L 11 R 3105/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3105/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 11 R 5247/06 durch den gerichtlichen Vergleich vom 11. Oktober 2007 beendet ist.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligte ist die Vormerkung russischer Versicherungszeiten vom 24. Juli 1972 bis 10. Juli 1991 in Qualifikationsgruppe 4 statt 5 streitig.

Der 1951 geborene Kläger, der seit 16. Juli 1991 in der Bundesrepublik Deutschland lebt und als Vertriebener anerkannt ist, war ausweislich seines russischen Arbeitsbuchs in K. zunächst vom 06. Juni 1968 bis zu seinem Wehrdienstbeginn als stellvertretender Wiegemeister, Lehrling des Regelmeisters und Schlosser ohne reguläre Ausbildung beschäftigt. Er wurde dann am 24. Juli 1972 als Fahrer der 3. Klasse eingestellt, am 17. Juni 1980 als Fahrer der 2. Klasse versetzt und führte den Pkw einer Schulgarage. Am 17. Mai 1982 wurde ihm die Qualifikation eines ersten Fahrers verliehen, am 03. Juli 1987 wurde er als Busfahrer versetzt und am 10. Juli 1991 wegen der Ausreise entlassen (Bl. 7 der Verwaltungsakte).

Im Rahmen eines 3. Antrags auf Kontenklärung vom 23. Februar 1998 gab er an, er habe 1970 einen etwa viermonatigen Kurs in einer Kfz-Schule zur Erlangung der 3. Klasse, im Jahr 1977 einen zweimonatigen Kurs für die 2. Klasse und im Jahr 1982 einen dreieinhalbmonatigen Kurs für die erste Klasse absolviert (Bl. 48 der Verwaltungsakte). Er legte hierzu Zeugnisse über die Ausbildung und Prüfungen des Weiterbildungslehrganges vor.

Mit Bescheid vom 27. Januar 2005 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf fest, wobei sie durchgehend die Qualifikationsgruppe 5 mit der Begründung ansetzte, es sei keine Facharbeitertätigkeit ausgeübt worden. Der dagegen mit der Begründung eingelegte Widerspruch, die Tätigkeit als Kraftfahrer der Klasse 1 sei die höchste Fachqualifikation in der Branche gewesen, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 4. April 2005).

Mit seiner dagegen am 04. Mai 2005 beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Vormerkung in der Qualifikationsgruppe 4 weiterverfolgt.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung eine schriftliche Zeugenaussage von V. M. eingeholt und den Kläger ausführlich zu seiner Fahrertätigkeit befragt.

Mir Urteil vom 6. September 2006, dem Kläger zugestellt am 27. September 2006, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die vom Kläger ausgeübte Fahrertätigkeit habe in der Bundesrepublik Deutschland keine qualifizierte Ausbildung zum Berufskraftfahrer erfordert. Denn er sei als Chauffeur des Vorgesetzten und nach Bekanntgabe der Ausreiseabsicht als Fahrer eine Polizeibusses tätig gewesen. Dafür genüge der Führerschein Klasse 3 bzw. Klasse 2 beim Führen von Lkws von über 7,5 t und ein Berechtigungsschein zur Personenbeförderung. Es seien weder Kenntnisse des internationalen Verkehrsrechts sowie über Frachtbriefe und Zollformalitäten oder des Rechts für Gefahrguttransporte und Lebensmitteltransporte erforderlich gewesen. Vielmehr handele es sich um einfache Fahrertätigkeiten, die keine über das Führen von Pkws und Lkws hinausgehenden besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert hätten. Dies gelte auch im Hinblick darauf, dass der Kläger einfachere Reparaturen an den von ihm geführten Fahrzeugen selbst durchgeführt habe. Denn er habe keine qualifizierte Ausbildung zum Kfz-Mechaniker nach dem vorliegenden Arbeitsbuch absolviert, sondern sei lediglich in Teilbereichen während seines Militärdienstes angelernt worden. Auch eine solche Teilqualifikation sei daher in Qualifikationsgruppe 5 einzustufen.

