Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 2700/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3519/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. Juni 2008 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung an Stelle der ihm geleisteten Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der am 20. Januar 1949 geborene Kläger ist gelernter Maler. Seit März 2000 ist er arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos. Die Beklagte gewährte ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, befristet vom 1. September 2000 bis 30. September 2001 (Bescheid vom 11. Oktober 2000). Grundlage hierfür war das Gutachten von Dr. S., der insbesondere auf die Folgen eines im Februar 2000 operativ behandelten Dickdarmkarzinoms hingewiesen hatte. Den Weitergewährungsantrag des Klägers lehnte die Beklagte zunächst ab, gewährte aber im Widerspruchsverfahren Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer (Widerspruchsbescheid vom 20. März 2002).
In dem anschließenden Klageverfahren (S 8 RJ 1036/02) vor dem Sozialgericht Ulm (SG), in dem der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit begehrte, wurden die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. O. vertrat die Ansicht, der Kläger sei aufgrund seiner Erkrankungen nicht mehr in der Lage, vollschichtig zu arbeiten. Der Radiologe Dr. J. gab an, seitens der von ihm durchgeführten Schilddrüsendiagnostik spreche nichts gegen eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Weiterhin holte das SG ein internistisches Gutachten bei Dr. S., Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin der H. Klinik, G., ein. Dieser stellte bei der Begutachtung eine Lebermetastase fest, die umgehend (März 2003) operativ behandelt wurde. Daneben diagnostizierte er einen schlecht eingestellten Diabetes mellitus Typ II mit Folgeschäden (Polyneuropathie, Nephropathie), eine Adipositas Grad III (123,6 kg, Body-Maß-Index [BMI] 40,82), eine arterielle Hypertonie (ohne ausgeprägte Blutdruckspitzen), eine Fettstoffwechselstörung, eine chronisch obstruktive Bronchitis (unter Behandlung weitgehend normale pulmonale Leistungsfähigkeit), eine chronische Gastritis (medikamentös behandelbar), eine Harnwegsinfektion (mit Antibiotika behandelbar), eine schwere Leberverfettung, eine Schilddrüsenerkrankung und degenerative Veränderungen der gesamten Wirbelsäule. Die kardiale Leitungsfähigkeit erschien altersgemäß normal (belastbar im Belastungs-EKG bis 125 Watt). Aufgrund des Tumorleidens, bei dem eine Heilungsbewährung von drei bis fünf Jahren abgewartet werden müsse, sei der Kläger derzeit als erwerbsunfähig anzusehen. Im Übrigen sei die Leistungsfähigkeit auch davon abhängig, ob eine Gewichtsreduktion erreicht werden könne. Die Beklagte anerkannte daraufhin, dass der Kläger seit 14. Januar 2003 voll erwerbsgemindert ist. Sie erklärte sich bereit, Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet ab 1. August 2003 bis 31. Juli 2006 zu gewähren. Der Kläger nahm dieses Teilanerkenntnis an und erklärt den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt.
Auf den Weitergewährungsantrag des Klägers vom 12. Dezember 2005 holte die Beklagte ein weiteres Gutachten bei Dr. S. ein. Dieser führte aus, das Dickdarmkarzinom und die Lebermetastase seien nach Operation bzw. Chemotherapie ohne Rezidiv. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte für weitere Metastasen. Es bestünden ein metabolisches Syndrom, eine Adipositas Grad III (120 kg, BMI 37,4) und eine insulinpflichtige, schlecht eingestellte Blutzuckererkrankung mit Hinweisen auf eine beinbetonte Polyneuropathie (bisher ohne funktionsbehindernde Auswirkungen). Relevante krankheitswertige Befunde von leistungsmindernder Bedeutung seien nicht erhoben worden. Dies gelte auch für eine chronisch obstruktive Bronchitis bei Nikotinabusus sowie für den Zustand der linken Schulter nach arthroskopischer Operation im Juli 2005 (Impingement-Symptomatik und Rotatorenmanschettenläsion). Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien sechs Stunden und mehr arbeitstäglich möglich, ohne Wechselschicht und ohne besonderen Zeitdruck.
Die Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. August 2006 (Bescheid vom 10. April 2006). Auf den Widerspruch des Klägers stellte die Beklagte fest, dass die Rente ab 1. August 2006 nicht als Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, sondern als Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährt werde (Bescheid vom 15. Mai 2006). Im Übrigen wies sie den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2006).
Der Kläger hat hiergegen am 18. Juli 2006 Klage bei dem SG erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, es sei zwar richtig, dass die schwere Krebserkrankung zum Stillstand gekommen sei. Subjektiv habe sich sein Leidensdruck aber nicht verringert. Die Diabeteserkrankung habe sich verschlechtert. Er müsse dreimal täglich vor dem Essen Blutzucker messen und dann Medikamente zuführen. Auch wegen seiner Blutdruckerkrankung müsse er täglich Medikamente nehmen. Körperlichen Belastungen sehe er sich in keinster Weise mehr gewachsen.
Dr. O. hat die aktuellen Befunde übermittelt und als sachverständiger Zeuge erklärt, der Kläger klage seit Bestehen der Grunderkrankungen über funktionelle Bauchbeschwerden, allgemeine Müdigkeit, Leistungsschwäche und Luftnot bei Belastung.
