Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 292/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 223/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 19/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 7. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 3.9084,98 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage ob beim Beigeladenen zu 1) über den 30. Juni 2005 hinaus bis 30. November 2005 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorlag, und die Klägerin daraus Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu entrichten hat.
Der Beigeladene zu 1) war bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt. Dieses Beschäftigungsverhältnis wurde durch den vor dem Arbeitsgericht N. am 16. Juni 2005 geschlossenen Vergleich durch eine ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung zum 30. November 2005 aufgelöst. In Ziff. 2 dieses Vergleichs vereinbarten die Parteien, dass die Klagepartei (der Beigeladene zu 1) "bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der bisherigen Vergütung und unter Anrechnung auf eventuell noch offen stehende Urlaubsansprüche und eventuell noch offen stehende Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt" wird. Der zunächst widerruflich geschlossene Vergleich wurde mit Ablauf des 30. Juni 2005 wirksam. Ab 1. Dezember 2005 war der Beigeladene zu 1) arbeitslos gemeldet.
Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 10. November 2005 die Klägerin auf die bis 30. November 2005 fälligen Beiträge nachzuweisen und zu entrichten und die Abmeldung auf den 30. November 2005 zu berichtigen.
Der Klägerbevollmächtigte teilte mit, dass das Beschäftigungsverhältnis im sozialrechtlichen Sinne als Grundlage für eine Beitragspflicht mit der Vereinbarung des Vergleichs am 16. Juni 2005 beendet war, da der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt war. Bezug genommen werde auf das Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der BA vom Juli 2005. Da also ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis spätestens seit dem 16. Juni 2005 nicht mehr bestanden habe, bestünden auch keine Abführungspflichten der Klägerin. Die Beklagte vertrat hingegen die Auffassung, dass - entsprechend dem Besprechungsergebnis - von einem fortbestehenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen sei wenn durch ein Arbeitsgerichtsurteil oder einen arbeitsgerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt nach dem letzten Arbeitstag festgelegt und dem Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung der tatsächlichen Arbeitsleistung das bisherige Arbeitsentgelt oder ein Teilarbeitsentgelt gezahlt werde. Deshalab habe die versicherungspflichtige Beschäftigung beim Beigeladenen zu 1) erst zum 30. November 2005 geendet.
Die Klägerin wies darauf hin, dass es sich gerade nicht um die Umwandlung einer fristlosen Kündigung handle, deren Behandlung wie von der Beklagten zitiert, erfolgen solle, sondern um eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung. Die im Vergleich geschlossene einvernehmliche Vereinbarung der Freistellung sei noch während der laufenden Kündigungsfrist und vor Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Aus diesem Grunde ende die versicherungspflichtige Beschäftigung am 16. Juni 2005.
Die Beklagte teilte am 23. November 2005 mit, dass sie an ihrer Auffassung festhalte. Den von Klägerbevolimächtigten geforderten rechtsbehelfsfähigen Bescheid erließ die Beklagte am 21. Februar 2006.
Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit dem bisherigen Vorbringen begründet und von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2006 zurückgewiesen. Sie ist der Auffassung das Beschäftigungsverhältnis des Herrn M. habe erst mit Ablauf des 30. November 2005 geendet, sodass bis zu diesem Zeitpunkt Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten seien. Nach § 7 SGB IV sei das Beschäftigungsverhältnis durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers geprägt. Neben der Zahlung von Entgelt sei die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers von seinem Arbeitgeber entscheidend für das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelte nach § 7 Abs. 3 SGB IV nur für längstens einen Monat, wenn das Beschäftigungsverhältnis in dieser Zeit ohne einen Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauere. Die Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der BA hätten sich auf die Rechtsauffassung geeinigt, dass bei einer einvernehmlichen Freistellung von der Arbeit das wichtigste Merkmal für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, die persönliche Abhängigkeit entfallen sei. Die Versicherungspflicht bestehe aber weiter, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zur Verfügung stelle, der Arbeitgeber diese aber nicht annehme. Bei Freistellung im Falle einer Kündigung und gleichzeitiger Klage des Arbeitnehmers erfolge die Freistellung nur einseitig, das für die Beschäftigung zunächst fehlende Entgelt werde bei Erfolg der Klage vor dem Arbeitsgericht gewährt, so dass das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis deshalb lückenlos fortbestehe. Maßgeblich sei, dass der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung bereit gewesen wäre. Da beim Beigeladenen zu 1) nach einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung ein Vergleich geschlossen wurde, sei offensichtlich diese Kündigung zu Unrecht ausgesprochen worden. Deshalb bestehe bis zum Zeitpunkt der betriebsbedingten Kündigung am 30. November 2005 das Arbeitsverhältnis fort. Auf diese Auslegung hätten sich die Spitzenverbände in der genannten Besprechung geeinigt, diese Auffassung der GEK habe auch das BSG bereits in mehreren Urteilen bestätigt.
