Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 121/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I. Streitig ist eine Unterlassungsverpflichtung der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit einer Information ihrer Versicherten zu der Behandlung der feuchten Maculadegeneration mittels intravitrealer Eingabe von sog. VEGF-Hemmern.
Der Antragsteller ist Facharzt für Augenheilkunde und in W zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. In seiner Praxis behandelt er u.a. Patienten, die an altersabhängiger Maculadegeneration (AMD) leiden. Hierbei handelt es sich um eine Netzhauterkrankung, die zu Einschränkungen der Sehfähigkeit führt. Bei der sog. feuchten Form dieser Erkrankung wachsen neu gebildete Blutgefäße in die Macula ein. Aus diesen abnormalen Gefäßen tritt eine die Sehzellen schädigende Flüssigkeit aus; dies kann zur Beeinträchtigung der Sehfähigkeit bis zur Erblindung führen. Die bisher aussichtsreichste Therapie besteht in der Unterdrückung der Bildung von Blutgefäßen in der Netzhaut durch Einsatz von VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) - Hemmern.
Seit Januar 2007 ist in der Bundesrepublik Deutschland das Arzneimittel Lucentis® (Wirkstoff: Ranibizumab; Hersteller: Novartis Pharma GmbH) zur Behandlung der feuchten AMD zugelassen. Das Arzneimittel wird intravitreal injiziert. Für die intravitreale Injektion ist bislang eine Gebührenziffer im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) nicht vorgesehen.
Unter dem 03.05.2007 schloss die Antragsgegnerin gemeinsam mit der Innungskrankenkasse (IKK) Nordrhein und dem DAK Unternehmen Leben auf der Kostenträgerseite und mit dem VOA Nordrhein/BDOC (Verbände operierender Augenärzte) auf der Leistungserbringerseite den "Vertrag zur Behandlung der feuchten Maculadegeneration mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern". Der Vertrag soll nach seiner Präambel neue Versorgungs- und Vergütungsformen für eine hochwertige und qualitative Patientenversorgung bei Erkrankung von Patienten an der feuchten Maculadegeneration mit intravitrealer Injektion erproben. Die Teilnahme an dem Vertrag ist für Ärzte und Patienten freiwillig.
Der Antragsteller ist dem Vertrag nicht beigetreten. Die Kosten für die privatärztliche Behandlung durch den Antragsteller mit Lucentis® machen die Patienten im Wege der Kostenerstattung bei den jeweiligen Krankenkassen, u.a. auch bei der Antragsgegnerin geltend. In diesem Zusammenhang erteilte die Antragsgegnerin an die bei ihr versicherten Patienten des Antragstellers die folgenden Auskünfte:
... "Zwischenzeitlich wurde die Behandlung mit VEGF-Hemmern ( ...) mit dem Bundesverband der operierenden Augenärzte vertraglich geregelt. Eine Liste der am Vertrag teilnehmenden Augenärzte haben wir beigefügt. Hier finden Sie die Augenärzte in Ihrer unmittelbaren Umgebung. Die Praxis I, W, nimmt nicht an diesem Vertrag teil. Eine Kostenerstattung im Falle einer weiteren Privatbehandlung ist daher zukünftig nicht mehr möglich." ... (Schreiben vom 29.04.2008)
... "wir haben den beiligenden Kostenübernahmeantrag von der Praxis I/C erhalten. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Behandlung mit VEGF-Hemmern mit dem Bundesverband der operierenden Augenärzte vertraglich geregelt ist und als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird. Anbei erhalten Sie eine Liste der am Vertrag teilnehmenden Augenärzte in Ihrer näheren Umgebung. Die Praxis I/C nimmt leider nicht an diesem Vertrag teil. Eine Kostenerstattung im Falle einer Privatbehandlung ist nicht möglich." ... (Schreiben vom 24.06.2008)
Der Antragsteller hat am 02.07.2008 Unterlassungsklage gegen die Antragsgegnerin eingereicht (S 14 KA 122/08).