Dr. S. hat ein weiteres internistisches Gutachten unter Berücksichtigung eines röntgenologischen Zusatzgutachtens von Dr. F. erstattet. Danach sei das Dickdarmkarzinom seit der Lebersegmentresektion ohne Rezidiv, d. h. der Kläger dürfe dahingehend augenblicklich als geheilt gelten. Im Vordergrund stünden nunmehr die weiteren internistischen Diagnosen, die das Bild eines metabolischen Syndroms zeigten, also der Diabetes mellitus (sekundär insulinpflichtig und schlecht eingestellt, mit Polyneuropathie und diabetischer Nephropathie Stadium II a), die Adipositas Grad III (115 kg, BMI 38,0), die arteriellen Hypertonie (hypertensive Herzkrankheit mit Belastungshypertonie; kein Hinweis auf eine koronare Herzkrankheit; bis einschließlich 100 Watt belastbar), eine Hypertriglyzeridämie sowie die chronisch obstruktive Bronchitis (ohne wesentliche Beeinträchtigung). Es lägen multiple gesundheitliche Beeinträchtigungen speziell aus dem kardiovaskulären Formenbereich vor. Infolge des Diabetes mellitus müsse der Kläger mindestens dreimal täglich Insulin spritzen, das dann gegebenenfalls während der Arbeitszeit, wobei dies im Prinzip möglich sei. Regelmäßige Nahrungsaufnahmen und Einnahmen von Zwischenmahlzeiten müssten gewährleistet sein. Aufgrund der chronischen internistischen Erkrankung, des Diabetes mellitus und auch der Herz-/Kreislauferkrankung sei der Kläger nur noch in der Lage, leichte Tätigkeiten vorrangig sitzend zu verrichten. Überkopfarbeiten oder Arbeiten in der Höhe seien nicht möglich. Insgesamt könne der Kläger eine Tätigkeit zwischen drei und sechs Stunden täglich wahrnehmen, wenn gewährleistet sei, dass er Zwischenmahlzeiten einnehmen sowie im "diskretem Rahmen" Blutzucker messen und Insulin spritzen könne.
Die Beklagte hat hierzu eine kritische Stellungnahme von Dr. B. vorgelegt. Danach sei ein mindestens dreimal tägliches Spritzen von Insulin mit den üblichen Arbeitsbedingungen ohne weiteres in Einklang zu bringen. Die Notwendigkeit vermehrter Arbeitspausen bestünde nicht, zumal davon auszugehen sei, dass zumindest zwei der genannten drei Injektionen außerhalb der Arbeitszeit erfolgten. Auch die Notwendigkeit eines "diskreten Rahmens" werde vom Gutachter nicht nachvollziehbar belegt. Aufgrund des Übergewichts, des Bluthochdrucks und der chronischen Bronchitis sei die Belastbarkeit des Klägers sicher eingeschränkt. Dies gelte aber nur im Hinblick auf mittelschwere oder gar schwere Tätigkeiten. Dem Gutachten fehle auch die erforderliche kritische Auseinandersetzung mit Vorgutachtern.
Das SG hat mit Urteil vom 10. Juni 2008 den Bescheid der Beklagten vom 10. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2007 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 1. August 2006 bis 31. Juli 2009 anstelle der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit die Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dr. S., so hat das SG zur Begründung ausgeführt, habe beim Kläger multiple gesundheitliche Beeinträchtigungen aus dem kardiovaskulären Formenbereich festgestellt, so dass seine Schlussfolgerung, der Kläger könne allenfalls leichte Tätigkeiten zwischen drei und sechs Stunden täglich verrichten, nachvollziehbar und schlüssig erscheine. Es gelinge derzeit nicht, eine vernünftige Einstellung des Diabetes mellitus zu erreichen, wobei der Verdacht bestehe, dass beim Kläger Diätfehler bestünden, auch sei eine Gewichtsreduktion dringend anzuraten. Diese Maßnahmen, die im Bereich der Lebensführung des Klägers lägen, begründeten, dass dem Kläger die Rente nicht auf unbestimmte Zeit, sondern nach den gesetzlichen Bestimmungen nur auf Zeit zu gewähren sei. Wenn Dr. B. ausführe, Dr. S. habe die Einschränkung in keiner Weise begründet, könne sich die Kammer diesem Eindruck nicht anschließen. Chronische und langjährig vorliegende Erkrankungen führten, je älter jemand werde, erfahrungsgemäß desto früher bei Verrichtung einer Ganztagstätigkeit zu Ermüdungs- oder Erschöpfungszeichen, was keiner weiteren Darlegung bedürfe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 17. Juli 2008 zugestellte Urteil am 24. Juli 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, es sei weder im Gutachten von Dr. S. noch im Urteil des SG nachvollziehbar begründet worden, warum der Kläger drei bis unter sechs Stunden, aber nicht sechs Stunden täglich arbeiten könne. Die Möglichkeit von Zwischenmahlzeiten, Blutzuckermessungen und dem Spritzen von Insulin bestünde im Rahmen der den Arbeitnehmern zustehenden persönlichen Verteilzeiten. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weswegen für das Messen des Blutzuckers bzw. die Insulininjektionen ein "diskreter Rahmen" notwendig sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. Juni 2008 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beruft sich auf das Gutachten von Dr. Schuler.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, auch des Rechtsstreits S 8 RJ 1036/02 vor dem SG, sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hätte den angefochtenen Bescheid nicht aufheben dürfen, denn er ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung an Stelle der ihm geleisteten Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Das angefochtene Urteil bedarf schon deswegen der Korrektur, weil dem Kläger derzeit keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit geleistet wird, an deren Stelle die Rente wegen voller Erwerbsminderung treten würde, sondern die nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB VI vorgehende Rente wegen Berufsunfähigkeit. Dies folgt auch aus dem Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2006, den das SG in seinem Urteil nicht erwähnt.
