beigeladenen zu 1) eingegliedert. Aus dem Umstand, dass bei seinem Ausfall eine andere, fremde Arbeitskraft eingestellt werden müsste, sei ein für die Versicherungspflicht sprechendes Indiz nicht herzuleiten. Auch die steuerrechtliche Behandlung sei nicht maßgeblich. Entscheidend sei, dass er seit 01. Januar 1990 seine Tätigkeit im Betrieb des Beigeladenen zu 1) nach Belieben einteilen und gestalten könne. Die Tätigkeit sei durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander und von familienhafter Rücksichtnahme geprägt. Auch wirke er bei der Führung des Betriebs mit.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger bei der Führung des Betriebs des Beigeladenen zu 1) beteiligt sei. In der Erlaubnisurkunde für den gewerblichen Güterkraftverkehr für das Transportunternehmen des Klägers werde dieser als verantwortlicher Geschäftsführer ausgewiesen, für das Transportunternehmen des Beigeladenen zu 1) sei keine Erlaubnisurkunde vorgelegt worden, aus der hervorgehe, wer der verantwortliche Geschäftsführer für diesen Betrieb sei. Für ein gleichberechtigtes Nebeneinander lägen mithin keine Nachweise vor. Aus der vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung vom 23. Juni 2005 ergebe sich, dass der Kläger in das Tagesgeschäft eingegliedert sei und Aufgaben wahrnehme, die ansonsten ein fremdangestellter Arbeitnehmer ausüben müsse. Die Beklagte legte eine Aufstellung der gemeldeten Entgeltdaten vor.

Das SG lud durch Beschlüsse vom 17. Januar und 06. Juni 2007 den Vater des Klägers unter dessen Firma, die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, die Bundesagentur für Arbeit sowie die Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg (Beigeladene 1) bis 4)) zu dem Verfahren bei. Die Beigeladenen äußerten sich zur Sache und zum Verfahren nicht.

Mit Urteil vom 17. September 2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Tätigkeit des Klägers im Betrieb des Beigeladenen zu 1) sei vom 01. Januar 1990 bis zum 31. März 2005 als abhängige Beschäftigung einzustufen, wobei seit dem 01. Januar 2005 unstreitig keine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe. Der Kläger sei am Unternehmen des Beigeladenen zu 1) nicht beteiligt. Eine solche Beteiligung sei ausdrücklich nicht gewollt gewesen, was darin zum Ausdruck komme, dass der Kläger im Jahr 1993 ein eigenes Gewerbe angemeldet habe, anstelle mit dem Beigeladenen zu 1) eine Gesellschaft zu gründen. Aufgrund der dadurch fehlenden Rechtsmacht sei der Kläger nicht befugt und dadurch nicht in der Lage gewesen, die maßgeblichen unternehmenspolitischen Entscheidungen selbst zu treffen oder zumindest maßgeblich zu beeinflussen. Er habe keinerlei unternehmerisches Risiko getragen, ihm sei vielmehr durchweg ein gleichbleibendes Arbeitsentgelt gezahlt worden. Die Betriebsorganisation sei vom Beigeladenen zu 1) vorgegeben und der Kläger sei hierin eingegliedert gewesen. Insbesondere habe der Kläger nicht wie ein Alleininhaber nach Gutdünken über die Geschicke des Unternehmens des Beigeladenen zu 1) verfügen können.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigtem am 11. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06. November 2007 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er macht geltend, das SG habe die Einzelfallumstände falsch gewichtet. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine Inhaberschaft oder eine Unternehmensbeteiligung kein zwingendes Merkmal einer versicherungsfreien Tätigkeit. Maßgeblich sei vielmehr, dass die Tätigkeit weisungsfrei ausgeübt werde. Es komme diesbezüglich nur auf die "gelebte Praxis" an. Allein auf die fehlende Rechtsmacht abzustellen, sei rechtsfehlerhaft. Nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG könne an zivilgesetzliche Konstrukte - wie im vorliegenden Fall etwa die Einzelfirma nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) - nur dann angeknüpft werden, wenn diese in der tatsächlichen Praxis auch hinreichend umgesetzt würden (Hinweis auf BSG, Urteil vom 27. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R). Ansonsten seien er und der Beigeladene zu 1) schutzlos dem fortwährenden Beitragseinzug der jeweiligen Einzugsstelle ausgesetzt. Außerdem ergebe sich ein unternehmertypisches Risiko aus seiner Erbenstellung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. September 2007 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 03. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2006 festzustellen, dass er bei dem Beigeladenen zu 1) nicht vom 01. Januar 1990 bis 31. März 2005 in der gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung, vom 01. Januar 1990 bis 31. Dezember 2004 in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie vom 01. Januar 1995 bis 31. Dezember 2004 in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig tätig war.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 4) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist darauf, dass die Betriebsorganisation durch den Beigeladenen zu 1) vorgegeben und der Kläger in diese eingegliedert gewesen sei. Aufgrund der familienhaften Bindung zum Betriebsinhaber sei die Beschäftigung des Klägers von einer "milderen Form" des Über- bzw. Unterordnungsverhältnisses gekennzeichnet gewesen. Auch habe der Kläger durchweg ein gleichbleibendes Einkommen bezogen, das auch im Krankheitsfall fortgezahlt worden sei. Zudem hafte der Beigeladene zu 1) als Unternehmer sowohl mit dem Geschäfts- als auch mit dem Privatvermögen, sodass dieser allein das volle Betriebsrisiko getragen habe.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben sich zur Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und insbesondere statthaft i.S.d. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn es geht um die Versicherungspflicht des Klägers über einen längeren Zeitraum als ein Jahr. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid vom 03. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 11. September 2006 rechtmäßig ist. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 01. Januar 1990 bis 31. März 2005 bei dem Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt war und deshalb vom 01. Januar 1990 bis 31. Dezember 2004 der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung sowie seit 01. Januar 2005 bis 31. März 2005 (nur) der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag.

1. Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die nach § 28i Satz 1 SGB IV zuständige Einzugsstelle war hier die Beklagte, weil sie die Krankenversicherung durchführte. Da sie auf die entsprechende Anfrage des Klägers ein Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht einleitete, scheidet das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV aus, für das die Deutsche Rentenversicherung Bund zuständig ist. Eine Zuständigkeit der Deutsche Rentenversicherung Bund für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht, die eine Zuständigkeit der Beklagten für die Entscheidung ausschließt, ergibt sich für den vorliegenden Fall noch nicht aus § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 01. Januar 2005 durch Art. 4 Nr. 3 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954). Nach dieser Bestimmung hat die Einzugsstelle einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Nach § 28a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. d SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 30. März 2005 durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005 (BGBl. I, S. 818), müssen die Meldungen für jeden Versicherten insbesondere bei der Anmeldung die Angabe enthalten, ob zum Arbeitgeber eine Beziehung als Ehegatte oder Lebenspartner, seit 01. Januar 2008 auch als Abkömmling (erweitert durch Art. 15 des Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I, S. 3024) besteht. Das obligatorische Statusfeststellungsverfahren ist bei Abkömmlingen damit erst bei Anmeldungen durchzuführen, die ab dem 01. Januar 2008 bei den Einzugsstellen erfolgen. Die Anmeldung des Klägers erfolgte vor dem 01. Januar 2008, nämlich mit Beginn der Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1) zum 08. Oktober 1984.

1.1. Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs ([SGB VI] bis zum 31. Dezember 1991 §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs ([SGB III] bis 31. Dezember 1997 § 168 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes) sowie ab 01. Januar 1995 in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht [BVerfG] SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 16).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen (mündlich oder schriftlich) getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff.; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; BSGE 87, 53, 56; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 17).

Hierbei hat das BSG in zahlreichen Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung betont, dass es auch bei einer Familiengesellschaft wesentlich auf die Kapitalbeteiligung und die damit verbundene Einflussnahme auf die Gesellschaft und deren Betrieb ankommt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSG, Urteile vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 8/06 - und vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -, jeweils in juris veröffentlicht). Zwar führt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung, jedoch ist in diesen Fällen von einer abhängigen Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen abzugehen. Ein solcher Ausnahmefall kann z.B. bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die z.B. dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 RAr 25/86 -, veröffentlicht in juris). Dies bedeutet aber nicht, dass jede familiäre Verbundenheit zum Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist vielmehr ebenfalls unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSGE 3, 30, 39 f.; 17, 1, 7 f.; 74, 275, 278 f.; BSG SozR 2200 § 165 Nr. 90; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11).

Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem gegebenenfalls abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Dabei kommt der Höhe des Entgelts lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -, veröffentlicht in juris). Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist (BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 17). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSGE 34, 207, 210; BSG SozR 3 2400 § 7 Nr. 1; SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11).

