Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 RA 294/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 71/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für den Kläger Zeiten der Zugehörigkeit der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die während dieser Zeiten erzielten Entgelte festzustellen hat.
Der 19 geborene Kläger erhielt mit Urkunde der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vom 4. März 1964 den akademischen Grad eines Diplom-Chemikers verliehen. Ab Februar 1964 arbeitete er im VEB Filmfabrik Wolfen. Im Juni 1990 war er als "Erster Sortenverantwortlicher Color" tätig. Mit Urkunde der Technischen Hochschule Carl-Schorlemmer Leuna-Merseburg vom 8. Dezember 1983 wurde ihm außerdem das Recht erteilt, die Ergänzung zur Berufsbezeichnung Fachchemiker für Fotochemie zu führen. Aus einem Versicherungsverlauf der Beklagten geht hervor, dass der Kläger bereits im Februar 1971 über 600,00 M monatliches Entgelt erzielte. Ab 1. März 1971 sind nur Entgelte bis 600,- M monatlich im Versicherungsverlauf gespeichert. Aus dem Kontenspiegel geht weiterhin hervor, dass der Kläger ab Januar 1986 Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) für Verdienste bis 1.200,- Mark zahlte.
Seit dem 1. Oktober 2000 bezieht der Kläger eine Altersrente. Diesbezügliche Widerspruchs- oder Klageverfahren sind ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakten (Zusatzversorgungs- und Rententeil) und der Aktenvorblätter des Sozialgerichts bzw. des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt nicht anhängig.
Mit Bescheid vom 4. Januar 2002 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers vom 23. März 1999 auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab. Das Bundessozialgericht (BSG) habe am 12. Juni 2001 (Az: B 4 RA 107/00 R) entschieden, die Beschäftigung als Diplom-Chemiker falle nicht unter den Anwendungsbereich der Versorgungsordnung der technischen Intelligenz. Daher erfülle der Kläger nicht die Voraussetzungen für die begehrten Feststellungen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2003 (abgesandt am 12. März 2003) zurück.
Am 14. April 2003 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Dessau erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2005 hat das Sozialgericht Dessau die Klage abgewiesen. Der Kläger erfülle nicht die persönlichen Voraussetzungen für die begehrten Feststellungen, da er nicht berechtigt gewesen sei, den Titel eines Ingenieurs im Sinne der 2. Durchführungsbestimmung zur Versorgungsordnung der AVItech (VO-AVItech) zu führen. Das BSG habe mit mehreren Urteilen, denen sich das Sozialgericht anschließe, entschieden, dass Diplom-Chemiker nicht zu dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. Durchführungsbestimmung abschließend umschriebenen Kreis der zwingend Versorgungsberechtigten gehörten. Die Entscheidungen des Bundessozialgerichtes begegneten nach einem Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 4. August 2004 (Az: 1 BvR 1557/01) auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gerichtsbescheid wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23. Februar 2005 zugestellt.
Am 23. März 2005 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht, wenn jemand in der DDR eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt habe, derentwegen das betreffende Zusatzversorgungssystem ursprünglich vorgesehen gewesen sei, so sei der Betroffene im Wege des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch rentenrechtlich denjenigen gleichzustellen, die ursprünglich in der erlassenen Versorgungsordnung als versorgungsberechtigt genannt seien. Aus einer Systematik der Berufe und Tätigkeiten von 1950 und 1964 ergebe sich, dass Diplom-Chemiker dem Chemie-Ingenieur und damit der Berufsgruppe der Ingenieure zugeordnet gewesen seien. Außerdem sei nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Bautzen vom 5. Oktober 2004 ein inhaltlich gleichwertiger Abschluss durch den im wiedervereinigten Deutschland gebräuchlichen akademischen Grad als gleichwertig zu dokumentieren.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau vom 17. Februar 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Beschäftigungszeit des Klägers vom 1. März 1964 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz sowie die während dieses Zeitraumes erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn er hat gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG (i.d.F.v. Artikel 13 des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 3024)) keinen Anspruch auf die beantragten Feststellungen. Er unterfällt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nicht dem Geltungsbereich des AAÜG, weil er in dem streitigen Zeitraum weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung dem Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz (ZV-System Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.
Eine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist dem Kläger gegenüber zu keinem Zeitpunkt durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung zugesagt worden.