Auch im Übrigen folgt der Senat dem Urteil des SG nicht. Nachdem der Sachverhalt geklärt ist, insbesondere die beim Kläger vorliegenden Befunde und gestellten Diagnosen durch das vom SG eingeholte Gutachten und die in den Akten befindlichen weiteren ärztlichen Unterlagen aufgeklärt worden sind, bedarf es keiner weiteren Ermittlungen des Senats. Aufgrund der eigenen Beweiswürdigung gelangt der Senat aber zu einem vom SG abweichenden Ergebnis. Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert. Er ist vielmehr noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten mit einigen qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Ganz im Vordergrund - so haben es auch übereinstimmend alle Gutachter gesehen - stehen die internistischen Erkrankungen des Klägers. Nachdem sich seit März 2003 keine Folgen des Dickdarmkarzinoms mehr feststellen lassen, dieses vielmehr - soweit dies bei einer solchen Diagnose überhaupt angenommen werden kann - als ausgeheilt angesehen werden kann, verbleiben die übrigen internistischen Erkrankungen. Dies sind im Wesentlichen die Folgen des Diabetes mellitus, des Überwichts und des Bluthochdrucks.
Allein die Notwendigkeit regelmäßig Blutzucker zu messen und Insulin zu spritzen sowie Zwischenmahlzeiten einzunehmen, begründet keine Minderung der Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden arbeitstäglich. Die hierdurch bedingte Notwendigkeit von kurzen Pausen erfordert keine betriebsunüblichen Arbeitsbedingungen, wie der Senat bereits mehrfach für verschiedene vergleichbare Konstellationen entschieden hat (vgl. Urteil vom 23. Januar 2007, L 11 R 4905/06 [Blutzuckermessungen und Zwischenmahlzeiten bei Diabetes], Urteil vom 24. November 2007, L 11 R 684/06 [Nahrungsaufnahme]; Beschluss vom 5. Mai 2008, L 11 R 902/07 [Aufsuchen der Toilette bei Inkontinenz]); Urteil vom 3. Juni 2008, L 11 R 3677/06 [Pausen wegen chronischer Schmerzen]). Hierauf hat aber Dr. S. seine Leistungsbeurteilung entscheidend gestützt, weswegen der Senat sich ihr nicht anschließen kann.
Es ist zu erwarten, dass zwei der drei täglichen Insulininjektionen außerhalb der täglichen Arbeitszeit erfolgen, so dass diese zu keinen Beeinträchtigungen der Arbeitstätigkeit führen. Aber auch wenn der Kläger während der Arbeitszeit mehrfach Insulin spritzen sowie die Blutzuckermessungen vornehmen und Zwischenmahlzeiten einnehmen muss, kann der Kläger bei einer zugrunde gelegten Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden die ihm arbeitsrechtlich zustehenden Pausen von einer halben Stunde (§ 4 Arbeitszeitgesetz - ArbZG), die im Übrigen nach Maßgabe der §§ 4 und 7 ArbZG auch in kleinere Zeitabschnitte aufgeteilt werden können, nutzen, ohne dass dadurch eine Erwerbstätigkeit verhindert wird oder es betriebsunüblicher Pausen bedarf. Denn für die Blutzuckerbestimmungen sind maximal drei Minuten zu veranschlagen und für den Verzehr der Zwischenmahlzeit muss nur mit weiteren maximal drei bis fünf Minuten gerechnet werden (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2007, a.a.O.). Diese Unterbrechungen der Arbeit sind innerhalb der so genannten persönlichen Verteilzeiten möglich (vgl. zum Folgenden auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2003, L 14 RJ 137/01). Denn Kurzpausen von weniger als 15 min alle zwei Stunden gelten beispielsweise im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen. Für Büroarbeiten hat das Max-Planck-Institut für Arbeitsphysiologie deswegen die von den Arbeitgebern zugestandene persönliche Verteilzeit mit etwa 12 % der tariflich festgesetzten Arbeitszeit angesetzt.
Daher lässt sich die Notwendigkeit vermehrter Arbeitspausen nicht begründen. Gleiches gilt für diejenige besonderer Arbeitsbedingungen - eines "diskreten Rahmen" zur Blutzuckermessung und für das Spritzen von Insulin. Beides ist zumindest auf der Toilette möglich, die an einem Arbeitsplatz auch erreichbar ist.
