L 10 AL 446/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 798/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 446/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.10.2005 zu Punkt III aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Insolvenzgeld für ausgefallenes Arbeitsentgelt, das die Klägerin für Arbeitnehmer der Fa. S. GmbH & Co KG (Fa. S.) im Zeitraum vom 01.09.2003 bis 11.09.2003 vorfinanziert hat.

Die Klägerin, eine Privatbank, beantragte bei der Beklagten am 03.12.2003 - aus abgetretenen Rechten - die Bewilligung von Insolvenzgeld für ausgefallenes Arbeitsentgelt der Mitarbeiter der Fa. S. in Höhe von 743.187,30 EUR. Nachdem die Fa. S. am 17.10.2003 einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte, hatte die Klägerin in einem Gruppenvertrag vom 22.10.2003 - mit Zustimmung der Beklagten vom 21.10.2003 - die Arbeitsentgeltansprüche der Mitarbeiter der Fa. S. angekauft, um das Insolvenzgeld für die Monate September und Oktober 2003 vorzufinanzieren. Die Fa. S. habe zum 01.12.2003 die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt.

Mit Beschluss vom 12.12.2003 (2 IN 351/03) lehnte das Amtsgericht P. - Insolvenzgericht - den Antrag der Klägerin vom 04.12.2003, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. S. zu eröffnen, mangels die Kosten deckender Masse ab.

Die Klägerin verwies darauf, dass sich nach ihrer Auffassung der Insolvenzgeldzeitraum auf den Zeitraum vom 01.09.2003 bis 27.11.2003 erstrecke, für den die Klägerin das Arbeitentgelt für die Arbeitnehmer der Fa. S. vorfinanziert habe.

Den ursprünglich gestellten Insolvenzantrag (vom 17.10.2003) habe der Geschäftsführer der Fa. S. zurückgenommen. Anschließend sei die einzige Komplementärin, die Fa. S. GmbH (S.-GmbH), aus der Kommanditgesellschaft ausgeschieden und Herr G. S. habe als einzig verbliebener Kommanditist sämtliche Aktiva und Passiva der Fa. S. übernommen. In der Folge habe G. S. das Unternehmen ab dem 28.11.2003 als Einzelkaufmann (Fa. S. e.K. - S.) fortgeführt. Dies sei im Handelsregister eingetragen worden. Die Arbeitnehmer der Fa. S. hätten - durch die Gesamtrechtsnachfolge und die Übernahme der Aktiva und Passiva - nach § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ihre Arbeitsverhältnisse mit S. fortgeführt. Diese Konstellation sei vergleichbar mit dem Übergang eines Teilgeschäftsbetriebes im Rahmen einer übertragenden Sanierung in einem Insolvenzverfahren. Das fortgeführte Unternehmen habe einen neuen Rechtsträger und sei nicht identisch mit der Fa. S ... Die in Auflösung befindliche Gesellschaft sei weiterhin insolvenzfähig, da noch Ansprüche bestünden, die nicht durch die Gesamtrechtsnachfolge auf S. übergegangen seien. Die Fa. S. habe ihre betriebliche Tätigkeit ab dem 28.11.2003 eingestellt, da die Arbeitnehmer ab diesem Zeitpunkt ausschließlich für S. tätig gewesen seien.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 26.04.2004 Insolvenzgeld in Höhe von 656.492,37 EUR für den Zeitraum vom 12.09.2003 bis 31.10.2003. Ein Arbeitgeberwechsel i.S.d. § 613a BGB habe nicht stattgefunden, weil S. die Fa. S. im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge übernommen habe. Der Arbeitgeber habe in identischer Weise fortbestanden und die Arbeitsverhältnisse seien zumindest bis 12.12.2003 fortgeführt worden. Die Ansprüche für den Zeitraum vom 01.09.2003 bis 11.09.2003 lägen außerhalb des Insolvenzgeldzeitraumes und seien nicht zu erstatten.

Gegen die Versagung des Insolvenzgeldes für die Zeit bis 11.09.2003 erhob die Klägerin Widerspruch. Es sei unerheblich, auf welcher Rechtsgrundlage die Arbeitsverhältnisse auf S. übergegangen seien. Entscheidend sei, dass es sich nicht um denselben Rechtsträger handle, und die Fa. S. sich zwar in Auflösung befinde, jedoch noch immer Träger von Rechten und Pflichten sei. Mit der Gesamtrechtsnachfolge am 27.11.2003 (oder spätestens zum 30.11.2003) seien die Arbeitsverhältnisse zwischen der Fa. S. und den Arbeitnehmern erloschen und beendet, so dass ausgehend von diesem Zeitpunkt der Insolvenzgeldzeitraum zu berechnen sei.