Der Senat kann offen lassen, inwieweit er sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anschließt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG im Wege der Unterstellung (st. Rspr., z. B. BSG, Urteil vom 10. April 2004, Az: B 4 RA 18/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 8) vorliegen kann. Denn auch nach dieser Rechtsprechung liegen die Voraussetzungen dafür bei einem Diplom-Chemiker nicht vor (a.a.O.; siehe auch BSG, Urteil vom 10. April 2002, Az: B 4 RA 32/01 R, dokumentiert in Juris, unter ausdrücklicher Aufgabe von BSG, Urteil vom 30. Juni 1998, Az: B 4 RA 11/98 R, dokumentiert in Juris, aktuelles Urteil vom 18. Oktober 2007, Az: B 4 RS 25/07 R, dokumentiert in Juris). Diese Rechtsprechung ist auch verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004, Az: 1 BvR 1557/01, SozR 4-8570 § 5 Nr. 4). Diplom-Chemiker gehörten nicht zwingend dem Zusatzversorgungssystem an.
Der Einbeziehungstatbestand der Ausübung einer rechtlich zwingend versorgungsberechtigenden Tätigkeit unterfällt allenfalls dann dem Begriff der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, wenn eine rechtlich unmittelbare Privilegierung durch eine Zusatzversorgungsvorschrift vorliegt. Sie muss einerseits den Vollzugsakt durch eine einzelfallbezogene Versorgungszusage entbehrlich erscheinen lassen und andererseits eine unterstellte Verweigerung der Einbeziehung nicht nur als falsch, sondern als den – grundlegenden – Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze erscheinen lassen, den Art. 19 Satz 2 des Einigungsvertrages zum Maßstab für die Aufhebbarkeit von Verwaltungsentscheidungen der DDR macht. Umgekehrt muss der Einbeziehungstatbestand jedenfalls so deutlich sein, dass er im Hinblick auf die nachteiligen Folgen des AAÜG zu dessen Anwendung durch einen Zusatzversorgungsträger ohne jeden rechtsstaatlichen Zweifel ermächtigen müsste.
In diesem Zusammenhang ist nicht zu entscheiden, ob dem Kläger wie bei einer erstmaligen Anwendung der Versorgungsordnung nach einer unter Umständen weiten Auslegung der einschlägigen Vorschriften eine ihn begünstigende Zusatzversorgung zuzusprechen wäre (wie also der Kläger zu Zeiten der DDR hätte behandelt werden können). Dies ist nicht mehr der Prüfungsmaßstab einer bundesrechtlichen Feststellung von Zusatzversorgungszeiten. Diese knüpft nämlich nicht – wie möglicherweise ursprünglich die Versorgungsordnungen – unmittelbar an eine herausgehobene Erwerbstätigkeit an. Dies wäre auch unter Geltung des Grundgesetzes gar nicht möglich. Maßstab der Gleichbehandlung kann nur das rechtsstaatliche Vertrauen sein, nicht willkürlich von Normgeltung ausgenommen zu werden. Es wäre hingegen unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht möglich, frühere Mitarbeiter von volkseigenen Produktionsbetrieben gegenüber solchen von privaten oder genossenschaftlichen Produktionsbetrieben oder von Dienstleistungs- oder Handelsbetrieben (vgl. dazu § 1 Abs. 2 2. DB) nur wegen ihrer Tätigkeit mit einer bevorzugten Altersversorgung zu versehen.
Ein Anspruch des Klägers auf Einbeziehung in die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz lässt sich nicht unmittelbar aus § 1 VO-AVItech ableiten. Dessen Regelung, wonach für die technische Intelligenz eine Versorgungsversicherung eingeführt wird, enthält nur eine Einrichtungsgarantie, nämlich die einer besonderen Versicherung. Damit ist nicht gesagt, dass jeder Angehörige der technischen Intelligenz in geeigneten Betrieben einen Rechtsanspruch auf die Einbeziehung hat. Vielmehr ist eine Versorgungsversicherung für alle Angehörigen der technischen Intelligenz auch dann eingerichtet, wenn an einen Anspruch daraus zusätzlich bestimmte Leistungsanforderungen gestellt werden, bei deren Einschätzung ein Beurteilungsspielraum besteht oder im Hinblick auf die eine Einbeziehung nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt. Wann dieser Personenkreis anspruchsberechtigt ist, hat der Verordnungsgeber in § 5 VO-AVItech der uneingeschränkten Regelung durch Durchführungsbestimmungen überlassen.
Zu einer grundsätzlichen Zugänglichkeit der Zusatzversorgung für alle Angehörigen der technischen Intelligenz stand es schon nicht im Gegensatz, wenn § 1 der Ersten Durchführungsbestimmung (1. DB) zur VO (v. 26. 9. 50, GBl. S. 1043) die Einbeziehung ausnahmslos von wertausfüllungsbedürftigen Tatbeständen mit Beurteilungsspielräumen abhängig machte, nämlich "konstruktiv", "schöpferisch", "verantwortlich" und "hervorragender Einfluss". Aber auch daraus folgte für die erwähnten Chemiker trotz der damit bestimmten Zugehörigkeit zur technischen Intelligenz kein Einbeziehungsanspruch. Die Nachholung der zur Prüfung der Anspruchsberechtigung in solchen Fällen erforderlichen Beurteilungen wäre dem Senat – ebenso wie eine nachträgliche Ermessensausübung (BSG, Urteil vom 31. Juli 2002, Az: B 4 RA 21/02 R, SozR 3–8570 § 1 Nr. 9) – auch bei Fortgeltung dieser Vorschrift verwehrt.
