L 3 AS 914/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 4415/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 914/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine ihr gegenüber als Verwaltungsakt erlassene Eingliederungsvereinbarung.

Die 1961 geborene Klägerin stand während ihres gewöhnlichen Aufenthalts im Bezirk der Beklagten von November 2005 bis Januar 2007 im ständigen Leistungsbezug der Beklagten. Seit Februar 2007 hat die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin.

Am 08.05.2006 händigte die Beklagte der Klägerin eine Eingliederungsvereinbarung, die sich die Klägerin in Ruhe durchlesen wollte, mit der Bitte aus, sich hierzu bei einer erneuten Einladung am 16.05.2006 zu äußern. Am 15.05.2006 übersandte die Klägerin der Beklagten eine Mitteilung, wonach sie der Aufforderung zur Einladung nicht nachkomme, da sie zum einen ab 01.06.2006 eine selbständige Tätigkeit als Texterin mit einem voraussichtlich wöchentlichen Umfang von 15 Stunden und mehr aufnehmen werde und es zum anderen auch keine Grundlage gebe, auf der diese "Einladung" basiere. Auf Nachfrage der Beklagten wegen der angekündigten Tätigkeit antwortete die Klägerin am 14.06.2006, dass sie die Tätigkeit am 01.07.2006 habe beginnen wollen. Der Plan sei jedoch deshalb etwas durcheinander geraten, weil die Beklagte ihren Antrag auf Einstiegsgeld noch nicht bearbeitet habe. Zu einer weiteren Einladung am 19.06.2006 erschien die Klägerin ebenfalls nicht. Das nächste Gespräch kam erst wieder am 02.08.2006 zu Stande. Hierbei machte die Klägerin keine näheren Angaben zur beabsichtigten selbständigen Tätigkeit, sie verwies insofern auf den Schriftverkehr. Die Eingliederungsvereinbarung wollte die Klägerin noch ein Mal zur Prüfung mitnehmen. Auf den Hinweis der Beklagten, dass sie nun fast drei Monate Zeit hierfür gehabt habe, lehnte sie den Abschluss der Eingliederungsvereinbarung ab. Noch am selben Tag übersandte die Klägerin ein Fax an die Beklagte, in dem sie die Aufnahme der freiberuflichen Tätigkeit ab dem 02.08.2006 mitteilte. Ebenfalls am selben Tag übersandte sie auch dem Finanzamt Rastatt einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung ihrer selbständigen Tätigkeit. Außerdem reichte sie am 09.08.2006 bei der Beklagten eine Veränderungsmitteilung ein, wonach sie am 02.08.2006 eine freiberufliche Tätigkeit aufgenommen habe und zwischen dem 01.01. und 31.12.2007 voraussichtlich Betriebseinnahmen von 7.500 EUR jährlich haben werde. Einstiegsgeld wurde von der Beklagten wegen mangelnder Erkennbarkeit der Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit nicht gewährt.

Mit Bescheid vom 02.08.2006 erließ die Beklagte einen auf § 15 Abs. 1 Satz 6 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gestützten Eingliederungsverwaltungsakt. Darin gab sie der Klägerin für die Zeit vom 02.08. bis 31.12.2006 auf, sich nur nach Absprache und mit Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufzuhalten, Änderungen (z.B. Arbeitsaufnahme, Umzug) unverzüglich mitzuteilen, Bewerbungsunterlagen zu erstellen und vorzulegen und mit mindestens acht Bewerbungen pro Monat, auch um befristete Stellen, auch bei Zeitarbeitsfirmen, eine Stelle zu suchen, die Eigenbemühungen bei der Vorsprache vorzulegen und aktiv an der Feststellung der Erwerbsfähigkeit mitzuwirken.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Ersatzvereinbarung für sie nicht zutreffend sei. Sie habe am 02.08.2006 eine freiberufliche Tätigkeit aufgenommen, womit sie ihre beruflichen Integrationschancen ohne aktive Betreuung (sprich Kontrolle) erreicht habe. Im Übrigen müsse sie keine Eingliederungsvereinbarung abschließen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2006 zurück. Bei dem Gespräch am 02.08.2006 habe die Klägerin die Eingliederungsvereinbarung, die ihr schon am 08.05.2006 angeboten worden sei, abgelehnt. Entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II seien die Regelungen der Eingliederungsvereinbarungen deshalb mit dem Bescheid vom 02.08.2006 erfolgt. Die gesetzliche Bestimmung sehe im Regelfall die Regelung durch Verwaltungsakt vor. Nur in atypischen Fällen, wenn besondere Umstände vorlägen, habe die Arbeitsgemeinschaft ein Ermessen. Vorliegend seien keine besonderen Umstände erkennbar, die ein Ermessen eröffnen würden. Die Klägerin habe sehr lange Zeit gehabt, sich mit dem Inhalt der Eingliederungsvereinbarung zu beschäftigen. Ihr Verhalten habe von Anfang an erkennen lassen, dass sie die Vereinbarung nicht akzeptieren wolle. Durch ihr bisheriges Verhalten seien mögliche Eingliederungsmaßnahmen verzögert worden. Die angegebene freiberufliche Tätigkeit sei von ihr nicht konkret dargelegt. Es sei nicht erkennbar, dass durch diese Tätigkeit die Hilfebedürftigkeit in naher Zukunft beendet werde.