Dass das Zusammenwirken aus Diabetes mellitus, Überwichts und Bluthochdruck den Kläger an einer sechsstündigen täglichen Arbeit hindert, hat Dr. S. nicht nachvollziehbar begründet und ist für den Senat auch nicht aus sonstigen ärztlichen Unterlagen ersichtlich. Der Senat schließt sich vielmehr der gegenteiligen Ansicht an, wie sie aus dem im Verwaltungsverfahren von Dr. S. erstellten Gutachten und in der Stellungnahme von Dr. B. ersichtlich ist.
Zwar ist der Diabetes mellitus weiterhin schlecht eingestellt und hat auch zu den in dem vom SG eingeholten Gutachten angegebenen Folgeschäden geführt. Letztere führen aber, wie Dr. S. in seinem Gutachten zum Weitergewährungsantrag vom 12. Dezember 2005 dargelegt hat, zu keinen funktionsbehindernden Auswirkungen. Auch Dr. S. hat solche nicht benannt. Außerdem bestand der Zustand schon bei der Begutachtung durch Dr. S. im ersten Klageverfahren, ohne dass dieser damals seine Annahme einer fehlenden Leistungsfähigkeit hierauf gestützt hätte. Vielmehr begründete Dr. S. diese damals mit den Folgen der Krebserkrankung, insbesondere der neu festgestellten Lebermetastase und der deswegen abzuwartenden Heilungsbewährung. Letztere ist aber mittlerweile erfolgreich beendet worden. Es ist daher nicht schlüssig, wenn Dr. S. nunmehr seine Annahme der Leistungsunfähigkeit des Klägers hierauf stützt, ohne zugleich eine deutliche Verschlechterung darzulegen.
Das gilt ebenso, wenn man das Übergewicht des Klägers hinzunimmt, denn dieses hat sich seit der damaligen gutachtlichen Untersuchung nicht verschlechtert, sondern sogar - wenn auch in überschaubarem Rahmen - reduziert. Auch dem Bluthochdruck, der keine ausgeprägten Blutdruckspitzen aufweist, maß Dr. S. bei seiner ersten gutachtlichen Untersuchung des Klägers keine entscheidende Bedeutung zu, so dass für den Senat nicht erkennbar ist, welche neue Aussage hieraus abgeleitet werden kann.
Nicht gefolgt werden kann auch der Argumentation des SG, chronische und langjährig vorliegende Erkrankungen führten, je älter ein Versicherter werde, erfahrungsgemäß desto früher bei Verrichtung einer Ganztagstätigkeit zu Ermüdungs- oder Erschöpfungszeichen. Dies mag in dieser Allgemeinheit zutreffen, doch ist weder vom SG noch von Dr. S., auf den sich das SG stützt, dargelegt, dass und in welchem Umfang sowie aufgrund welcher Erkrankung dies beim Kläger der Fall ist. Dass allein das zunehmende Alter die Annahme einer Erwerbsminderung nicht begründen kann, bedarf keiner weiteren Begründung.
Zu keinen weitergehenden Beeinträchtigungen führt die chronische obstruktive Bronchitis, wie dies auch Dr. S. ausdrücklich ausgeführt hat. Gleiches muss für die kardiovaskuläre Erkrankung angenommen werden. Der Kläger war bis einschließlich 100 Watt belastbar. Der Abbruch bei 100 Watt erfolgte wegen peripherer Erschöpfung (Schmerzen in den Kniegelenken), es wurde nur eine leichte Dyspnoe, keine Angina-pectoris-Schmerzen und eine leichtgradige Belastungshypertonie festgestellt. Die altersentsprechende Mindestbewertung wurde nicht vollständig erreicht. Hinweise auf eine koronare Herzerkrankung hat Dr. S. ausdrücklich verneint. Dass hieraus über eine Begrenzung der Erwerbstätigkeit auf leichte körperliche Arbeiten hinausgehende Auswirkungen abgeleitet werden können, hat Dr. S. nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Den Wirbelsäulenbeeinträchtigungen und die Beschwerden im Bereich der Schultern kann dadurch begegnet werden, dass schwere und mittelschwere Tätigkeiten sowie Überkopfarbeiten ausscheiden. Weitere bedeutsame körperliche Erkrankungen hat auch Ärzte Dr. O. nicht mitgeteilt.
Psychische Beeinträchtigungen von Belang sind nicht festzustellen. Dr. S. hat insoweit nur auf psychische Belastungen, die aufgrund des Zustandes nach Krebserkrankung mit daraus resultierenden Komplikationen hingewiesen. Dies ist, worin Dr. B. Recht zu geben ist, so allgemein gehalten, dass sich hieraus keine funktionellen Einschränkungen ableiten lassen. Auch aus dem Gutachten von Dr. S. sind keine wesentlichen Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet erkennbar. Gleichfalls hat Dr. O. solches nicht mitgeteilt und aus den von ihm übermittelten Arztbriefen finden sich ebenfalls keine entsprechenden Hinweise. In fachnervenärztlicher Behandlung befindet sich der Kläger nicht.