Im zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 19.07.2004 führte die Beklagte aus, dass nach der maßgeblichen arbeitsrechtlichen Sichtweise aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge ein Arbeitgeberwechsel zum 27.11.2003 (bzw. 30.11.2003) nicht stattgefunden habe. Es läge eine Arbeitgeberidentität vor, und ausgehend vom Insolvenzereignis umfasse der Dreimonatszeitraum die Zeit vom 12.09.2003 bis 11.12.2003.

Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin am 20.08.2004 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG). Von einer Gesamtrechtsnachfolge könne nicht ohne weiteres ausgegangen werden, denn dies verlange, dass der Rechtsnachfolger gänzlich in die Rechtsposition des vormaligen Rechtsträgers eintrete. Die Auflösung einer Gesellschaft führe nicht automatisch zu deren Erlöschen. Hierfür sei die Vollbeendigung erforderlich. Bis dahin sei die Fa. S. (in Liquidation) weiterhin rechtlich existent. Durch die Fortführung des Unternehmens durch S. ab dem 28.11.2003 läge in Bezug auf die Fa. S. ein Insolvenzereignis i.S.d. § 183 Abs 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) vor, dessen Voraussetzungen (Beendigung der Betriebstätigkeit; offensichtliche Masselosigkeit; kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens) spätestens zum 30.11.2003 vorgelegen hätten. Die Betriebseinstellung sei auf den jeweiligen Arbeitgeber zu beziehen; dass ein Insolvenzverfahren in Bezug auf die Fa. S. mangels Masse nicht in Betracht gekommen sei, habe sich in der Folge des Insolvenzantrages vom 17.10.2003 gezeigt, und mit der Rücknahme dieses Insolvenzantrages am 27.11.2003 sei auch dessen Sperrwirkung entfallen. Arbeitgeber für die Zeit vor dem 30.11.2003 sei im sozialversicherungsrechtlichen Sinne auch nicht S., sondern die Fa. S. (nunmehr in Liquidation) gewesen, denn allein diese habe bis 30.11.2003 die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer beanspruchen können. Es sei in diesem Zusammenhang keine klassische Gesamtrechtsnachfolge eingetreten, sondern es habe durch rechtsgeschäftliche Handlungen ein Arbeitgeberwechsel stattgefunden.

Das SG verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 26.10.2005, der Klägerin - aus übergegangenem Recht - Insolvenzgeld auch für den Zeitraum 01.09.2003 bis 11.09.2003 zu gewähren. Der Auffassung der Beklagten, es habe eine Umwandlung des Unternehmens und kein Betriebsübergang stattgefunden, sei nicht zu folgen. Zum einen habe der Beschluss des Insolvenzgerichtes insofern Tatbestandswirkung, als davon auszugehen sei, dass die in Liquidation befindliche Fa. S. Sondervermögen bilden könne und der Geschäftsbetrieb dieses Unternehmens mit Übernahme durch die Einzelfirma S. beendet worden sei. Auch widerspräche sich die Beklagte, denn unter Beachtung ihrer Rechtsauffassung habe keinerlei Anspruch auf Insolvenzgeld bestanden. Der Insolvenzgeldzeitraum erstrecke sich daher auf die Zeit vom 29.08.2003 bis 28.11.2003.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 30.11.2005 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Auch wenn darauf abzustellen sei, dass die Fa. S. noch existent gewesen sei, liege ein Insolvenzereignis i.S.d. § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB III nicht vor, denn offenkundige Masselosigkeit habe auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht vorgelegen, und ein Insolvenzereignis nach § 183 Abs 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III - die Abweisung mangels Masse - sei am 12.12.2003 eingetreten. In Bezug auf dieses Insolvenzereignis sei der Insolvenzgeldzeitraum (12.09.2003 bis 11.12.2003) zutreffend berücksichtigt worden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg vom 26.10.2005 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 26.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2004 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Mit der Rücknahme des Insolvenzantrages durch den Geschäftsführer sei dessen Sperrwirkung für ein Insolvenzereignis i.S.d. § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB III entfallen. Dieses sei mit der rechtsgeschäftlichen Übertragung der Geschäftsanteile auf S. eingetreten, denn hierdurch habe die Fa. S. die betriebliche Tätigkeit im Inland eingestellt und ein Insolvenzverfahren sei offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen. Mit der Übertragung sämtlicher Aktiva und Passiva auf S. war offenkundig, dass bei der Fa. S. kein Vermögen verblieben war, so dass dem Ablehnungsbeschluss vom 12.12.2003 lediglich feststellender Charakter beizumessen sei. Aber auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Amtsgerichtes P. vom 12.12.2003 sei hinsichtlich des Insolvenzgeldzeitraumes auf den vom SG unterstellten Zeitraum (29.08.2003 bis 28.11.2003) abzustellen, denn die Arbeitsverhältnisse mit der Fa. S. hätten - mit der Übertragung der Geschäftsanteile auf S. - am 28.11.2003 geendet.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf beigezogenen Akten und Unterlagen der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerechte eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache aber unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg vom 26.10.2005 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat auch für den Zeitraum vom 01.09.2003 bis 11.09.2003 Anspruch auf die Bewilligung von Insolvenzgeld aus übergegangenem Recht. Der Bescheid der Beklagten vom 26.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG.

