Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 207/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 83/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 44/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Vertragsärztin mit einer Zulassung für zwei Fachgebiete hat keine zwei Zulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag und kann daher den Vertragsarztsitz für ein Fachgebiet allein nicht verlegen.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verlegung des Vertragsarztsitzes für die neurologische Tätigkeit bei einer Zulassung für zwei Fachgebiete.
Die Klägerin wurde mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 25.05.1993 als Augenärztin für den Vertragsarztsitz A-Stadt – PF. -, PF-Kreis, zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Der Zulassungsausschuss stellte mit Beschluss vom 14.09.1993 fest, dass die Klägerin nunmehr auch die Gebietsbezeichnung Neurologie führe, nachdem die Klägerin diese mit Datum vom 25.08.1993 erhalten hatte.
Am 13.06.2007 beantragte die Klägerin die Verlegung ihres Kassensitzes. Hierzu führte sie aus, der neue EBM 2005 führe zu einer massiven Umsatzeinbuße in ihrer Praxis auf etwa 50 %. Vor Einführung des EBM 2005 habe sie sich mit der KVH auf eine Mischkalkulation bzgl. der Abrechnung geeinigt und habe etwa ein Honorar von 39.000,00 EUR/Quartal erzielt. Danach sei ihr die frühere Ziffer der Neurologen (Ziffern 16210 bis 16212 EBM 2005) gestrichen worden. Erschwerend komme hinzu, dass sie als Augenärztin budgetiert werde. Ihr Umsatz sei inzwischen auf 20.400,00 EUR/Quartal ohne Restzahlung gesunken. Sie wolle daher die Praxis räumlich und zeitlich trennen. Sie plane, in beiden Praxen jeweils 20 Stunden Sprechzeiten/Woche anzubieten. Eine Halbierung des Versorgungsauftrages für beide Fachrichtungen würde das Problem nicht lösen, weil sie zwei unabhängige Abrechnungen erstrebe.
Der Zulassungsausschuss lehnte mit Beschluss vom 25.09.den Antrag ab, weil eine Rechtsgrundlage für eine Splittung der Zulassung nicht gegeben sei.
Hiergegen legte die Klägerin am 14.01.2008 Widerspruch ein. Sie trug vor, die Ablehnung verstoße gegen die Freiheit der Berufsausübung. Für eine Beschränkung auf nur einen Vertragsarztsitz sehe sie keine Rechtsgrundlage. Es gehe um die Verlegung eines originären, selbständigen Vertragsarztsitzes. Hierzu habe der Zulassungsausschusses keine Ausführungen gemacht. Nach dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz könne ein Arzt auch an weiteren Orten tätig werden. Es seien nach dem neuen Vertragsarztrecht auch Teilzulassungen möglich. Bei zwei Teilzulassungen könne der Arzt an verschiedenen Orten tätig werden. Aus diesem Grunde sei es nicht einzusehen, dass eine Trennung einer fachärztlichen Tätigkeit und Verlegung einer Facharztrichtung an einen anderen Sitz nicht möglich sein solle. Mit 20 Wochenstunden an jedem Vertragsarztsitz sei sie auch hinreichend präsent.
Die Beigeladene zu 1) trug mit Schriftsatz vom 28.03.2008 vor, das Gesetz sehe keine Möglichkeit vor, zwei Vertragsarztsitze durch einen Vertragsarzt an unterschiedlichen Orten zu unterhalten. Demgemäß könne ein Vertragsarzt grundsätzlich auch nur über einen Vertragsarztsitz verfügen. Dies gelte auch für einen Vertragsarzt mit zwei Vollzulassungen bzw. Doppelzulassungen. Der Klägerin sei es nicht möglich sei, bei zwei Vollzulassungen an verschiedenen Orten der jeweiligen Residenzpflicht im Sinne des § 17 Abs. 1a Bundesmantelvertrag nachzukommen. Die Residenzpflicht sei verletzt, wenn der Arzt seine Praxis regelmäßig nicht innerhalb von 30 Minuten erreichen könne. Die Entfernung zwischen den beiden in Aussicht genommenen Vertragsarztsitzen betrage 56 km. Hierfür werde eine Zeit von 45 Minuten benötigt. Demgemäß sei der angefochtene Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Mit Beschluss vom 02.04.2008, ausgefertigt am 15.05. und der Klägerin zugestellt am 16.05.2008, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, das Begehren der Klägerin setze begrifflich voraus, dass sie gegenwärtig über zwei Vertragsarztsitze verfügt, und zwar einen für eine neurologische Tätigkeit und einen weiteren für eine augenärztliche Tätigkeit. Dies sei jedoch nicht der Fall. Eine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit sei nicht vergleichbar mit der Erteilung einer Konzession, bei welcher ein Konzessionsinhaber über mehrere gleichartige oder verschiedene Konzessionen verfügen könne. Die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit verschafft vielmehr einen unteilbaren einheitlichen Status als Vertragsarzt, wobei sich dieser einheitliche Status auf die Zugehörigkeit zu einer oder mehreren Fachgruppen vertragsärztlicher Tätigkeit erstrecke. Die Klägerin sei somit als Vertragsärztin Inhaberin eines einheitlichen Kassenarztsitzes, auf welchem sie gleichzeitig