1.2. Vor diesem Hintergrund bestimmen sich vorliegend die rechtlich relevanten Beziehungen nach dem in der Praxis gelebten Ablauf der Tätigkeit, da eine schriftliche vertragliche Vereinbarung (Arbeitsvertrag) zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) nach deren Angaben nicht bestand. Auch die Handlungsvollmacht wurde nicht schriftlich, sondern - nach Angaben des Beigeladenen zu 1) - nur mündlich erteilt.

Trotz der vom Kläger schlüssig dargelegten Freiheiten in der Ausübung der Tätigkeit überwiegen qualitativ die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.

1.2.1. Die Tätigkeit des Klägers im hier streitigen Zeitraum vom 01. Januar 1990 bis 31. März 2005 wurde wie ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis abgewickelt. Der Kläger erhielt - wie sich aus der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung des SG vorgelegten Aufstellung der gemeldeten Entgeltdaten ergibt - ein jährliches Bruttoentgelt von EUR 12.287,00 in den Jahren 1990 bis 2000, von EUR 12.286,00 im Jahr 2001 und von EUR 12.275,00 in den Jahren 2002 bis 2004, mithin ein regelmäßiges monatliches Bruttoentgelt von rund EUR 1.022,00. Diese Vergütungspraxis entspricht typischerweise der Vergütung abhängig Beschäftigter. Es sind keine Anhaltspunkte vorhanden und auch nicht vorgetragen, dass das Arbeitsentgelt Bestandteile enthält, die auch nur ansatzweise auf eine (gegebenenfalls geringe) Gewinn- bzw. Umsatzbeteiligung schließen lassen. Zwar entspricht nach den Angaben des Klägers und des Beigeladenen zu 1) im Feststellungsbogen vom 22. Juni 2005 das Arbeitsentgelt nicht dem tariflichen oder ortsüblichen Lohn. Wie bereits dargelegt, kommt der Höhe des Entgelts jedoch lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung des Familienangehörigen die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - in juris veröffentlicht). Das monatliche Bruttoentgelt, das im Übrigen auch im Krankheitsfall fortgezahlt wurde, stellt nicht nur ein geringfügiges Taschengeld dar, sondern vielmehr den Gegenwert für die Arbeit, die der Kläger beim Beigeladenen zu 1) verrichtete. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass der Kläger seine Arbeitskraft nicht nur für das Unternehmen des Beigeladenen zu 1) verwendete, sondern nach den Angaben seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung des SG mindestens zur Hälfte seiner Arbeitszeit auch für sein eigenes Unternehmen. Demgemäß wurde im Feststellungsbogen vom Kläger und dem Beigeladenen zu 1) angegeben, dass das Arbeitsentgelt den "wirtschaftlichen Zwängen" angepasst gewesen sei. Aus diesem Bruttoentgelt, das als Betriebsausgabe verbucht wurde, wurden ab Oktober 1984 Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt. Die Verbuchung des gezahlten Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe und die tatsächliche zeitnahe Entrichtung von Lohnsteuer ist jedoch ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung (BSG SozR Nr. 22 zu § 165 RVO).

Zu Beginn der Beschäftigung nach Abschluss der Ausbildung zum Kfz-Mechaniker hat offenbar kein Interesse bestanden, sich der Versicherungspflicht zu entledigen oder dies wenigstens seitens der Versicherungsträger prüfen zu lassen. Demgemäß ist mit der Einleitung des vorliegenden Verfahrens, erstmals dokumentiert durch das Schreiben des Klägers vom 14. Juni 2005, ein "Sinneswandel" eingetreten. Eine Änderung in der Entgeltform wurde dennoch nicht vorgenommen.

Das gezahlte Arbeitsentgelt blieb zudem über die Jahre unverändert und war damit unabhängig von der Ertragslage und dem Gewinn des Beigeladenen zu 1). Aus den Gesamtumständen ist ersichtlich, dass nicht beabsichtigt war, den Kläger über das von ihm bezogene Entgelt auch nur ansatzweise und geringfügig an Gewinn oder Verlust des Unternehmens des Beigeladenen zu 1) zu beteiligen.

Damit aber war der Kläger nicht - im Sinne des vom Senat regelmäßig wesentlich gewichteten Kriteriums - am Unternehmensrisiko beteiligt. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - Rdnr. 26). Hierfür spricht zusätzlich - worauf das SG zutreffend hingewiesen hat - die Tatsache, dass der Kläger es vorgezogen hat, seit November 1993 ein eigenes Gewerbe u.a. für Kleintransporte mit PKW und seit 12. April 2001 auch für gewerblichen Güterverkehr auszuüben, anstelle mit dem Beigeladenen zu 1) eine Gesellschaft zu gründen.