Vorliegend hat die Klägerin - für die mit Vertrag vom 22.10.2003 übertragenen Arbeitsentgeltansprüche der Mitarbeiter der Fa. S. - auch für den Zeitraum 01.09.2003 bis 11.09.2003 Anspruch auf Insolvenzgeld.

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und (Nr 1) bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, (Nr 2) Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder (Nr 3) vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben, § 183 Abs 1 Satz 1 SGB III. Von einer vor dem Antrag auf Insolvenzgeld vorgenommenen Pfändung oder Verpfändung des Anspruchs auf Arbeitsentgelt wird auch der Anspruch auf Insolvenzgeld erfasst, § 188 Abs 2 SGB III. Der neue Gläubiger oder Pfandgläubiger hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld für Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die ihm vor dem Insolvenzereignis ohne Zustimmung des Arbeitsamtes zur Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte übertragen oder verpfändet wurden, § 188 Abs 4 Satz 1 SGG.

Die Klägerin hat mit Zustimmung der Beklagten vom 21.10.2003 u.a. für September 2003 das Arbeitsentgelt der Mitarbeiter der Fa. S. vorfinanziert, und mit dem Beschluss des AG P. - Insolvenzgericht - vom 12.12.2003, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fa. S. mangels Masse abzulehnen, liegt ein Insolvenzereignis in Bezug auf die Fa. S. vor.

Hierbei erstreckt sich der Insolvenzgeldzeitraum, wie vom SG zutreffend berechnet, auf den Zeitraum vom 29.08.2003 bis 28.11.2003, so dass - entgegen der Auffassung der Beklagten - der streitgegenständliche Zeitraum (01.09.2003 bis 11.09.2003) ebenfalls umfasst wird und Insolvenzgeld zu leisten ist.

Hierbei markiert der am 28.11.2003 rechtsgeschäftlich in die Wege geleitete Unternehmensübergang der Fa. S. auf S. das Ende des Insolvenzgeldzeitraumes.

Mit dem Übergang des Unternehmens auf die Einzelfirma S. endete am 28.11.2003 die Arbeitgeberstellung der Fa. S. gegenüber ihren Mitarbeitern kraft Gesetzes, denn mit der Übernahme sämtlicher Aktiva und Passiva durch S. gingen die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen - gesellschaftsrechtlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge - auf S., den neuen Arbeitgeber, wie im Falle eines Betriebsüberganges nach § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) über, so dass die Fa. S. ab dem 29.11.2003 keine Arbeitgeberstellung mehr gegenüber den bis dahin beschäftigten Arbeitnehmern inne hatte.

