S 12 KA 513/07

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 513/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 80/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 16/09 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Vertragsparteien eines Honorarverteilungsvertrages sind an die Vorgaben des Bewertungsausschusses im Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12.11.2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525) gebunden (vgl. Urt. der Kammer v. 26.09.2007 - S 12 KA 822/06 –; die hiergegen eingelegte Berufung hat LSG Hessen, Urt. v. 23.04.2008 - L 4 KA 69/07 – zurückgewiesen). Der HVV kann deshalb nicht ergänzend zu einem Regelleistungsvolumen eine „Ausgleichsregelung“ vorsehen, die bei Überschreiten eines Fallwerts im Vorjahresquartal von mehr als 105 % u. U. zu einer Honorarkürzung führt. Soweit die „Ausgleichsregelung“ bei Unterschreiten des Referenzfallwertes um mehr als 5 % u. U. zu einem Ausgleichsbetrag führt, ist dies jedenfalls für eine Übergangszeit von fünf Quartalen als „Härtefallregelung“ hinzunehmen (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 16.07.2008 - S 12 KA 377/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Berufung anhängig LSG Hessen: L 4 KA 72/08).
Bei einer Neubescheidung ist zu berücksichtigen, dass die Kappung eines bisher überhöhten Punktwerts nicht erfolgt ist.
1. Unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale II/05, I und II/06, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2007, wird die Beklagte verpflichtet, die Klägerin unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars in den drei Quartalen II/05, I und II/06

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt. Sie besteht aus zwei Ärzten, die als Fachärzte für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind. Aufgrund ihres phlebologischen Schwerpunktes nehmen die Ärzte durch Beschluss des Zulassungsausschusses jedoch ausschließlich an der fachärztlichen Versorgung teil. Die Beklagte ordnete sie deshalb der Fachgruppe der "sonstigen Ärzte" (VFG 80-00) zu.

In den streitbefangenen Quartalen setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin jeweils durch Honorarbescheid fest. Für das Quartal II/05 ersetzte sie den Honorarbescheid aus abrechnungstechnischen Gründen durch einen neuen Honorarbescheid. Die Klägerin legte gegen die Honorarbescheide Widerspruch ein. Im Einzelnen ergeben sich die Festsetzungen der Beklagten und die Daten der Widerspruchseinlegung durch nachfolgende Übersicht:

II/05 I/06 II/06
Honorarbescheid vom 29.06.2006 23.01.2006 21.01.2007 04.02.2007
Widerspruch eingelegt am 13.02.2006 06.03.2007 26.03.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 114.719,64 114.401,16 67.409,14 129.991,10
Bruttohonorar PK + EK in EUR 113.944,34 66.855,74 131.861,07
Fallzahl PK + EK 1.613 1.773 1.790
Honoraranforderung nach EBM in EUR 165.465,90 208.568,57 205.579,94
Honoraranforderung nach HVV in EUR 165.465,90 200.825,79 205.579,94
Punktwert Allg. Leistungen Quote PK/EK 101,23/79,76 36,75/37,07 36,35/36,69

Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV
Fallzahlgrenze 1.595 1.650 1.583
Aktuelle Fallzahl 1.566 1.740 1.771
Anerkennungsfähiges Honorar in Punkten - 3.751.584,8 -
Quote - 96,12 % -

Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV
Referenz-Fallzahl 1.577 1.682 1.613
Aktuelle Fallzahl 1.613 1.773 1.780
Referenz-Fallwert in EUR 65,2906 59,1128 68,5551
Aktueller Fallwert in EUR 177,9007 78,0510 78,9416
Kürzungsbetrag je Fall in EUR 109,3456 44,0254 7,5599
Kürzungsbetrag gesamt in EUR 176.374,43 78.056,98 13.532,25

