L 19 R 47/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 R 437/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 47/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 366/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.12.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die rentensteigernde Anerkennung einer landwirtschaftlichen Lehrzeit im elterlichen Betrieb als Versicherungszeit gem. § 247 Abs 2a SGB VI.

Der 1940 geborene Kläger hat nach Abschluss der Volksschule im Jahr 1954 im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern gearbeitet. Er besuchte vom 15.08.1954 bis 13.07.1957 die landwirtschaftliche Berufsschule. Den ersten Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung der Arbeiter hat er im Mai 1963 entrichtet.

Am 17.11.2000 beantragte er die Anerkennung der Zeit von August 1954 bis Juli 1957 als Beitragszeit. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 10.01.2001 ab. Das dagegen angestrengte Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Die Beklagte erteilte den Widerspruchsbescheid vom 18.05.2001. Die Anerkennung einer Lehrzeit im elterlichen Betrieb nach § 247 Abs 2a SGB VI würde voraussetzen, dass eine Beschäftigung als Lehrling vorgelegen habe. Dies sei beim Kläger nicht der Fall gewesen. Die Kopie des Schülerbogens der Berufsschule enthalte in der entsprechenden Spalte für die Lehr- bzw. Arbeitsstelle keine Eintragung. Allein der Nachweis des Besuches der landwirtschaftlichen Berufsschule sei für die Beurteilung, ob tatsächlich ein ordentliches Lehrverhältnis vorgelegen habe, kein geeignetes Beweismittel für ein solches Lehrverhältnis. Auch hätten Landwirtschaftssöhne einen Teil ihrer Lehrzeit in einem Fremdbetrieb zurückzulegen gehabt, wobei ein entsprechender Eintrag in die Lehrlingsstammrolle erfolgt sei. Nachdem dies beim Kläger fehle, könne nur von einer familienhaften Mithilfe im Betrieb der Eltern ausgegangen werden.

Dagegen hat der Kläger am 07.06.2001 Klage beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Er hat im Wesentlichen vorgebracht, er habe nach Beendigung der Schulzeit in der elterlichen Landwirtschaft mitarbeiten müssen, und sein Vater habe ihm dabei die für den Beruf nötigen Kenntnisse vermittelt. Von Mai bis August 2002 hat der Kläger eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt, die bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) versichert war. Der Kläger hat in dieser Zeit einen Antrag auf Kontenklärung bei diesem Versicherungsträger eingereicht und die Zeit vom August 1954 bis Juli 1957 (erneut) als Versicherungszeit geltend gemacht. Die BfA hat zunächst mit Bescheid vom 24.07.2002 die Zeit vom 01.08.1957 bis 31.12.1957 als Pflichtbeitragszeit anerkannt und - auf den Widerspruch des Klägers - mit weiterem Bescheid vom 08.08.2002 - Rentenauskunft - die Zeit vom 01.08.1954 bis 31.12.1957 als Pflichtbeitragszeit für berufliche Ausbildung in den Versicherungsverlauf aufgenommen.

Auf den Antrag des Klägers vom 22.10.2002 (von der BfA an die LVA abgegeben) bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 29.01.2003 Altersrente ab 01.01.2003 (in Höhe von 743,05 EUR). Bei der Berechnung dieser Rente waren die Zeiten von August 1954 bis Juli 1957 nicht berücksichtigt. Nach entsprechender Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 25.02.2003 hat die Beklagte mit Bescheid vom 20.03.2003 den Bescheid der BfA vom 24.07.2002 in der Fassung des Bescheides vom 08.08.2002 insoweit aufgehoben, als die Zeit vom 01.08.1954 bis 31.07.1957 als Beitragszeit anerkannt worden war.