Zur Begründung seiner am 18. Oktober 2006 eingelegten Berufung trägt der Kläger vor, er habe am 21. Dezember 1970 durch abgeschlossene Ausbildung die Facharbeiterqualifikation als Berufskraftfahrer erworben und im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach einem Weiterausbildungsberufskurs am 9. April 1977 die qualifizierte Facharbeiterprüfung bestanden. Er sei ihm Besitz von Facharbeiterzeugnissen und könne daher eine langjährige Berufserfahrung nachweisen.

Im Erörterungstermin vom 11. Oktober 2007 haben der anwesende und durch seinen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger mit der Beklagten folgenden Vergleich geschlossen:

1. Die Beklagte ist bereit, unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 27. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. April 2005, die Zeit vom 11. Mai 1987 (10 Jahre nach Beginn der Tätigkeit als Fahrer 2. Klasse) bis 10. Juli 1991 in Qualifikationsgruppe 4 vorzumerken.

2. Der Kläger ist damit einverstanden und nimmt die Berufung zurück.

3. Die Beteiligten sind sich einig, dass der Rechtsstreit damit in vollem Umfang erledigt ist.

Dieser Vergleich ist ausweislich der als Wiedergabe vom Tonträger erstellten Sitzungsniederschrift vom 11. Oktober 2007, die von der Justizangestellten der Geschäftsstelle und der Berichterstatterin, der Richterin am Landessozialgericht, unterschrieben worden ist, den Beteiligten vorgespielt und von diesen genehmigt worden.

Am 15. November 2007 hat der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens L 11 R 5247/06 mit der Begründung beantragt, er sei mit dem geschlossenen Vergleich nicht einverstanden. Bei der Berufserfahrung müssten nicht 10 Jahre, sondern 6 Jahre für den Versicherten, der keine Berufsausbildung absolviert habe, zugrunde gelegt werden. Alles andere sei gesetzwidrig. Er hat hierzu ein Schreiben der Beklagten vom 7. November 2007 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 6. September 2006 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 27. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2005 zu verurteilen, seine Versicherungszeiten vom 24. Juli 1972 bis zum 10. Juli 1991 in Qualifikationsgruppe 4 statt 5 der Anlage 13 zum SGB VI vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass das Verfahren durch den Vergleich vom 11. Oktober 2007 erledigt worden sei. Der Antrag des Klägers vom 8. Januar 2008 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), die Beschäftigungszeit als Kraftfahrer in der UdSSR bereits ab dem 4. Juli 1972 in die Qualifikationsgruppe 4 einzustufen, sei mit Bescheid vom 15. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2008 abgelehnt worden. Hiergegen habe der Kläger erneut Klage beim SG erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 11 R 5247/06, denn dieses ist durch den gerichtlichen Vergleich vom 11. Oktober 2007 beendet (§ 101 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Es liegen weder prozess- noch materiell-rechtliche Gründe vor, die diesen Prozessvergleich unwirksam machen.

Nach § 101 Abs. 1 SGG können die Beteiligten, um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, zur Niederschrift des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des Beauftragten oder des ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können.

Der gerichtliche Vergleich ist sowohl öffentlich-rechtlicher Vertrag wie Prozesshandlung, der den Rechtsstreit unmittelbar beendet und dessen Wirksamkeit sich nach den Grundsetzen des Prozessrechts richtet (vgl. BSG SozR 1500 § 101 Nr. 3; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 101 Rdnrn. 3, 10). Als Prozesshandlung setzt der Prozessvergleich die Verfügungsbefugnis der Beteiligten über den Streitgegenstand des Vergleiches - was hier unstreitig gegeben ist - sowie deren Prozess- und Beteiligtenfähigkeit und einen entsprechenden Handlungswillen bzw. ein Erklärungsbewusstsein des Betreffenden voraus (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., vor § 60 Rdnrn. 11, 12; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Auflage 2008, Abschnitt VII Rdnr. 187). Da die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Willenserklärungen nach herrschender Meinung auf Prozesshandlungen nicht anwendbar sind, können sie auch nicht mit einer entsprechenden Begründung angefochten werden (BVerwG, Beschluss vom 07.08.1998, 4 B 75/98, NVwZ-RR 1999, 407, 408).