Zur Begründung ihrer Widersprüche trug die Klägerin vor, die Beklagte verwende falsche Referenzfallwerte im Ausgangsquartal des Jahres 2004 gegenüber dem entsprechenden Abrechnungsquartal 2005. Dies habe ein Mitarbeiter der Beklagten ihr gegenüber bereits bestätigt. Es seien weitere Fehler zu besorgen, weshalb der Widerspruch gegen die gesamte Quartalsabrechnung eingelegt werde. Für die Berechnung der Ausgleichsregelung gehe die Beklagte von einem Honoraranspruch von ca. 290.000,00 EUR aus. Bei annähernd gleichem Anforderungsvolumen habe sich nach dem neuen EBM ein Honorar von 132.954,00 EUR ergeben, was nur durch die neuen (politisch gewollten) Abrechnungsmodalitäten zu erklären sei, aber nicht durch eine Zunahme der erbrachten Leistungen. Deshalb seien die Quartale II/04 und II/05 nicht vergleichbar und könne die Ausgleichsregelung nur auf Basis der angeforderten Gesamtpunktmenge berechnet werden. Für das Quartal I/06 bestehe ein Anspruch auf Auszahlung des vollständigen angeforderten Honorars. Die Härtefallregelung nach Ziffer 7.5 HVV sei rechtswidrig. Sie verstoße gegen das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG. Etwaige Verbesserungen einzelner Leistungspositionen im EBM 2005 seien vom Gesetzgeber so gewollt gewesen. Die Gestaltungsfreiheit der Partner des Honorarverteilungsvertrages sei durch den gesetzlichen Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung eingeschränkt. Es gehe nicht um eine Regelung zur Verhinderung der übermäßigen Ausdehnung. Es würden auch nicht etwa gesamtvertragliche Vereinbarungen umgesetzt werden. Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts sei eine Kürzung hoher (höherer) Fallwerte zugunsten einer Stützung niedriger Fallwerte bei existenzgefährdeten Praxen in der Honorarverteilung unzulässig (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 7, B 6 KA 15/03). Die Beklagte dürfe nicht von Vorgaben des EBM 2005 abweichen. Der Fallwert für das Referenzquartal I/05 betrage 59,1128 EUR (99.427,75 EUR: 1.682 Fälle), zuzüglich des gewährten Zuwachses von 5% 62,0084 EUR. Die Differenz zwischen 78,0160 EUR und 62,0084 EUR betrage 15,9826 EUR. Der Ansatz einer Differenz von 44,0254 EUR sei deshalb falsch. Der ihnen verbliebene Fallwert von 34,0356 EUR liege 45,11% unter dem Fallwert von 62,0084 EUR. Vor diesem Hintergrund müsse ein Auffüllbetrag geleistet werden.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2007 die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Honorarverteilungsvertrag setze die gesetzlichen Vorgaben und die Beschlüsse des Bewertungsausschusses zutreffend um. Soweit in einem Gespräch mit der KV LJ. Fehler in der Abrechnung II/05 eingeräumt worden seien, sei festzuhalten, dass die Praxis der Klägerin aufgrund ihres phlebologischen Schwerpunktes, durch den sie ausschließlich an der fachärztlichen Versorgung teilnehme, der Fachgruppe der "sonstigen Ärzte" zugeteilt worden sei. Da es in dieser Fachgruppe in der Vergangenheit zu einer Verwerfung hinsichtlich des Punktwertes gekommen sei, sei zunächst davon ausgegangen worden, dass sich diese auch auf das Quartal II/05 übertragen könnte. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Lediglich der ungewöhnlich hohe Punktwert im Quartal II/05 habe zu dem hohen Honoraranspruch geführt. Die Arztgruppe der "sonstigen Ärzte" gehöre nicht zu den in Anlage zu Ziffer 6.3 HVV genannten Arztgruppen, so dass deren Fälle und Honorarforderungen nicht in die Berechnung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens eingingen. Die fallzahlabhängige Quotierung gemäß Ziff. 5.2.1 HVV sei in den Quartalen II/05 und II/06 durchgeführt worden. Im Quartal I/06 sei sie korrekt durchgeführt worden. Die Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV habe in allen streitbefangenen Quartalen zu Kürzungen geführt. Hinsichtlich der auf dem Nachweis zur Ausgleichsregelung angegebenen Fallwerte sei zu bemerken, dass es hier teilweise zu Missverständnissen gekommen sei. Wenn die zur Verfügung stehende Geldmenge nicht ausreiche, um die Ausgleichsregelung zu bedienen, müsse neben dem ersten sog. Rechnungslauf (Honoraranspruch ohne Ausgleichsregelung) ein weiterer sog. Rechnungslauf erfolgen. Dabei werde die Auszahlungsquote vermindert und ein neuer Fallwert ermittelt. Daraus ergebe sich ein von der Darstellung abweichender Fallwert, der zur Berechnung des Kürzungs- bzw. Auffüllungsbetrages herangezogen werde. Auf dem Nachweis zur Ausgleichsregelung werde darauf hingewiesen, dass die zusätzliche Quotierung der Punktwerte ggf. dazu führen könne, dass der Fallwert im aktuellen Quartal praxisindividuell mehr als 5% von dem Fallwert des Ausgangsquartals abweiche. Die Ausgleichsregelung gemäß Ziff. 7.5 HVV sei entsprechend den Bestimmungen korrekt umgesetzt worden. Das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei nicht verletzt. Der Grundsatz der "angemessenen Vergütung" begründe keinen Honoraranspruch in bestimmter Höhe.