zwei verschiedenen Facharztgruppen, nämlich der Facharztgruppe der Neurologen sowie der Facharztgruppe der Augenärzte angehöre. Aus diesem Grunde könne sie Änderungen an diesem einheitlichen Vertragsarztsitz nur im Rahmen der hierfür vorgesehenen Möglichkeiten der Ärztezulassungsverordnung vornehmen. Demgemäß hat der Zulassungsausschuss zu Recht darauf hingewiesen, dass es der Klägerin möglich sei, ihren einheitlichen Vertragsarztsitz in Gänze innerhalb desselben Planungsbereichs und unter Beachtung der Bedarfsplanungsrichtlinien auch in einen anderen Planungsbereich zu verlegen. Auch sei es ihr möglich, auf der Grundlage des bestehenden Vertragsarztsitzes vertragsärztliche Tätigkeiten im Rahmen der Ärztezulassungsverordnung an weiteren Orten vorzunehmen, soweit die Versorgung der Versicherten hierdurch verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt werde. Auch dürfte es unbedenklich sein, wenn die Klägerin auf der Basis ihres bestehenden einheitlichen Vertragsarztsitzes den dortigen Versorgungsauftrag reduziere und sich darum bemühe, einen weiteren Vertragsarztsitz mit einem ebenfalls reduzierten korrespondierenden Versorgungsauftrag an einem anderen Ort zu erhalten. Rechtlich nicht darstellbar sei allerdings das Begehren der Klägerin, einen von ihr innegehabten Vertragsarztsitz an einen anderen Ort zu verlegen, gleichzeitig aber den angeblich vorhandenen weiteren Vertragsarztsitz am bisherigen Ort zu belassen, da sie insgesamt nur im Besitz eines einheitlichen Vertragsarztsitzes sei, nämlich einer einheitlichen Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit, die sich auf zwei verschiedene Facharztgruppen beziehe. Ein Verstoß gegen grundrechtlich geschützte Positionen liege nicht vor. Rechtlich geschützt seien nur tatsächlich bestehende Rechtspositionen. Ein isoliert verlegungsfähiger Vertragsarztsitz neben dem weiter bestehenden Vertragsarztsitz am bisherigen Praxisort liege nicht vor. Auch der Aspekt der räumlichen Entfernung beider Praxisorte sei zu beachten. Ein niedergelassener Arzt unterliege nach wie vor einer Residenzpflicht, kraft derer er in der Lage sein müsse, kurzfristig am Praxisort zur Verfügung zu stehen. Auch bei einer regulären Fahrzeit von 38 Minuten - die im Einzelfall durchaus auch höher liegen könne – könne nicht von der Erfüllung dieser Residenzpflicht ausgegangen werden. Auch dieser Aspekt zeige, dass die gleichzeitige Wahrnehmung zweier räumlich entfernter Kassenarztsitze mit jeweiligem vollem Versorgungsauftrag durch nur einen Arzt nicht der Rechtslage entspreche.
Hiergegen hat die Klägerin am 11.06.2008 die Klage erhoben. Ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren trägt sie vor, es fehle an einer Rechtsgrundlage, dass sie ihre Tätigkeit in zwei Fachgebieten auf nur einen Vertragsarztsitz beschränken müsse. § 24 Ärzte-ZV erfasse den Fall einer Zulassung für zwei Fachgebiete nicht. Sie habe zunächst einen vollen Versorgungsauftrag als Augenärztin erhalten. Dieser sei durch die Zulassung als Neurologin nicht beschränkt worden. Bei Verzicht auf einen Versorgungsauftrag müsse eine evtl. eintretende Unterversorgung ausgeglichen werden. Lediglich für eine belegärztliche Tätigkeit gelte, dass eine Entfernung von 30 Minuten die Residenzpflicht nicht tangiere. Für beide Fachgebiete sei eine hinreichende Erstversorgung durch Notfalldienste vorhanden. Bei Überschreiten der Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn werde die Fahrzeit von 38 Minuten unterboten.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses vom 15.05.2008 den Beklagten zu verurteilen, ihren Antrag auf Verlegung des Vertragsarztsitzes für neurologische Tätigkeit von der A-Straße in A-Stadt an das MVZ NS. GmbH, NS. zu genehmigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt unter Bezugnahme auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss im Übrigen ergänzend vor, die Klägerin gehe in ihrer Argumentation von der Prämisse aus, sie verfüge über eine Doppelzulassung für das Gebiet der Neurologie und das Gebiet der Augenheilkunde. Die weitere Argumentation baue vollständig auf dieser Prämisse auf. Diese Prämisse sei unzutreffend. Die Klägerin verfüge aufgrund des entsprechenden Beschlusses des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 25.05.1993 über eine Zulassung als Augenärztin für einen Vertragsarztsitz in A-Stadt. Diese Zulassung beinhaltete eine Beschränkung auf die fachärztliche Tätigkeit im Bereich der Augenheilkunde. Mit der Erweiterung auf die Gebietsbezeichnung Neurologie habe die Klägerin auch neurologische Leistungen abrechnen dürfen. Bereits aus dem Wortlaut des Erweiterungsbeschlusses des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 14.09.1993 ergebe sich eindeutig, dass hier keine weitere neue Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit erteilt, sondern lediglich eine Erweiterung der vorhandenen Zulassung vorgenommen worden sei. Eine weitere Zulassung im Sinne des § 95 SGB V für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit habe sie dadurch nicht erhalten hat. Es sei lediglich der bereits bestehende Rechtsstatus als Vertragsärztin modifiziert und erweitert, nicht aber ein neuer zusätzlicher Rechtsstatus geschaffen worden. Angesichts der unzutreffenden Prämisse erweise sich auch die weitere Argumentationsstruktur als nicht tragfähig. Es liege gerade keine Doppelzulassung vor, die tatsächlich in § 24 Ärztezulassungsverordnung nicht geregelt sei, sondern eine einheitliche Zulassung der Klägerin zur vertragsärztlichen Tätigkeit auf zwei unterschiedlichen Fachgebieten. Die gleichzeitige Zulassung als Vertragszahnarzt wie als Vertragsarzt sei ein völlig anderer Tatbestand als die Zulassung einer Vertragsärztin für zwei unterschiedliche Fachgebiete. Folge des Vertragsarztrechtänderungsgesetzes sei es, zwei Teilzulassungen zu erhalten, die begrifflich insgesamt den Umfang einer vollen Zulassung erreichten. Damit sei jedoch keineswegs ausgesagt, dass auch Doppelzulassungen in dem von ihr dargestellten Sinne möglich seien. Aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin nur über eine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit verfüge, folge auch zwingend, dass sie bezüglich der Möglichkeiten der Wahrnehmung vertragsärztlicher Tätigkeiten an einem anderen Orte als demjenigen der Niederlassung an die Beschränkungen der Ärztezulassungsverordnung gebunden sei. Auf die Residenzpflicht komme es deshalb nicht an. Im Rahmen der Wahrnehmung der Residenzpflicht müsse geprüft werden, ob die regelmäßige Wahrnehmung der vertragsärztlichen Pflichten an zwei Standorten tatsächlich gewährleistet sei. Dies sei nicht der Fall.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Die Beigeladenen zu 2) bis 9) haben keinen Antrag gestellt und sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 11.06.2008 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten sowie einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Kammer konnte trotz Abwesenheit der Beigeladenen zu 8) und 9) verhandeln und entscheiden, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 15.05.2008 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Genehmigung ihres Antrags auf Verlegung des Vertragsarztsitzes für neurologische Tätigkeit von der A-Straße in A-Stadt an das MVZ NS. GmbH.
Der Beschluss des Beklagten vom 15.05.2008 ist rechtmäßig.
Der Zulassungsausschuss hat den Antrag eines Vertragsarztes auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen (§ 24 Abs. 7 Ärzte-ZV).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie nicht für zwei Vertragsarztsitze, auch nicht für zwei Vertragsarztsitze mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie ist vielmehr als Vertragsärztin für zwei Fachgebiete zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Von daher kann sie nicht ihren Status als Vertragsärztin in zwei hälftige Versorgungsaufträge mit fachlich unterschiedlichen Versorgungsaufträgen aufteilen und einen dieser beiden "hälftigen" Vertragsarztsitze verlegen.
Die Zulassung bewirkt, dass der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden zeitlich vollen oder hälftigen Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet ist (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V).
Die Zulassung ist ein statusbegründender Akt (vgl. BSG v. 05.02.2003 - B 6 KA 42/02 R - juris Rn. 23 - SozR 4-2500 § 95 Nr. 4; BSG v. 25.11.1998 – B 6 KA 4/98 R – juris Rn. 20 - BSGE 83, 135 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 18). Dieser Status berechtigt zur vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen der §§ 15 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4, 72 Abs. 1 SGB V. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragsarztsitz) (§ 95 Abs. 1 Satz 7 SGB V, § 24 Abs. 1 Ärzte-ZV). Dieser Vertragsarztsitz ist bei einer Zulassung zu einem vollen Versorgungsauftrag nicht aufteilbar. Der Vertragsarztsitz, worunter die konkrete Praxisanschrift des Vertragsarztes (vgl. zuletzt BSG v. 31.05.2006 - B 6 KA 7/05 R - juris Rn. 13 - SozR 4-5520 § 24 Nr. 2 = GesR 2006, 455; BSG v. 10.05.2000 - B 6 KA 67/98 R - juris Rn. 18 - BSGE 86, 121 = SozR 3-5520 § 24 Nr. 4; s. a. Engelmann, MedR 2002, 563 f.; UI., NZS 1997, 105 f.) zu verstehen ist, ist unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung (vgl. BSG v. 10.05.2000 - B 6 KA 67/98 R - juris Rn. 24 - BSGE 86, 121 = SozR 3-5520 § 24 Nr. 4). Der Vertragsarztsitz nimmt deshalb in seiner rechtlichen Wirkung an dem Statuscharakter der Zulassung teil (vgl. BSG v. 31.05.2006 - B 6 KA 7/05 R - juris Rn. 12 - SozR 4-5520 § 24 Nr. 2 = GesR 2006, 455). Es gilt der Grundsatz des einen Vertragsarztsitzes.
