L 3 U 45/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 23 U 868/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 45/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.09.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Folgen des Arbeitsunfalles vom 21.12.1997.

Die 1966 geborene Klägerin war zum Unfallzeitpunkt als Altenpflegehelferin im Rahmen einer Maßnahme des Arbeitsamtes tätig, als ihr beim Abräumen des Geschirrs ein Patient mit dem Elektrorollstuhl gegen das linke Knie fuhr. Auf Veranlassung des Allgemeinarztes M. , den sie am 22.12. mittags erstmals konsultierte, suchte sie am 23.12.1997 den Durchgangsarzt Dr.B. auf. Dieser konnte keine äußeren Verletzungszeichen feststellen, an der Innenseite der Kniescheibe bestand jedoch ein deutlicher Druckschmerz. Die Röntgenaufnahme ergab keinen Anhalt für eine frische knöcherne Verletzung oder Luxation. Der Durchgangsarzt diagnostizierte eine Kontusion des linken Kniegelenks.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Nachschauberichte des Dr.B. (vom 12.01.1998/22.01.1998/12.10.1998), des Prof.Dr.B. vom 04.03.1998 (arbeitsfähig ab 04.03.1998), des Allgemeinarztes M. (vom 04.04.1998/29.10.1998) und ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK vom 31.01.1998 sowie einen Fragebogen der Klägerin zum Unfall bei. Außerdem lag ihr ein Magnetresonanztomographie-(MRT)-Befund des Dr.S. vom 19.01.1998 vor, nach dem das linke Knie unauffällig war. Nach der Einholung eines Sachverständigengutachtens des Prof. Dr.B./Dr.H. vom 09.06.1998 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.07.1998 die Gewährung einer Verletztenrente ab. Aufgrund des Widerspruchs der Klägerin holte sie einen weiteren Durchgangsarztbericht des Prof.Dr.B. vom 25.08.1998 über eine Wiedererkrankung sowie den Abschlussbericht hinsichtlich der stationären Behandlung in der Unfallklinik M. vom 24.08. bis 05.09.1998 vom 09.09.1998 ein, ferner weitere Berichte des Prof.Dr.B. vom 22.10. und 10.12.1998 sowie vom 12.01.1999 und vom 23.02.1999 (Metallentfernung am 19.02.1998), ein Zusammenhangsgutachten des Dr.D. vom 23.04.1999/ 18.06.1999 (MdE 20 v.H. für drei Jahre), den Entlassungsbericht der V.klinik Bad E. vom 16.07.1999/27.07.1999 und verschiedene Vorerkrankungsverzeichnisse der AOK Sachsen sowie aus der ehemaligen DDR. Daraufhin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.1999 den Widerspruch zurück. Eine MdE bestehe nicht.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 15.7.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.10.1999 abzuändern und bei der Klägerin über den 3.3.1998 hinaus Behandlungsbedürftigkeit anzuerkennen, Verletztengeld und Verletztenrente zu bewilligen und als weitere Unfallfolge die Folgen der Knieverrenkung links anzuerkennen. Die Beklagte hat ein Gutachten des Dr.K. vom 19.11.1999 vorgelegt. Dieser stellte fest, dass es bei dem Unfall lediglich zu einer einfachen Prellung des Kniegelenks gekommen sei. Die im weiteren Verlauf behandelten Erkrankungen des Kniegleitlagers links seien nicht auf den Unfall zurückzuführen. Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das SG ein Gutachten des Orthopäden Dr.F. vom 2.10.2001 eingeholt. Dr.F. legte dar, bei dem Unfall, wie ihn die Klägerin geschildert habe, könne es nicht zu einer Knieluxation gekommen sein. Weder klinisch noch kernspintomographisch hätten irgendwelche Hinweise auf eine Kniescheibenverrenkung erhoben werden können. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe allenfalls bis 17.1.1998 bestanden. Eine MdE über die 26. Woche hinaus liege nicht vor.

Auf Grund des von der Beklagten vorgelegten Gutachtens des Dr.K. vom 19.11.1999 und des vom Gericht in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens des Orthopäden Dr.F. vom 02.10.2001 hat das SG die Klage mit Urteil vom 18.09.2003 abgewiesen und sich auf das Sachverständigengutachten des Dr.F. gestützt; es hat darauf hingewiesen, dass die Klage für den Zeitraum ab 25.08.1998 unzulässig sei, da die Beklagte insoweit noch keine Entscheidung getroffen habe.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die Klage nicht unzulässig gewesen sei, da auch über die Zeit ab 25.08.1998 entschieden worden sei. Arbeitsunfähigkeit liege über den 03.03.1998 hinaus vor, wie sich aus dem Sachverständigengutachten des Dr.D. ergebe. Außerdem bestehe ein Anspruch auf Verletztenrente. Nach Beiziehung eines Vorerkrankungsverzeichnisses von der AOK Bayern und von Befundberichten des Dr.M. vom 02.11.2000 und des Prof.Dr.G. vom 16.09.2003 sowie H-Arztberichten der Dres.L., B. , K. vom 21.10.2003 und eines Kernspinbefundes des linken Knies vom 10.11.2003 holte der Senat ein orthopädisches Sachverständigengutachten des Prof.Dr.W. vom 11.11.2005 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Arbeitsunfall vom 21.12.1997 folgenlos geblieben sei. Gegen eine Erstluxation bei angeborener Disposition zur Kniescheibenverrenkung sprächen die radiologischen und magnetreso-nanztomografischen Befunde. Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit über die sechste Woche nach dem Unfall hinaus ließe sich nicht begründen. Über den 03.03.1998 hinaus habe keine arbeitsunfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bzw. Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Ab dem 24.08.1998 sei es nicht zu einer Wiedererkrankung gekommen.