Hiergegen hat die Klägerin am 05.12.2007 die Klage erhoben. Ihre Klage richte sich gegen die Ausgleichsregelung. Sie habe einen Anspruch auf Aufhebung der Kürzungen und Auszahlung des angeforderten Honorars. Die Regelung verstoße gegen das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Es würden auch die Vorgaben des EBM 2005 unzulässig unterlaufen werden. Sie ist weiterhin der Auffassung, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, von den Vorgaben des EBM und des Bewertungsausschusses abzuweichen. Die Berechnung sei auch fehlerhaft im Quartal I/06 erfolgt. Unklar bleibe, weshalb bei der Berechnung des Ausgleichs im Quartal II/06 im Gegensatz zum Fallwert im Quartal II/05 in Höhe von 177,9007 EUR ein Referenzfallwert von 68,5551 für das Quartal II/05 herangezogen werde. Die im Honorarbescheid ausgewiesenen Fallwerte ergäben unter Berücksichtigung von +5% eine Korrekturbetrag von 6,9588 EUR. Nach Ziff. 7.5.1 erfolge die Berechnung nach Feststellung der Punktwerte. Eine darüber hinausgehende Quotierung sei unzulässig, da von Ziffer 7.5 HVV nicht mehr gedeckt. Der Bestandsschutz vertragsärztlicher Praxen sei von § 85 SGB V nicht gedeckt. Im Beschluss des Bewertungsausschusses zur Bildung von Regelleistungsvolumina würden Fachärzte für Allgemeinmedizin mit dem Schwerpunkt Phlebologie nicht genannt werden. Der HVV ordne diese Ärzte der Gruppe der "sonstigen Ärzte" zu und sehe für sie keine Regelleistungsvolumina vor. Eine Fallbudgetierung sei für die dort nicht benannten Ärzte im Beschluss des Bewertungsausschusses nicht vorgesehen. Für eine Anfangs- und Erprobungsregelung bestehe kein Raum. Die Fallwerte für das Quartal II/05 hätten auch nicht durch den Vorstand geändert werden dürfen.

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale II/05, I und II/06, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2007 die Beklagte zu verpflichten, sie unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt unter Verweis auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid im Übrigen weiter vor, die Rechtmäßigkeit der Ausgleichsregelung ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass dem Normgeber bei der Neuregelung komplexer Materien unter dem Gesichtspunkt der Anfangs- und Erprobungsregelung ein besonders weiter Ermessensspielraum zustehe, weil sich Auswirkungen von Neuregelungen häufig bei Erlass der Vorschriften nicht in allen Einzelheiten überblicken ließen und deshalb auch gröbere Typisierungen und geringere Differenzierungen hingenommen werden müssten. Die Ausgleichsregelung sei jedoch nicht nur im Quartal II/05 nicht zu beanstanden, sondern auch in den Folgequartalen rechtmäßig. Die Regelung diene dem Bestandsschutz zum Zwecke der Vermeidung von Honorarverwerfungen durch den EBM 2005. Die Ausgleichsregelung solle Kalkulationssicherheit durch Schutz vor Verwerfungen gewährleisten und nicht eine übermäßige Ausdehnung verhindern. Diesem legitimen Regelungszweck sei denknotwendig eine Anknüpfung an Vorgängerregelungen immanent, da erst hieraus etwaige Verwerfungen sichtbar würden. Die klägerische Gemeinschaftspraxis existiere seit 04.12.2001. Weder in der personellen Zusammensetzung noch in der Kooperationsform habe ein Wechsel stattgefunden. Es könne daher an den Referenzwert angeknüpft werden. Im Quartal I/06 lege die Klägerin ihrer Berechnung einen nicht zutreffenden Fallwert von 78,0160 EUR zugrunde, so dass ihre Rechnung fehlerhaft sei. Im Quartal II/06 werde ein Referenzfallwert von 68,5551 EUR zugrunde gelegt und nicht der Fallwert in Höhe von 177,9007 EUR herangezogen, weil die Abrechnung im Quartal II/05 nochmals korrigiert worden sei. Wie sich aus Seite 1 der Erläuterung zum Nachweis zur Ausgleichsregelung gemäß Ziff. 7.5 für das Quartal II/06 ergebe, seien bei der korrigierten Abrechnung zusätzliche Honorarvolumina zur Durchführung der Ausgleichsregelung zur Verfügung gestellt worden, die im aktuellen Quartal nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten. Sie hätten im Rahmen der Berechnung des Referenzfallwertes keine Berücksichtigung finden dürfen, da die beiden Quartale nicht vergleichbar gewesen seien. Ihr Vorstand habe daher den Beschluss gefasst, dass für die Durchführung der Ausgleichsregelung im Quartal II/06 Honorarzahlung unter der Annahme, dass die Gesamtvergütung im Quartal II/05 nicht erhöht worden wäre, zugrunde gelegt worden sei. Hieraus ergebe sich die von der Klägerin angesprochene Abweichung. Bekannt gegeben worden sei diese Regelung auf S. 26 des Rundschreibens info.doc Nr. 6, Oktober 2006.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Die Honorarbescheide für die Quartale II/05, I und II/06, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2007, sind rechtswidrig, soweit eine Honorarkürzung auf Ziff. 7.5 HVV festgesetzt wurde. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Neubescheidung unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Die Honorarbescheide für die Quartale II/05, I und II/06, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2007, sind rechtswidrig.