Ferner hat er am 18.07.2008 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, dass er gegen die Antragsgegnerin einen Unterlassungsanspruch aus Artikel 12 Abs. 1 GG i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog habe. Die Antragsgegnerin greife dadurch in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein, dass sie bei ihr versicherte Patienten durch finanziellen Druck versuche, anderen Ärzten zuzuleiten. Dieses Verhalten lasse sich durch den Vertrag vom 03.05.2007 nicht rechtfertigen. Gem. §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1, 27 Abs. 1, 31 ff SGB V schulde die Antragsgegnerin ihren Versicherten Arzneitherapien zur Krankenbehandlung auf dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse unter Berücksichtigung des Fortschritts, sofern die Behandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei, ohne das Maß des Notwendigen zu überschreiten. Mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung des Fertigarzneimittels Lucentis® sei für die GKV verbindlich geklärt, dass die Leistungsvoraussetzungen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährleistet seien. Das entsprechend der Fachinformation bei vorhandener Indikation verabreichte Lucentis® sei daher von der Leistungspflicht der GKV umfasst. Gleiches gelte für die im EBM bislang nicht gelistete ärztliche Leistung der intravitrealen Injektion. In einem solchen Fall greife nach der Rechtsprechung des BSG § 13 Abs. 3 SGB V. Der Versicherte habe danach das Recht, sich unaufschiebbare Leistungen selbst zu beschaffen. Ungeachtet dessen, dass der Vertrag mit dem Bundesverband der operierenden Augenärzte rechtswidrig sei, könne er die Umsteuerung von Patienten des Antragstellers nicht legitimieren. Die bei der Antragsgegnerin versicherten Patienten, die an einer behandlungsbedürften feuchten AMD leiden, hätten gegen die Antragsgegnerin einen Leistungsanspruch auf die intravitreale Injektion des Fertigarzneimittels Lucentis, so wie sie von ihm erbracht würde. Deshalb sei es rechtswidrig, wenn die Antragsgegnerin ihren Versicherten androhe, die Kosten der Behandlung durch den Antragsteller nicht, durch andere Augenärzte hingegen doch zu tragen. Gleichzeitig greife die durch finanziellen Druck erfolgende Umsteuerung der Patienten rechtswidrig in seine Berufsfreiheit ein. Bei der Sicherungsanordnung sei ein Anordnungsgrund gegeben, wenn die Gefahr einer Rechtsvereitelung oder einer Erschwerung der Rechtsverwirklichung drohe. Nicht erforderlich sei damit, dass finanziell wesentliche Nachteile drohten, wie dies Voraussetzung der Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sei.
Der Antragsteller beantragt,
1. die Antragsgegnerin einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, es gegenüber bei ihr versicherten Patienten zu unterlassen, ihre Leistungspflicht für eine Behandlung der altersabhängigen Makuladegeneration mittels intravitrealer Injektion des Fertigarzneimittels Lucentis® durch den Antragsteller zu bestreiten und die Patienten an andere Leistungserbringer zu verweisen,
2. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft gegen den vertretungsberechtigten Vorstand bis zu sechs Monaten anzudrohen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bestehe nicht. Sie habe weder gegenüber dem Antragsteller noch seinem Patienten die Behandlung mit Lucentis® abgelehnt. Sie habe lediglich den Patienten darüber informiert, dass die Durchführung der Behandlung kein Gegenstand des Leistungskatalogs der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung sei und dass sie die Behandlungsdurchführung in einem Vertrag geregelt habe, auf den sie den Patienten verwiesen habe. Nach § 13 Abs. 3 SGB V sei sie im Falle eines sog. Systemmangels berechtigt, die Kosten für selbst beschaffte Leistungen zu erstatten. Voraussetzung hierfür sei, dass die Kosten notwendig gewesen seien. Die Krankenkasse sei berechtigt, nur solche Leistungen zu vergüten, die qualitativ den Anforderungen an eine Sachleistung nach § 2 Abs. 1 SGB V entsprechen. In diesem Zusammenhang habe sie zu Recht im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung die Anforderungen an die anzuwendende ärztliche Sorgfalt und Qualität definiert. Sie habe daher darauf hinweisen dürfen, welche Ärzte sich im Rahmen des Vertrages zur Einhaltung der Qualitätsvorgaben verpflichtet haben. Auch der Antragsteller könne als in Nordrhein zugelassener Vertragsarzt an diesem Vertrag teilnehmen, wenn er sich zur Einhaltung der dort definierten Qualitätsvorgaben verpflichte. Ein Anordnungsgrund sei nicht gegeben, denn es fehle an einem entsprechenden Eilbedürfnis. Hierzu sei weder substantiell vorgetragen noch seien Tatsachen glaubhaft gemacht worden, aus denen sich wesentliche wirtschaftliche oder finanzielle Nachteile für den Antragsteller ergeben. Allein die Behauptung, der Antragsteller würde möglicherweise einen oder mehrere Patienten für bestimmte Behandlungen verlieren, genüge den Anforderungen an die Glaubhaftmachung nicht. Der Antragsteller habe nicht einmal vorgetragen, dass Patienten durch die Maßnahmen der Antragsgegnerin tatsächlich die Behandlung bei ihm aufgegeben haben und sich durch andere Ärzte behandeln lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zurückzuweisen.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind hiernach auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Danach ist zwischen einer Sicherungs- (§ 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG) und einer Regelungsanordnung (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden. Sowohl für die Sicherungs- als auch für die Regelungsanordnung entspricht es einer verfassungsrechtlich unbedenklichen verwaltungsgerichtlichen Praxis, die Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (vgl. LSG NRW Beschluss vom 09.07.2004 - L 10 B 6/04 KA ER -). Droht dem Antragsteller bei Versagung einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. BVerfGE 79, 69ff; 93, 1ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (vgl. LSG NRW Beschluss vom 27.05.2008 - L 11 B 6/08 KR ER - m.w.N.).