Mit der zum Sozialgericht Nürnberg erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bereits am 30. Juni 2005 beendet war. Sie stützt ihre Rechtsansicht auf das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände vom 5./6. Juli 2005. Zum Sachverhalt machte die Klägerin die Angabe, dass der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist gerade nicht von seiner Arbeitsleistung freigestellt worden war. Er sei nur deshalb nicht am Arbeitsplatz anwesend gewesen und habe zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses kein Arbeitsentgelt von der Klägerin bezogen, weil er nach einer über die Entgeltfortzahlungspflicht hinaus andauernden Arbeitsunfähigkeit bereits im Krankengeldbezug stand. Deshalb sei die Beklagte unzutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die ihr angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen und sich damit im Annahmeverzug befunden habe. Sofern der Arbeitnehmer zur Arbeit erschienen wäre, wäre dessen Arbeitsleistung auch angenommen worden. Die Beklagte unterstelle zu Unrecht, dass die Kündigung offensichtlich zu Unrecht ausgesprochen wurde. Diese vielmehr aufgrund einer betrieblichen Prognoseentscheidung ausgesprochen worden. Der Vergleich vor dem Arbeitsgericht sei aus rein pragmatischen und betriebswirtschaftlich-kaufmännischen Überlegungen heraus abgeschlossen worden. Im Übrigen sei dem Beigeladenen zu 1) eine - bezogen auf die zwanzigjährige Betriebszugehörigkeit - sehr niedrig vereinbarte Abfindung und Arbeitsfreistellung zugestanden worden.
Mit Urteil vom 7. Februar 2007 hob das Sozialgericht Nürnberg die angefochtenen Bescheide auf und stellte fest, dass der Bei-geladene zu 1) in der Zeit vom 1. Juli 2005 bis einschließlich 30. November 2005 nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand. Zur Begründung knüpfte das Sozialgericht an die Frage der persönlichen Abhängigkeit im Rahmen der Beschäftigung an. Die Sozialversicherungspflicht ende mit der Beendigung der Verfügungsgewalt des Arbeitgebers. Von diesem Grundsatz wichen die Fälle ab, in denen bei Kündigung des Arbeitgebers in einem sich anschließenden Arbeitsgerichtsverfahren durch Vergleich eine Verlängerung des bislang bestehenden Arbeitsverhältnisses für die Vergangenheit vereinbart wird. Dies sei hier für die Zeit über den 30. Juni 2005 hinaus gerade nicht geschehen. Entscheidend sei allein der Inhalt des abgeschlossenen Vergleichs und danach sei der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt worden. Für das Ende der Versicherungspflicht sei maßgebend, dass ein Element des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr gegeben sei. Da eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) ab dem 30. Juni 2005 24.00 Uhr nicht mehr möglich gewesen sei, fehle es ab diesem Zeitpunkt auch an der Beschäftigung selbst und damit einem konstitutiven Merkmal für die Annahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Es fehle an den zweiseitigen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wenn im gegenseitigen Einvernehmen unwiderruflich auf die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung verzichtet werde. Allein der Umstand, dass bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses das geschuldete Arbeitsentgelt fortgezahlt werde, begründe nicht das Bestehen des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bis zu diesem Zeitpunkt.
Der Streitwert stetzte das Sozialgericht auf 3.984,98 Euro fest.
Dagegen richtet sich die von der Beklagten eingelegte Berufung, zu deren Begründung vorgetragen wurde, dass die unwiderrufliche Freistellung von der Arbeitsleistung im Falle des von den Parteien des Arbeitsgerichtsverfahrens vereinbarten Vergleich nicht einvernehmlich erfolgte, sondern vielmehr Ergebnis des Rechtsstreits gewesen sei. Als Folge davon bestehe das Beschäftigungsverhältnis auch im sozialversicherungsrechtlichen Sinne bis 30. November 2005 fort.
Im Falle eines Arbeitsgerichtsverfahrens finde ein Austausch von Leistung und Gegenleistung nicht mehr statt, da eine Seite nicht mehr bereit sei das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Deshalb gehe jede Einvernehmlichkeit verloren. Der Arbeitnehmer biete weiterhin seine Arbeitskraft an. Diese Streitbefangenheit gelte durchgängig selbst dann, wenn das arbeitsgerichtliche Verfahren durch einen offiziellen arbeitsgerichtlichen Vergleich beendet werde. Es sei Wesen des gerichtlichen Vergleichs, auch wenn er oberflächlich betrachtet von Einvernehmlichkeit geprägt sei, dass es sich um eine Kompromisslösung zur Beendigung des Rechtsstreits handele, ohne dass die ursprüngliche Streitbefangenheit damit beseitigt worden ist. Das Sozialgericht habe dies nicht ausreichend beachtet, sondern verkannt, dass ein Beschäftigungsverhältnis im sozialrechtlichen Sinne unter bestimmten Voraussetzungen weiterbesteht, auch wenn keine Arbeitsleistung erbracht werde. Deshalb müsse die Berufung Erfolg haben.