§ 1 Abs. 1 2. DB zählt Diplom-Chemiker ungeachtet ihrer möglichen Zugehörigkeit zur "technischen Intelligenz" nicht als unmittelbar anspruchsberechtigt auf. Der Kläger erfüllt aber auch nicht die Eigenschaft eines unmittelbar anwartschaftsberechtigten Ingenieurs im Sinne dieser Vorschrift. Denn aus der Gegenüberstellung von Personen ohne den "Titel" eines Ingenieurs oder Technikers im Rahmen der Ermessensversorgung in § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 2. DB lässt sich auf die Erforderlichkeit eines solchen "Titels" für eine etwaige Anspruchsversorgung nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 2. DB schließen.
Bei der Frage, ob eine Person den Titel eines Ingenieurs hat, ist auf den rechtlichen und hilfsweise allgemeinen Sprachgebrauch der ehemaligen DDR abzustellen. Maßgeblich ist hier nach der Rechtsprechung des BSG die Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962 (GBl. II der DDR S. 278 - Ingenieur-VO); deren Voraussetzungen liegen nicht vor.
Ob der Kläger wegen des Abschlusses der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Diplom-Chemiker aus Art. 37 Abs. 1 Einigungsvertrag einen Anspruch auf eine Gleichwertigkeitserklärung hat (siehe dazu Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 5. Oktober 2004, Az: 4 B 148/04, dokumentiert in Juris) oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Die Gleichwertigkeitserklärung bezöge sich nur auf die Berufsbezeichnung "Diplomchemiker", d. h. dem Kläger würde bestätigt, dass sein in der DDR erlangter akademischer Titel einem in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Titel "Diplomchemiker" gleichsteht. Auf keinem Fall würde ihm durch die Gleichwertigkeitserklärung rückwirkend ein Recht zum Führen der Berufsbezeichnung Techniker oder "Ingenieur" eingeräumt werden, da die Feststellung der Gleichwertigkeit von Abschlüssen ohnehin nur in die Zukunft gerichtet ist. Entscheidend für die Anwendbarkeit der Regelungen der 2. DB sind jedoch die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990.
Der Normengeber der DDR hat auch nicht in § 1 2. DB für die Begriffe Ingenieure und Techniker an die Begriffsverwendung der Systematik der Berufe der Abteilung Planung und Statistik des Ministeriums für Arbeit vom November 1950 angeknüpft. Auf die dort vorgenommene Zuordnung der Chemiker zur Berufsgruppe 41 der Ingenieure und Techniker als "Ingenieure der Stoffumwandlung" (Berufsordnung Nr. 414) kommt es für die Beurteilung des Begriffs Ingenieure oder Techniker nicht an, weil diese Begriffe dort anders als in der Zusatzversorgungsordnung verwendet werden.
Zunächst ist die Systematik der Berufe ausschließlich für die "Arbeitskraftlenkung, die Betreuung der Arbeitskräfte durch die Arbeitsverwaltung sowie die darauf fußenden planenden und lenkenden Maßnahmen" bindend (S. V). Für den Bereich der Zusatzversorgung enthält sie keine Vorgaben. Auch betreiben Mitarbeiter der Betriebe, die sich mit Vorschlägen zur Einbeziehung in die Zusatzversorgung zu beschäftigen haben, weder Arbeitsverwaltung noch Arbeitskräftelenkung.
Darüber hinaus ist für die Einstufung nach der Systematik (S. V, Abschnitt 2) die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend. § 1 Abs. 1 2. DB unterscheidet jedoch zwischen dem Titel einerseits und der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit andererseits (stellvertretend BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004, Az: B 4 RA 23/04 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 6). Im Gegensatz dazu ist es für die Einordnung in die Systematik der Berufe unerheblich, ob der entsprechende Beruf erlernt wurde oder nicht (S. V, Abschnitt 3). Nach der Systematik der Berufe werden keine Titel verliehen und wird nicht über eine Berechtigung zu deren Führung entschieden. So sind unter "Diplomchemikern" gemäß der Fußnote 52 zu Seite 77 der Systematik auch Personen zu verstehen, die keine Chemie-Diplomprüfung abgelegt haben. Daran ändert es auch nichts, wenn in Fußnote 51 zur Berufsgruppe 41 (wohl) festgelegt werden soll, dass zumindest ausgebildete Ingenieure – und nur diese – in die Berufsgruppe 41 einzustufen sind. Denn die nachfolgende Untergliederung enthält jedenfalls eine Fülle von Funktionsbezeichnungen, die mit einem bestimmten Abschluss nicht in Verbindung zu bringen sind, wie auf S. 79 der Systematik in der oberen Fußnote für den Konstrukteur auch ausdrücklich angegeben wird.