Bei einer Gesamtbetrachtung verbleibt es daher dabei, dass der Kläger nicht erwerbsgemindert ist, weswegen der streitige Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht besteht, das Urteil des SG daher aufzuheben und die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung an Stelle der ihm geleisteten Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der am 20. Januar 1949 geborene Kläger ist gelernter Maler. Seit März 2000 ist er arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos. Die Beklagte gewährte ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, befristet vom 1. September 2000 bis 30. September 2001 (Bescheid vom 11. Oktober 2000). Grundlage hierfür war das Gutachten von Dr. S., der insbesondere auf die Folgen eines im Februar 2000 operativ behandelten Dickdarmkarzinoms hingewiesen hatte. Den Weitergewährungsantrag des Klägers lehnte die Beklagte zunächst ab, gewährte aber im Widerspruchsverfahren Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer (Widerspruchsbescheid vom 20. März 2002).
In dem anschließenden Klageverfahren (S 8 RJ 1036/02) vor dem Sozialgericht Ulm (SG), in dem der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit begehrte, wurden die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. O. vertrat die Ansicht, der Kläger sei aufgrund seiner Erkrankungen nicht mehr in der Lage, vollschichtig zu arbeiten. Der Radiologe Dr. J. gab an, seitens der von ihm durchgeführten Schilddrüsendiagnostik spreche nichts gegen eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Weiterhin holte das SG ein internistisches Gutachten bei Dr. S., Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin der H. Klinik, G., ein. Dieser stellte bei der Begutachtung eine Lebermetastase fest, die umgehend (März 2003) operativ behandelt wurde. Daneben diagnostizierte er einen schlecht eingestellten Diabetes mellitus Typ II mit Folgeschäden (Polyneuropathie, Nephropathie), eine Adipositas Grad III (123,6 kg, Body-Maß-Index [BMI] 40,82), eine arterielle Hypertonie (ohne ausgeprägte Blutdruckspitzen), eine Fettstoffwechselstörung, eine chronisch obstruktive Bronchitis (unter Behandlung weitgehend normale pulmonale Leistungsfähigkeit), eine chronische Gastritis (medikamentös behandelbar), eine Harnwegsinfektion (mit Antibiotika behandelbar), eine schwere Leberverfettung, eine Schilddrüsenerkrankung und degenerative Veränderungen der gesamten Wirbelsäule. Die kardiale Leitungsfähigkeit erschien altersgemäß normal (belastbar im Belastungs-EKG bis 125 Watt). Aufgrund des Tumorleidens, bei dem eine Heilungsbewährung von drei bis fünf Jahren abgewartet werden müsse, sei der Kläger derzeit als erwerbsunfähig anzusehen. Im Übrigen sei die Leistungsfähigkeit auch davon abhängig, ob eine Gewichtsreduktion erreicht werden könne. Die Beklagte anerkannte daraufhin, dass der Kläger seit 14. Januar 2003 voll erwerbsgemindert ist. Sie erklärte sich bereit, Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet ab 1. August 2003 bis 31. Juli 2006 zu gewähren. Der Kläger nahm dieses Teilanerkenntnis an und erklärt den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt.
Auf den Weitergewährungsantrag des Klägers vom 12. Dezember 2005 holte die Beklagte ein weiteres Gutachten bei Dr. S. ein. Dieser führte aus, das Dickdarmkarzinom und die Lebermetastase seien nach Operation bzw. Chemotherapie ohne Rezidiv. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte für weitere Metastasen. Es bestünden ein metabolisches Syndrom, eine Adipositas Grad III (120 kg, BMI 37,4) und eine insulinpflichtige, schlecht eingestellte Blutzuckererkrankung mit Hinweisen auf eine beinbetonte Polyneuropathie (bisher ohne funktionsbehindernde Auswirkungen). Relevante krankheitswertige Befunde von leistungsmindernder Bedeutung seien nicht erhoben worden. Dies gelte auch für eine chronisch obstruktive Bronchitis bei Nikotinabusus sowie für den Zustand der linken Schulter nach arthroskopischer Operation im Juli 2005 (Impingement-Symptomatik und Rotatorenmanschettenläsion). Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien sechs Stunden und mehr arbeitstäglich möglich, ohne Wechselschicht und ohne besonderen Zeitdruck.
Die Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. August 2006 (Bescheid vom 10. April 2006). Auf den Widerspruch des Klägers stellte die Beklagte fest, dass die Rente ab 1. August 2006 nicht als Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, sondern als Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährt werde (Bescheid vom 15. Mai 2006). Im Übrigen wies sie den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2006).
Der Kläger hat hiergegen am 18. Juli 2006 Klage bei dem SG erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, es sei zwar richtig, dass die schwere Krebserkrankung zum Stillstand gekommen sei. Subjektiv habe sich sein Leidensdruck aber nicht verringert. Die Diabeteserkrankung habe sich verschlechtert. Er müsse dreimal täglich vor dem Essen Blutzucker messen und dann Medikamente zuführen. Auch wegen seiner Blutdruckerkrankung müsse er täglich Medikamente nehmen. Körperlichen Belastungen sehe er sich in keinster Weise mehr gewachsen.
Dr. O. hat die aktuellen Befunde übermittelt und als sachverständiger Zeuge erklärt, der Kläger klage seit Bestehen der Grunderkrankungen über funktionelle Bauchbeschwerden, allgemeine Müdigkeit, Leistungsschwäche und Luftnot bei Belastung.