Mit Urteil vom 13.12.2005 hat das SG die Klage - gerichtet auf Anerkennung einer Lehrzeit von August 1954 bis Juli 1957 - abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung einer Pflichtbeitragszeit nach § 247 Abs 2a SGB VI seien nicht gegeben. Maßgebend sei dabei, ob für die behauptete Lehre und sonstige Berufsausbildung nach dem damaligen Recht, wie es sich aus heutiger Sicht darstellt, eine Beitragsentrichtung geboten gewesen sei. Nach dem in der fraglichen Zeit geltenden Recht seien jedoch keine Beiträge für den Kläger zu entrichten gewesen, weil er nicht als Lehrling beschäftigt und deshalb nicht versicherungspflichtig gewesen sei. Dem Kläger sei es nicht gelungen, den Nachweis über eine den Vorschriften entsprechende Lehrzeit zu erbringen. Zum einen sei schon ein Lehrvertrag nach den eigenen Angaben des Klägers nicht abgeschlossen worden. Im Übrigen hätte es sich um einen anerkannten Lehrbetrieb handeln müssen, in dem der Lehrherr zur Berufsausbildung geeignet war. Dies sei vorliegend nicht geklärt. Der Besuch einer landwirtschaftlichen Berufsschule sei weder als Indiz noch als Nachweis für das Bestehen eines Lehrverhältnisses geeignet. Vorliegend sei im Schülerbogen der landwirtschaftlichen Berufsschule aber gerade eine Lehr- bzw. Arbeitsstelle nicht eingetragen. Schließlich habe der Kläger auch selbst nicht vorgetragen, dass das Ziel einer Mitarbeit im elterlichen Betrieb ein Lehrabschluss gewesen sei. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass die BfA Berlin die streitgegenständlichen Zeiten im Bescheid vom 08.08.2002 anerkannt habe. Bei diesem Bescheid der BfA habe es sich um einen Vormerkungsbescheid iS des § 149 Abs 5 SGB VI gehandelt. Ein solcher Feststellungsbescheid habe die Funktion einer Beweissicherung und Abs 5 Satz 3 dieser Bestimmung stelle klar, dass über die Anrechnung und Bewertung der festgestellten Zeiten erst bei Vorliegen des Leistungsfalles entschieden werde. Die Beklagte habe die Aufhebung des Bescheides entsprechend der Bestimmung des § 45 SGB X vorgenommen. Ein Vertrauenstatbestand iS dieser Vorschrift müsse grundsätzlich verneint werden. Der Kläger habe den Antrag auf Kontenklärung bei der BfA Berlin eingereicht, obwohl gleichzeitig bereits ein Verwaltungsverfahren bei der Beklagten durchgeführt worden war und ein Sozialgerichtsverfahren anhängig gewesen war. Der Kläger genieße deshalb keinerlei schutzwürdiges Vertrauen. Jede andere Ansicht müsste als rechtsmissbräuchlich erscheinen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 20.01.2006 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers. Dieser verlangt im Ergebnis weiterhin die Anerkennung einer Lehrzeit vom August 1954 bis Juli 1957 im elterlichen Betrieb. Er hat u.a. darauf verwiesen, dass in einem völlig gleich gelagerten Fall die Beklagte eine entsprechende Lehrzeit anerkannt habe. Die Beklagte hat sich dazu geäußert, dass nur eine Gleichbehandlung im Recht, nicht jedoch im Unrecht zu erfolgen habe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.12.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2001 sowie die Bescheide vom 29.01.2003 und 20.03.2003 aufzuheben und die Rente unter Berücksichtigung der Zeit von August 1954 bis Juli 1957 als Pflichtbeitragszeit neu zu berechnen und eine Rentennachzahlung zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakten des SG Würzburg vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Streitig ist die Anerkennung weiterer rentenrechtlicher Zeiten.

Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet. Hinsichtlich der materiellen Rechtslage - streitig ist die Versicherungszeit vom August 1954 bis Juli 1957 als fiktive Pflichtbeitragszeit nach § 247 Abs 2a SGB VI - ist den Ausführungen im Urteil des SG in vollem Umfang zuzustimmen. Es hat keine förmliche Lehrzeit vorgelegen, weil kein entsprechender Lehrvertrag bestanden hat, keine Eintragung in die Lehrlingsrolle bei der Handwerkskammer erfolgt war oder sonst eine Lehranzeige an die Kammer und schließlich auch keine Eintragung über die Ableistung der Lehre bei den Eltern in den Akten der zuständigen Schule vorhanden ist. Es hatten keine berufsfördernden Kurse stattgefunden, auch war nicht wenigstens ein Teil der sogenannten Lehrzeit in einem anerkannten Fremdlehrbetrieb abgeleistet.

Nach der Überzeugung des Senats war die Beklagte auch berechtigt, den Bescheid der BfA vom 08.08.2002 aufzuheben. Für die deutsche Rentenversicherung gilt, zumindest seit Abschaffung des AVG und der RVO und der Einführung des SGB, einheitliches Recht. Dies bedeutet, dass sich widersprechende Entscheidungen verschiedener Versicherungsträger im Rahmen der §§ 45, 48 SGB X zu korrigieren sind. Die Beklagte hat dies in zulässiger Weise getan, wie im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt wurde. Es ist insbesondere davon auszugehen, dass der Kläger kein Vertrauen erwerben konnte in den Bestand des Bescheides vom 08.08.2002. Ihm war zumindest klar, dass die Beklagte hierzu eine andere Auffassung vertrat, weshalb ja von ihm selbst ein Klageverfahren vor dem SG Würzburg anhängig gemacht worden war. Im Übrigen hat der Kläger auch keinerlei Vermögensdispositionen wegen dieses Bescheides vom 08.08.2002 treffen können. Er musste auch nicht mit der Rückforderung einer Überzahlung rechnen.

Das Urteil des SG ist insgesamt nicht zu beanstanden, weshalb der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Nr.2 SGG absieht. Da die Berufung des Klägers zurückzuweisen war, sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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