Die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung sind bereits deshalb nicht gegeben, weil es an einer ausreichenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes fehlt.
Der Anordnungsgrund ist für die Sicherungsanordnung einerseits und die Regelungsanordnung andererseits in § 86b Abs. 2 SGG unterschiedlich definiert. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG). Für die Regelungsanordnung ist erforderlich, dass sie für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG). Unter eine Regelungsanordnung fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens, in denen es um die vorläufige Begründung oder Erweiterung einer Rechtsposition geht (vgl. LSG NRW Beschluss vom 09.07.2004 - L 10 B 6/04 KA ER -). Die Abgrenzung der Sicherungs- von der Regelungsanordnung ist unsicher. Sie ist letztlich unerheblich; denn beide Fälle unterliegen derselben Behandlung. Ein striktes "Entweder/Oder" zwischen Regelungs- und Sicherungsanordnung besteht demgemäß nicht (LSG NRW Beschluss vom 27.05.2008 - L 11 B 6/08 KR ER - m.w.N.).
Der Antragsteller hat zur Begründung seines Anspruchs vorgetragen, dass durch jeden weiteren Versuch der Antragsgegnerin, Patienten an einen anderen Arzt umzuleiten, die Verletzung seiner Berufsfreiheit drohe, d.h. einer konkreten Patientenbeziehung. Jede weitere Umlenkung schaffe irreversible Fakten. Damit ist das erforderliche Eilbedürfnis nach Auffassung der Kammer jedoch nicht hinreichend belegt. Denn es fehlt jeglicher Vortrag dazu, inwieweit sich die behauptete Rechtsverletzung tatsächlich droht zu wiederholen. Der Antragsteller hat nicht angegeben, wie viele seiner Patienten an einer behandlungsbedürften feuchten AMD leiden und wie viele davon ggf. bei der Antragsgegnerin versichert sind. Insoweit räumt der Antragsteller selbst ein, dass finanzielle Interessen nicht im Mittelpunkt seines Anliegens stehen. Wesentliche wirtschaftliche Nachteile sind damit weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Die potentielle Rechtsverletzung allein vermag nach Auffassung der Kammer einen Anordnungsgrund nicht zu belegen. In Literatur und Rechtsprechung wurde bereits mehrfach herausgestellt, dass allein eine etwaige Rechtsverletzung schon deshalb keinen Anordnungsgrund begründen könne, weil anderenfalls jedes rechtswidrige Handeln einer Behörde einen Anordnungsgrund erfüllen, mithin zu einer konturenlosen Ausuferung des einstweiligen Rechtsschutzes führen würde (vgl. LSG NRW Beschluss vom 27.05.2008 - L 11 B 6/08 KR ER -). Gerade im Vertragsarztrecht ist es systemimmanent, dass ggfs. mit einer rechtswidrigen Behördenentscheidung irreversible Folgen verbunden sind. So wird die rechtswidrig verweigerte Zulassung oder Ermächtigung aufgrund der vom Gesetzgeber für die Rechtsbehelfsverfahren vorgesehene aufschiebende Wirkung, die lediglich ex nunc entfällt, regelmäßig mit nicht mehr zu beseitigenden Fakten für die Vergangenheit verbunden sein. Dennoch sind für eine sofortige Vollziehung bzw. eine einstweilige Anordnung zusätzliche Voraussetzungen zu erfüllen. Aus diesem Grund ist ein Eilbedürfnis im Hinblick auf die behauptete Rechtsverletzung in zwei Fällen - für die zudem nicht belegt ist, ob eine Zerstörung der Arzt-Patienten-Beziehung tatsächlich erfolgt ist - nicht zu erkennen. Darüber hinaus lässt auch das von dem Antragsteller zu den Gerichtsakten gereichte Schreiben der Antragsgegnerin vom 11.08.2008 nicht erkennen, dass eine Eilentscheidung erforderlich ist. Darin führt die Antragsgegnerin aus, dass nach Aussage des Gemeinsamen Bundesausschusses es sich bei der beantragten intravitrealen Injektion um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handele. Eine gesonderte Honorarregelung innerhalb des EBM existiere bisher nicht. Aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen übernehme sie neben den Kosten für das Medikament Ranibizamab in Höhe von 1.286,22 Euro abzüglich gesetzlicher Zuzahlung pro Behandlung die ärztlichen Leistungen, die nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) berechnet werden, mit 424,80 Euro pro Behandlung. Daraus ist ersichtlich, dass die Antragsgegnerin mit der Bewertung der Leistungspflicht der GKV dem Grunde nach mit der Auffassung des Antragstellers übereinstimmt und ihre in den Schreiben vom 29.04.2008 und 24.06.2008 vertretene Auffassung offensichtlich nicht aufrecht erhält, wonach einer Erstattungspflicht außerhalb des Vertrages vom 03.05.2007 nicht bestehe.