Der vorliegende Vergleich ist in dem Erörterungstermin vom 11. Oktober 2007 ordnungsgemäß auf einem Tonträger vorläufig aufgezeichnet, den Beteiligten vorgespielt und von diesen genehmigt worden (§§ 153 Abs. 1, 122 SGG i.V.m. §§ 160 a, 162 Zivilprozessordnung - ZPO -). Dies ist in der unverzüglich (§ 160 a Abs. 1 Satz 1 ZPO) gefertigten Sitzungsniederschrift vom 11. Oktober 2007, die von der Richterin am Landessozialgericht und der Urkundsbeamtin unterschrieben worden ist (§ 163 ZPO), beurkundet. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass es an einem entsprechenden Handlungswillen bzw. einem Erklärungsbewusstsein der zum Termin erschienenen Beteiligten, des durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Klägers, dem Kläger sowie des bevollmächtigten Mitarbeiters der Beklagten, fehlte. Zudem ist in den Vergleich klargestellt worden, dass der Rechtsstreit L 11 R 5247/06 damit vollständig, d.h. bezüglich aller vom Kläger erhobenen und damit im Streit befangenen Ansprüchen, erledigt ist, was insbesondere aus Ziffer 3 des Vergleichs deutlich wird.

Prozesshandlungen - wie die Zustimmung zu einem gerichtlichen Vergleich - können nur unter engen Voraussetzungen widerrufen werden. Da die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Willenserklärungen nach herrschender Meinung auf Prozesshandlungen nicht anwendbar sind, können sie auch nicht mit einer entsprechenden Begründung angefochten werden (BVerwG, a.a.O.; Meyer-Ladewig a.a.O.). Sie können nur unter engen Voraussetzungen, wie z.B. beim Vorliegen eines Restitutionsgrundes im Sinne von § 580 ZPO, widerrufen werden oder dann, wenn aus dem Grundsatz von Treu und Glauben sich ein Festhalten an der Prozesshandlung verbietet (BGHZ 33, 73; BVerwG, NVwZ 1997, 1210, 1211; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O. vor § 60 Rdnr. 12 a). Dazu können auch arglistige Täuschungen bzw. Drohungen bei Vergleichsabschluss gehören.

Derartige Wiederaufnahmegründe hat der Kläger indes nicht geltend gemacht. Sein Vorbringen, er habe sich über den Inhalt seiner Erklärung geirrt, ist angesichts des Wortlauts des Vergleiches und seiner Eindeutigkeit gerade im Hinblick auf die ebenfalls protokollierte vorangegangene Erklärung des Klägers unglaubhaft und zudem - wie dargelegt - unbeachtlich. Unter Beachtung der bei der Auslegung von Willenserklärungen und Prozesshandlungen zu beachtenden allgemeinen Grundsätze, nach denen es auf alle Umstände, insbesondere den objektiven Erklärungswert und die rechtverstandene Interessenlage des Erklärenden ankommt (vgl. BSGE 63, 93; 74, 79; BVerwG NVwZ 1999, 405, 406; Meyer-Ladewig a.a.O. Rndr. 11 a), ist auch eine andere Auslegung des Vergleichs gegen seinen Wortlaut unmöglich.

Liegen daher keine Gründe für eine Unwirksamkeit des Vergleiches vor, war eine Fortsetzung des früheren Berufungsverfahrens mit einer Sachentscheidung über das Berufungsbegehren des Klägers nicht möglich. Die Entscheidung des Senats beschränkt sich dementsprechend darauf prozessual festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 11 R 5247/06 durch den in dem Erörterungstermin vom 11. Oktober 2007 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich beendet worden ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O. § 101 Rdnr. 17 a).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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