Die Beigeladene zu 2) war der Auffassung, dass das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis bis zu dem durch Urteil oder Vergleich festgesetzten Ende des Arbeitsverhältnisses fortbestehe, lediglich bei einer unwiderruflichen Freistellung von der Arbeitsleistung, die im gegenseitigen Einvernehmen vereinbart werde, ende das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis bereits mit dem letzten Arbeitstag. Diese Einvernehmlichkeit bestehe bei gerichtlichen Streitigkeiten, auch wenn diese mit Vergleich beendet werden, nicht. Die Beigeladene teile daher die Auffassung der Berufungsklägerin.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 7. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend, es entspreche im Übrigen einer gefestigten Rechtsprechung des BSG und BAG und der Beurteilung der Spitzenverbände.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Akten der Beklagten, des SG Nürnberg und des BayLSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.
Wie das Sozialgericht Nürnberg kommt auch der Senat zum Ergebnis, dass das sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnis entsprechend der Erklärung der Beteiligten zum 30. Juni 2005 beendet wurde und somit von der Klägerin keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge aus dem Arbeitsverhältnis vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005 zu bezahlen sind.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, setzt Versicherungs- und Beitragspflicht in der Arbeitslosen-, der Kranken-, der Pflege-, der Renten- und der Unfallversicherung (§ 25 Abs. 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1, 2 Nr. 1 SGB XI sowie § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) voraus, dass ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV vorliegt. Nach der ständigen Rechtsprechung erfordert ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine persönlich abhängige, also nicht selbstständige, Tätigkeit, die sich in der Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers und in der Eingliederung in dessen Betrieb äußert (Baier in Krauskopf Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung § 7 SGB IV Anm. 4) Die Sozialversicherung bezweckt den Schutz der Personen, denen zur Schaffung und zum Erhalt der Lebensgrundlage allein die eigene Arbeitskraft zur Verfügung steht.
Kriterium dafür, ob ein Beschäftigungsverhältnis besteht oder nicht, bildet somit zum einen die tatsächliche Leistung von Arbeit, so dass z.B. ein Arbeitsvertrag, welcher nur pro forma abgeschlossen wird oder die Zahlung von Entgelt ohne Arbeitsleistung nicht ausreichen sollen, um den Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung zu erhalten. Es sollen also nur die tatsächlichen Verhältnisse des gesamten Vertragsverhältnisses maßgeblich sein, niemand soll sich in den Schutz der Solidargemeinschaft begeben können, ohne dass die entsprechenden Voraussetzungen objektiv vorliegen. Dies gilt sowohl um Missbrauch von Sozialleistungen als auch die Herbeiführung von Versicherungsschutz, wie er in der Regel bei privaten Versicherungen ohne Risikoprüfung nicht erreichbar wäre zu verhindern.
Für die hier maßgebliche Frage ist deshalb Ausgangspunkt, ob auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitspflicht bei gleichzeitiger Weiterbezahlung des Arbeitsentgelts, ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Sozialrechts besteht.
Die Rechtsprechung hat - aufgrund der sich in der Praxis gezeigten Bedürfnisse - Ausnahmen vom sozialrechtlichen Prinzip, dass ohne tatsächliche Arbeit kein Beschäftigungsverhältnis besteht, zugelassen. So kann ein Arbeitsverhältnis trotz Unterbrechung der tatsächlichen Arbeitsleistung zum Beispiel bei Bezug von Sozialleistungen (§ 7 Abs. 3 SGB IV) Urlaub, Streik, Sperrzeiten im Rahmen der Arbeitslosigkeit oder zuletzt bei sogenannter Altersteilzeit fortbestehen. Als entscheidend hat die Rechtsprechung dabei angesehen, ob die Beteiligten die Beschäftigung innerhalb eines absehbaren Rahmens wieder fortsetzen wollten, das Direktionsrecht des Arbeitgebers und die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers also nicht vollständig aufgegeben worden sind. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung ist der Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses bei begrenzter Dauer der Arbeitsunterbrechung bejaht worden, solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Willen haben, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen (BSG, Beschluss vom 21. August 1997, Az.: 12 BK 63/67 Rdnr. 7)
Andrerseits führt nach sozialrechtlicher Beurteilung die endgültige Aufgabe der Verfügungsbefugnis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses; darauf ob das Arbeitsverhältnis selbst fortbesteht, kommt es nicht an (BSGE 73, 90, 94). So setzt eine Vereinbarung (gerichtlicher Vergleich) zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dahingehend, dass tatsächliche Arbeit nicht mehr erbracht, die Beschäftigung also nicht mehr fortgesetzt werden soll, das wesentliche Merkmal einer Beschäftigung, das persönliche Abhängigkeitsverhältnis endgültig außer Kraft (BSG, Beschluss vom 21. August 1997, Az.: 12 EK 63/67 Orientierungssatz). In diesem Beschluss unterscheidet die Rechtsprechung des BSG zwischen einem "beitragsrechtlichen und leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses in der Arbeitslosenversicherung" (vgl. BSG, Urteil vom 26. November 1985, Az.: 12 RK 51/83 Rdnrn. 18, 21).