Dr. S. hat ein weiteres internistisches Gutachten unter Berücksichtigung eines röntgenologischen Zusatzgutachtens von Dr. F. erstattet. Danach sei das Dickdarmkarzinom seit der Lebersegmentresektion ohne Rezidiv, d. h. der Kläger dürfe dahingehend augenblicklich als geheilt gelten. Im Vordergrund stünden nunmehr die weiteren internistischen Diagnosen, die das Bild eines metabolischen Syndroms zeigten, also der Diabetes mellitus (sekundär insulinpflichtig und schlecht eingestellt, mit Polyneuropathie und diabetischer Nephropathie Stadium II a), die Adipositas Grad III (115 kg, BMI 38,0), die arteriellen Hypertonie (hypertensive Herzkrankheit mit Belastungshypertonie; kein Hinweis auf eine koronare Herzkrankheit; bis einschließlich 100 Watt belastbar), eine Hypertriglyzeridämie sowie die chronisch obstruktive Bronchitis (ohne wesentliche Beeinträchtigung). Es lägen multiple gesundheitliche Beeinträchtigungen speziell aus dem kardiovaskulären Formenbereich vor. Infolge des Diabetes mellitus müsse der Kläger mindestens dreimal täglich Insulin spritzen, das dann gegebenenfalls während der Arbeitszeit, wobei dies im Prinzip möglich sei. Regelmäßige Nahrungsaufnahmen und Einnahmen von Zwischenmahlzeiten müssten gewährleistet sein. Aufgrund der chronischen internistischen Erkrankung, des Diabetes mellitus und auch der Herz-/Kreislauferkrankung sei der Kläger nur noch in der Lage, leichte Tätigkeiten vorrangig sitzend zu verrichten. Überkopfarbeiten oder Arbeiten in der Höhe seien nicht möglich. Insgesamt könne der Kläger eine Tätigkeit zwischen drei und sechs Stunden täglich wahrnehmen, wenn gewährleistet sei, dass er Zwischenmahlzeiten einnehmen sowie im "diskretem Rahmen" Blutzucker messen und Insulin spritzen könne.
Die Beklagte hat hierzu eine kritische Stellungnahme von Dr. B. vorgelegt. Danach sei ein mindestens dreimal tägliches Spritzen von Insulin mit den üblichen Arbeitsbedingungen ohne weiteres in Einklang zu bringen. Die Notwendigkeit vermehrter Arbeitspausen bestünde nicht, zumal davon auszugehen sei, dass zumindest zwei der genannten drei Injektionen außerhalb der Arbeitszeit erfolgten. Auch die Notwendigkeit eines "diskreten Rahmens" werde vom Gutachter nicht nachvollziehbar belegt. Aufgrund des Übergewichts, des Bluthochdrucks und der chronischen Bronchitis sei die Belastbarkeit des Klägers sicher eingeschränkt. Dies gelte aber nur im Hinblick auf mittelschwere oder gar schwere Tätigkeiten. Dem Gutachten fehle auch die erforderliche kritische Auseinandersetzung mit Vorgutachtern.
Das SG hat mit Urteil vom 10. Juni 2008 den Bescheid der Beklagten vom 10. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2007 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 1. August 2006 bis 31. Juli 2009 anstelle der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit die Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dr. S., so hat das SG zur Begründung ausgeführt, habe beim Kläger multiple gesundheitliche Beeinträchtigungen aus dem kardiovaskulären Formenbereich festgestellt, so dass seine Schlussfolgerung, der Kläger könne allenfalls leichte Tätigkeiten zwischen drei und sechs Stunden täglich verrichten, nachvollziehbar und schlüssig erscheine. Es gelinge derzeit nicht, eine vernünftige Einstellung des Diabetes mellitus zu erreichen, wobei der Verdacht bestehe, dass beim Kläger Diätfehler bestünden, auch sei eine Gewichtsreduktion dringend anzuraten. Diese Maßnahmen, die im Bereich der Lebensführung des Klägers lägen, begründeten, dass dem Kläger die Rente nicht auf unbestimmte Zeit, sondern nach den gesetzlichen Bestimmungen nur auf Zeit zu gewähren sei. Wenn Dr. B. ausführe, Dr. S. habe die Einschränkung in keiner Weise begründet, könne sich die Kammer diesem Eindruck nicht anschließen. Chronische und langjährig vorliegende Erkrankungen führten, je älter jemand werde, erfahrungsgemäß desto früher bei Verrichtung einer Ganztagstätigkeit zu Ermüdungs- oder Erschöpfungszeichen, was keiner weiteren Darlegung bedürfe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 17. Juli 2008 zugestellte Urteil am 24. Juli 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, es sei weder im Gutachten von Dr. S. noch im Urteil des SG nachvollziehbar begründet worden, warum der Kläger drei bis unter sechs Stunden, aber nicht sechs Stunden täglich arbeiten könne. Die Möglichkeit von Zwischenmahlzeiten, Blutzuckermessungen und dem Spritzen von Insulin bestünde im Rahmen der den Arbeitnehmern zustehenden persönlichen Verteilzeiten. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weswegen für das Messen des Blutzuckers bzw. die Insulininjektionen ein "diskreter Rahmen" notwendig sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. Juni 2008 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beruft sich auf das Gutachten von Dr. Schuler.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, auch des Rechtsstreits S 8 RJ 1036/02 vor dem SG, sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hätte den angefochtenen Bescheid nicht aufheben dürfen, denn er ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung an Stelle der ihm geleisteten Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Das angefochtene Urteil bedarf schon deswegen der Korrektur, weil dem Kläger derzeit keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit geleistet wird, an deren Stelle die Rente wegen voller Erwerbsminderung treten würde, sondern die nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB VI vorgehende Rente wegen Berufsunfähigkeit. Dies folgt auch aus dem Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2006, den das SG in seinem Urteil nicht erwähnt.