Die Verfasser der 2. DB sind nachweislich nicht von den Begriffsbestimmungen der Systematik der Berufe ausgegangen. Zunächst ist dort das Begriffsdoppel der Ingenieure und Techniker in der Eingangsformulierung nicht verwandt, sondern die Aufzählung der Ingenieure und Techniker sogar durch Personengruppen unterbrochen, die nach der Systematik der Berufe ohne weiteres darunter fielen. So wäre auch die ausdrückliche Nennung der Architekten in § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 2. DB überflüssig, weil auch diese auf Grund ihrer Nennung in der Gruppe 415 als "Ingenieure des Konstruktionswesens" schon in der Berufsgruppe 41 der Ingenieure und Techniker nach der Systematik der Berufe erfasst sind.
Zudem unterwerfen die Verfasser der 2. DB Untergruppen der Ingenieure und Techniker im Sinne der Systematik der Berufe sogar unterschiedlichen Rechtsfolgen. So werden Steiger und Bauleiter nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 2. DB nur nach Ermessen in das Zusatzversorgungssystem einbezogen, obwohl sie wie Architekten und Ingenieure – hier in der Berufsordnung "Ingenieure der Bodenerschließung" (Nr. 411 - Steiger) und in dem Beruf 4151 (Bauleiter) – der Berufsgruppe der Ingenieure und Techniker nach der Systematik der Berufe angehören. Dies verdeutlicht einen grundlegend anderen Sprachgebrauch der 2. DB gegenüber der Systematik der Berufe. Dagegen lässt sich nicht einwenden, diese Tätigkeiten seien nur für die Fälle einer verwaltungstechnischen Funktion in § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 2. DB aufgezählt. Sprachlich werden dort vielmehr diese Funktionen selbst unmittelbar als verwaltungstechnische Funktionen bezeichnet. Anders wäre auch nicht verständlich, weshalb gerade für diese beiden Funktionen (neben einigen weiteren) eine Zusatzversorgung (dann) auch im Hinblick auf die Wahrnehmung verwaltungstechnischer Funktionen nach Ermessen eingeräumt werden sollte.
Deshalb geht auch der Verweis auf die Anweisung zur Erstellung von Bilanzen über die Arbeitskräfte vom 6. Juni 1950 (GBl. S. 481) und auf die Anweisung für die Bearbeitung des Volkswirtschaftsplanes 1950 – Arbeitskräfte der volkseigenen Betriebe vom 8. Juni 1950 (GBl. S. 482) fehl. Die Anweisungen dienten Planungszwecken innerhalb der Volkswirtschaft der DDR und trafen keine Aussagen darüber, wer Ingenieur oder Techniker i. S. d. 2. DB sein sollte.
Auch aus der Systematik der Berufe aus dem Jahre 1964 ergibt sich nichts anderes. Zum einem stammt sie aus der Zeit nach dem Erlass der 2. DB, kann also zum Textverständnis der 2. DB im Entstehungszeitpunkt nichts beitragen. Zum anderen beendete der Kläger sein Studium nach Inkrafttreten der Ingenieur-VO zum 1. Juni 1962 (§ 9 Ingenieur-VO). Die Gleichsetzung der Berufe Ingenieur und Chemiker im staatlichen Sprachverständnis der DDR hätte - unterstellt, sie sei zuvor überhaupt gegeben gewesen - jedenfalls nach dem Inkrafttreten der Ingenieur-VO ihr Ende gefunden. Nach Inkrafttreten der Ingenieur-VO knüpfte die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung Ingenieur an die Art und/oder Dauer des Ausbildungsgangs und die erworbenen Abschlüsse an (siehe BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007, Az: B 4 RS 25/07 R, dokumentiert in Juris, Rdnr. 44).
Schließlich entspricht die Gleichsetzung von Chemikern und Ingenieuren nicht dem Sprachgebrauch der Bestimmungen zur Altersversorgung der technischen Intelligenz. Denn sowohl in § 1 1. DB als auch in § 1 Abs. 1 der Dritten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Verbesserung der Entlohnung der Arbeiter und Angestellten in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben v. 24.5.51 (GBl. S. 489 – 3. DB) sind Chemiker ausdrücklich neben den Ingenieuren genannt. Allein der spezielle Sprachgebrauch der Regelungen zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (2. DB) ist aber ausschlaggebend.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage durch die angeführte Rechtsprechung geklärt ist.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für den Kläger Zeiten der Zugehörigkeit der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die während dieser Zeiten erzielten Entgelte festzustellen hat.