Erklärt wird dies mit den unterschiedlichen Schutzzwecken der jeweiligen Bestimmungen. Dieser Gedanke sei auch maßgeblich für die Rechtsprechung des BSG, dass Beiträge zur Berufsgenossenschaft nicht mehr zu zahlen seien, wenn der Arbeitnehmer endgültig von der Arbeit freigestellt werde, da ein Risiko eines Arbeitsunfalls mit der Freistellung von der Arbeit im Wesentlichen entfalle. Anlass für die Rechtsprechung zum beitragsrechtlichen bzw. leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses war, dass bei Arbeitslosmeldung eines Versicherten Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung nicht bezogen werden konnten, solange das Arbeitsverhältnis formal fortbestand. Im Bereich der Kranken- und Rentenversicherung, sowie bei der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung ist hingegen die tatsächliche Ausübung und der Fortbestand eines Beschäftigungsverhältnisses nicht stets notwendige Voraussetzung. Auch diese Rechtsprechung hat jedoch ein Beschäftigungsverhältnis bei Fehlen der tatsächlichen Arbeit regelmäßig nur dann angenommen, wenn die charakteristischen Merkmale der Beschäftigung weiterhin gegeben waren, das heißt die persönliche Abhängigkeit, die sich in der Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers und der Dienst-bereitschaft des Arbeitnehmers ausdrückt vorliegt (BSG, Beschluss vom 21. August 1997 a.a.O. Rdnr. 7 m.w.N.). An einem erforderlichen Fortsetzungswillen fehlt es jedoch, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer z.B. im Rahmen eines im Kündigungsschutzverfahren geschlossenen Vergleichs oder auch in einem Aufhebungsvertrag darauf geeinigt haben, dass tatsächliche Arbeit nicht mehr erbracht werden soll.
Für die Fälle, die infolge der Modelle zur Flexibilisierung der Arbeitszeit entstanden sind und bei denen der Arbeitnehmer zeitweise von der Arbeitsleistung freigestellt ist, hat der Gesetzgeber mit § 7 Abs. 1a SGB IV eine Regelung getroffen, die sicherstellt, dass auch für Zeiten der Freistellung im Rahmen flexibler Arbeitszeitregelungen unter bestimmten Voraussetzungen der vom Bestehen einer Beschäftigung gegen Entgelt abhängige Versicherungsschutz in der Sozialversicherung und im Arbeitsförderungsrecht besteht (vgl. Krauskopf a.a.O. § 7 Rdnrn. 27, 28). Der Gesetzgeber hat damit für diese längeren Freistellungszeiten eine spezialgesetzliche Regelung getroffen und hierfür gefordert, dass die Freistellungszeit aus einem bestehenden oder künftig auf zubauenden Wertguthaben im Rahmen einer vorab geschlossenen schriftlichen Vereinbarung gespeist wird. Andernfalls hat der Gesetzgeber ein Beschäftigungsverhältnis als nicht bestehend angesehen (vgl. BT-Drs. 13/9741 S. 9 ff.).
Unter dem Begriff Freistellung ist dabei zu verstehen, dass von der tatsächlichen Ausübung der Beschäftigung entbunden wird, der Arbeitnehmer also von der geschuldeten Arbeitsleistung freigestellt ist wie z.B. beim Erholungsurlaub, bei Krankheit oder Bildungsmaßnahmen. Freistellung setzt außerdem begrifflich voraus, dass der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung in der Lage wäre.
Das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 5./6. Juli 2005 kann dagegen nach Auffassung des Senats für die Auslegung nicht herangezogen werden, denn die Besprechungsteilnehmer haben sich auf die Urteile des BSG vom 25. April 2002 (Az.: B 11 AL 65/01 R = BSGE 89, 243) und vom 18. Dezember 2003 (Az.: B 11 AL 35/03 R = BSGE 92, 74) berufen die gerade nicht zum beitragsrechtlichen sondern vielmehr zum leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses ergangen sind (so auch Urteil LSG Rheinland- Pfalz vom 21. Juni 2007, Az.: L 5 KR 231/06).
Im Falle des Beigeladenen zu 1) fehlte es daher aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 16. Juni 2005 ab dem 1. Juli 2005 an einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, da der Arbeitnehmer unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt wurde und die Parteien damit ihren endgültigen Willen zum Ausdruck gebracht haben, das Beschäfti- gungsverhältnis nicht fortzusetzen. Wie das Sozialgericht zurecht betont hat, bestand zwar auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses eine Verpflichtung zur Entgeltzahlung, alle übrigen Elemente des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis- ses wie z.B. das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung, die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers, die Eingliederung in den fremden Betrieb, die persönliche Abhängigkeit sowie die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers, fehlten aber ab dem 1. Juli 2005. In Fällen wie diesem, wo sich die Beteiligten auf die derartige Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt haben, besteht auch keine besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers mehr, die ein beitragsrechtliches Fortbestehen des Beschäftigungsverhältn±sses notwendig machen könnte (so im Ergebnis Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Februar 1997, Az.: L 16 KR 54/96, a.A. Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. April 2007, Az.: L 4 KR 37/04).
Die Berufung der Beklagten war daher in vollem Umfange zurück-zuweisen.