Auch im Übrigen folgt der Senat dem Urteil des SG nicht. Nachdem der Sachverhalt geklärt ist, insbesondere die beim Kläger vorliegenden Befunde und gestellten Diagnosen durch das vom SG eingeholte Gutachten und die in den Akten befindlichen weiteren ärztlichen Unterlagen aufgeklärt worden sind, bedarf es keiner weiteren Ermittlungen des Senats. Aufgrund der eigenen Beweiswürdigung gelangt der Senat aber zu einem vom SG abweichenden Ergebnis. Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert. Er ist vielmehr noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten mit einigen qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Ganz im Vordergrund - so haben es auch übereinstimmend alle Gutachter gesehen - stehen die internistischen Erkrankungen des Klägers. Nachdem sich seit März 2003 keine Folgen des Dickdarmkarzinoms mehr feststellen lassen, dieses vielmehr - soweit dies bei einer solchen Diagnose überhaupt angenommen werden kann - als ausgeheilt angesehen werden kann, verbleiben die übrigen internistischen Erkrankungen. Dies sind im Wesentlichen die Folgen des Diabetes mellitus, des Überwichts und des Bluthochdrucks.
Allein die Notwendigkeit regelmäßig Blutzucker zu messen und Insulin zu spritzen sowie Zwischenmahlzeiten einzunehmen, begründet keine Minderung der Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden arbeitstäglich. Die hierdurch bedingte Notwendigkeit von kurzen Pausen erfordert keine betriebsunüblichen Arbeitsbedingungen, wie der Senat bereits mehrfach für verschiedene vergleichbare Konstellationen entschieden hat (vgl. Urteil vom 23. Januar 2007, L 11 R 4905/06 [Blutzuckermessungen und Zwischenmahlzeiten bei Diabetes], Urteil vom 24. November 2007, L 11 R 684/06 [Nahrungsaufnahme]; Beschluss vom 5. Mai 2008, L 11 R 902/07 [Aufsuchen der Toilette bei Inkontinenz]); Urteil vom 3. Juni 2008, L 11 R 3677/06 [Pausen wegen chronischer Schmerzen]). Hierauf hat aber Dr. S. seine Leistungsbeurteilung entscheidend gestützt, weswegen der Senat sich ihr nicht anschließen kann.
Es ist zu erwarten, dass zwei der drei täglichen Insulininjektionen außerhalb der täglichen Arbeitszeit erfolgen, so dass diese zu keinen Beeinträchtigungen der Arbeitstätigkeit führen. Aber auch wenn der Kläger während der Arbeitszeit mehrfach Insulin spritzen sowie die Blutzuckermessungen vornehmen und Zwischenmahlzeiten einnehmen muss, kann der Kläger bei einer zugrunde gelegten Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden die ihm arbeitsrechtlich zustehenden Pausen von einer halben Stunde (§ 4 Arbeitszeitgesetz - ArbZG), die im Übrigen nach Maßgabe der §§ 4 und 7 ArbZG auch in kleinere Zeitabschnitte aufgeteilt werden können, nutzen, ohne dass dadurch eine Erwerbstätigkeit verhindert wird oder es betriebsunüblicher Pausen bedarf. Denn für die Blutzuckerbestimmungen sind maximal drei Minuten zu veranschlagen und für den Verzehr der Zwischenmahlzeit muss nur mit weiteren maximal drei bis fünf Minuten gerechnet werden (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2007, a.a.O.). Diese Unterbrechungen der Arbeit sind innerhalb der so genannten persönlichen Verteilzeiten möglich (vgl. zum Folgenden auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2003, L 14 RJ 137/01). Denn Kurzpausen von weniger als 15 min alle zwei Stunden gelten beispielsweise im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen. Für Büroarbeiten hat das Max-Planck-Institut für Arbeitsphysiologie deswegen die von den Arbeitgebern zugestandene persönliche Verteilzeit mit etwa 12 % der tariflich festgesetzten Arbeitszeit angesetzt.
Daher lässt sich die Notwendigkeit vermehrter Arbeitspausen nicht begründen. Gleiches gilt für diejenige besonderer Arbeitsbedingungen - eines "diskreten Rahmen" zur Blutzuckermessung und für das Spritzen von Insulin. Beides ist zumindest auf der Toilette möglich, die an einem Arbeitsplatz auch erreichbar ist.