Ein Anordnungsgrund ist somit eindeutig nicht gegeben. Für den Anordnungsanspruch gilt, dass er nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht offenkundig vorliegt.
Zwar kann auch seit der Neuregelung des § 69 SGB V zum 01.04.2007 ein Unterlassungsanspruch weiterhin auf eine Verletzung der Art. 12 und 3 GG i.V.m. einer entsprechenden Anwendung des § 1004 BGB gestützt werden, wenn Krankenkassen durch ihr hoheitliches Verhalten das Recht der freien Berufsausübung oder der Gleichbehandlung im Wettbewerb beeinträchtigen. Das Grundrecht der Berufsfreiheit - hier der Berufsausübungsfreiheit - garantiert auch dem Antragsteller vom Grundsatz her die freie Berufsausübung, von der auch die Freiheit zur staatlicherseits unbeeinflussten Teilnahme am Wettbewerb erfasst wird (vgl. LSG NRW Urteil vom 03.05.2007 - L 16 KR 102/06 -).
Für die Antragsgegnerin besteht hingegen als gesetzliche Krankenversicherung eine Verpflichtung gegenüber den Versicherten aus § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), diese über ihre Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären und sie entsprechend zu beraten. In diesem Zusammenhang ist wesentlich, dass die Versicherten die Leistungen der GKV nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V als Sach- und Dienstleistungen erhalten. § 13 Abs. 3 SGB V stellt demgegenüber eine Ausnahme vom Grundsatz des Sachleistungsprinzips dar. Danach sind die Kosten für eine unaufschiebbare Leistung von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn sie diese nicht rechtzeitig erbringen konnte und soweit die Leistung notwendig war. Dieser Fall greift ein, wenn für eine der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegende ärztliche Behandlung keine Gebührenbestimmung im EBM vorgesehen ist (BSG Urteoö vpm 03.04.2001 - B 1 KR 40/00R -). Mit dem Vertrag vom 03.05.2007 haben die Vertragspartner eine Möglichkeit geschaffen, den Versicherten die ärztliche Behandlung als Sachleistung anzubieten. Wenn die Antragsgegnerin ihren Versicherten diese Möglichkeit aufzeigt, wird dies somit grundsätzlich - bei Rechtmäßigkeit des Vertrages und unter Beachtung der auch nach diesem garantierten freien Arztwahl nach § 76 SGBV - von ihrer Beratungspflicht getragen. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass der Vertrag rechtswidrig sei, hat eine abschließende Klärung im Hauptsacheverfahren zu erfolgen, wobei auf die zu dieser Problematik bereits ergangenen Entscheidungen und die dort ebenfalls zu erwartende abschließende Klärung hinzuweisen ist (SG Düsseldorf Beschluss vom 23.08.2007 - S 2 KA 104/07 ER -; LSG NRW Beschluss vom 11.02.2008 - L 11 (10) B 17/07 KA ER -; SG Düsseldorf Urteil vom 02.07.2008 - S 2 KA 181/07-).
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Anordnungsgrund sowie zum Anordnungsanspruch führt auch eine Folgenabwägung nicht dazu, dass die beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen wäre. Bei der Folgenabwägung haben in Anlehnung an § 32 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) die Gründe, die für die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung zur Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, der in der Hauptsache gestellte Antrag ist von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Vielmehr sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antragsteller im Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, seinen Rechtsbehelfen im Hauptsacheverfahren aber der Erfolg zu versagen wäre (st. Rspr.: vgl. BVerfGE, 84, 286 (288)). Angesichts dessen, dass eine Rechtsverletzung des Antragstellers in tatsächlicher Hinsicht nicht eingetreten ist, sondern diese auch nach seinem Vortrag allenfalls droht, und darüber hinaus wirtschaftliche oder sonstige erhebliche Nachteile ebenfalls nicht offensichtlich sind, ist es dem Antragsteller zuzumuten, die Klärung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.