Bei der Beurteilung der Arbeitgebereigenschaft im insolvenzrechtlichen Sinne gilt bei selbständigen Firmen keine wirtschaftliche Betrachtungsweise, denn Arbeitgeber ist derjenige, der kraft Eigenverpflichtung das Arbeitsentgelt schuldet (Schmidt in PK- SGB III, § 183 Rdnr 22 unter Hinweis auf BSG in SozR 4100 § 141b Nr 27). Die Insolvenzsicherung bildet kein in sich abgeschlossenes System, deren anspruchsbegründende Tatbestände aus sich heraus ausgelegt werden können, sondern knüpft - auch bezüglich der Frage, wer Arbeitgeber ist - an die vorgefundenen privatautonomen Rechtsgestaltungen an. Wie im Sozialversicherungsrecht allgemein anerkannt ist, werden derartige Rechtsgestaltungen nicht durch die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingeschränkt, sondern die sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche knüpfen an die zivilrechtlich (bzw. arbeitsrechtlich) wirksam zustande gekommenen Regelungen und Gestaltungen an, soweit nicht eine diesen entgegenstehende tatsächliche Handhabung vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.1981 - Az. 12 RK 58/80 in BSGE 52, 152, 163 f mwN).

Ein Anspruch auf Insolvenzgeld ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Fa. S. als GmbH & Co. KG und die Einzelfirma des S. als identische Arbeitgeber anzusehen wären, wovon die Beklagte im Widerspruchs- und Klageverfahren ausgegangen war.

Die Frage der Identität wird nicht dadurch bestimmt, dass das betriebene Unternehmen bzw. der geführte Betrieb oder die am Unternehmen beteiligten Kapitaleigner identisch sind, sondern ob der jeweilige rechtliche Unternehmensträger bzw. Betriebsinhaber seine Identität gewechselt hat. (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1983 - Az. 10 RAr 26/81 in BSGE 55, 195ff)

Geht ein Betrieb, in dem Arbeitnehmer beschäftigt sind, durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser nach § 613a BGB mit dem Zeitpunkt der Übernahme in die bestehenden Arbeitsverhältnisse als neuer Arbeitgeber ein, falls die Arbeitnehmer nicht ausdrücklich der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses widersprechen; das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Betriebsinhaber wird kraft Gesetzes beendet.

Vorliegend wurde der Betrieb zwar nicht durch ein Rechtsgeschäft von der Fa. S. auf S. übertragen, denn die von S. in die Wege geleitete Auflösung der Gesellschaft durch Ausscheiden der Komplementärin und der übrigen Kommanditisten, Auflösung der GmbH und Übertragung sämtlicher Aktiva und Passiva auf die Person des S., führte - gesellschaftsrechtlich - zu einer Umwandlung kraft Gesetzes, und damit zum Betriebsübergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 32. Auflage § 105 Rdnr 8, § 131 Rn.35, § 140 Rn.25, § 161 Rdnr 17).

Gleichwohl ergeben sich hieraus keine anderen Rechtsfolgen - Beendigung der Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes und weitere Haftung des bisherigen Arbeitgebers (soweit fortbestehend) - als im Falle eines rechtsgeschäftlichen Betriebsüberganges (vgl. Müller-Glöge in MüKo zu § 613a Rn.63 mwN).

Ist daher - wie vorliegend - der bisherige Betriebsinhaber eine Personengesellschaft des Handelsrechts und führt ein einzelner ihrer Gesellschafter, den in Krise geratenen Betrieb unter einer neuen Firma (und unter einem neuen Rechtsträger) mit den wesentlichen sachlichen Betriebsmitteln und den bisherigen Arbeitnehmern fort, so tritt ein Arbeitgeberwechsel ein. Anders als beim Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus der Gesellschaft oder beim Gesellschafterwechsel verliert die Gesellschaft bei einer Fortführung des Betriebs durch eine unter neuer Firma gegründete Gesellschaft ihre Identität, so dass ihr Betrieb wie im Falle des § 613a BGB auf einen "anderen" Inhaber übergeht. Dass der Inhaber der neu gegründeten Firma mit den Gesellschaftern der Altgesellschaft teilweise identisch ist, steht hierbei dem Betriebsinhaberwechsel nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1983 aaO), denn die Umwandlung der Gesellschaft ist vom bloßen Wechsel der Gesellschafterstellung zu unterscheiden (vgl. Hopt aaO § 161 Rdnr 17). Lediglich im Falle des Gesellschafterwechsels, dem vollständigen Austausch aller Gesellschafter oder der Änderung der Rechtsform des Betriebsinhabers ändert sich die Identität des Arbeitgebers nicht (vgl. Müller-Glöge aaO § 613a Rdnr 54f).