Der 19 geborene Kläger erhielt mit Urkunde der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vom 4. März 1964 den akademischen Grad eines Diplom-Chemikers verliehen. Ab Februar 1964 arbeitete er im VEB Filmfabrik Wolfen. Im Juni 1990 war er als "Erster Sortenverantwortlicher Color" tätig. Mit Urkunde der Technischen Hochschule Carl-Schorlemmer Leuna-Merseburg vom 8. Dezember 1983 wurde ihm außerdem das Recht erteilt, die Ergänzung zur Berufsbezeichnung Fachchemiker für Fotochemie zu führen. Aus einem Versicherungsverlauf der Beklagten geht hervor, dass der Kläger bereits im Februar 1971 über 600,00 M monatliches Entgelt erzielte. Ab 1. März 1971 sind nur Entgelte bis 600,- M monatlich im Versicherungsverlauf gespeichert. Aus dem Kontenspiegel geht weiterhin hervor, dass der Kläger ab Januar 1986 Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) für Verdienste bis 1.200,- Mark zahlte.
Seit dem 1. Oktober 2000 bezieht der Kläger eine Altersrente. Diesbezügliche Widerspruchs- oder Klageverfahren sind ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakten (Zusatzversorgungs- und Rententeil) und der Aktenvorblätter des Sozialgerichts bzw. des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt nicht anhängig.
Mit Bescheid vom 4. Januar 2002 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers vom 23. März 1999 auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab. Das Bundessozialgericht (BSG) habe am 12. Juni 2001 (Az: B 4 RA 107/00 R) entschieden, die Beschäftigung als Diplom-Chemiker falle nicht unter den Anwendungsbereich der Versorgungsordnung der technischen Intelligenz. Daher erfülle der Kläger nicht die Voraussetzungen für die begehrten Feststellungen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2003 (abgesandt am 12. März 2003) zurück.
Am 14. April 2003 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Dessau erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2005 hat das Sozialgericht Dessau die Klage abgewiesen. Der Kläger erfülle nicht die persönlichen Voraussetzungen für die begehrten Feststellungen, da er nicht berechtigt gewesen sei, den Titel eines Ingenieurs im Sinne der 2. Durchführungsbestimmung zur Versorgungsordnung der AVItech (VO-AVItech) zu führen. Das BSG habe mit mehreren Urteilen, denen sich das Sozialgericht anschließe, entschieden, dass Diplom-Chemiker nicht zu dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. Durchführungsbestimmung abschließend umschriebenen Kreis der zwingend Versorgungsberechtigten gehörten. Die Entscheidungen des Bundessozialgerichtes begegneten nach einem Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 4. August 2004 (Az: 1 BvR 1557/01) auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gerichtsbescheid wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23. Februar 2005 zugestellt.
Am 23. März 2005 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht, wenn jemand in der DDR eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt habe, derentwegen das betreffende Zusatzversorgungssystem ursprünglich vorgesehen gewesen sei, so sei der Betroffene im Wege des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch rentenrechtlich denjenigen gleichzustellen, die ursprünglich in der erlassenen Versorgungsordnung als versorgungsberechtigt genannt seien. Aus einer Systematik der Berufe und Tätigkeiten von 1950 und 1964 ergebe sich, dass Diplom-Chemiker dem Chemie-Ingenieur und damit der Berufsgruppe der Ingenieure zugeordnet gewesen seien. Außerdem sei nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Bautzen vom 5. Oktober 2004 ein inhaltlich gleichwertiger Abschluss durch den im wiedervereinigten Deutschland gebräuchlichen akademischen Grad als gleichwertig zu dokumentieren.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau vom 17. Februar 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Beschäftigungszeit des Klägers vom 1. März 1964 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz sowie die während dieses Zeitraumes erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn er hat gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG (i.d.F.v. Artikel 13 des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 3024)) keinen Anspruch auf die beantragten Feststellungen. Er unterfällt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nicht dem Geltungsbereich des AAÜG, weil er in dem streitigen Zeitraum weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung dem Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz (ZV-System Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.
Eine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist dem Kläger gegenüber zu keinem Zeitpunkt durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung zugesagt worden.