1.2.2. Es fehlt auch an jeglicher finanzieller Beteiligung des Klägers an dem Betrieb des Beigeladenen zu 1). Wäre der Kläger nicht Sohn des Beigeladenen zu 1), sondern ein Fremder unter Akzeptanz der gleichen Arbeitsbedingungen, wäre die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht vorstellbar. Es besteht keine Handelsgesellschaft und keine juristische Person des Gesellschaftsrechts. Der Kläger ist nicht an eigener Betriebsstätte tätig, sondern an derjenigen des Beigeladenen zu 1), der Alleineigentümer ist.

Zwar wurde im Feststellungsbogen vom 22. Juni 2005 behauptet, der Kläger habe dem Beigeladenen zu 1) ein Darlehen gewährt. Dies konnte jedoch bislang nicht nachgewiesen werden. Zur Begründung wurde im Verwaltungsverfahren lediglich eine Vereinbarung zwischen der BMW-Leasing-GmbH und der Firma des Klägers "H. H. Transporte" vom 11. März 2005 über das Leasing eines Fahrzeugs der Marke BMW Typ 525i Tour vorgelegt. Daraus ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Kläger dem Beigeladenen zu 1) ein Darlehen gewährt hat.

In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass die Mithaftung von Familienmitgliedern für Verbindlichkeiten des Unternehmens mit der Haftung von fremden Arbeitnehmern, die nicht Angehörige der Unternehmensinhaber sind, nicht zu vergleichen ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom 15. August 2008 - L 4 KR 4577/06 -, veröffentlicht in juris). Denn die Angehörigen haben in der Regel ein gesteigertes beiderseitiges Interesse am wirtschaftlichem Erfolg des Unternehmens. Hieraus ergibt sich aber noch nicht, dass ein wesentliches Unternehmensrisiko eingegangen worden ist. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall insbesondere darin, dass der Kläger - wie bereits dargelegt - unabhängig von dem wirtschaftlichen Erfolg des Beigeladenen zu 1) eine feste monatliche Vergütung für seine Tätigkeit erhielt.

1.2.3. Dass der persönliche Arbeitseinsatz des Klägers dadurch mitbestimmt gewesen sein mag, dass er im Falle der Übernahme der Firma einen wirtschaftlichen gut aufgestellten Betrieb übernehmen kann, begründet die Tragung eines aktuellen Unternehmensrisikos nicht. Der Umstand, dass der zukünftige längerfristige Erfolg des Unternehmens (auch) von seinen Fähigkeiten und seinem Engagement abhängt, unterscheidet die Position qualitativ nicht wesentlich von derjenigen leitender Angestellter, die unter dem Anreiz einer möglichen Steigerung auch der eigenen Bezüge sich für die Prosperität des Unternehmens einsetzen. Allein aus einer etwaigen Erbenstellung folgt daher kein aktuelles Unternehmensrisiko.

1.2.4. Gegenüber den genannten fixen Entgeltbedingungen vermag der Kläger seinen Anteil an den unternehmerischen Dispositionen nicht entscheidend ins Feld zu führen. Zwar mögen Investitionen und betriebswirtschaftliche Entscheidungen mit dem Beigeladenen zu 1) abgesprochen worden sein. Auch wurde vom Beigeladenen zu 1) behauptet, der Kläger besitze als Juniorchef seit 01. Januar 1990 eine mündliche Handlungsvollmacht. Etwaige Investitionen oder Entscheidungen vollzogen sich im streitigen Zeitraum aber im Rahmen der alleinigen Unternehmerschaft des Beigeladenen zu 1), der - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - auch alleiniger Träger des Insolvenzrisikos blieb.

Eine Rechtsgrundlage, die die weitgehende Dispositionsfreiheit des Klägers rechtfertigen würde, ist nicht erkennbar. Der Beigeladene zu 1) hätte es in der Hand gehabt, als alleiniger Unternehmer hindernd in die Freiheiten des Klägers einzugreifen und diesen damit im Sinne des hier entscheidenden Kriteriums "persönlich abhängig" werden zu lassen. Wenn er aufgrund der Fähigkeiten und Fertigkeiten des Klägers dies weitgehend unterlässt, unterscheidet sich die Situation nicht wesentlich von derjenigen eines Minderheitsgesellschafters, dem von der Mehrheit trotz bestehender Rechtsmacht freie Hand gelassen wird (vgl. hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4).