Im Hinblick auf die anhängigen Revisionsverfahren (B 12 KR 22/07 R und B 12 KR 27/07 R) war die Revision zuzulassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wird auf 3.984,98 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 3.9084,98 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage ob beim Beigeladenen zu 1) über den 30. Juni 2005 hinaus bis 30. November 2005 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorlag, und die Klägerin daraus Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu entrichten hat.
Der Beigeladene zu 1) war bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt. Dieses Beschäftigungsverhältnis wurde durch den vor dem Arbeitsgericht N. am 16. Juni 2005 geschlossenen Vergleich durch eine ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung zum 30. November 2005 aufgelöst. In Ziff. 2 dieses Vergleichs vereinbarten die Parteien, dass die Klagepartei (der Beigeladene zu 1) "bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der bisherigen Vergütung und unter Anrechnung auf eventuell noch offen stehende Urlaubsansprüche und eventuell noch offen stehende Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt" wird. Der zunächst widerruflich geschlossene Vergleich wurde mit Ablauf des 30. Juni 2005 wirksam. Ab 1. Dezember 2005 war der Beigeladene zu 1) arbeitslos gemeldet.
Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 10. November 2005 die Klägerin auf die bis 30. November 2005 fälligen Beiträge nachzuweisen und zu entrichten und die Abmeldung auf den 30. November 2005 zu berichtigen.
Der Klägerbevollmächtigte teilte mit, dass das Beschäftigungsverhältnis im sozialrechtlichen Sinne als Grundlage für eine Beitragspflicht mit der Vereinbarung des Vergleichs am 16. Juni 2005 beendet war, da der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt war. Bezug genommen werde auf das Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der BA vom Juli 2005. Da also ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis spätestens seit dem 16. Juni 2005 nicht mehr bestanden habe, bestünden auch keine Abführungspflichten der Klägerin. Die Beklagte vertrat hingegen die Auffassung, dass - entsprechend dem Besprechungsergebnis - von einem fortbestehenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen sei wenn durch ein Arbeitsgerichtsurteil oder einen arbeitsgerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt nach dem letzten Arbeitstag festgelegt und dem Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung der tatsächlichen Arbeitsleistung das bisherige Arbeitsentgelt oder ein Teilarbeitsentgelt gezahlt werde. Deshalab habe die versicherungspflichtige Beschäftigung beim Beigeladenen zu 1) erst zum 30. November 2005 geendet.
Die Klägerin wies darauf hin, dass es sich gerade nicht um die Umwandlung einer fristlosen Kündigung handle, deren Behandlung wie von der Beklagten zitiert, erfolgen solle, sondern um eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung. Die im Vergleich geschlossene einvernehmliche Vereinbarung der Freistellung sei noch während der laufenden Kündigungsfrist und vor Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Aus diesem Grunde ende die versicherungspflichtige Beschäftigung am 16. Juni 2005.
Die Beklagte teilte am 23. November 2005 mit, dass sie an ihrer Auffassung festhalte. Den von Klägerbevolimächtigten geforderten rechtsbehelfsfähigen Bescheid erließ die Beklagte am 21. Februar 2006.
Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit dem bisherigen Vorbringen begründet und von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2006 zurückgewiesen. Sie ist der Auffassung das Beschäftigungsverhältnis des Herrn M. habe erst mit Ablauf des 30. November 2005 geendet, sodass bis zu diesem Zeitpunkt Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten seien. Nach § 7 SGB IV sei das Beschäftigungsverhältnis durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers geprägt. Neben der Zahlung von Entgelt sei die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers von seinem Arbeitgeber entscheidend für das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelte nach § 7 Abs. 3 SGB IV nur für längstens einen Monat, wenn das Beschäftigungsverhältnis in dieser Zeit ohne einen Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauere. Die Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der BA hätten sich auf die Rechtsauffassung geeinigt, dass bei einer einvernehmlichen Freistellung von der Arbeit das wichtigste Merkmal für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, die persönliche Abhängigkeit entfallen sei. Die Versicherungspflicht bestehe aber weiter, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zur Verfügung stelle, der Arbeitgeber diese aber nicht annehme. Bei Freistellung im Falle einer Kündigung und gleichzeitiger Klage des Arbeitnehmers erfolge die Freistellung nur einseitig, das für die Beschäftigung zunächst fehlende Entgelt werde bei Erfolg der Klage vor dem Arbeitsgericht gewährt, so dass das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis deshalb lückenlos fortbestehe. Maßgeblich sei, dass der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung bereit gewesen wäre. Da beim Beigeladenen zu 1) nach einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung ein Vergleich geschlossen wurde, sei offensichtlich diese Kündigung zu Unrecht ausgesprochen worden. Deshalb bestehe bis zum Zeitpunkt der betriebsbedingten Kündigung am 30. November 2005 das Arbeitsverhältnis fort. Auf diese Auslegung hätten sich die Spitzenverbände in der genannten Besprechung geeinigt, diese Auffassung der GEK habe auch das BSG bereits in mehreren Urteilen bestätigt.