Der Senat kann offen lassen, inwieweit er sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anschließt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG im Wege der Unterstellung (st. Rspr., z. B. BSG, Urteil vom 10. April 2004, Az: B 4 RA 18/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 8) vorliegen kann. Denn auch nach dieser Rechtsprechung liegen die Voraussetzungen dafür bei einem Diplom-Chemiker nicht vor (a.a.O.; siehe auch BSG, Urteil vom 10. April 2002, Az: B 4 RA 32/01 R, dokumentiert in Juris, unter ausdrücklicher Aufgabe von BSG, Urteil vom 30. Juni 1998, Az: B 4 RA 11/98 R, dokumentiert in Juris, aktuelles Urteil vom 18. Oktober 2007, Az: B 4 RS 25/07 R, dokumentiert in Juris). Diese Rechtsprechung ist auch verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004, Az: 1 BvR 1557/01, SozR 4-8570 § 5 Nr. 4). Diplom-Chemiker gehörten nicht zwingend dem Zusatzversorgungssystem an.
Der Einbeziehungstatbestand der Ausübung einer rechtlich zwingend versorgungsberechtigenden Tätigkeit unterfällt allenfalls dann dem Begriff der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, wenn eine rechtlich unmittelbare Privilegierung durch eine Zusatzversorgungsvorschrift vorliegt. Sie muss einerseits den Vollzugsakt durch eine einzelfallbezogene Versorgungszusage entbehrlich erscheinen lassen und andererseits eine unterstellte Verweigerung der Einbeziehung nicht nur als falsch, sondern als den – grundlegenden – Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze erscheinen lassen, den Art. 19 Satz 2 des Einigungsvertrages zum Maßstab für die Aufhebbarkeit von Verwaltungsentscheidungen der DDR macht. Umgekehrt muss der Einbeziehungstatbestand jedenfalls so deutlich sein, dass er im Hinblick auf die nachteiligen Folgen des AAÜG zu dessen Anwendung durch einen Zusatzversorgungsträger ohne jeden rechtsstaatlichen Zweifel ermächtigen müsste.
In diesem Zusammenhang ist nicht zu entscheiden, ob dem Kläger wie bei einer erstmaligen Anwendung der Versorgungsordnung nach einer unter Umständen weiten Auslegung der einschlägigen Vorschriften eine ihn begünstigende Zusatzversorgung zuzusprechen wäre (wie also der Kläger zu Zeiten der DDR hätte behandelt werden können). Dies ist nicht mehr der Prüfungsmaßstab einer bundesrechtlichen Feststellung von Zusatzversorgungszeiten. Diese knüpft nämlich nicht – wie möglicherweise ursprünglich die Versorgungsordnungen – unmittelbar an eine herausgehobene Erwerbstätigkeit an. Dies wäre auch unter Geltung des Grundgesetzes gar nicht möglich. Maßstab der Gleichbehandlung kann nur das rechtsstaatliche Vertrauen sein, nicht willkürlich von Normgeltung ausgenommen zu werden. Es wäre hingegen unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht möglich, frühere Mitarbeiter von volkseigenen Produktionsbetrieben gegenüber solchen von privaten oder genossenschaftlichen Produktionsbetrieben oder von Dienstleistungs- oder Handelsbetrieben (vgl. dazu § 1 Abs. 2 2. DB) nur wegen ihrer Tätigkeit mit einer bevorzugten Altersversorgung zu versehen.
Ein Anspruch des Klägers auf Einbeziehung in die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz lässt sich nicht unmittelbar aus § 1 VO-AVItech ableiten. Dessen Regelung, wonach für die technische Intelligenz eine Versorgungsversicherung eingeführt wird, enthält nur eine Einrichtungsgarantie, nämlich die einer besonderen Versicherung. Damit ist nicht gesagt, dass jeder Angehörige der technischen Intelligenz in geeigneten Betrieben einen Rechtsanspruch auf die Einbeziehung hat. Vielmehr ist eine Versorgungsversicherung für alle Angehörigen der technischen Intelligenz auch dann eingerichtet, wenn an einen Anspruch daraus zusätzlich bestimmte Leistungsanforderungen gestellt werden, bei deren Einschätzung ein Beurteilungsspielraum besteht oder im Hinblick auf die eine Einbeziehung nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt. Wann dieser Personenkreis anspruchsberechtigt ist, hat der Verordnungsgeber in § 5 VO-AVItech der uneingeschränkten Regelung durch Durchführungsbestimmungen überlassen.
Zu einer grundsätzlichen Zugänglichkeit der Zusatzversorgung für alle Angehörigen der technischen Intelligenz stand es schon nicht im Gegensatz, wenn § 1 der Ersten Durchführungsbestimmung (1. DB) zur VO (v. 26. 9. 50, GBl. S. 1043) die Einbeziehung ausnahmslos von wertausfüllungsbedürftigen Tatbeständen mit Beurteilungsspielräumen abhängig machte, nämlich "konstruktiv", "schöpferisch", "verantwortlich" und "hervorragender Einfluss". Aber auch daraus folgte für die erwähnten Chemiker trotz der damit bestimmten Zugehörigkeit zur technischen Intelligenz kein Einbeziehungsanspruch. Die Nachholung der zur Prüfung der Anspruchsberechtigung in solchen Fällen erforderlichen Beurteilungen wäre dem Senat – ebenso wie eine nachträgliche Ermessensausübung (BSG, Urteil vom 31. Juli 2002, Az: B 4 RA 21/02 R, SozR 3–8570 § 1 Nr. 9) – auch bei Fortgeltung dieser Vorschrift verwehrt.