Ferner hat der Senat ein unfallchirurgisches Sachverständigengutachten des Dr.B. vom 04.06.2007 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt. Dieser ist zu dem Ergebnis ge-kommen, dass das Unfallereignis vom 21.12.1997 nicht geeignet war, eine intakte Kniescheibe zu verrenken. Sollte eine Kniescheibenverrenkung aufgetreten sein, so wäre das Ereignis vom 21.12.1997 lediglich eine Gelegenheitsursache. Der Unfall sei nicht kausal für die späteren Probleme der Klägerin. Die MdE betrage weniger als 10 v.H. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nach dem 03.03.1998 bzw. ab 24.8.1998 sei nicht nachvollziehbar, da es sich bei den Wiedererkrankungen um ein anlagebedingtes Leiden der Klägerin, nämlich um eine Fehlform des Kniescheibenoberschenkelgelenks links handle. Dies würde auch dadurch untermauert, dass die Klägerin bedingt durch die anlagebedingte Fehlform beidseits auch rechts in der Freizeit im Prater in Wien am 28.08.2006 eine Verrenkung des Kniescheibenober-schenkelgelenkes erlitten hat und in der Folge operativ versorgt werden musste.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 18.09.2003 sowie in Abänderung des Bescheides vom 15.07.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.1999 zu verurteilen, der Klägerin Verletztengeld über den 03.03.1998 hinaus und Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.09.2003 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Beklagtenakte (zwei Bände) sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente, da auf Grund des Arbeitsunfalles vom 21.12.1997 keine MdE im rentenberechtigenden Maße von mindestens 20 v.H. vorliegt. Auch ein Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld über den 03.03.1998 hinaus besteht nicht.

Die Zahlung einer Verletztenrente (§ 56 SGB VII) setzt voraus, dass eine MdE von mindestens 20 v.H. Folge eines Versicherungsfalles, d.h. des Arbeitsunfalles vom 21.12.1997, ist (§§ 7, 8 SGB VII). Der Arbeitsunfall muss also wesentlich an der Entstehung der Gesundheitsstörung, die die MdE verursacht, mitgewirkt haben. Davon ist auszugehen, wenn er neben anderen Bedingungen bei wertender Betrachtung diejenige ist, die wegen ihrer besonderen qualitativen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (Theorie der wesentlichen Bedingung, ständ. Rspr., vgl. z.B. BSGE 63, 277).

Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. neben dem Arbeitsunfall auch die Gesundheitsstörung, mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (Vollbeweis). Ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch darf keinen Zweifel mehr haben (BSGE 7, 103, 106). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigendem Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ist demgegenüber hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Es genügt, wenn bei Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286).

Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass die Klägerin beim Arbeitsunfall lediglich eine Prellung (Kontusion) des linken Knies erlitten hat, die folgenlos ausgeheilt ist. Eine über die 26. Woche nach dem Unfall hinausgehende MdE liegt nicht vor, so dass kein Rentenanspruch besteht.

Ein weitergehender Gesundheitsschaden, insbesondere eine Verrenkung der Kniescheibe, konnte demgegenüber nicht nachgewiesen werden. So zeigte eine am 23.12.1997 angefertigte Röntgenaufnahme keinen Hinweis für eine frische oder alte Knorpelverletzung oder Verrenkung, die vier Wochen nach dem Unfall am 19.1.1998 angefertigte MRT-Untersuchung des linken Knies ergab einen unauffälligen Befund mit regelrechter Bandführung der Kniescheibe. Zwei Tage nach dem Unfallereignis konnte der Durchgangsarzt Dr. B. weder äußere Verletzungszeichen feststellen noch Anhaltspunkte für Kniebinnenschäden. Damit fehlen eindeutig die klinischen und radiologischen Anhaltspunkte für eine stattgehabte Kniescheibenluxation. Auch bei der Nachuntersuchung am 12.1.1998 wurden keine Schwellung, kein Erguss und keine Überwärmung dokumentiert. Das Zohlensche Zeichen (Anpressschmerz der Kniescheibe) war negativ. Dies schließt eine Verrenkung durch den Unfall ebenfalls aus.

Dies ergibt sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Sachverständigengutachten des Dr.K. vom 19.11.1998 wie auch aus dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten des Dr.F. vom 02.10.2001 und dem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten des Prof.Dr.W. und des von der Klägerin nach § 109 benannten Dr.B ... Alle Sachverständigen gehen übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin keine Verrenkung erlitten hat.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Klägerin eine Kniescheibenluxation erlitt, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Die Sachverständigen haben überzeugend dargelegt, dass eine (Erst-)Verrenkung bei der Klägerin auf Grund der bei ihr vorliegenden habituellen Kniegelenksluxation konstitutionell bedingt ist und der Arbeitsunfall vom 21.12.1997 lediglich eine unwesentliche Gelegenheitsursache war, eine Verrenkung auf Grund der Anlage der Klägerin also auch bei jeder anderen Tätigkeit und zu jedem anderen Zeitpunkt hätte erfolgen können.

Zur Überzeugung des Senats steht ferner fest, dass über den 03.03.1998 hinaus kein Anspruch auf Verletztengeld besteht, da die Klägerin ab diesem Zeitpunkt aufgrund des Arbeitsunfalles vom 21.12.1997 weder arbeitsunfähig noch behandlungsbedürftig war. Damit besteht kein Anspruch auf Verletztengeld nach § 45 Abs.1 Nr.1 SGB VII. Wie dargelegt, ist die Prellung des linken Knies folgenlos ausgeheilt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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