Gründe:
I. Streitig ist eine Unterlassungsverpflichtung der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit einer Information ihrer Versicherten zu der Behandlung der feuchten Maculadegeneration mittels intravitrealer Eingabe von sog. VEGF-Hemmern.
Der Antragsteller ist Facharzt für Augenheilkunde und in W zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. In seiner Praxis behandelt er u.a. Patienten, die an altersabhängiger Maculadegeneration (AMD) leiden. Hierbei handelt es sich um eine Netzhauterkrankung, die zu Einschränkungen der Sehfähigkeit führt. Bei der sog. feuchten Form dieser Erkrankung wachsen neu gebildete Blutgefäße in die Macula ein. Aus diesen abnormalen Gefäßen tritt eine die Sehzellen schädigende Flüssigkeit aus; dies kann zur Beeinträchtigung der Sehfähigkeit bis zur Erblindung führen. Die bisher aussichtsreichste Therapie besteht in der Unterdrückung der Bildung von Blutgefäßen in der Netzhaut durch Einsatz von VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) - Hemmern.
Seit Januar 2007 ist in der Bundesrepublik Deutschland das Arzneimittel Lucentis® (Wirkstoff: Ranibizumab; Hersteller: Novartis Pharma GmbH) zur Behandlung der feuchten AMD zugelassen. Das Arzneimittel wird intravitreal injiziert. Für die intravitreale Injektion ist bislang eine Gebührenziffer im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) nicht vorgesehen.
Unter dem 03.05.2007 schloss die Antragsgegnerin gemeinsam mit der Innungskrankenkasse (IKK) Nordrhein und dem DAK Unternehmen Leben auf der Kostenträgerseite und mit dem VOA Nordrhein/BDOC (Verbände operierender Augenärzte) auf der Leistungserbringerseite den "Vertrag zur Behandlung der feuchten Maculadegeneration mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern". Der Vertrag soll nach seiner Präambel neue Versorgungs- und Vergütungsformen für eine hochwertige und qualitative Patientenversorgung bei Erkrankung von Patienten an der feuchten Maculadegeneration mit intravitrealer Injektion erproben. Die Teilnahme an dem Vertrag ist für Ärzte und Patienten freiwillig.
Der Antragsteller ist dem Vertrag nicht beigetreten. Die Kosten für die privatärztliche Behandlung durch den Antragsteller mit Lucentis® machen die Patienten im Wege der Kostenerstattung bei den jeweiligen Krankenkassen, u.a. auch bei der Antragsgegnerin geltend. In diesem Zusammenhang erteilte die Antragsgegnerin an die bei ihr versicherten Patienten des Antragstellers die folgenden Auskünfte:
... "Zwischenzeitlich wurde die Behandlung mit VEGF-Hemmern ( ...) mit dem Bundesverband der operierenden Augenärzte vertraglich geregelt. Eine Liste der am Vertrag teilnehmenden Augenärzte haben wir beigefügt. Hier finden Sie die Augenärzte in Ihrer unmittelbaren Umgebung. Die Praxis I, W, nimmt nicht an diesem Vertrag teil. Eine Kostenerstattung im Falle einer weiteren Privatbehandlung ist daher zukünftig nicht mehr möglich." ... (Schreiben vom 29.04.2008)
... "wir haben den beiligenden Kostenübernahmeantrag von der Praxis I/C erhalten. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Behandlung mit VEGF-Hemmern mit dem Bundesverband der operierenden Augenärzte vertraglich geregelt ist und als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird. Anbei erhalten Sie eine Liste der am Vertrag teilnehmenden Augenärzte in Ihrer näheren Umgebung. Die Praxis I/C nimmt leider nicht an diesem Vertrag teil. Eine Kostenerstattung im Falle einer Privatbehandlung ist nicht möglich." ... (Schreiben vom 24.06.2008)
Der Antragsteller hat am 02.07.2008 Unterlassungsklage gegen die Antragsgegnerin eingereicht (S 14 KA 122/08).