Den Wechsel des Arbeitgebers hat die Beklagte im Rahmen des Berufungsverfahrens auch nicht mehr ausdrücklich in Abrede gestellt, zumal die Beklagte, bei konsequenter Handhabung ihrer im Klageverfahren geäußerten Rechtsaufassung zur Arbeitgeberidentität, auch für die Zeit ab dem 12.09.2003 kein Insolvenzgeld hätte erbringen dürfen.

Das SG hat den Insolvenzgeldzeitraum auch zutreffend bestimmt, denn maßgeblich hierfür sind die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis, § 183 Abs 1 Satz 1 SGB III. Hierbei kann offen bleiben, ob bereits mit dem Betriebsübergang am 28.11.2003 in Bezug auf die Fa. S. ein Insolvenzereignis i.S.d. § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB eingetreten ist, denn auch wenn man auf den Zeitpunkt des Ablehnungsbeschlusses des AG P. - Insolvenzgericht - vom 12.12.2003 abstellt, ergibt sich keine andere Betrachtungsweise.

Die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer mit der Fa. S., dem konkreten Arbeitgeber, der bis 28.11.2003 das Arbeitsentgelt schuldete und die Arbeitskraft der Beschäftigten zu beanspruchen hatte, endeten kraft Gesetzes mit dem Übergang des Betriebes auf S. im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (vgl. hierzu bereits oben). Für die Zeit ab dem 29.11.2003 (bis 11.12.2003) hatte lediglich S., nicht mehr jedoch die Fa. S. eine Arbeitgeberstellung gegenüber den vormaligen Mitarbeitern der Fa. S. inne.

Enden wie hier die Arbeitsverhältnisse jedoch vor dem maßgeblichen Insolvenzereignis, so berechnet sich die Dreimonatsfrist vom letzten Tag des Arbeitsverhältnisses, wobei dieser mitzuzählen ist, und es ist unerheblich, welcher Zeitraum bis zum Insolvenzereignis vergangen ist (vgl. Schmidt aaO § 183 Rdnr 61); dass die Arbeitsverhältnisse über den 28.11.2003 mit der Fa. S. fortbestanden haben sollen, wovon die Beklagte wohl im Rahmen ihrer Berufungsbegründung ausgeht, ist für den Senat - im Hinblick auf die Beendigung der Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes zum 28.11.2003 - nicht nachvollziehbar, und die Beklagte hat ihre Auffassung, trotz der Ausführungen der Klägerin in der Berufungserwiderung vom 12.05.2006, nicht erläutert.

Über die Höhe des zu bewilligenden Insolvenzgeldes hat der Senat nicht zu entscheiden, auch wenn die Klägerin mit der Klageerhebung die Zahlung von 86.694,93 EUR begehrt hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin lediglich noch die Leistung dem Grunde nach gefordert, und auch im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde nur die Zurückweisung der Berufung beantragt.

Die Verzinslichkeit des Anspruches - wie von der Beklagten begehrt (Schriftsatz vom 21.02.2007) - ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) und muss nicht ausdrücklich beantragt werden, so dass auch eine Verpflichtung der Beklagten hierzu nicht erforderlich ist.

Die Beklagte hat als Unterliegende die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Hierbei beruht die Kostenentscheidung auf § 193 Abs 1 Satz 1 SGG. Die Regelung des 197a Abs 1 Satz 1 SGG ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, denn die Klägerin ist Leistungsempfängerin im Sinne des § 183 SGG.

Dies folgt aus § 188 Abs 1 SGB III, wonach der Anspruch auf Insolvenzgeld durch die Übertragung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt dem Dritten zusteht. Damit tritt der Dritte (Zessionar) kraft Gesetzes in die Rechtsstellung des Arbeitnehmers ein und erwirbt kraft Gesetzes selbst unmittelbar einen Anspruch auf Insolvenzgeld (Schmidt aaO § 188 Rn. 9; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 188 Rdnr 22).

Folglich liegt kein Fall der "sonstigen Rechtsnachfolge" nach § 183 Satz 2 SGG vor, der die Gerichtskostenfreiheit auf das Verfahren in dem jeweiligen Rechtszug beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 05.12.2006 - Az. B 11a AL 19/05 R in SozR 4-4300 § 183 Nr 7). Insofern war die Kostenentscheidung des SG - dort Pkt. III - insbesondere in Bezug auf die Tragung der Gerichtskosten aufzuheben. Die Beklagte hat lediglich die Gebühr nach § 184 SGG für beide Rechtszüge zu entrichten. Im Übrigen hat die Beklagte jedoch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu tragen.

Gründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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