S 20 SO 70/08 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 70/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin (Ast.) begehrt vom Antragsgegner (Ag.) Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Die am 03.10.0000 geborene Ast. war jahrelang als selbständige Architektin/Bauingenieurin erwerbstätig. Sie bezieht aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Altersrente in Höhe von 228,97 EUR netto. Bis September 2007 wohnte sie in I. Dort bezog sie Leistungen der Grundsicherung im Alter. Seit 01.10.2007 wohnt sie in X. Sie hatte am 25.09.2007 als alleinige Mieterin einen Mietvertrag über eine 127 qm große Wohnung zu einem Mietpreis (inklusive Betriebskosten) in Höhe von 850,00 EUR geschlossen. In dem Mietvertrag gab sie als Geburtsdatum "03. Oktober 0000 " und als letzte Wohnung " L. (NL)" an. Beim Sozialamt des Ag. meldete sich die Ast. erstmals telefonisch am 30.11.2007 und persönlich am 04.12.2007. Danach meldete sie sich bis 26.05.2008 nicht mehr beim Sozialamt. Am 26.05. wurde ein Termin für den 29.05.2008 vereinbart, den die Ast. nicht wahrnahm. Bei einem neuen Termin am 03.06.2008 legte sie den Mietvertrag vor. Ihr wurde erläutert, dass und welche Nachweise zur Prüfung eines Grundsicherungsleistungsanspruchs erforderlich seien. Am 05.06.2008 legte die Ast. Kontoauszüge vor, aus denen der Ag. ersehen konnte, dass die Ast. Leistungen von der Stadt I. bezogen hatte. Danach sprach die Ast. erst am 30.07.2008 wieder beim Sozialamt des Ag. vor. Befragt, wovon sie in der letzten Zeit gelebt habe, erklärte die Ast., dass Freunde sie unterstützt hätten und dass sie bei dem Architektur L. in B. gearbeitet habe; diese Möglichkeit gebe es nun nicht mehr, sie habe keinen Pfennig mehr und brauche sofort Hilfe. Die Ast. wurde darauf hingewiesen, dass zur Prüfung eines Sozialhilfeanspruchs noch wichtige Unterlagen, z.B. die Kontoauszüge der letzten 3 Monate fehlten. Hinsichtlich der anfallenden Miete wurde sie darüber belehrt, dass die angemietete Wohnung bei weitem zu groß und zu teuer sei. Sie erklärte, im Notfall werde ihre Mitbewohnerin, die russische Studentin P. O., die nicht angemessenen Mietanteile übernehmen. Am 01.09.2008 sprach die Ast. daraufhin - unangemeldet - wieder beim Sozialamt des Ag. vor und überreichte einen Umschlag mit Unterlagen.

Mit Schreiben vom 05.09.2008 teilte der Ag. der Ast. mit, es fehlten noch Unterlagen zur Prüfung des Antrags, im Einzelnen Scheidungsurteil Kontoauszüge des gesamten Monats Mai Mietbescheinigung geeignete Nachweise über Mietzahlungen seit Dezember 2007. Desweiteren wurde die Ast. aufgefordert, Belege über die Mietzahlungen der Mitbewohnerin O. vorzulegen. Das Schreiben enthält abschließend den Hinweis, dass die begehrte Leistung ganz oder teilweise versagt werden könne, wenn die erbetenen Unterlagen nicht oder nicht vollständig bis spätestens 15.09.2008 vorlegen.

Am 08.09.2008 hat die Ast. beim Sozialgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie behauptet, alle notwendigen Unterlagen vorgelegt zu haben.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Grundsicherung im Alter ab Antragstellung zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Er ist der Auffassung, es bestehe derzeit kein Anordnungsgrund, weil die für eine positive Antragstellung relevanten Unterlagen bisher nicht vorgelegt worden seien. Hilfsbedürftigkeit sei nicht nachgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Gerichtsakten S 20 SO 35/07 ER und S 19 SO 43/07 ER sowie den Inhalt der die Ast. betreffende Verwaltungsakte des Ag., die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Ast. muss glaubhaft machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO), dass ihm ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund). Einstweilige Anordnungen kommen grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage dringend geboten ist.

Die Ast. hat bisher weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die von ihr vorgelegten Unterlagen (u.a. Mietvertrag vom 25.09.2007, aktueller Rentenbescheid, vier Kontoauszüge) genügen nicht, um den Anspruch auf Sozialhilfe glaubhaft zu machen, geschweige denn den Nachweis von Hilfsbedürftigkeit zu führen.

Soweit die Ast. die Art und Weise der Bearbeitung ihres Antrags durch den Ag. kritisiert, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie durch ihr eigenes Verhalten Anlass für eine genaue Prüfung gegeben hat. Der Ag. verlangt zurecht, dass die Ast. konkrete Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen macht und Nachweise vorlegt, um ihre Sozialhilfebedürftigkeit prüfen zu können. Diese ist nämlich nach den bisher bekannt gewordenen Umständen eher zweifelhaft. So ist nicht verständlich und nachvollziehbar, warum die Ast. eine Wohnung (nebst Garage) in einer Größe von 127 qm zu einer Bruttokaltmiete von 850,00 EUR anmietet, ohne vor Abschluss des Vertrages den zuständigen Träger der Sozialhilfe darüber in Kenntnis zu setzen und von ihm eine Zustimmung zur Anmietung der Unterkunft einzuholen (vgl. § 29 Abs. 1 SGB XII). Der Ast. musste aus der früheren Zeit, in der sie von der Stadt I. Sozialhilfe bezogen hatte, die offensichtliche Unangemessenheit der Unterkunftskosten bekannt sein. Unverständlich ist auch, warum die Ast. im Wohnraummietvertrag vom 25.09.2007 falsche Angaben zu ihrer Person unterschrieben hat, nämlich ein falsches Geburtsjahr und eine falsche letzte Anschrift. Die Ast. ist nämlich nicht 0000, sondern 0000 geboren und wohnte zuletzt vor dem 01.10.2007 nicht in L., sondern in I., wo sie noch am 04.10.2007 in Form eines Schecks Sozialhilfe bezogen hat. Schließlich hat die Ast. auch trotz mehrfacher Aufforderung des Ag. keine näheren Angaben zu ihrer Mitbewohnerin O. und deren Mietzahlungen gemacht. Die vorgelegten Kontoauszüge geben darüber keine Auskunft. Aus den beigezogenen Akten der früheren sozialgerichtlichen Verfahren ist ersichtlich, dass Frau O. auch schon in I. mit der Ast. zusammen gewohnt hat und sich aus diesem Umstand auch dort bereits Unklarheiten im Zusammenhang mit der Bewilligung der Sozialhilfe ergeben hatten. Zuletzt geben auch die zum Teil erheblichen Zeitabstände zwischen den Vorsprachen der Ast. beim Sozialamt Anlass zu der - berechtigten - Frage, wovon sie seit Oktober 2007 ihren Lebensunterhalt bestritten hat.

Bei dieser Sachlage genügen die bisherigen Angaben der Ast. und die von ihr vorgelegten Unterlagen nicht, um den Anspruch auf Sozialhilfe auch nur glaubhaft zu machen. Wer Sozialleistungen beantragt, hat alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I). Es ist nicht erkennbar, dass der Ag. Angaben oder Unterlagen verlangt hat, die zur Prüfung des Sozialhilfeanspruchs nicht notwendig wären.

Da es die Ast. selbst in der Hand hatte, die notwendigen Angaben zu machen und die angeforderten Unterlagen beizubringen, fehlt es, solange sie dies nicht tut, für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auch am Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechende Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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