Dass das Zusammenwirken aus Diabetes mellitus, Überwichts und Bluthochdruck den Kläger an einer sechsstündigen täglichen Arbeit hindert, hat Dr. S. nicht nachvollziehbar begründet und ist für den Senat auch nicht aus sonstigen ärztlichen Unterlagen ersichtlich. Der Senat schließt sich vielmehr der gegenteiligen Ansicht an, wie sie aus dem im Verwaltungsverfahren von Dr. S. erstellten Gutachten und in der Stellungnahme von Dr. B. ersichtlich ist.
Zwar ist der Diabetes mellitus weiterhin schlecht eingestellt und hat auch zu den in dem vom SG eingeholten Gutachten angegebenen Folgeschäden geführt. Letztere führen aber, wie Dr. S. in seinem Gutachten zum Weitergewährungsantrag vom 12. Dezember 2005 dargelegt hat, zu keinen funktionsbehindernden Auswirkungen. Auch Dr. S. hat solche nicht benannt. Außerdem bestand der Zustand schon bei der Begutachtung durch Dr. S. im ersten Klageverfahren, ohne dass dieser damals seine Annahme einer fehlenden Leistungsfähigkeit hierauf gestützt hätte. Vielmehr begründete Dr. S. diese damals mit den Folgen der Krebserkrankung, insbesondere der neu festgestellten Lebermetastase und der deswegen abzuwartenden Heilungsbewährung. Letztere ist aber mittlerweile erfolgreich beendet worden. Es ist daher nicht schlüssig, wenn Dr. S. nunmehr seine Annahme der Leistungsunfähigkeit des Klägers hierauf stützt, ohne zugleich eine deutliche Verschlechterung darzulegen.
Das gilt ebenso, wenn man das Übergewicht des Klägers hinzunimmt, denn dieses hat sich seit der damaligen gutachtlichen Untersuchung nicht verschlechtert, sondern sogar - wenn auch in überschaubarem Rahmen - reduziert. Auch dem Bluthochdruck, der keine ausgeprägten Blutdruckspitzen aufweist, maß Dr. S. bei seiner ersten gutachtlichen Untersuchung des Klägers keine entscheidende Bedeutung zu, so dass für den Senat nicht erkennbar ist, welche neue Aussage hieraus abgeleitet werden kann.
Nicht gefolgt werden kann auch der Argumentation des SG, chronische und langjährig vorliegende Erkrankungen führten, je älter ein Versicherter werde, erfahrungsgemäß desto früher bei Verrichtung einer Ganztagstätigkeit zu Ermüdungs- oder Erschöpfungszeichen. Dies mag in dieser Allgemeinheit zutreffen, doch ist weder vom SG noch von Dr. S., auf den sich das SG stützt, dargelegt, dass und in welchem Umfang sowie aufgrund welcher Erkrankung dies beim Kläger der Fall ist. Dass allein das zunehmende Alter die Annahme einer Erwerbsminderung nicht begründen kann, bedarf keiner weiteren Begründung.
Zu keinen weitergehenden Beeinträchtigungen führt die chronische obstruktive Bronchitis, wie dies auch Dr. S. ausdrücklich ausgeführt hat. Gleiches muss für die kardiovaskuläre Erkrankung angenommen werden. Der Kläger war bis einschließlich 100 Watt belastbar. Der Abbruch bei 100 Watt erfolgte wegen peripherer Erschöpfung (Schmerzen in den Kniegelenken), es wurde nur eine leichte Dyspnoe, keine Angina-pectoris-Schmerzen und eine leichtgradige Belastungshypertonie festgestellt. Die altersentsprechende Mindestbewertung wurde nicht vollständig erreicht. Hinweise auf eine koronare Herzerkrankung hat Dr. S. ausdrücklich verneint. Dass hieraus über eine Begrenzung der Erwerbstätigkeit auf leichte körperliche Arbeiten hinausgehende Auswirkungen abgeleitet werden können, hat Dr. S. nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Den Wirbelsäulenbeeinträchtigungen und die Beschwerden im Bereich der Schultern kann dadurch begegnet werden, dass schwere und mittelschwere Tätigkeiten sowie Überkopfarbeiten ausscheiden. Weitere bedeutsame körperliche Erkrankungen hat auch Ärzte Dr. O. nicht mitgeteilt.
Psychische Beeinträchtigungen von Belang sind nicht festzustellen. Dr. S. hat insoweit nur auf psychische Belastungen, die aufgrund des Zustandes nach Krebserkrankung mit daraus resultierenden Komplikationen hingewiesen. Dies ist, worin Dr. B. Recht zu geben ist, so allgemein gehalten, dass sich hieraus keine funktionellen Einschränkungen ableiten lassen. Auch aus dem Gutachten von Dr. S. sind keine wesentlichen Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet erkennbar. Gleichfalls hat Dr. O. solches nicht mitgeteilt und aus den von ihm übermittelten Arztbriefen finden sich ebenfalls keine entsprechenden Hinweise. In fachnervenärztlicher Behandlung befindet sich der Kläger nicht.
Bei einer Gesamtbetrachtung verbleibt es daher dabei, dass der Kläger nicht erwerbsgemindert ist, weswegen der streitige Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht besteht, das Urteil des SG daher aufzuheben und die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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