Soweit der Verordnungsgeber eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft grundsätzlich als zulässig ansieht, gilt nicht mehr die Regel, eine Praxis und ein Vertragsarztsitz. Bei ihr geht der Verordnungsgeber wie selbstverständlich davon aus, dass mehrere Vertragsarztsitze möglich sind. Ein Definitionsmerkmal der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft ist gerade, dass "unterschiedliche Vertragsarztsitze" der Mitglieder der Berufsausübungsgemeinschaft vorhanden sind (§ 33 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV). Diese können in einer Gemeinde oder Stadt, in einem KV-Bezirk und damit verschiedenen Planungsbereichen oder in mehreren KV-Bezirken liegen (und damit lediglich nicht außerhalb des Bundesgebietes). Nur für überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften mit Vertragsarztsitzen in mehreren Zulassungsbezirken einer Kassenärztlichen Vereinigung ist für die Zwecke der Bestimmung der zuständigen Zulassungsgremien und die allgemeine Zuständigkeit einer Kassenärztlichen Vereinigung, insbesondere zur Vergütung, zur Abrechnung sowie zu den Abrechnungs-, Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen, der maßgebliche Vertragsarztsitz durch die Berufsausübungsgemeinschaft im vorhinein für die Dauer von zwei Jahren zu bestimmen (§ 33 Abs. 2 Satz 3 u. 4 Ärzte-ZV).
Erstmals seit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz unterscheidet das Gesetz zwischen vollem und hälftigem Versorgungsauftrag (vgl. § 95 Abs. 3 Satz 1, § 19a Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV). Insofern kann zwischen einer "Voll-" und "Teilzulassung" unterschieden werden. Regeltyp ist weiterhin der vollzeitige Versorgungsauftrag. Die Reduzierung des Versorgungsauftrags soll der Flexibilisierung der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten, insb. zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und zur besseren Bewältigung von Unterversorgungssituationen dienen. Bedarfsplanungsrechtlich sind Vertragsärzte mit einem hälftigen Versorgungsauftrag bei der Berechnung des Versorgungsgrades mit dem Faktor 0,5 zu berücksichtigen (§ 101 Abs. 1 Satz 6 SGB V). Die Reduzierung auf den hälftigen Versorgungsauftrag verändert den vertragsärztlichen Status nur hinsichtlich des Umfangs der vertragsärztlichen Tätigkeit. Die Teilnahmeberechtigung und -verpflichtung ist auf den Umfang des aus der Zulassung folgenden zeitlich hälftigen Versorgungsauftrages beschränkt (§ 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dies hat Auswirken auf die Rechte und Pflichten, soweit es auf den Umfang der Tätigkeit oder einen zeitlichen Aufwand ankommt. Eine "Teilzulassung" kann von vornherein (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 3 Buchst. c Ärzte-ZV) beantragt werden. Sie erfolgt dann mit der Zulassungsentscheidung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 19a Abs. 2 Satz 2 HS. 1 Ärzte-ZV. Der Versorgungsauftrag kann auch nachträglich auf die Hälfte reduziert werden. Dies erfordert einen gesonderten Beschluss des Zulassungsausschusses (§ 19a Abs. 2 Satz 2 HS. 2 Ärzte-ZV). Zwei Teilzulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag sind möglich, auch innerhalb eines KV-Bezirks (vgl. UI./Pavlovic, MedR 2007, 88 f.; Dahm/Ratzel, MedR 2006, 564). Dies folgt auch aus der Möglichkeit zur Reduzierung auf einen hälftigen Versorgungsauftrag, da bei Aufstockung auf einen vollen Versorgungsauftrag nicht immer eine Zulassung im eigenen Planungsbereich möglich sein wird. Die "Teilzulassung" kann bei Zulassungen in verschiedenen KV Bezirken zu einer Verdoppelung des Zulassungsstatus mit Mitgliedschaft in beiden KVen führen. Auch bei Zulassung für zwei Planungsbereiche oder für zwei Fachgebiete besteht eine örtliche bzw. fachliche Bindung für jeweils einen hälftigen Versorgungsauftrag.
Soweit der Gesetz- und Verordnungsgeber damit den Grundsatz des einen Vertragsarztsitzes aufgegeben hat, handelt es sich um nicht erweiterungsfähige Ausnahmen, da die Regelungen zum Vertragsarztsitz nicht geändert wurden und die Zulassung als Vertragsarzt weiterhin die Festlegung auf eine Praxisadresse, die Teil des Zulassungsstatus ist, bedingt. Für überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften ist hieran zudem durch den Zwang zur Festlegung auf einen Vertragsarztsitz festgehalten worden. Unterschiedliche Vertragsarztsitze aufgrund zweier unterschiedlicher Zulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag ist insofern die einzige Ausnahme. Sie ist aber Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, auch Zulassungen mit einem hälftigen Versorgungsauftrag zuzulassen. Ein gesetzgeberisches Strukturprinzip kann hierin nicht erkannt werden. Die Klägerin hat aber keine zwei Zulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag erhalten, sondern, wie bereits ausgeführt, eine Zulassung für zwei Fachgebiete.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladenen haben keinen Kostenerstattungsanspruch.
Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 197a SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO). Von dieser Möglichkeit ist Gebrauch zu machen, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat, wenn er allein oder mit anderen Beteiligten gesiegt hat oder das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2004, § 197a, Rdnr. 29). Zu berücksichtigen ist, ob der Beigeladene sich während des Verfahrens geäußert und auch Anträge gestellt hat (vgl. BSG, Urt. v. 14.11.2002 – B 13 RJ 19/01 R - SozR 3-5795 § 10d Nr. 1, zitiert nach juris Rdnr. 44).