Mit der zum Sozialgericht Nürnberg erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bereits am 30. Juni 2005 beendet war. Sie stützt ihre Rechtsansicht auf das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände vom 5./6. Juli 2005. Zum Sachverhalt machte die Klägerin die Angabe, dass der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist gerade nicht von seiner Arbeitsleistung freigestellt worden war. Er sei nur deshalb nicht am Arbeitsplatz anwesend gewesen und habe zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses kein Arbeitsentgelt von der Klägerin bezogen, weil er nach einer über die Entgeltfortzahlungspflicht hinaus andauernden Arbeitsunfähigkeit bereits im Krankengeldbezug stand. Deshalb sei die Beklagte unzutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die ihr angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen und sich damit im Annahmeverzug befunden habe. Sofern der Arbeitnehmer zur Arbeit erschienen wäre, wäre dessen Arbeitsleistung auch angenommen worden. Die Beklagte unterstelle zu Unrecht, dass die Kündigung offensichtlich zu Unrecht ausgesprochen wurde. Diese vielmehr aufgrund einer betrieblichen Prognoseentscheidung ausgesprochen worden. Der Vergleich vor dem Arbeitsgericht sei aus rein pragmatischen und betriebswirtschaftlich-kaufmännischen Überlegungen heraus abgeschlossen worden. Im Übrigen sei dem Beigeladenen zu 1) eine - bezogen auf die zwanzigjährige Betriebszugehörigkeit - sehr niedrig vereinbarte Abfindung und Arbeitsfreistellung zugestanden worden.
Mit Urteil vom 7. Februar 2007 hob das Sozialgericht Nürnberg die angefochtenen Bescheide auf und stellte fest, dass der Bei-geladene zu 1) in der Zeit vom 1. Juli 2005 bis einschließlich 30. November 2005 nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand. Zur Begründung knüpfte das Sozialgericht an die Frage der persönlichen Abhängigkeit im Rahmen der Beschäftigung an. Die Sozialversicherungspflicht ende mit der Beendigung der Verfügungsgewalt des Arbeitgebers. Von diesem Grundsatz wichen die Fälle ab, in denen bei Kündigung des Arbeitgebers in einem sich anschließenden Arbeitsgerichtsverfahren durch Vergleich eine Verlängerung des bislang bestehenden Arbeitsverhältnisses für die Vergangenheit vereinbart wird. Dies sei hier für die Zeit über den 30. Juni 2005 hinaus gerade nicht geschehen. Entscheidend sei allein der Inhalt des abgeschlossenen Vergleichs und danach sei der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt worden. Für das Ende der Versicherungspflicht sei maßgebend, dass ein Element des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr gegeben sei. Da eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) ab dem 30. Juni 2005 24.00 Uhr nicht mehr möglich gewesen sei, fehle es ab diesem Zeitpunkt auch an der Beschäftigung selbst und damit einem konstitutiven Merkmal für die Annahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Es fehle an den zweiseitigen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wenn im gegenseitigen Einvernehmen unwiderruflich auf die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung verzichtet werde. Allein der Umstand, dass bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses das geschuldete Arbeitsentgelt fortgezahlt werde, begründe nicht das Bestehen des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bis zu diesem Zeitpunkt.
Der Streitwert stetzte das Sozialgericht auf 3.984,98 Euro fest.
Dagegen richtet sich die von der Beklagten eingelegte Berufung, zu deren Begründung vorgetragen wurde, dass die unwiderrufliche Freistellung von der Arbeitsleistung im Falle des von den Parteien des Arbeitsgerichtsverfahrens vereinbarten Vergleich nicht einvernehmlich erfolgte, sondern vielmehr Ergebnis des Rechtsstreits gewesen sei. Als Folge davon bestehe das Beschäftigungsverhältnis auch im sozialversicherungsrechtlichen Sinne bis 30. November 2005 fort.
Im Falle eines Arbeitsgerichtsverfahrens finde ein Austausch von Leistung und Gegenleistung nicht mehr statt, da eine Seite nicht mehr bereit sei das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Deshalb gehe jede Einvernehmlichkeit verloren. Der Arbeitnehmer biete weiterhin seine Arbeitskraft an. Diese Streitbefangenheit gelte durchgängig selbst dann, wenn das arbeitsgerichtliche Verfahren durch einen offiziellen arbeitsgerichtlichen Vergleich beendet werde. Es sei Wesen des gerichtlichen Vergleichs, auch wenn er oberflächlich betrachtet von Einvernehmlichkeit geprägt sei, dass es sich um eine Kompromisslösung zur Beendigung des Rechtsstreits handele, ohne dass die ursprüngliche Streitbefangenheit damit beseitigt worden ist. Das Sozialgericht habe dies nicht ausreichend beachtet, sondern verkannt, dass ein Beschäftigungsverhältnis im sozialrechtlichen Sinne unter bestimmten Voraussetzungen weiterbesteht, auch wenn keine Arbeitsleistung erbracht werde. Deshalb müsse die Berufung Erfolg haben.