Ferner hat er am 18.07.2008 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, dass er gegen die Antragsgegnerin einen Unterlassungsanspruch aus Artikel 12 Abs. 1 GG i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog habe. Die Antragsgegnerin greife dadurch in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein, dass sie bei ihr versicherte Patienten durch finanziellen Druck versuche, anderen Ärzten zuzuleiten. Dieses Verhalten lasse sich durch den Vertrag vom 03.05.2007 nicht rechtfertigen. Gem. §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1, 27 Abs. 1, 31 ff SGB V schulde die Antragsgegnerin ihren Versicherten Arzneitherapien zur Krankenbehandlung auf dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse unter Berücksichtigung des Fortschritts, sofern die Behandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei, ohne das Maß des Notwendigen zu überschreiten. Mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung des Fertigarzneimittels Lucentis® sei für die GKV verbindlich geklärt, dass die Leistungsvoraussetzungen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährleistet seien. Das entsprechend der Fachinformation bei vorhandener Indikation verabreichte Lucentis® sei daher von der Leistungspflicht der GKV umfasst. Gleiches gelte für die im EBM bislang nicht gelistete ärztliche Leistung der intravitrealen Injektion. In einem solchen Fall greife nach der Rechtsprechung des BSG § 13 Abs. 3 SGB V. Der Versicherte habe danach das Recht, sich unaufschiebbare Leistungen selbst zu beschaffen. Ungeachtet dessen, dass der Vertrag mit dem Bundesverband der operierenden Augenärzte rechtswidrig sei, könne er die Umsteuerung von Patienten des Antragstellers nicht legitimieren. Die bei der Antragsgegnerin versicherten Patienten, die an einer behandlungsbedürften feuchten AMD leiden, hätten gegen die Antragsgegnerin einen Leistungsanspruch auf die intravitreale Injektion des Fertigarzneimittels Lucentis, so wie sie von ihm erbracht würde. Deshalb sei es rechtswidrig, wenn die Antragsgegnerin ihren Versicherten androhe, die Kosten der Behandlung durch den Antragsteller nicht, durch andere Augenärzte hingegen doch zu tragen. Gleichzeitig greife die durch finanziellen Druck erfolgende Umsteuerung der Patienten rechtswidrig in seine Berufsfreiheit ein. Bei der Sicherungsanordnung sei ein Anordnungsgrund gegeben, wenn die Gefahr einer Rechtsvereitelung oder einer Erschwerung der Rechtsverwirklichung drohe. Nicht erforderlich sei damit, dass finanziell wesentliche Nachteile drohten, wie dies Voraussetzung der Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sei.
Der Antragsteller beantragt,
1. die Antragsgegnerin einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, es gegenüber bei ihr versicherten Patienten zu unterlassen, ihre Leistungspflicht für eine Behandlung der altersabhängigen Makuladegeneration mittels intravitrealer Injektion des Fertigarzneimittels Lucentis® durch den Antragsteller zu bestreiten und die Patienten an andere Leistungserbringer zu verweisen,
2. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft gegen den vertretungsberechtigten Vorstand bis zu sechs Monaten anzudrohen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bestehe nicht. Sie habe weder gegenüber dem Antragsteller noch seinem Patienten die Behandlung mit Lucentis® abgelehnt. Sie habe lediglich den Patienten darüber informiert, dass die Durchführung der Behandlung kein Gegenstand des Leistungskatalogs der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung sei und dass sie die Behandlungsdurchführung in einem Vertrag geregelt habe, auf den sie den Patienten verwiesen habe. Nach § 13 Abs. 3 SGB V sei sie im Falle eines sog. Systemmangels berechtigt, die Kosten für selbst beschaffte Leistungen zu erstatten. Voraussetzung hierfür sei, dass die Kosten notwendig gewesen seien. Die Krankenkasse sei berechtigt, nur solche Leistungen zu vergüten, die qualitativ den Anforderungen an eine Sachleistung nach § 2 Abs. 1 SGB V entsprechen. In diesem Zusammenhang habe sie zu Recht im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung die Anforderungen an die anzuwendende ärztliche Sorgfalt und Qualität definiert. Sie habe daher darauf hinweisen dürfen, welche Ärzte sich im Rahmen des Vertrages zur Einhaltung der Qualitätsvorgaben verpflichtet haben. Auch der Antragsteller könne als in Nordrhein zugelassener Vertragsarzt an diesem Vertrag teilnehmen, wenn er sich zur Einhaltung der dort definierten Qualitätsvorgaben verpflichte. Ein Anordnungsgrund sei nicht gegeben, denn es fehle an einem entsprechenden Eilbedürfnis. Hierzu sei weder substantiell vorgetragen noch seien Tatsachen glaubhaft gemacht worden, aus denen sich wesentliche wirtschaftliche oder finanzielle Nachteile für den Antragsteller ergeben. Allein die Behauptung, der Antragsteller würde möglicherweise einen oder mehrere Patienten für bestimmte Behandlungen verlieren, genüge den Anforderungen an die Glaubhaftmachung nicht. Der Antragsteller habe nicht einmal vorgetragen, dass Patienten durch die Maßnahmen der Antragsgegnerin tatsächlich die Behandlung bei ihm aufgegeben haben und sich durch andere Ärzte behandeln lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zurückzuweisen.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind hiernach auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Danach ist zwischen einer Sicherungs- (§ 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG) und einer Regelungsanordnung (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden. Sowohl für die Sicherungs- als auch für die Regelungsanordnung entspricht es einer verfassungsrechtlich unbedenklichen verwaltungsgerichtlichen Praxis, die Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (vgl. LSG NRW Beschluss vom 09.07.2004 - L 10 B 6/04 KA ER -). Droht dem Antragsteller bei Versagung einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. BVerfGE 79, 69ff; 93, 1ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (vgl. LSG NRW Beschluss vom 27.05.2008 - L 11 B 6/08 KR ER - m.w.N.).