Die Rechtswidrigkeit folgt bereits aus der Regelung nach Ziffer 7.5 der hier maßgeblichen Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und der AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen, dem BKK Landesverband Hessen, der IKK Hessen, dem Verband der Angestellten Krankenkassen e. V. (VdAK) – Landesvertretung Hessen, dem AEV-Arbeiter-Ersatzkassenverband e. V. – Landesvertretung Hessen, der Landwirtschaftlichen Krankenkassen Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, der Krankenkasse für den Gartenbau und der Knappschaft zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 vom 10.11.2005 (im Folgenden: HVV), der für die hier streitbefangenen Quartale I und II/06 fortgeführt wurde. Mit dieser Regelung verstößt der HVV gegen die zwingenden Vorgaben des Bewertungsausschusses jedenfalls insoweit, als die Regelung die Festsetzung von Kürzungsbeträgen zulässt (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 16.07.2008 - S 12 KA 377/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Berufung anhängig LSG Hessen: L 4 KA 72/08; noch offen gelassen im Urteil der Kammer vom 21.05.2008 - S 12 KA 273/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).

Die Kammer war zur inzidenten Überprüfung des HVV befugt. Streitgegenstand ist die Höhe des Honoraranspruchs und hierbei insbesondere die Höhe des Kürzungsbetrags. Der Kürzungsbetrag beruht auf Ziff. 7.5 HVV, so dass diese inzident zu überprüfen war.

Im Einzelnen bestimmt Ziffer 7.5 HVV:

7.5.1 Zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus erfolgt nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruches (Fallwert in EUR) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung in EUR im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 ausschließlich beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung unterliegen und mit Ausnahme der zeitbezogenen genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen. Bei der Ermittlung des Fallwertes bleiben Fälle, die gemäß Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen, unberücksichtigt. Zeigt der Fallwertvergleich eine Fallwertminderung oder Fallwerterhöhung von jeweils mehr als 5% (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004), so erfolgt eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5%. Die für eine Stützung bei Fallwertminderungen – Einzelheiten siehe Ziffer 7.5.2 – notwendigen Honoraranteile gehen zu Lasten der jeweiligen Honorar(unter)gruppe, der die Praxis im aktuellen Quartal zugeordnet ist, und sind gegebenenfalls durch weitergehende Quotierung der Bewertungen bzw. Punktwerte zu generieren, falls die aus der Begrenzung der Fallwerte auf einen Zuwachs von 5% resultierende Honoraranteile hierfür nicht ausreichend sein sollten. Sollte durch eine solche Quotierung die Fallwertminderung (wieder) auf einen Wert oberhalb von 5% steigen, führt dies zu keinem weitergehenden Ausgleich.

7.5.2 Ein Ausgleich von Fallwertminderungen bis zur Grenze von 5% erfolgt grundsätzlich auf der Basis vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden Quartal des Jahres 2004 zur Abrechnung gekommen ist. Ein Ausgleich ist in diesem Sinne u. a. dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich das Leistungsspektrum der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis, verändert hat. Er ist des weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis entsprechend Ziffer 5.2 Buchstabe g) im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal geändert hat. Beträgt die Fallwertminderung mehr als 15%, ist eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf vorstehend aufgeführte Kriterien durchzuführen, bevor eine Ausgleichszahlung erfolgt. Ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% müssen vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2000plus haben.

7.5.3 Die vorstehende Ausgleichsvorschrift steht im Übrigen unter dem Vorbehalt, dass von Seiten der Verbände der Krankenkassen mindestens eine gegenüber dem Ausgangsquartal vergleichbare budgetierte Gesamtvergütungszahlung geleistet wird und die aufgrund der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 vorzunehmenden Honorarverschiebungen nach Abschluss des Abrechnungsquartals – siehe Ziffer 2.5 der Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.2 – noch ein ausreichendes Honorarvolumen für diese Maßnahme in der einzelnen Honorar(unter)gruppe belassen.