Die Klägerin hat am 21.09.2006 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit der sie die Aufhebung des Eingliederungsverwaltungsaktes begehrt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie nutze alle Möglichkeiten, um ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Sie habe sich selbständig gemacht. Die Eingliederungsvereinbarung verstoße gegen das Grundgesetz, beispielweise gegen die Vertragsfreiheit und die Freiheit der Berufswahl. Da sie selbständig sei, wisse sie auch nicht, weshalb sie sich noch bewerben solle. Sie habe ihre freiberufliche Tätigkeit auch konkret dargelegt. Sie schreibe Bücher. Über ihre Projekte könne sie jedoch erst dann etwas sagen, wenn sie einen Autorenvertrag habe. Im Übrigen habe auch die Beklagte bisher durch ihre Tätigkeit ihre Hilfebedürftigkeit in "naher Zukunft" nicht beendet.

Den Antrag auf Verlegung der auf den 11.01.2007 anberaumten mündlichen Verhandlung hat das SG mit Beschluss vom 10.01.2007 abgelehnt.

Das SG hat den Arbeitsvermittler der Beklagten L. schriftlich und mündlich als Zeugen gehört. Wegen der Einzelheiten seiner Aussage wird auf Bl. 58 bis 61 und Bl. 114/120 der SG-Akte verwiesen.

Mit Urteil vom 11.01.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen das am 20.03.2007 zugestellte Urteil richtet sich die bereits am 12.02.2007 eingelegte Berufung, die die Klägerin damit begründet, dass sie Nein zu der Entscheidung sage. Sie rüge einen Verstoß gegen ihr Grundrecht auf rechtliches Gehör.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Januar 2007 sowie den Bescheid vom 2. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, die Gerichtsakten, die Parallelakte des erkennenden Senats L 3 AS 2293/07 einschließlich der Vorprozessakten des SG und die den Ehemann der Klägerin betreffenden Vorprozessakten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg L 12 AS 1906/08, L 12 AS 1910/08 und L 12 AS 1911/08 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage war zwar nicht - wie vom SG angenommen - unbegründet. Sie war vielmehr bereits unzulässig. Am Tenor ändert sich dadurch indessen nichts.

Zulässige Klageart ist hier, nachdem sich die Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 02.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.08.2006 wendet, die Anfechtungsklage. Eine Anfechtungsklage ist als unzulässig abzuweisen, wenn kein Verwaltungsakt vorliegt bzw. ein solcher nicht mehr besteht (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9.Aufl. § 54 Rd. 8a). Maßgebender Zeitpunkt ist insoweit, nachdem es sich bei der Eingliederungsvereinbarung um einen bis 31.12.2006 befristeten Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelte, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (Keller in Meyer-Ladewig, a.a.O. § 54 Rd. 33a). Zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG am 11.01.2007 hatte sich die Eingliederungsvereinbarung durch Zeitablauf bereits erledigt. Ab 01.01.2007 entfaltete sie keine Verpflichtungen mehr. Sie ist unwirksam geworden. Dies hat zur Folge, dass die Klage unzulässig ist.

Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht mithilfe einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG weiterverfolgen. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG setzt eine Fortsetzungsfeststellungsklage voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts hat. Ein für diese Feststellung vorausgesetztes schutzwürdiges Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.08.2007, 7/7a AL 16/06 R). Das Vorliegen eines solchen Feststellungsinteresses ist hier nicht erkennbar. Verpflichtungen der Klägerin aus der Eingliederungsvereinbarung ergeben sich nicht mehr. Insbesondere kann auf die Eingliederungsvereinbarung auch keine Sanktion mehr gestützt werden. Auch wirtschaftliche Nachteile resultieren hieraus nicht (mehr). Des weiteren ist auch keine Wiederholungsgefahr dergestalt gegeben, dass die Beklagte weitere Eingliederungsvereinbarungen verlangt, nachdem die Klägerin nicht mehr im Leistungsbezug bei der Beklagten steht. Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide erübrigen sich damit.

Zur Ergänzung wird noch darauf hingewiesen, dass durch die Entscheidung des SG auch nicht das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt wurde. Die Klägerin ist am 04.12.2006 ordnungsgemäß zum Termin am 11.01.2007 geladen worden. Den Antrag auf Verlegung des Termins hat das SG mit Beschluss vom 10.01.2007 zu Recht abgelehnt. Verlegungsgründe lagen Bezug nehmend auf die Ausführungen im Beschluss nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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