Die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung sind bereits deshalb nicht gegeben, weil es an einer ausreichenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes fehlt.
Der Anordnungsgrund ist für die Sicherungsanordnung einerseits und die Regelungsanordnung andererseits in § 86b Abs. 2 SGG unterschiedlich definiert. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG). Für die Regelungsanordnung ist erforderlich, dass sie für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG). Unter eine Regelungsanordnung fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens, in denen es um die vorläufige Begründung oder Erweiterung einer Rechtsposition geht (vgl. LSG NRW Beschluss vom 09.07.2004 - L 10 B 6/04 KA ER -). Die Abgrenzung der Sicherungs- von der Regelungsanordnung ist unsicher. Sie ist letztlich unerheblich; denn beide Fälle unterliegen derselben Behandlung. Ein striktes "Entweder/Oder" zwischen Regelungs- und Sicherungsanordnung besteht demgemäß nicht (LSG NRW Beschluss vom 27.05.2008 - L 11 B 6/08 KR ER - m.w.N.).
Der Antragsteller hat zur Begründung seines Anspruchs vorgetragen, dass durch jeden weiteren Versuch der Antragsgegnerin, Patienten an einen anderen Arzt umzuleiten, die Verletzung seiner Berufsfreiheit drohe, d.h. einer konkreten Patientenbeziehung. Jede weitere Umlenkung schaffe irreversible Fakten. Damit ist das erforderliche Eilbedürfnis nach Auffassung der Kammer jedoch nicht hinreichend belegt. Denn es fehlt jeglicher Vortrag dazu, inwieweit sich die behauptete Rechtsverletzung tatsächlich droht zu wiederholen. Der Antragsteller hat nicht angegeben, wie viele seiner Patienten an einer behandlungsbedürften feuchten AMD leiden und wie viele davon ggf. bei der Antragsgegnerin versichert sind. Insoweit räumt der Antragsteller selbst ein, dass finanzielle Interessen nicht im Mittelpunkt seines Anliegens stehen. Wesentliche wirtschaftliche Nachteile sind damit weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Die potentielle Rechtsverletzung allein vermag nach Auffassung der Kammer einen Anordnungsgrund nicht zu belegen. In Literatur und Rechtsprechung wurde bereits mehrfach herausgestellt, dass allein eine etwaige Rechtsverletzung schon deshalb keinen Anordnungsgrund begründen könne, weil anderenfalls jedes rechtswidrige Handeln einer Behörde einen Anordnungsgrund erfüllen, mithin zu einer konturenlosen Ausuferung des einstweiligen Rechtsschutzes führen würde (vgl. LSG NRW Beschluss vom 27.05.2008 - L 11 B 6/08 KR ER -). Gerade im Vertragsarztrecht ist es systemimmanent, dass ggfs. mit einer rechtswidrigen Behördenentscheidung irreversible Folgen verbunden sind. So wird die rechtswidrig verweigerte Zulassung oder Ermächtigung aufgrund der vom Gesetzgeber für die Rechtsbehelfsverfahren vorgesehene aufschiebende Wirkung, die lediglich ex nunc entfällt, regelmäßig mit nicht mehr zu beseitigenden Fakten für die Vergangenheit verbunden sein. Dennoch sind für eine sofortige Vollziehung bzw. eine einstweilige Anordnung zusätzliche Voraussetzungen zu erfüllen. Aus diesem Grund ist ein Eilbedürfnis im Hinblick auf die behauptete Rechtsverletzung in zwei Fällen - für die zudem nicht belegt ist, ob eine Zerstörung der Arzt-Patienten-Beziehung tatsächlich erfolgt ist - nicht zu erkennen. Darüber hinaus lässt auch das von dem Antragsteller zu den Gerichtsakten gereichte Schreiben der Antragsgegnerin vom 11.08.2008 nicht erkennen, dass eine Eilentscheidung erforderlich ist. Darin führt die Antragsgegnerin aus, dass nach Aussage des Gemeinsamen Bundesausschusses es sich bei der beantragten intravitrealen Injektion um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handele. Eine gesonderte Honorarregelung innerhalb des EBM existiere bisher nicht. Aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen übernehme sie neben den Kosten für das Medikament Ranibizamab in Höhe von 1.286,22 Euro abzüglich gesetzlicher Zuzahlung pro Behandlung die ärztlichen Leistungen, die nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) berechnet werden, mit 424,80 Euro pro Behandlung. Daraus ist ersichtlich, dass die Antragsgegnerin mit der Bewertung der Leistungspflicht der GKV dem Grunde nach mit der Auffassung des Antragstellers übereinstimmt und ihre in den Schreiben vom 29.04.2008 und 24.06.2008 vertretene Auffassung offensichtlich nicht aufrecht erhält, wonach einer Erstattungspflicht außerhalb des Vertrages vom 03.05.2007 nicht bestehe.