Ziffer 7.5 HVV führt damit faktisch einen Regelungsmechanismus ein, der sich im Ergebnis einem Vergütungssystem annähert, das auf sog. Kopfpauschalen beruht. Das Vergütungssystem weicht von sog. Kopfpauschalen allerdings insofern ab, als es nicht allen Vertragsärzten bzw. allen Vertragsärzten einer Honorargruppe gleiche Honorarbeträge für einen Behandlungsfall zuweist, sondern die Höhe der Honorarzuweisung pro Fall am Fallwert des entsprechenden Vorjahresquartals der einzelnen Praxis orientiert und zunächst einen "Honorarkorridor" von 95 % bis 105 % hierfür vorgibt. Das Honorar der einzelnen Praxis kann sich grundsätzlich nur innerhalb dieses Korridors bewegen, wobei dies weiter davon abhängt, wie insgesamt das Verhältnis von Honoraranforderungen und zur Verteilung zur Verfügung stehendem Honorarvolumen innerhalb der einzelnen Honorargruppen ist. Sind die Ausgleichsbeträge wesentlich höher als die Kürzungsbeträge, so kann der Korridor nach unten abweichen, da mit Ausnahme des Quartals II/05 keine weiteren Gelder aus Rücklagen zugeführt wurden und die Entnahme aus dem Honorartopf zur Abgeltung der Ausgleichsansprüche nur in dem Umfang erfolgen darf, dass der Punktwert nicht unterhalb des sog. Stützpunktwertes fällt, wodurch Verschiebungen zwischen den Honorargruppen vermieden werden sollen. Nach den bisherigen Erfahrungen der Kammer können daher die erreichbaren Fallwerte von Honorargruppe zu Honorargruppe und von Quartal zu Quartal zwischen ca. 85 % bis 95 % schwanken. Der gesamte Ausgleichsbetrag wird ferner durch die Fallzahl des Referenzquartals bestimmt und lässt Fallzahlsteigerungen unberücksichtigt. Die einzelne Praxis, die weder einen Ausgleichs- noch Kürzungsbetrag erhält, wird dann von der Ausgleichsregelung indirekt betroffen, wenn die Ausgleichsbeträge insgesamt einer Honorargruppe nicht von den Kürzungsbeträgen abgedeckt werden können, da sich dann der Punktwert bis zur Grenze des sog. Stützpunktwerts verringern kann und die Honorarzuteilung auf der Grundlage eines geringeren Punktwerts erfolgt. Die Kammer hat diese Regelung, soweit sie im Einzelfall zu Ausgleichsbeträgen geführt hat, bisher nicht beanstandet, da sie in ihr letztlich eine Härtefallregelung sieht, die Veränderungen aufgrund des zum Quartal II/05 eingeführten EBM 2005 abfedern und insofern für eine Übergangszeit den Arztpraxen die Umstellung auf die neue Honorarstruktur ermöglichen soll. Insofern haben es die Praxen – und dies ist unabhängig von ihrem Leistungsvolumen insgesamt -, die keine Ausgleichsbeträge erhalten, hinzunehmen, dass sich der Verteilungspunktwert für sie ggf. verringert. Wie lange dieser Übergangszeitraum dauert, brauchte die Kammer in diesem Verfahren nicht abschließen zu beurteilen, da sie jedenfalls einen Zeitraum von vier Quartalen bereits bisher als zulässig angesehen hat. Im Hinblick auf die verspätete Erstellung der Honorarbescheide für die ersten Quartale nach Einführung des EBM 2005 ist aber jedenfalls von einem Übergangszeitraum bis zum Quartal II/06 auszugehen. Für nachfolgende Quartale bleibt ggf. ferner zu berücksichtigen und weiter aufzuklären, ob das Anknüpfen jeweils an das Vorjahresquartal nicht ab dem 6. oder einem späteren Quartal der Geltung der Regelung zu verminderten Ausgleichsbeträgen führt. Der Kammer ist aber andererseits auch aus anderen Verfahren bekannt, dass die Ausgleichsregelung bis zu 50 % des zunächst errechneten Honoraranspruchs ausmacht und im Ergebnis damit etwa ein Drittel des Honoraranspruchs für die einzelne Arztpraxis ausmachen kann.

Nicht ersichtlich ist aber, aus welchen Gründen die Praxen, die höhere Fallwerte als im Vorjahresquartal erzielen, über den allgemeinen Beitrag eines ggf. geringeren Punktwertes hinaus durch die Kürzungsbeträge zur Finanzierung herangezogen werden. Sachliche Gründe sind der Kammer hierfür nicht ersichtlich. Soweit es sich um ausschließlich fiskalische Gründe handelt, um die Ausgleichsbeträge zu finanzieren, wird völlig unabhängig vom Leistungsgeschehen und vom Leistungsumfang der einzelnen Praxis gekürzt. Im Ergebnis handelt es sich damit um eine Regelung, die die Vergütungsstrukturen, wie sie vor Einführung des EBM 2005 galten, fortführt. Veränderungen in der Vergütungsstruktur werden damit z. T. nur im Korridor von + 5 % zugelassen. Die eigentliche Honorarbegrenzung und Steuerung hat aber durch die vom Bewertungsausschuss zum Quartal II/05 auf gesetzlicher Grundlage eingeführten Regelleistungsvolumina zu erfolgen. Führen diese im Einzelfall zu starken Honorarverlusten, werden sie z. T. durch die Ausgleichsregelung aufgefangen und werden die Regelleistungsvolumina im Ergebnis weitgehend nivelliert. Für die Praxen, die zu Kürzungsbeträgen herangezogen werden, bedeutet aber die Ausgleichsregelung eine Vergütung nach einem praxisindividuellen Individualbudget, das aus dem Produkt von Fallwert im Referenzquartal und aktueller Fallzahl zu errechnen ist. Die Regelleistungsvolumina sind damit für sie ebf. ohne Bedeutung, ohne dass die Ausgleichsregelung für sie die Bedeutung einer Härtefallregelung haben könnte.