Die Beigeladenen haben keinen Klageabweisungsantrag gestellt. Von daher besteht für sie kein Kostenerstattungsanspruch.
2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verlegung des Vertragsarztsitzes für die neurologische Tätigkeit bei einer Zulassung für zwei Fachgebiete.
Die Klägerin wurde mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 25.05.1993 als Augenärztin für den Vertragsarztsitz A-Stadt – PF. -, PF-Kreis, zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Der Zulassungsausschuss stellte mit Beschluss vom 14.09.1993 fest, dass die Klägerin nunmehr auch die Gebietsbezeichnung Neurologie führe, nachdem die Klägerin diese mit Datum vom 25.08.1993 erhalten hatte.
Am 13.06.2007 beantragte die Klägerin die Verlegung ihres Kassensitzes. Hierzu führte sie aus, der neue EBM 2005 führe zu einer massiven Umsatzeinbuße in ihrer Praxis auf etwa 50 %. Vor Einführung des EBM 2005 habe sie sich mit der KVH auf eine Mischkalkulation bzgl. der Abrechnung geeinigt und habe etwa ein Honorar von 39.000,00 EUR/Quartal erzielt. Danach sei ihr die frühere Ziffer der Neurologen (Ziffern 16210 bis 16212 EBM 2005) gestrichen worden. Erschwerend komme hinzu, dass sie als Augenärztin budgetiert werde. Ihr Umsatz sei inzwischen auf 20.400,00 EUR/Quartal ohne Restzahlung gesunken. Sie wolle daher die Praxis räumlich und zeitlich trennen. Sie plane, in beiden Praxen jeweils 20 Stunden Sprechzeiten/Woche anzubieten. Eine Halbierung des Versorgungsauftrages für beide Fachrichtungen würde das Problem nicht lösen, weil sie zwei unabhängige Abrechnungen erstrebe.
Der Zulassungsausschuss lehnte mit Beschluss vom 25.09.den Antrag ab, weil eine Rechtsgrundlage für eine Splittung der Zulassung nicht gegeben sei.
Hiergegen legte die Klägerin am 14.01.2008 Widerspruch ein. Sie trug vor, die Ablehnung verstoße gegen die Freiheit der Berufsausübung. Für eine Beschränkung auf nur einen Vertragsarztsitz sehe sie keine Rechtsgrundlage. Es gehe um die Verlegung eines originären, selbständigen Vertragsarztsitzes. Hierzu habe der Zulassungsausschusses keine Ausführungen gemacht. Nach dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz könne ein Arzt auch an weiteren Orten tätig werden. Es seien nach dem neuen Vertragsarztrecht auch Teilzulassungen möglich. Bei zwei Teilzulassungen könne der Arzt an verschiedenen Orten tätig werden. Aus diesem Grunde sei es nicht einzusehen, dass eine Trennung einer fachärztlichen Tätigkeit und Verlegung einer Facharztrichtung an einen anderen Sitz nicht möglich sein solle. Mit 20 Wochenstunden an jedem Vertragsarztsitz sei sie auch hinreichend präsent.
Die Beigeladene zu 1) trug mit Schriftsatz vom 28.03.2008 vor, das Gesetz sehe keine Möglichkeit vor, zwei Vertragsarztsitze durch einen Vertragsarzt an unterschiedlichen Orten zu unterhalten. Demgemäß könne ein Vertragsarzt grundsätzlich auch nur über einen Vertragsarztsitz verfügen. Dies gelte auch für einen Vertragsarzt mit zwei Vollzulassungen bzw. Doppelzulassungen. Der Klägerin sei es nicht möglich sei, bei zwei Vollzulassungen an verschiedenen Orten der jeweiligen Residenzpflicht im Sinne des § 17 Abs. 1a Bundesmantelvertrag nachzukommen. Die Residenzpflicht sei verletzt, wenn der Arzt seine Praxis regelmäßig nicht innerhalb von 30 Minuten erreichen könne. Die Entfernung zwischen den beiden in Aussicht genommenen Vertragsarztsitzen betrage 56 km. Hierfür werde eine Zeit von 45 Minuten benötigt. Demgemäß sei der angefochtene Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Mit Beschluss vom 02.04.2008, ausgefertigt am 15.05. und der Klägerin zugestellt am 16.05.2008, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, das Begehren der Klägerin setze begrifflich voraus, dass sie gegenwärtig über zwei Vertragsarztsitze verfügt, und zwar einen für eine neurologische Tätigkeit und einen weiteren für eine augenärztliche Tätigkeit. Dies sei jedoch nicht der Fall. Eine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit sei nicht vergleichbar mit der Erteilung einer Konzession, bei welcher ein Konzessionsinhaber über mehrere gleichartige oder verschiedene Konzessionen verfügen könne. Die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit verschafft vielmehr einen unteilbaren einheitlichen Status als Vertragsarzt, wobei sich dieser einheitliche Status auf die Zugehörigkeit zu einer oder mehreren Fachgruppen vertragsärztlicher Tätigkeit erstrecke. Die Klägerin sei somit als Vertragsärztin Inhaberin eines einheitlichen Kassenarztsitzes, auf welchem sie gleichzeitig zwei verschiedenen Facharztgruppen, nämlich der Facharztgruppe der Neurologen sowie der Facharztgruppe der Augenärzte angehöre. Aus diesem Grunde könne sie Änderungen an diesem einheitlichen Vertragsarztsitz