Die Beigeladene zu 2) war der Auffassung, dass das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis bis zu dem durch Urteil oder Vergleich festgesetzten Ende des Arbeitsverhältnisses fortbestehe, lediglich bei einer unwiderruflichen Freistellung von der Arbeitsleistung, die im gegenseitigen Einvernehmen vereinbart werde, ende das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis bereits mit dem letzten Arbeitstag. Diese Einvernehmlichkeit bestehe bei gerichtlichen Streitigkeiten, auch wenn diese mit Vergleich beendet werden, nicht. Die Beigeladene teile daher die Auffassung der Berufungsklägerin.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 7. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend, es entspreche im Übrigen einer gefestigten Rechtsprechung des BSG und BAG und der Beurteilung der Spitzenverbände.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Akten der Beklagten, des SG Nürnberg und des BayLSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.
Wie das Sozialgericht Nürnberg kommt auch der Senat zum Ergebnis, dass das sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnis entsprechend der Erklärung der Beteiligten zum 30. Juni 2005 beendet wurde und somit von der Klägerin keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge aus dem Arbeitsverhältnis vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005 zu bezahlen sind.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, setzt Versicherungs- und Beitragspflicht in der Arbeitslosen-, der Kranken-, der Pflege-, der Renten- und der Unfallversicherung (§ 25 Abs. 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1, 2 Nr. 1 SGB XI sowie § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) voraus, dass ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV vorliegt. Nach der ständigen Rechtsprechung erfordert ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine persönlich abhängige, also nicht selbstständige, Tätigkeit, die sich in der Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers und in der Eingliederung in dessen Betrieb äußert (Baier in Krauskopf Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung § 7 SGB IV Anm. 4) Die Sozialversicherung bezweckt den Schutz der Personen, denen zur Schaffung und zum Erhalt der Lebensgrundlage allein die eigene Arbeitskraft zur Verfügung steht.
Kriterium dafür, ob ein Beschäftigungsverhältnis besteht oder nicht, bildet somit zum einen die tatsächliche Leistung von Arbeit, so dass z.B. ein Arbeitsvertrag, welcher nur pro forma abgeschlossen wird oder die Zahlung von Entgelt ohne Arbeitsleistung nicht ausreichen sollen, um den Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung zu erhalten. Es sollen also nur die tatsächlichen Verhältnisse des gesamten Vertragsverhältnisses maßgeblich sein, niemand soll sich in den Schutz der Solidargemeinschaft begeben können, ohne dass die entsprechenden Voraussetzungen objektiv vorliegen. Dies gilt sowohl um Missbrauch von Sozialleistungen als auch die Herbeiführung von Versicherungsschutz, wie er in der Regel bei privaten Versicherungen ohne Risikoprüfung nicht erreichbar wäre zu verhindern.
Für die hier maßgebliche Frage ist deshalb Ausgangspunkt, ob auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitspflicht bei gleichzeitiger Weiterbezahlung des Arbeitsentgelts, ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Sozialrechts besteht.
Die Rechtsprechung hat - aufgrund der sich in der Praxis gezeigten Bedürfnisse - Ausnahmen vom sozialrechtlichen Prinzip, dass ohne tatsächliche Arbeit kein Beschäftigungsverhältnis besteht, zugelassen. So kann ein Arbeitsverhältnis trotz Unterbrechung der tatsächlichen Arbeitsleistung zum Beispiel bei Bezug von Sozialleistungen (§ 7 Abs. 3 SGB IV) Urlaub, Streik, Sperrzeiten im Rahmen der Arbeitslosigkeit oder zuletzt bei sogenannter Altersteilzeit fortbestehen. Als entscheidend hat die Rechtsprechung dabei angesehen, ob die Beteiligten die Beschäftigung innerhalb eines absehbaren Rahmens wieder fortsetzen wollten, das Direktionsrecht des Arbeitgebers und die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers also nicht vollständig aufgegeben worden sind. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung ist der Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses bei begrenzter Dauer der Arbeitsunterbrechung bejaht worden, solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Willen haben, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen (BSG, Beschluss vom 21. August 1997, Az.: 12 BK 63/67 Rdnr. 7)
Andrerseits führt nach sozialrechtlicher Beurteilung die endgültige Aufgabe der Verfügungsbefugnis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses; darauf ob das Arbeitsverhältnis selbst fortbesteht, kommt es nicht an (BSGE 73, 90, 94). So setzt eine Vereinbarung (gerichtlicher Vergleich) zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dahingehend, dass tatsächliche Arbeit nicht mehr erbracht, die Beschäftigung also nicht mehr fortgesetzt werden soll, das wesentliche Merkmal einer Beschäftigung, das persönliche Abhängigkeitsverhältnis endgültig außer Kraft (BSG, Beschluss vom 21. August 1997, Az.: 12 EK 63/67 Orientierungssatz). In diesem Beschluss unterscheidet die Rechtsprechung des BSG zwischen einem "beitragsrechtlichen und leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses in der Arbeitslosenversicherung" (vgl. BSG, Urteil vom 26. November 1985, Az.: 12 RK 51/83 Rdnrn. 18, 21).
