L 3 AL 4320/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AL 1263/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 4320/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen des Eintritts einer Sperrzeit in der Zeit vom 27.09.2002 bis 23.11.2002 geruht hat.

Die 1961 geborene Klägerin war ab dem 07.05.2001 bei der Metzgerei W. in S. als Metzgereifachverkäuferin versicherungspflichtig beschäftigt. Am 21.07.2002 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2002. Am 27.09.2002 meldete sie sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Im Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gab sie an, sie habe das Beschäftigungsverhältnis gekündigt, weil der Lohn unregelmäßig gekommen und sie fälschlich des Diebstahls bezichtigt worden sei. Deshalb sei das Vertrauensverhältnis zerstört gewesen. Mit Bescheid vom 23.10.2002 bewilligte die Beklagte Alg zunächst ab dem 24.11.2002.

Mit Bescheid vom 05.11.2002 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 01.09.2002 bis 23.11.2002 sowie die Minderung des Anspruchs auf Alg um 90 Tage fest. Den am 08.11.2002 eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2003 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 11.03.2003 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihr Lohn sei immer unpünktlich ausbezahlt worden. Das Gehalt für Juli 2002 sei erst nach Einschaltung eines Rechtsanwaltes ausbezahlt worden. Im Februar 2002 sei mit dem Arbeitgeber Herrn W. vereinbart worden, dass sie an Samstagen nicht mehr arbeite, da ihr Mann für längere Zeit nach Amerika reisen müsse und sie ihre siebenjährigen Drillinge betreuen müsse. Gleichwohl habe sie auf Wunsch des Arbeitgebers am Freitag 28.06. und Samstag 29.06.2002 als Vertretung gearbeitet. Die Aufforderung, dies auch in den nächsten vier Wochen zu tun, habe sie abgelehnt. Am Dienstag, dem 16.07.2002, sei sie von ihrem Chef, Herrn W., des Diebstahls bezichtigt worden. Danach seien strenge Kontrollen angeordnet worden, was sie zur Kündigung bewogen habe.

Der Arbeitgeber teilte auf Anfrage des SG mit, Zahlungstermin für den Lohn sei der 5. des darauffolgenden Monats gewesen, der Lohn sei unterschiedlich gezahlt worden. Bei seiner mündlichen Zeugenvernehmung durch das SG hat der Arbeitgeber bezüglich des Diebstahlvorwurfs angegeben, eine Mitarbeiterin der Filiale in der Heilbronner Straße, in welcher die Klägerin gearbeitet habe, habe ihm telefonisch mitgeteilt, im Untergeschoss liege eine Tüte mit Wareninhalt. Als er die Filiale aufgesucht habe, sei diese nicht mehr auffindbar gewesen. Keiner der Mitarbeiter habe über deren Verbleib Auskunft geben können. Von einer Mitarbeiterin sei der Hinweis gekommen, dass das mit dem Päckchen nur die Klägerin habe gewesen sein können. Der Filialleiter sei daraufhin angewiesen worden, in Zukunft Kontrollen hinsichtlich aller Mitarbeiter durchzuführen. Bezüglich des Diebstahlvorwurfs seien alle Mitarbeiter zusammen und nicht einzeln befragt worden.

Mit Urteil vom 25.01.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst und hierdurch die Arbeitslosigkeit herbeigeführt ohne Aussicht auf ein Anschlussarbeitsverhältnis gehabt zu haben. Ihr habe für ihr Verhalten auch kein wichtiger Grund zur Seite gestanden. Weder die angeführten verspäteten Lohnzahlungen noch der vom Arbeitgeber geäußerte Diebstahlsverdacht stellten einen wichtigen Grund dar. Für die Lohnzahlungen sei Fälligkeit am 05. des Folgemonats vereinbart gewesen. Danach seien bis auf die Lohnzahlung für Juni 2002 jeweils nur geringfügig verspätete Auszahlungen um ein bis zwei Tage erfolgt. Selbst wenn dies - entgegen der Überzeugung der Kammer - einen wichtigen Grund darstellen sollte, wäre der konkrete Zeitpunkt der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses hiervon nicht gedeckt. Erst am 10.07.2002 habe sie die ausstehenden Lohnzahlungen anwaltlich anmahnen lassen, jedoch das weitere Zahlungsverhalten des Arbeitgebers nicht mehr abgewartet, vielmehr gleich die Kündigung ausgesprochen. Vor Ausspruch der Kündigung wäre jedoch zumindest die Zahlung für den Monat Juli 2002 abzuwarten gewesen. Auch der ihr gegenüber geäußerte Diebstahlsvorwurf rechtfertige nicht den Ausspruch einer Kündigung. Zum einen sei dieser Vorwurf nicht nur ihr gegenüber, sondern allen Mitarbeitern der Filiale gegenüber geäußert worden. Darüber hinaus sei die Klägerin nicht unrechtmäßigen Kontrollen ihrer Arbeit bzw. ihres Verhaltens ausgesetzt gewesen. Weitere Gründe, die eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses unzumutbar gemacht hätten, seien weder ersichtlich noch vorgetragen.