§ 1 Abs. 1 2. DB zählt Diplom-Chemiker ungeachtet ihrer möglichen Zugehörigkeit zur "technischen Intelligenz" nicht als unmittelbar anspruchsberechtigt auf. Der Kläger erfüllt aber auch nicht die Eigenschaft eines unmittelbar anwartschaftsberechtigten Ingenieurs im Sinne dieser Vorschrift. Denn aus der Gegenüberstellung von Personen ohne den "Titel" eines Ingenieurs oder Technikers im Rahmen der Ermessensversorgung in § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 2. DB lässt sich auf die Erforderlichkeit eines solchen "Titels" für eine etwaige Anspruchsversorgung nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 2. DB schließen.
Bei der Frage, ob eine Person den Titel eines Ingenieurs hat, ist auf den rechtlichen und hilfsweise allgemeinen Sprachgebrauch der ehemaligen DDR abzustellen. Maßgeblich ist hier nach der Rechtsprechung des BSG die Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962 (GBl. II der DDR S. 278 - Ingenieur-VO); deren Voraussetzungen liegen nicht vor.
Ob der Kläger wegen des Abschlusses der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Diplom-Chemiker aus Art. 37 Abs. 1 Einigungsvertrag einen Anspruch auf eine Gleichwertigkeitserklärung hat (siehe dazu Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 5. Oktober 2004, Az: 4 B 148/04, dokumentiert in Juris) oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Die Gleichwertigkeitserklärung bezöge sich nur auf die Berufsbezeichnung "Diplomchemiker", d. h. dem Kläger würde bestätigt, dass sein in der DDR erlangter akademischer Titel einem in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Titel "Diplomchemiker" gleichsteht. Auf keinem Fall würde ihm durch die Gleichwertigkeitserklärung rückwirkend ein Recht zum Führen der Berufsbezeichnung Techniker oder "Ingenieur" eingeräumt werden, da die Feststellung der Gleichwertigkeit von Abschlüssen ohnehin nur in die Zukunft gerichtet ist. Entscheidend für die Anwendbarkeit der Regelungen der 2. DB sind jedoch die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990.
Der Normengeber der DDR hat auch nicht in § 1 2. DB für die Begriffe Ingenieure und Techniker an die Begriffsverwendung der Systematik der Berufe der Abteilung Planung und Statistik des Ministeriums für Arbeit vom November 1950 angeknüpft. Auf die dort vorgenommene Zuordnung der Chemiker zur Berufsgruppe 41 der Ingenieure und Techniker als "Ingenieure der Stoffumwandlung" (Berufsordnung Nr. 414) kommt es für die Beurteilung des Begriffs Ingenieure oder Techniker nicht an, weil diese Begriffe dort anders als in der Zusatzversorgungsordnung verwendet werden.
Zunächst ist die Systematik der Berufe ausschließlich für die "Arbeitskraftlenkung, die Betreuung der Arbeitskräfte durch die Arbeitsverwaltung sowie die darauf fußenden planenden und lenkenden Maßnahmen" bindend (S. V). Für den Bereich der Zusatzversorgung enthält sie keine Vorgaben. Auch betreiben Mitarbeiter der Betriebe, die sich mit Vorschlägen zur Einbeziehung in die Zusatzversorgung zu beschäftigen haben, weder Arbeitsverwaltung noch Arbeitskräftelenkung.
Darüber hinaus ist für die Einstufung nach der Systematik (S. V, Abschnitt 2) die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend. § 1 Abs. 1 2. DB unterscheidet jedoch zwischen dem Titel einerseits und der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit andererseits (stellvertretend BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004, Az: B 4 RA 23/04 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 6). Im Gegensatz dazu ist es für die Einordnung in die Systematik der Berufe unerheblich, ob der entsprechende Beruf erlernt wurde oder nicht (S. V, Abschnitt 3). Nach der Systematik der Berufe werden keine Titel verliehen und wird nicht über eine Berechtigung zu deren Führung entschieden. So sind unter "Diplomchemikern" gemäß der Fußnote 52 zu Seite 77 der Systematik auch Personen zu verstehen, die keine Chemie-Diplomprüfung abgelegt haben. Daran ändert es auch nichts, wenn in Fußnote 51 zur Berufsgruppe 41 (wohl) festgelegt werden soll, dass zumindest ausgebildete Ingenieure – und nur diese – in die Berufsgruppe 41 einzustufen sind. Denn die nachfolgende Untergliederung enthält jedenfalls eine Fülle von Funktionsbezeichnungen, die mit einem bestimmten Abschluss nicht in Verbindung zu bringen sind, wie auf S. 79 der Systematik in der oberen Fußnote für den Konstrukteur auch ausdrücklich angegeben wird.