Dass wegen des familiären Vertrauensverhältnisses auf die Regelung typischer arbeitsrechtlicher Fragen wie Urlaub, Entgeltfortzahlung oder Kündigung verzichtet wird, vermag nach alledem nicht wesentlich ins Gewicht zu fallen. Gerade bei in einem Betrieb mitarbeitenden Familienangehörigen bestehen regelmäßig größere Freiheiten im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 1; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11). Solche größeren Freiheiten sind für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses unschädlich (BSG SozR Nr. 22 zu § 165 RVO).

Das Kriterium der Weisungsgebundenheit hilft nur begrenzt bei der Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt. So ist insbesondere die inhaltliche oder fachliche Weisungsbefugnis bei hochqualifizierten Tätigkeiten eingeschränkt. Hierzu gehört die Leitung eines Unternehmens, wie sie der Kläger im Betrieb des Beigeladenen zu 1) als - wie von ihm behauptet - Juniorchef ausübte. Zudem kann auch die Tätigkeit eines Selbstständigen Bindungen und Weisungen eines Auftraggebers unterliegen. Auch der selbstständige Auftragnehmer (z.B. Handelsvertreter) steht in einem ständigen Vertragsverhältnis zu seinem Auftraggeber, dessen Interessen er wahrzunehmen hat.

Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) das Unternehmen weiterhin als Einzelfirma betrieb, ist ein Indiz dafür, dass er den Betrieb nicht aus der Hand geben wollte. Aus rechtlicher Sicht haftete deshalb auch der Beigeladene zu 1) für Verbindlichkeiten seiner Firma und nicht der Kläger. Dass nach dem Vorbringen des Klägers er jeweils mit in die Entscheidungen einbezogen wurde, ist nicht entscheidend. Denn der Beigeladene zu 1) hatte - wie dargelegt - unabhängig davon, ob er von ihr Gebrauch gemacht hat oder nicht, die tatsächliche Rechtsmacht, gegebenenfalls andere Entscheidungen zu treffen.

Im Übrigen lässt sich der vom Kläger vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung, wonach er täglich Fahrten mit dem LKW zur Verteilung und Abholung von Stückgütern für Handel und Industrie durchgeführt und abends "diverse Büroarbeiten" erledigt habe, nicht entnehmen, dass er nach seinem Gutdünken die Geschicke des Betriebs hat lenken können.

Die Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung im streitigen Zeitraum sprechen, überwiegen mithin bei Weitem. Dabei ist abschließend zu berücksichtigen, dass das Sozialversicherungsverhältnis in der Vergangenheit gelebt und auch gewollt war.

2. Die Beklagte hat die Feststellung der Versicherungspflicht für die Zeit vom 01. Januar bis 31. März 2005 zu Recht auf die Renten- und Arbeitslosenversicherung begrenzt. Denn der Kläger war jedenfalls seit 01. Januar 2005 - neben der abhängigen Beschäftigung beim Beigeladenen zu 1) - als hauptberuflich Selbstständiger tätig, sodass er gemäß § 5 Abs. 5 SGB V versicherungsfrei war. Dies steht aufgrund des bestandskräftig gewordenen Bescheids der Beklagten vom 25. Februar 2005 fest. Da keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bestand, bestand auch keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt als hauptberuflich Selbstständiger tätig war, liegen nicht vor. Dies entnimmt der Senat zum einen der Tatsache, dass der Kläger die Feststellung der Versicherungsfreiheit seit 01. Januar 1990 allein damit begründet, dass die Tätigkeit beim Beigeladenen zu 1) eine selbstständige Tätigkeit gewesen sei und zum anderen daraus, dass der Kläger nach der Bescheinigung des Beigeladenen zu 1) vom 14. Juni 2005 zumindest bis 31. März 2005 weiterhin als Juniorchef beim Beigeladenen zu 1) tätig war. Zudem wurde vom Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 23. April 2005 die Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 5 SGB V ab 01. Januar 2005 bestätigt, ohne dass der Kläger dem widersprochen hat. Es wurde mithin auch vom Kläger nicht geltend gemacht, dass er bereits zu einem früheren Zeitpunkt als hauptberuflich Selbstständiger tätig gewesen sei.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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