Ein Anordnungsgrund ist somit eindeutig nicht gegeben. Für den Anordnungsanspruch gilt, dass er nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht offenkundig vorliegt.
Zwar kann auch seit der Neuregelung des § 69 SGB V zum 01.04.2007 ein Unterlassungsanspruch weiterhin auf eine Verletzung der Art. 12 und 3 GG i.V.m. einer entsprechenden Anwendung des § 1004 BGB gestützt werden, wenn Krankenkassen durch ihr hoheitliches Verhalten das Recht der freien Berufsausübung oder der Gleichbehandlung im Wettbewerb beeinträchtigen. Das Grundrecht der Berufsfreiheit - hier der Berufsausübungsfreiheit - garantiert auch dem Antragsteller vom Grundsatz her die freie Berufsausübung, von der auch die Freiheit zur staatlicherseits unbeeinflussten Teilnahme am Wettbewerb erfasst wird (vgl. LSG NRW Urteil vom 03.05.2007 - L 16 KR 102/06 -).
Für die Antragsgegnerin besteht hingegen als gesetzliche Krankenversicherung eine Verpflichtung gegenüber den Versicherten aus § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), diese über ihre Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären und sie entsprechend zu beraten. In diesem Zusammenhang ist wesentlich, dass die Versicherten die Leistungen der GKV nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V als Sach- und Dienstleistungen erhalten. § 13 Abs. 3 SGB V stellt demgegenüber eine Ausnahme vom Grundsatz des Sachleistungsprinzips dar. Danach sind die Kosten für eine unaufschiebbare Leistung von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn sie diese nicht rechtzeitig erbringen konnte und soweit die Leistung notwendig war. Dieser Fall greift ein, wenn für eine der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegende ärztliche Behandlung keine Gebührenbestimmung im EBM vorgesehen ist (BSG Urteoö vpm 03.04.2001 - B 1 KR 40/00R -). Mit dem Vertrag vom 03.05.2007 haben die Vertragspartner eine Möglichkeit geschaffen, den Versicherten die ärztliche Behandlung als Sachleistung anzubieten. Wenn die Antragsgegnerin ihren Versicherten diese Möglichkeit aufzeigt, wird dies somit grundsätzlich - bei Rechtmäßigkeit des Vertrages und unter Beachtung der auch nach diesem garantierten freien Arztwahl nach § 76 SGBV - von ihrer Beratungspflicht getragen. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass der Vertrag rechtswidrig sei, hat eine abschließende Klärung im Hauptsacheverfahren zu erfolgen, wobei auf die zu dieser Problematik bereits ergangenen Entscheidungen und die dort ebenfalls zu erwartende abschließende Klärung hinzuweisen ist (SG Düsseldorf Beschluss vom 23.08.2007 - S 2 KA 104/07 ER -; LSG NRW Beschluss vom 11.02.2008 - L 11 (10) B 17/07 KA ER -; SG Düsseldorf Urteil vom 02.07.2008 - S 2 KA 181/07-).
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Anordnungsgrund sowie zum Anordnungsanspruch führt auch eine Folgenabwägung nicht dazu, dass die beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen wäre. Bei der Folgenabwägung haben in Anlehnung an § 32 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) die Gründe, die für die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung zur Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, der in der Hauptsache gestellte Antrag ist von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Vielmehr sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antragsteller im Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, seinen Rechtsbehelfen im Hauptsacheverfahren aber der Erfolg zu versagen wäre (st. Rspr.: vgl. BVerfGE, 84, 286 (288)). Angesichts dessen, dass eine Rechtsverletzung des Antragstellers in tatsächlicher Hinsicht nicht eingetreten ist, sondern diese auch nach seinem Vortrag allenfalls droht, und darüber hinaus wirtschaftliche oder sonstige erhebliche Nachteile ebenfalls nicht offensichtlich sind, ist es dem Antragsteller zuzumuten, die Klärung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.
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