Die Verfasser der 2. DB sind nachweislich nicht von den Begriffsbestimmungen der Systematik der Berufe ausgegangen. Zunächst ist dort das Begriffsdoppel der Ingenieure und Techniker in der Eingangsformulierung nicht verwandt, sondern die Aufzählung der Ingenieure und Techniker sogar durch Personengruppen unterbrochen, die nach der Systematik der Berufe ohne weiteres darunter fielen. So wäre auch die ausdrückliche Nennung der Architekten in § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 2. DB überflüssig, weil auch diese auf Grund ihrer Nennung in der Gruppe 415 als "Ingenieure des Konstruktionswesens" schon in der Berufsgruppe 41 der Ingenieure und Techniker nach der Systematik der Berufe erfasst sind.
Zudem unterwerfen die Verfasser der 2. DB Untergruppen der Ingenieure und Techniker im Sinne der Systematik der Berufe sogar unterschiedlichen Rechtsfolgen. So werden Steiger und Bauleiter nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 2. DB nur nach Ermessen in das Zusatzversorgungssystem einbezogen, obwohl sie wie Architekten und Ingenieure – hier in der Berufsordnung "Ingenieure der Bodenerschließung" (Nr. 411 - Steiger) und in dem Beruf 4151 (Bauleiter) – der Berufsgruppe der Ingenieure und Techniker nach der Systematik der Berufe angehören. Dies verdeutlicht einen grundlegend anderen Sprachgebrauch der 2. DB gegenüber der Systematik der Berufe. Dagegen lässt sich nicht einwenden, diese Tätigkeiten seien nur für die Fälle einer verwaltungstechnischen Funktion in § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 2. DB aufgezählt. Sprachlich werden dort vielmehr diese Funktionen selbst unmittelbar als verwaltungstechnische Funktionen bezeichnet. Anders wäre auch nicht verständlich, weshalb gerade für diese beiden Funktionen (neben einigen weiteren) eine Zusatzversorgung (dann) auch im Hinblick auf die Wahrnehmung verwaltungstechnischer Funktionen nach Ermessen eingeräumt werden sollte.
Deshalb geht auch der Verweis auf die Anweisung zur Erstellung von Bilanzen über die Arbeitskräfte vom 6. Juni 1950 (GBl. S. 481) und auf die Anweisung für die Bearbeitung des Volkswirtschaftsplanes 1950 – Arbeitskräfte der volkseigenen Betriebe vom 8. Juni 1950 (GBl. S. 482) fehl. Die Anweisungen dienten Planungszwecken innerhalb der Volkswirtschaft der DDR und trafen keine Aussagen darüber, wer Ingenieur oder Techniker i. S. d. 2. DB sein sollte.
Auch aus der Systematik der Berufe aus dem Jahre 1964 ergibt sich nichts anderes. Zum einem stammt sie aus der Zeit nach dem Erlass der 2. DB, kann also zum Textverständnis der 2. DB im Entstehungszeitpunkt nichts beitragen. Zum anderen beendete der Kläger sein Studium nach Inkrafttreten der Ingenieur-VO zum 1. Juni 1962 (§ 9 Ingenieur-VO). Die Gleichsetzung der Berufe Ingenieur und Chemiker im staatlichen Sprachverständnis der DDR hätte - unterstellt, sie sei zuvor überhaupt gegeben gewesen - jedenfalls nach dem Inkrafttreten der Ingenieur-VO ihr Ende gefunden. Nach Inkrafttreten der Ingenieur-VO knüpfte die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung Ingenieur an die Art und/oder Dauer des Ausbildungsgangs und die erworbenen Abschlüsse an (siehe BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007, Az: B 4 RS 25/07 R, dokumentiert in Juris, Rdnr. 44).
Schließlich entspricht die Gleichsetzung von Chemikern und Ingenieuren nicht dem Sprachgebrauch der Bestimmungen zur Altersversorgung der technischen Intelligenz. Denn sowohl in § 1 1. DB als auch in § 1 Abs. 1 der Dritten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Verbesserung der Entlohnung der Arbeiter und Angestellten in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben v. 24.5.51 (GBl. S. 489 – 3. DB) sind Chemiker ausdrücklich neben den Ingenieuren genannt. Allein der spezielle Sprachgebrauch der Regelungen zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (2. DB) ist aber ausschlaggebend.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage durch die angeführte Rechtsprechung geklärt ist.
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