Gegen das am 10.02.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.02.2005 Berufung eingelegt (L 3 AL 640/05). Zur Begründung hat sie vortragen, ein die Kündigung rechtfertigender wichtiger Grund habe darin bestanden, dass der Arbeitgeber trotz entsprechender Beschwerden vieler Mitarbeiter den Lohn regelmäßig zu spät ausgezahlt habe. Im Rahmen der auswärts vorgenommenen Lohnbuchhaltung sei zwar versucht worden, eine Abhilfe zu schaffen, diese sei jedoch nicht eingetreten. Zwischen den Arbeitsvertragsparteien sei auch nicht der Tarifvertrag NGG vereinbart gewesen, der eine Zahlung des Lohnes zum 5. des Folgemonats vorsehe. Die Lohnleistungen seien deshalb spätestens am Ende eines Monats zur Zahlung fällig gewesen. Zusätzlich durch den hinzugetretenen unberechtigten Diebstahlsvorwurf sei ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar gewesen.

Der zwischenzeitlich zum Ruhen gebrachte Rechtsstreit ist unter dem Aktenzeichen L 3 AL 4320/07 fortgesetzt worden. Der Aufforderung des Senats, den Arbeitsvertrag vorzulegen, ist die Klägerin nicht nachgekommen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Januar 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. März 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld vom 27. September 2002 bis 23. November 2002 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegt Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Dem Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Alg im streitigen Zeitraum steht entgegen, dass vom 01.09. bis 23.11.2002 eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten ist.

Hat der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und hat er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe) ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben, so tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 Variante 1 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung).

Die Klägerin hat durch die Eigenkündigung ihr Beschäftigungsverhältnis gelöst. Da sie keine Aussicht auf ein Anschlussarbeitsverhältnis hatte, hat sie auch zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit hierdurch herbeigeführt, wobei sich der Schuldvorwurf allein auf die Kenntnis vom Eintritt der Arbeitslosigkeit bezieht.

Die Klägerin hatte für ihr Verhalten keinen wichtigen Grund. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist der unbestimmte Rechtsbegriff des wichtigen Grundes anhand des Zwecks der Sperrzeitregelung zu konkretisieren. Diese soll die Solidargemeinschaft vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte schützen, die den Eintritt des versicherten Risikos Arbeitslosigkeit selbst hergeführt haben. Die Versichertengemeinschaft soll sich gegen Risikofälle wehren, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Hierbei ist zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Der wichtige Grund muss dabei nicht nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern auch den konkreten Zeitpunkt der Lösung decken (vgl. zuletzt BSG Urteil vom 12.07.2006 - B 11 AL 55/05 R - SozR 4-4300 § 144 Nr. 14).

Das SG hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass weder die verspäteten Lohnzahlungen noch der der Klägerin gegenüber geäußerte Diebstahlsverdacht je einzeln und auch nicht in der Zusammenschau einen wichtigen Grund darstellen. Hierzu wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Ergänzend ist auszuführen, dass keine durchgreifenden Bedenken gegen die Zugrundelegung der Aussage des Zeugen W. bestehen, bei der Lohnzahlung habe man sich am Tarifvertrag NGG orientiert, nach dem am 05. eines Monats die Lohnzahlung zu erfolgen habe.

Es spricht zwar viel dafür, dass dem Arbeitsverhältnis nicht die tariflichen Regelungen zugrunde lagen, so dass ohne ausdrückliche Vereinbarung der Lohn am Ende des Abrechnungszeitraumes fällig war. Hierfür spricht insbesondere, dass der Arbeitgeber zunächst den Lohn am 1. oder 2. des Folgemonats ausbezahlte und erst im Laufe des Arbeitsverhältnisses die Lohnzahlung immer später erfolgte. Eine - geringfügig - verspätete Auszahlung des Lohnes stellt jedoch keinen wichtigen Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Ein solcher ist erst dann gegeben, wenn der Arbeitgeber mit nicht unerheblichen Lohnzahlungen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten in Verzug geraten ist und der Arbeitnehmer die vertragsgemäße Entlohnung abgemahnt hat (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.02.2005 - L 1 AL 125/03 - Breith. 2005, 675).

Auch der Diebstahlsverdacht des Arbeitgebers stellt keinen Kündigungsgrund dar. Dieser Verdacht wurde zum einen nicht ins Blaue hinein geäußert, sondern auf die Angaben einer Mitarbeiterin hin. Dieser Verdacht wurde darüber hinaus nicht nur gegenüber der Klägerin, sondern gegenüber allen Mitarbeitern der Filiale geäußert. Es stellt auch keinen wichtigen Grund dar, der zur Eigenkündigung berechtigt, dass der Arbeitgeber in der Folgezeit Kontrollen angeordnet hat, um Diebstählen vorzubeugen. Diese waren nämlich wiederum nicht allein gegen die Klägerin gerichtet, ihnen mussten sich vielmehr alle Mitarbeiter der Filiale unterziehen.

Auch die Lage der Sperrzeit ist zutreffend. Es liegt schließlich keine besondere Härte vor, die es rechtfertigen könnte, die Dauer der Sperrzeit auf sechs Wochen zu verkürzen. Würde eine Sperrzeit von 12 Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten, so umfasst die Sperrzeit sechs Wochen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III). So hat die Klägerin, auch nachdem sie mit dem Vorwurf des Diebstahls konfrontiert worden war, noch über eine Woche weiter gearbeitet, bevor sie die Kündigung ausgesprochen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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