Die Vertragsparteien waren aber an die Vorgaben des Bewertungsausschusses gebunden und jedenfalls nicht befugt, im Rahmen der Ausgleichsregelung Kürzungsbeträge vorzusehen.

Nach § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung v. 20.12.1988, BGBl. I S. 2477 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) v. 14.11.2003, BGBl. I S. 2190 mit Gültigkeit ab 01.01.2005 (SGB V), verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte; in der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (§ 73) (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im ersten und zweiten Quartal 2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen wird der am 31. Dezember 2003 geltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zu Grunde zu legen (§ 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychotherapeutische Medizin sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden (§ 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina) (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird (§ 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung (§ 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V). Die vom Bewertungsausschuss nach Absatz 4a Satz 1 getroffenen Regelungen sind Bestandteil der Vereinbarungen nach Satz 2 (§ 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V). Dabei bestimmt nach § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung sowie für deren Anpassung an solche Veränderungen der vertragsärztlichen Versorgung, die bei der Bestimmung der Anteile der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung an der Gesamtvergütung zu beachten sind; er bestimmt ferner, erstmalig bis zum 29. Februar 2004, den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen.

Der Bewertungsausschuss ist seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4a SGB V u. a. durch den Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12.11.2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525) (im Folgenden: BRLV) nachgekommen. Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen ist vorzusehen, dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten ist (III.2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sind im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumen zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgibt (III.3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterliegen nicht den Regelleistungsvolumen (III.3.1 Abs. 4 BRLV).

Die Kammer sieht in diesen Bestimmungen eine verbindliche Vorgabe des Bewertungsausschusses. Dies hat die Kammer bereits für die von der Beklagten vorgenommene und gegen die Vorgaben des Bewertungsausschusses verstoßende Einbeziehung von Dialyseleistungen in die Regelleistungsvolumina festgestellt (vgl. Urteil der Kammer vom 26.09.2007 - S 12 KA 822/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht zurückgewiesen (LSG Hessen, Urt. v. 23.04.2008 - L 4 KA 69/07 -; die Entscheidungsgründe lagen der Kammer noch nicht vor). In Fortführung ihrer Rechtsprechung stellt die Kammer nunmehr fest, dass die Vorgaben des Bewertungsausschusses auch insofern verbindlich sind, als daneben nicht Regelungen geschaffen werden können, die faktisch zu einem praxisindividuellen Individualbudget führen, wie dies aus den genannten Gründen bei der Festsetzung von Kürzungsbeträgen nach der Ziff. 7.5 HVV der Fall ist.

Die Kammer hält insofern an ihrer bisherigen Rechtsauffassung fest. Bereits der Wortlaut der Bestimmungen des Bewertungsausschusses lässt nicht erkennen, dass es sich um bloße Empfehlungen an die Partner des Honorarverteilungsvertrages handeln sollte. Auch besteht der Gesetzesauftrag an den Bewertungsausschuss nach § 85 Abs. 4 und 4a SGBV darin, verbindliche Vorgaben zu erlassen. Der Bewertungsausschuss gibt verbindlich vor, für welche Arztgruppen Regelleistungsvolumen zu bestimmen sind. Eine Ausnahme hiervon oder die Ermächtigung zu einer abweichenden Regelung in einem HVV sieht der Beschluss des Bewertungsausschusses nicht vor. Angesichts der eindeutigen Regelung liegt es nicht im Handlungsspielraum der Vertragspartner eines HVV, ggf. weitere Regelleistungsvolumina einzuführen bzw. abweichend von den Vorgaben weitere Leistungen einzubeziehen oder aber wieder Individualbudgets einzuführen. III.2.2 Abs. 1 BRLV setzt voraus, dass nach dem BRLV Steuerungsinstrumente anzuwenden sind. Nur in diesem Fall können bereits vergleichbare bestehende Steuerungsinstrumente bis Ende 2005 fortgeführt werden. Die hier strittige Ziff. 7.5 HVV ist aber neu eingeführt worden.