nur im Rahmen der hierfür vorgesehenen Möglichkeiten der Ärztezulassungsverordnung vornehmen. Demgemäß hat der Zulassungsausschuss zu Recht darauf hingewiesen, dass es der Klägerin möglich sei, ihren einheitlichen Vertragsarztsitz in Gänze innerhalb desselben Planungsbereichs und unter Beachtung der Bedarfsplanungsrichtlinien auch in einen anderen Planungsbereich zu verlegen. Auch sei es ihr möglich, auf der Grundlage des bestehenden Vertragsarztsitzes vertragsärztliche Tätigkeiten im Rahmen der Ärztezulassungsverordnung an weiteren Orten vorzunehmen, soweit die Versorgung der Versicherten hierdurch verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt werde. Auch dürfte es unbedenklich sein, wenn die Klägerin auf der Basis ihres bestehenden einheitlichen Vertragsarztsitzes den dortigen Versorgungsauftrag reduziere und sich darum bemühe, einen weiteren Vertragsarztsitz mit einem ebenfalls reduzierten korrespondierenden Versorgungsauftrag an einem anderen Ort zu erhalten. Rechtlich nicht darstellbar sei allerdings das Begehren der Klägerin, einen von ihr innegehabten Vertragsarztsitz an einen anderen Ort zu verlegen, gleichzeitig aber den angeblich vorhandenen weiteren Vertragsarztsitz am bisherigen Ort zu belassen, da sie insgesamt nur im Besitz eines einheitlichen Vertragsarztsitzes sei, nämlich einer einheitlichen Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit, die sich auf zwei verschiedene Facharztgruppen beziehe. Ein Verstoß gegen grundrechtlich geschützte Positionen liege nicht vor. Rechtlich geschützt seien nur tatsächlich bestehende Rechtspositionen. Ein isoliert verlegungsfähiger Vertragsarztsitz neben dem weiter bestehenden Vertragsarztsitz am bisherigen Praxisort liege nicht vor. Auch der Aspekt der räumlichen Entfernung beider Praxisorte sei zu beachten. Ein niedergelassener Arzt unterliege nach wie vor einer Residenzpflicht, kraft derer er in der Lage sein müsse, kurzfristig am Praxisort zur Verfügung zu stehen. Auch bei einer regulären Fahrzeit von 38 Minuten - die im Einzelfall durchaus auch höher liegen könne – könne nicht von der Erfüllung dieser Residenzpflicht ausgegangen werden. Auch dieser Aspekt zeige, dass die gleichzeitige Wahrnehmung zweier räumlich entfernter Kassenarztsitze mit jeweiligem vollem Versorgungsauftrag durch nur einen Arzt nicht der Rechtslage entspreche.
Hiergegen hat die Klägerin am 11.06.2008 die Klage erhoben. Ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren trägt sie vor, es fehle an einer Rechtsgrundlage, dass sie ihre Tätigkeit in zwei Fachgebieten auf nur einen Vertragsarztsitz beschränken müsse. § 24 Ärzte-ZV erfasse den Fall einer Zulassung für zwei Fachgebiete nicht. Sie habe zunächst einen vollen Versorgungsauftrag als Augenärztin erhalten. Dieser sei durch die Zulassung als Neurologin nicht beschränkt worden. Bei Verzicht auf einen Versorgungsauftrag müsse eine evtl. eintretende Unterversorgung ausgeglichen werden. Lediglich für eine belegärztliche Tätigkeit gelte, dass eine Entfernung von 30 Minuten die Residenzpflicht nicht tangiere. Für beide Fachgebiete sei eine hinreichende Erstversorgung durch Notfalldienste vorhanden. Bei Überschreiten der Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn werde die Fahrzeit von 38 Minuten unterboten.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses vom 15.05.2008 den Beklagten zu verurteilen, ihren Antrag auf Verlegung des Vertragsarztsitzes für neurologische Tätigkeit von der A-Straße in A-Stadt an das MVZ NS. GmbH, NS. zu genehmigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt unter Bezugnahme auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss im Übrigen ergänzend vor, die Klägerin gehe in ihrer Argumentation von der Prämisse aus, sie verfüge über eine Doppelzulassung für das Gebiet der Neurologie und das Gebiet der Augenheilkunde. Die weitere Argumentation baue vollständig auf dieser Prämisse auf. Diese Prämisse sei unzutreffend. Die Klägerin verfüge aufgrund des entsprechenden Beschlusses des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 25.05.1993 über eine Zulassung als Augenärztin für einen Vertragsarztsitz in A-Stadt. Diese Zulassung beinhaltete eine Beschränkung auf die fachärztliche Tätigkeit im Bereich der Augenheilkunde. Mit der Erweiterung auf die Gebietsbezeichnung Neurologie habe die Klägerin auch neurologische Leistungen abrechnen dürfen. Bereits aus dem Wortlaut des Erweiterungsbeschlusses des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 14.09.1993 ergebe sich eindeutig, dass hier keine weitere neue Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit erteilt, sondern lediglich eine Erweiterung der vorhandenen Zulassung vorgenommen worden sei. Eine weitere