Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 179/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 B 28/08 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.6.2008 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt I aus X als Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde ist begründet. Entgegen der Entscheidung des Sozialgerichts (SG) hat der Kläger Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH).
Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, §§ 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG), 114 Zivilprozessordnung (ZPO). Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die Rechtsverfolgung, nämlich die Klage gegen den Bescheid vom 12.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.5.2006, bietet bei summarischer Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hinreichende Erfolgsaussicht setzt nicht voraus, dass der Kläger im Klageverfahren mit Wahrscheinlichkeit obsiegen wird. Es genügt vielmehr, dass eine realistische Möglichkeit des Obsiegens besteht. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Kosten hat, die ihm durch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts entstanden sind, § 63 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Ob ein solcher Anspruch besteht, hängt entscheidend davon ab, ob zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts geboten war. In welchen Fällen die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts geboten ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Dabei ist auf die Sicht eines verständigen Beteiligten und Berücksichtigung der individuellen Sach- und Rechtskunde abzustellen. Danach ist in der Regel die Notwendigkeit zu bejahen, da ein Bürger nur in Ausnahmefällen in der Lage sein wird, seine Rechte gegenüber der Verwaltung ausreichend zu wahren (Roos in: von Wulffen. SGB X. Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz. Kommentar. 6. Aufl. 2008. § 63 Rdnr. 26 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Nach diesem Maßstab spricht ungeachtet etwa begrenzter Sprachkenntnisse des Klägers nach Lage der Akten Einiges dafür, dass es sich um einen Regel- und nicht um einen Ausnahmefall handelt. Nach Lage der Akten dürfte die Beklagte (wohl) beabsichtigt haben, wegen der stationären Einweisung des Klägers in die Stiftung U/S ("vom 18.11.2005 bis auf Weiteres") die Regelleistung Arbeitslosengeld II (vorsorglich, wegen eines buchungstechnischen Vorlaufs?) ab dem 1.1.2006 abzusenken. Der genaue Regelungsgehalt des Bescheides vom 8.12.2005 erschließt sich nach seinem objektiven Erklärungsgehalt allerdings auch für den kundigen Leser nicht ohne Weiteres. Der Bescheid ist mit "Änderung" überschrieben, lässt aber offen, was geändert werden soll (nur die Höhe der Leistung oder auch ein früherer bestandkräftiger Bescheid, etwa der vom 7.9.2005?) und führt auch keine Rechtsvorschrift (Ermächtigungsgrundlage) an, die einen etwaigen Eingriff in bestehende Rechtspositionen (ohne vorherige Anhörung, vgl § 24 Abs 1 SGB X) rechtfertigt. Es bleibt auch offen, wieso die Änderung mit Wirkung zum 1.1.2006 eintritt. Zur Erläuterung ist lediglich angeführt: "Folgende Änderungen sind eingetreten: Absenkung der maßgeblichen Regelleistung um 35 vom Hundert aufgrund stationären Aufenthalts". Näher begründet (iS von § 35 Abs 1 Sätze 1 und 2 SGB X) wird das nicht. Es bleibt offen, welche Vorschrift bei einem (uU nur kurzzeitigen, vorübergehenden) stationären Aufenthalt die "Absenkung" der Leistung erlaubt, weshalb eine "Absenkung [ ...] um 35 vom Hundert" erfolgen darf und aus welchen Gründen es gerechtfertigt ist, diese prognostisch im Voraus (zum 1.1.2006) festzustellen. Diese Ausführungen machen deutlich, dass der Bescheid vom 8.12.2005 für den verständigen Adressaten zahlreiche Fragen unbeantwortet lässt und die getroffene Regelung aus dem Bescheid heraus nicht nachvollziehbar ist. Das ist der klassische Fall, in dem die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig erscheint, um nach rechtlicher Prüfung über das weitere Vorgehen zu beraten.
Wenn die Beklagte sich vor dem ihr bekannten tatsächlichen Hintergrund der Handlungsform eines Verwaltungsakts (§ 31 SGB X) bedient, um die Rechtslage zu ihren Gunsten zu gestalten, und dabei eine endgültige Regelung trifft (und nicht etwa eine solche unter der aufschiebenden Bedingung, vgl § 32 SGB X), die in Bestandskraft erwächst, sofern kein Rechtsbehelf eingelegt wird, ist im Regelfall angezeigt, den Eintritt der Bestandskraft durch Einlegung eines Rechtsbehelfs zu hemmen. Daran ändert entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG nichts der Hinweis "Bitte übersenden Sie unverzüglich nach Entlassung aus der Stiftung U die entsprechende Entlassungsbescheinigung". Zu Recht weist der Kläger darauf hin, das aus dem Bescheid nicht erkennbar ist, ob und ggf. ab welchem Zeitpunkt und in welchem Umfange sich Rechtsfolgen daraus ergeben sollen, dass der Kläger dieser "Bitte" entspricht. Die Annahme, die Beklagte werde dann von Amts wegen eine verständliche, in rechtlich zutreffender Weise der geänderten Sachlage angepasste Regelung treffen, bleibt nach dem zuvor Gesagten reine Hypothese.
In Verfahren, in denen - wie hier - nicht einfach zu beurteilende Rechtsfragen zu beantworten sind, erscheint die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich, § 121 Abs 2 ZPO.
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, auch nicht zum Teil oder in Raten, in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 115 ZPO. Er bezieht Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Diese Einkünfte sind zur Sicherung des (allgemeinen) Lebensunterhalts sowie für Heizung und Unterkunft bestimmt und stehen damit für eine Prozessführung nicht zur Verfügung, vgl § 115 Abs 1 Nrn 2a und 3 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73 a Abs 1 Satz 1 SGG, 127 Abs 4 ZPO.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Gründe:
Die Beschwerde ist begründet. Entgegen der Entscheidung des Sozialgerichts (SG) hat der Kläger Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH).
Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, §§ 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG), 114 Zivilprozessordnung (ZPO). Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die Rechtsverfolgung, nämlich die Klage gegen den Bescheid vom 12.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.5.2006, bietet bei summarischer Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hinreichende Erfolgsaussicht setzt nicht voraus, dass der Kläger im Klageverfahren mit Wahrscheinlichkeit obsiegen wird. Es genügt vielmehr, dass eine realistische Möglichkeit des Obsiegens besteht. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Kosten hat, die ihm durch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts entstanden sind, § 63 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Ob ein solcher Anspruch besteht, hängt entscheidend davon ab, ob zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts geboten war. In welchen Fällen die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts geboten ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Dabei ist auf die Sicht eines verständigen Beteiligten und Berücksichtigung der individuellen Sach- und Rechtskunde abzustellen. Danach ist in der Regel die Notwendigkeit zu bejahen, da ein Bürger nur in Ausnahmefällen in der Lage sein wird, seine Rechte gegenüber der Verwaltung ausreichend zu wahren (Roos in: von Wulffen. SGB X. Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz. Kommentar. 6. Aufl. 2008. § 63 Rdnr. 26 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Nach diesem Maßstab spricht ungeachtet etwa begrenzter Sprachkenntnisse des Klägers nach Lage der Akten Einiges dafür, dass es sich um einen Regel- und nicht um einen Ausnahmefall handelt. Nach Lage der Akten dürfte die Beklagte (wohl) beabsichtigt haben, wegen der stationären Einweisung des Klägers in die Stiftung U/S ("vom 18.11.2005 bis auf Weiteres") die Regelleistung Arbeitslosengeld II (vorsorglich, wegen eines buchungstechnischen Vorlaufs?) ab dem 1.1.2006 abzusenken. Der genaue Regelungsgehalt des Bescheides vom 8.12.2005 erschließt sich nach seinem objektiven Erklärungsgehalt allerdings auch für den kundigen Leser nicht ohne Weiteres. Der Bescheid ist mit "Änderung" überschrieben, lässt aber offen, was geändert werden soll (nur die Höhe der Leistung oder auch ein früherer bestandkräftiger Bescheid, etwa der vom 7.9.2005?) und führt auch keine Rechtsvorschrift (Ermächtigungsgrundlage) an, die einen etwaigen Eingriff in bestehende Rechtspositionen (ohne vorherige Anhörung, vgl § 24 Abs 1 SGB X) rechtfertigt. Es bleibt auch offen, wieso die Änderung mit Wirkung zum 1.1.2006 eintritt. Zur Erläuterung ist lediglich angeführt: "Folgende Änderungen sind eingetreten: Absenkung der maßgeblichen Regelleistung um 35 vom Hundert aufgrund stationären Aufenthalts". Näher begründet (iS von § 35 Abs 1 Sätze 1 und 2 SGB X) wird das nicht. Es bleibt offen, welche Vorschrift bei einem (uU nur kurzzeitigen, vorübergehenden) stationären Aufenthalt die "Absenkung" der Leistung erlaubt, weshalb eine "Absenkung [ ...] um 35 vom Hundert" erfolgen darf und aus welchen Gründen es gerechtfertigt ist, diese prognostisch im Voraus (zum 1.1.2006) festzustellen. Diese Ausführungen machen deutlich, dass der Bescheid vom 8.12.2005 für den verständigen Adressaten zahlreiche Fragen unbeantwortet lässt und die getroffene Regelung aus dem Bescheid heraus nicht nachvollziehbar ist. Das ist der klassische Fall, in dem die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig erscheint, um nach rechtlicher Prüfung über das weitere Vorgehen zu beraten.
Wenn die Beklagte sich vor dem ihr bekannten tatsächlichen Hintergrund der Handlungsform eines Verwaltungsakts (§ 31 SGB X) bedient, um die Rechtslage zu ihren Gunsten zu gestalten, und dabei eine endgültige Regelung trifft (und nicht etwa eine solche unter der aufschiebenden Bedingung, vgl § 32 SGB X), die in Bestandskraft erwächst, sofern kein Rechtsbehelf eingelegt wird, ist im Regelfall angezeigt, den Eintritt der Bestandskraft durch Einlegung eines Rechtsbehelfs zu hemmen. Daran ändert entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG nichts der Hinweis "Bitte übersenden Sie unverzüglich nach Entlassung aus der Stiftung U die entsprechende Entlassungsbescheinigung". Zu Recht weist der Kläger darauf hin, das aus dem Bescheid nicht erkennbar ist, ob und ggf. ab welchem Zeitpunkt und in welchem Umfange sich Rechtsfolgen daraus ergeben sollen, dass der Kläger dieser "Bitte" entspricht. Die Annahme, die Beklagte werde dann von Amts wegen eine verständliche, in rechtlich zutreffender Weise der geänderten Sachlage angepasste Regelung treffen, bleibt nach dem zuvor Gesagten reine Hypothese.
In Verfahren, in denen - wie hier - nicht einfach zu beurteilende Rechtsfragen zu beantworten sind, erscheint die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich, § 121 Abs 2 ZPO.
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, auch nicht zum Teil oder in Raten, in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 115 ZPO. Er bezieht Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Diese Einkünfte sind zur Sicherung des (allgemeinen) Lebensunterhalts sowie für Heizung und Unterkunft bestimmt und stehen damit für eine Prozessführung nicht zur Verfügung, vgl § 115 Abs 1 Nrn 2a und 3 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73 a Abs 1 Satz 1 SGG, 127 Abs 4 ZPO.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
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