Soweit es der Beklagten allgemein nicht verwehrt ist, auch bei Vorgaben des Bewertungsausschusses weitere Steuerungsmaßnahmen im HVV zu vereinbaren, so gilt dies dann nicht, soweit, wie bereits ausgeführt, verbindliche und damit zwingende Vorgaben durch den Beschluss des Bewertungsausschusses bestehen.

Das Bundessozialgericht hat zur Einführung von Praxisbudgets im EBM zum 01.07.1997 die Bindung des Normgebers für die Honorarverteilung an die Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs herausgearbeitet. Danach ist die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) im Rahmen der ihr nach § 85 Abs. 4 SGB V obliegenden Honorarverteilung an die gesetzlichen Vorgaben und auch an die Bestimmungen des EBM gebunden. Der auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V zu beschließende Honorarverteilungsmaßstab (HVM) darf nicht gegen die Vorschriften des auf der Grundlage des § 87 Abs. 2 SGB V erlassenen Bewertungsmaßstabs verstoßen. Dieser ist nach § 87 Abs. 1 SGB V Bestandteil des Bundesmantelvertrages-Ärzte, der wiederum in seiner Rechtsqualität Vorrang vor regionalen Gesamtverträgen und den Satzungen der KÄV hat. Das ergibt sich im Übrigen auch aus § 81 Abs. 3 SGB V. Danach müssen die Satzungen der KÄVen Bestimmungen darüber enthalten, dass u. a. die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung abzuschließenden Verträge für sie wie für ihre Mitglieder verbindlich sind. Ein HVM, der sich in Widerspruch zu verbindlichen Vergütungsvorgaben des EBM setzt, ist deshalb rechtswidrig und - da es sich um eine Norm handelt – nichtig. Soweit demgegenüber die Auffassung vertreten wird, die Satzungsautonomie der KÄV sei allein durch "übergeordnete Rechtsvorschriften" wie etwa die Grundrechte, nicht aber durch Verträge nach § 82 Abs. 1 SGB V bzw. § 87 Abs. 1 SGB V eingeschränkt, trifft das nicht zu. Das BSG hat mehrfach entschieden, dass im EBM Vergütungsstrukturen vorgegeben werden dürfen, die notwendigerweise bundeseinheitlich geregelt werden müssen. Daran hat der Gesetzgeber durch die Ergänzung des § 87 Abs. 2a SGB V im 2. GKV-NOG angeknüpft und für die Praxisbudgets klarstellend eine "tragfähige Rechtsgrundlage" geschaffen. Mit dem zum 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2626) sind Umfang und Tragweite der im EBM zu regelnden Vergütungsstrukturen noch erheblich ausgeweitet worden. Nach § 85 Abs. 4a SGB V hat der Bewertungsausschuss die Kriterien für die Verteilung der Gesamtvergütungen und insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung zu bestimmen. Ferner hat er nach § 87 Abs. 2a Satz 4 SGB V die nach § 87 Abs. 2 SGB V abrechnungsfähigen Leistungen der hausärztlichen oder der fachärztlichen Versorgung i. S. d. § 73 Abs. 1 SGB V zuzuordnen. Die mit dieser Normsetzungskompetenz des Bewertungsausschusses verbundenen Ziele können nur erreicht werden, wenn die KÄVen im Rahmen der Honorarverteilung an die Vorgaben des EBM gebunden sind. Sie dürfen deshalb weder Arztgruppen von der Budgetierung ausnehmen, die der EBM einbezieht, noch die Bereiche der budgetierten und der nicht budgetierten Leistungen anders als im EBM festlegen. In diesem Sinne sind die Budgetierungsregelungen im EBM vorgreiflich und verbindlich gegenüber Maßnahmen der Honorarverteilung. Dennoch darf die KÄV kraft ihrer Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Honorarverteilung mengensteuernde Regelungen treffen, um ihrer Verantwortung für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V) gerecht zu werden. Allein der Umstand, dass einzelne Arztgruppen von den Praxisbudgets nicht erfasst werden und Ärzte aller Arztgruppen in mehr oder weniger großem Umfang unbudgetierte Leistungen erbringen, schließt die Annahme aus, mit der Einführung der Praxisbudgets im EBM sei die Verantwortung der KÄV für eine den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V genügende Honorarverteilung aufgehoben oder verdrängt worden. Vor allem hat die Einführung von Praxisbudgets im EBM zum 1. Juli 1997 nichts an der insgesamt begrenzten Gesamtvergütung für alle vertragsärztlichen Leistungen i. S. des § 85 Abs. 1 SGB V geändert. Nach wie vor besteht die Situation, dass ein begrenzter Geldbetrag für die Vergütung aller von den Vertragsärzten in einem bestimmten Zeitraum erbrachten und abgerechneten Leistungen zur Verfügung steht, was wiederum zur Folge hat, dass der "Preis" der einzelnen ärztlichen Leistung erst feststeht, wenn bekannt ist, wie viele Leistungen welcher Art und damit wie viele Punkte insgesamt von den Vertragsärzten abgerechnet werden. Praxisbudgets reduzieren lediglich den Anreiz zur immer weiteren Vermehrung der abrechenbaren Leistungen, weil das Honorar des Arztes für die Leistungen des budgetierten Bereichs allein durch das Produkt aus arztgruppenbezogener Fallpunktzahl und Zahl der Behandlungsfälle bestimmt wird. Da aber auch für die Leistungen des "grünen" (budgetierten) Bereichs keine festen bzw. vereinbarten Punktwerte gelten, andererseits aber gerade die Stabilisierung des Punktwertes ein maßgebliches Ziel bei der Einführung der Praxisbudgets war, ist es auch nach dem 1. Juli 1997 Aufgabe der KÄV, im Rahmen der Honorarverteilung das Notwendige und Mögliche zur Gewährleistung ausreichender Punktwerte zu tun und auf regionaler Ebene eintretende unerwünschte Verwerfungen zwischen einzelnen Arztgruppen und auch innerhalb einer Arztgruppe zu verhindern. Daher stehen der KÄV auch nach dem 1. Juli 1997 im Grundsatz alle diejenigen Honorarverteilungsregelungen zur Verfügung, die das BSG bisher für zulässig gehalten hat, soweit die Bestimmungen über die Praxisbudgets im EBM keine abweichenden Vorgaben enthalten (vgl. BSG, Urteil v. 08.03.2000, Aktenzeichen: B 6 KA 7/99 R, SozR 3-2500 § 87 Nr. 23 = BSGE 86, 16 = MedR 2000, 543 = NZS 2001, 107 = USK 2000-108, zitiert nach juris, Rdnr. 34-36).