Zulassung im Sinne des § 95 SGB V für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit habe sie dadurch nicht erhalten hat. Es sei lediglich der bereits bestehende Rechtsstatus als Vertragsärztin modifiziert und erweitert, nicht aber ein neuer zusätzlicher Rechtsstatus geschaffen worden. Angesichts der unzutreffenden Prämisse erweise sich auch die weitere Argumentationsstruktur als nicht tragfähig. Es liege gerade keine Doppelzulassung vor, die tatsächlich in § 24 Ärztezulassungsverordnung nicht geregelt sei, sondern eine einheitliche Zulassung der Klägerin zur vertragsärztlichen Tätigkeit auf zwei unterschiedlichen Fachgebieten. Die gleichzeitige Zulassung als Vertragszahnarzt wie als Vertragsarzt sei ein völlig anderer Tatbestand als die Zulassung einer Vertragsärztin für zwei unterschiedliche Fachgebiete. Folge des Vertragsarztrechtänderungsgesetzes sei es, zwei Teilzulassungen zu erhalten, die begrifflich insgesamt den Umfang einer vollen Zulassung erreichten. Damit sei jedoch keineswegs ausgesagt, dass auch Doppelzulassungen in dem von ihr dargestellten Sinne möglich seien. Aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin nur über eine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit verfüge, folge auch zwingend, dass sie bezüglich der Möglichkeiten der Wahrnehmung vertragsärztlicher Tätigkeiten an einem anderen Orte als demjenigen der Niederlassung an die Beschränkungen der Ärztezulassungsverordnung gebunden sei. Auf die Residenzpflicht komme es deshalb nicht an. Im Rahmen der Wahrnehmung der Residenzpflicht müsse geprüft werden, ob die regelmäßige Wahrnehmung der vertragsärztlichen Pflichten an zwei Standorten tatsächlich gewährleistet sei. Dies sei nicht der Fall.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Die Beigeladenen zu 2) bis 9) haben keinen Antrag gestellt und sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 11.06.2008 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten sowie einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Kammer konnte trotz Abwesenheit der Beigeladenen zu 8) und 9) verhandeln und entscheiden, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 15.05.2008 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Genehmigung ihres Antrags auf Verlegung des Vertragsarztsitzes für neurologische Tätigkeit von der A-Straße in A-Stadt an das MVZ NS. GmbH.
Der Beschluss des Beklagten vom 15.05.2008 ist rechtmäßig.
Der Zulassungsausschuss hat den Antrag eines Vertragsarztes auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen (§ 24 Abs. 7 Ärzte-ZV).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie nicht für zwei Vertragsarztsitze, auch nicht für zwei Vertragsarztsitze mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie ist vielmehr als Vertragsärztin für zwei Fachgebiete zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Von daher kann sie nicht ihren Status als Vertragsärztin in zwei hälftige Versorgungsaufträge mit fachlich unterschiedlichen Versorgungsaufträgen aufteilen und einen dieser beiden "hälftigen" Vertragsarztsitze verlegen.
Die Zulassung bewirkt, dass der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden zeitlich vollen oder hälftigen Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet ist (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V).
Die Zulassung ist ein statusbegründender Akt (vgl. BSG v. 05.02.2003 - B 6 KA 42/02 R - juris Rn. 23 - SozR 4-2500 § 95 Nr. 4; BSG v. 25.11.1998 – B 6 KA 4/98 R – juris Rn. 20 - BSGE 83, 135 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 18). Dieser Status berechtigt zur vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen der §§ 15 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4, 72 Abs. 1 SGB V. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragsarztsitz) (§ 95 Abs. 1 Satz 7 SGB V, § 24 Abs. 1 Ärzte-ZV). Dieser Vertragsarztsitz ist bei einer Zulassung zu einem vollen Versorgungsauftrag nicht aufteilbar. Der Vertragsarztsitz, worunter die konkrete Praxisanschrift des Vertragsarztes (vgl. zuletzt BSG v. 31.05.2006 - B 6 KA 7/05 R - juris Rn. 13 - SozR 4-5520 § 24 Nr. 2 = GesR 2006, 455; BSG v. 10.05.2000 - B 6 KA 67/98 R - juris Rn. 18 - BSGE 86, 121 = SozR 3-5520 § 24 Nr. 4; s. a. Engelmann, MedR 2002, 563 f.; UI., NZS 1997, 105 f.) zu verstehen ist, ist unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung (vgl. BSG v. 10.05.2000 - B 6 KA 67/98 R - juris Rn. 24 - BSGE 86, 121 = SozR 3-5520 § 24 Nr. 4). Der Vertragsarztsitz nimmt deshalb in seiner rechtlichen Wirkung an dem Statuscharakter der Zulassung teil (vgl. BSG v. 31.05.2006 - B 6 KA 7/05 R - juris Rn. 12 - SozR 4-5520 § 24 Nr. 2 = GesR 2006, 455). Es gilt der Grundsatz des einen Vertragsarztsitzes.