Erklärt wird dies mit den unterschiedlichen Schutzzwecken der jeweiligen Bestimmungen. Dieser Gedanke sei auch maßgeblich für die Rechtsprechung des BSG, dass Beiträge zur Berufsgenossenschaft nicht mehr zu zahlen seien, wenn der Arbeitnehmer endgültig von der Arbeit freigestellt werde, da ein Risiko eines Arbeitsunfalls mit der Freistellung von der Arbeit im Wesentlichen entfalle. Anlass für die Rechtsprechung zum beitragsrechtlichen bzw. leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses war, dass bei Arbeitslosmeldung eines Versicherten Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung nicht bezogen werden konnten, solange das Arbeitsverhältnis formal fortbestand. Im Bereich der Kranken- und Rentenversicherung, sowie bei der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung ist hingegen die tatsächliche Ausübung und der Fortbestand eines Beschäftigungsverhältnisses nicht stets notwendige Voraussetzung. Auch diese Rechtsprechung hat jedoch ein Beschäftigungsverhältnis bei Fehlen der tatsächlichen Arbeit regelmäßig nur dann angenommen, wenn die charakteristischen Merkmale der Beschäftigung weiterhin gegeben waren, das heißt die persönliche Abhängigkeit, die sich in der Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers und der Dienst-bereitschaft des Arbeitnehmers ausdrückt vorliegt (BSG, Beschluss vom 21. August 1997 a.a.O. Rdnr. 7 m.w.N.). An einem erforderlichen Fortsetzungswillen fehlt es jedoch, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer z.B. im Rahmen eines im Kündigungsschutzverfahren geschlossenen Vergleichs oder auch in einem Aufhebungsvertrag darauf geeinigt haben, dass tatsächliche Arbeit nicht mehr erbracht werden soll.
Für die Fälle, die infolge der Modelle zur Flexibilisierung der Arbeitszeit entstanden sind und bei denen der Arbeitnehmer zeitweise von der Arbeitsleistung freigestellt ist, hat der Gesetzgeber mit § 7 Abs. 1a SGB IV eine Regelung getroffen, die sicherstellt, dass auch für Zeiten der Freistellung im Rahmen flexibler Arbeitszeitregelungen unter bestimmten Voraussetzungen der vom Bestehen einer Beschäftigung gegen Entgelt abhängige Versicherungsschutz in der Sozialversicherung und im Arbeitsförderungsrecht besteht (vgl. Krauskopf a.a.O. § 7 Rdnrn. 27, 28). Der Gesetzgeber hat damit für diese längeren Freistellungszeiten eine spezialgesetzliche Regelung getroffen und hierfür gefordert, dass die Freistellungszeit aus einem bestehenden oder künftig auf zubauenden Wertguthaben im Rahmen einer vorab geschlossenen schriftlichen Vereinbarung gespeist wird. Andernfalls hat der Gesetzgeber ein Beschäftigungsverhältnis als nicht bestehend angesehen (vgl. BT-Drs. 13/9741 S. 9 ff.).
Unter dem Begriff Freistellung ist dabei zu verstehen, dass von der tatsächlichen Ausübung der Beschäftigung entbunden wird, der Arbeitnehmer also von der geschuldeten Arbeitsleistung freigestellt ist wie z.B. beim Erholungsurlaub, bei Krankheit oder Bildungsmaßnahmen. Freistellung setzt außerdem begrifflich voraus, dass der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung in der Lage wäre.
Das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 5./6. Juli 2005 kann dagegen nach Auffassung des Senats für die Auslegung nicht herangezogen werden, denn die Besprechungsteilnehmer haben sich auf die Urteile des BSG vom 25. April 2002 (Az.: B 11 AL 65/01 R = BSGE 89, 243) und vom 18. Dezember 2003 (Az.: B 11 AL 35/03 R = BSGE 92, 74) berufen die gerade nicht zum beitragsrechtlichen sondern vielmehr zum leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses ergangen sind (so auch Urteil LSG Rheinland- Pfalz vom 21. Juni 2007, Az.: L 5 KR 231/06).
Im Falle des Beigeladenen zu 1) fehlte es daher aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 16. Juni 2005 ab dem 1. Juli 2005 an einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, da der Arbeitnehmer unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt wurde und die Parteien damit ihren endgültigen Willen zum Ausdruck gebracht haben, das Beschäfti- gungsverhältnis nicht fortzusetzen. Wie das Sozialgericht zurecht betont hat, bestand zwar auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses eine Verpflichtung zur Entgeltzahlung, alle übrigen Elemente des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis- ses wie z.B. das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung, die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers, die Eingliederung in den fremden Betrieb, die persönliche Abhängigkeit sowie die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers, fehlten aber ab dem 1. Juli 2005. In Fällen wie diesem, wo sich die Beteiligten auf die derartige Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt haben, besteht auch keine besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers mehr, die ein beitragsrechtliches Fortbestehen des Beschäftigungsverhältn±sses notwendig machen könnte (so im Ergebnis Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Februar 1997, Az.: L 16 KR 54/96, a.A. Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. April 2007, Az.: L 4 KR 37/04).
Die Berufung der Beklagten war daher in vollem Umfange zurück-zuweisen.
Im Hinblick auf die anhängigen Revisionsverfahren (B 12 KR 22/07 R und B 12 KR 27/07 R) war die Revision zuzulassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wird auf 3.984,98 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
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