Danach geht auch das Bundessozialgericht davon aus, dass der Bewertungsausschuss die Aufgabe hat, verbindliche Vorgaben für die Honorarverteilung zu erlassen. Der Auffassung der Beklagten, es handele sich dabei um bloße "Empfehlungen", findet weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine Stütze.

Aufgrund der eindeutigen Nichtbeachtung der Vorgaben des Bewertungsausschusses war der Ziff. 7.5 HVV, soweit die Regelung zu Kürzungsbeträgen führt, von Anfang an rechtswidrig und können die Grundsätze einer sog. Anfangs- und Erprobungsregelung nicht angewandt werden.

Die Beklagte war daher zur Neubescheidung zu verpflichten. Die Rechtswidrigkeit führt nicht zwingend dazu, dass dem Kläger der Kürzungsbetrag in vollem Umfang zurückzuerstatten ist. Aus den genannten Gründen hält die Kammer die "positive" Ausgleichsregelung jedenfalls in den streitbefangenen Quartalen noch für zulässig. Die Beklagte hat daher einen neuen Punktwert zu errechnen auf der Grundlage, dass ihr insgesamt keine Kürzungsbeträge zur Verfügung stehen. Dieser neu errechnete Punktwert ist dann maßgebend, soweit er oberhalb des sog. Stützungspunktwerts liegt. Liegt er darunter, ist der Stützungspunktwert maßgebend. Die Beklagte wäre dann verpflichtet gewesen, die Ausgleichsbeträge entsprechend zu kürzen, da der Stützungspunktwert nicht unterschritten werden darf. Ferner hat die Beklagte Abschnitt 2.2 Abs. 3 Satz 3 zu Anlage 1 zu Ziff. 7.2 des Honorarverteilungsvertrages zu beachten, wonach eine Kappung des Punktwertes bei einer 15%igen Abweichung des Punktwerts von dem dort genannten Durchschnittspunktwert erfolgt. Diese Regelung ist möglicherweise für das Quartal II/05 nicht angewandt worden. Im Falle einer Neubescheidung ist gegebenenfalls von einem entsprechend berechneten Punktwert auszugehen. Soweit die Klägerin keinem Regelleistungsvolumen unterliegt, folgt dies aus dem Honorarverteilungsvertrag. Der Kammer fällt allerdings auf, dass Praxen anderer Fachgruppen mit einem phlebologischen Schwerpunkt durchaus einem Regelleistungsvolumen unterliegen (vgl. Urteil der Kammer vom 30.01.2008 - S 12 KA 237/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; vom 30.01.2008 - 12 KA 83/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Berufung anhängig LSG Hessen: L 4 KA 25/08). Hierdurch wird aber die Klägerin nicht benachteiligt.

Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Ziff. 7.5 HVV, soweit die Regelung zu Kürzungsbeträgen führt, kann hier dahinstehen, ob die Beklagte die Vorgaben der 7.5 HVV überhaupt eingehalten hat.

Nach allem war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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