Soweit der Verordnungsgeber eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft grundsätzlich als zulässig ansieht, gilt nicht mehr die Regel, eine Praxis und ein Vertragsarztsitz. Bei ihr geht der Verordnungsgeber wie selbstverständlich davon aus, dass mehrere Vertragsarztsitze möglich sind. Ein Definitionsmerkmal der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft ist gerade, dass "unterschiedliche Vertragsarztsitze" der Mitglieder der Berufsausübungsgemeinschaft vorhanden sind (§ 33 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV). Diese können in einer Gemeinde oder Stadt, in einem KV-Bezirk und damit verschiedenen Planungsbereichen oder in mehreren KV-Bezirken liegen (und damit lediglich nicht außerhalb des Bundesgebietes). Nur für überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften mit Vertragsarztsitzen in mehreren Zulassungsbezirken einer Kassenärztlichen Vereinigung ist für die Zwecke der Bestimmung der zuständigen Zulassungsgremien und die allgemeine Zuständigkeit einer Kassenärztlichen Vereinigung, insbesondere zur Vergütung, zur Abrechnung sowie zu den Abrechnungs-, Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen, der maßgebliche Vertragsarztsitz durch die Berufsausübungsgemeinschaft im vorhinein für die Dauer von zwei Jahren zu bestimmen (§ 33 Abs. 2 Satz 3 u. 4 Ärzte-ZV).
Erstmals seit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz unterscheidet das Gesetz zwischen vollem und hälftigem Versorgungsauftrag (vgl. § 95 Abs. 3 Satz 1, § 19a Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV). Insofern kann zwischen einer "Voll-" und "Teilzulassung" unterschieden werden. Regeltyp ist weiterhin der vollzeitige Versorgungsauftrag. Die Reduzierung des Versorgungsauftrags soll der Flexibilisierung der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten, insb. zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und zur besseren Bewältigung von Unterversorgungssituationen dienen. Bedarfsplanungsrechtlich sind Vertragsärzte mit einem hälftigen Versorgungsauftrag bei der Berechnung des Versorgungsgrades mit dem Faktor 0,5 zu berücksichtigen (§ 101 Abs. 1 Satz 6 SGB V). Die Reduzierung auf den hälftigen Versorgungsauftrag verändert den vertragsärztlichen Status nur hinsichtlich des Umfangs der vertragsärztlichen Tätigkeit. Die Teilnahmeberechtigung und -verpflichtung ist auf den Umfang des aus der Zulassung folgenden zeitlich hälftigen Versorgungsauftrages beschränkt (§ 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dies hat Auswirken auf die Rechte und Pflichten, soweit es auf den Umfang der Tätigkeit oder einen zeitlichen Aufwand ankommt. Eine "Teilzulassung" kann von vornherein (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 3 Buchst. c Ärzte-ZV) beantragt werden. Sie erfolgt dann mit der Zulassungsentscheidung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 19a Abs. 2 Satz 2 HS. 1 Ärzte-ZV. Der Versorgungsauftrag kann auch nachträglich auf die Hälfte reduziert werden. Dies erfordert einen gesonderten Beschluss des Zulassungsausschusses (§ 19a Abs. 2 Satz 2 HS. 2 Ärzte-ZV). Zwei Teilzulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag sind möglich, auch innerhalb eines KV-Bezirks (vgl. UI./Pavlovic, MedR 2007, 88 f.; Dahm/Ratzel, MedR 2006, 564). Dies folgt auch aus der Möglichkeit zur Reduzierung auf einen hälftigen Versorgungsauftrag, da bei Aufstockung auf einen vollen Versorgungsauftrag nicht immer eine Zulassung im eigenen Planungsbereich möglich sein wird. Die "Teilzulassung" kann bei Zulassungen in verschiedenen KV Bezirken zu einer Verdoppelung des Zulassungsstatus mit Mitgliedschaft in beiden KVen führen. Auch bei Zulassung für zwei Planungsbereiche oder für zwei Fachgebiete besteht eine örtliche bzw. fachliche Bindung für jeweils einen hälftigen Versorgungsauftrag.
Soweit der Gesetz- und Verordnungsgeber damit den Grundsatz des einen Vertragsarztsitzes aufgegeben hat, handelt es sich um nicht erweiterungsfähige Ausnahmen, da die Regelungen zum Vertragsarztsitz nicht geändert wurden und die Zulassung als Vertragsarzt weiterhin die Festlegung auf eine Praxisadresse, die Teil des Zulassungsstatus ist, bedingt. Für überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften ist hieran zudem durch den Zwang zur Festlegung auf einen Vertragsarztsitz festgehalten worden. Unterschiedliche Vertragsarztsitze aufgrund zweier unterschiedlicher Zulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag ist insofern die einzige Ausnahme. Sie ist aber Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, auch Zulassungen mit einem hälftigen Versorgungsauftrag zuzulassen. Ein gesetzgeberisches Strukturprinzip kann hierin nicht erkannt werden. Die Klägerin hat aber keine zwei Zulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag erhalten, sondern, wie bereits ausgeführt, eine Zulassung für zwei Fachgebiete.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladenen haben keinen Kostenerstattungsanspruch.
Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 197a SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO). Von dieser Möglichkeit ist Gebrauch zu machen, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat, wenn er allein oder mit anderen Beteiligten gesiegt hat oder das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2004, § 197a, Rdnr. 29). Zu berücksichtigen ist, ob der Beigeladene sich während des Verfahrens geäußert und auch Anträge gestellt hat (vgl. BSG, Urt. v. 14.11.2002 – B 13 RJ 19/01 R - SozR 3-5795 § 10d Nr. 1, zitiert nach juris Rdnr. 44).
Die Beigeladenen haben keinen Klageabweisungsantrag gestellt. Von daher besteht für sie kein Kostenerstattungsanspruch.
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