L 3 R 131/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 3338/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 131/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des SG Reutlingen vom 11. Dezember 2003 aufgehoben. Auf die Berufung der Klägerin wird die Beigeladene unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 28. Juni 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2001 verurteilt, an die Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01. Juli 2000 und für die Zeit vom 01. März 2003 bis 28. Februar 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat der Klägerin drei Viertel der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Kosten der Begutachtung durch Dr. I. werden auf die Staatskasse übernommen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Zuerkennung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 23.02.1968 in Kirgisien geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und anerkannte Vertriebene im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes. In der Zeit von 1983 bis 1987 besuchte sie die pädagogische Musikfachschule in der UdSSR, schloss mit der Qualifikation "Erzieherin in vorschulischen Einrichtungen" ab und war danach in einer Geflügelfabrik zunächst als Erzieherin, später als Laborantin und als Packerin beschäftigt. Nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland im Juni 1991 absolvierte sie erfolgreich eine Umschulung zur Friseurin (1.9.1993 bis 17.7.1995) und war in diesem Beruf auch vom 1.10.1995 bis 30.03.1999 versicherungspflichtig beschäftigt. In der Zeit vom 01.05.1999 bis 04.04.2000 war sie mit einer Arbeitszeit von 8 bis 14 Stunden pro Woche in einem Reisebüro als Angestellte beschäftigt.

Am 02.06.2000 beantragte die Klägerin eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Bereits zuvor hatte die Beklagte der Klägerin eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik für Rehabilitation G. vom 09.12.1997 bis 17.02.1998 bewilligt. Dort wurden die Diagnosen neurotische Depression mit somatoformem Schmerzsyndrom, Migräne, Verdacht auf Belastungshypertonie und Adipositas II. Grades gestellt. Die Klägerin könne sowohl die letzte berufliche Tätigkeit als Friseurin als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, zeitweise im Gehen und Sitzen in Tagesschicht noch vollschichtig verrichten. Ein von der Beklagten beigezogenes arbeitsamtsärztliches Gutachten von Dr. M. vom 02.02.00 hat eine halbschichtige Leistungsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit und eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte, überwiegend im Sitzen ausgeübte Tätigkeiten ohne häufiges Heben und Tragen in Tageschicht angenommen, wobei derzeit bis zur Intensivierung der notwendigen Therapiemaßnahmen nur halbschichtige Tätigkeiten empfohlen wurden.

Unter Berücksichtigung eines Befundberichtes des Internisten und Rheumatologen Dr. J. an die Beklagte, der über ein leicht teilrheumatisches Krankheitsbild (Fibromyalgiesyndrom) berichtet hatte, gewährte die Beklagte eine erneute Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der S.-Klinik Bad C. (stationärer Aufenthalt vom 19.04.2000 bis 17.05.2000). Im Entlassungsbericht wurden als Diagnosen ein Fibromyalgiesyndrom, Senk-/Spreizfüße, eine Osteoporose, eine latente Hyperthyreose seit 01/99 (medikamentös behandelt), eine Euthyreose und eine Adipositas angegeben. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin wurde als halb- bis untervollschichtig in ihrer letzten Tätigkeit als Friseurin beurteilt. Leichte Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen könne die Klägerin in Tagesschicht verrichten, wenn diese kein häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten erfordern würden und ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Klettern oder Steigen und ohne Absturzgefahr ausgeübt werden könnten. Des weiteren sollte die Klägerin keiner Nässe, Zugluft und extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt sein, ebenso keinen psychischen Belastungen, sodass eine Arbeit in Akkord bzw. eine Arbeit mit besonderen Anforderungen an das Konzentrations- bzw. Reaktionsvermögen nicht möglich sei.

Am 02.06.2000 erlitt die Klägerin einen Auffahrunfall. Wegen Nackenschmerzen und Schwindel befand sie sich in ambulanter Behandlung der Chirurgischen Klinik der Kreiskliniken Reutlingen (Befundbericht vom 13.07.2000).

In dem von der Beklagten veranlassten sozialmedizinischen Gutachten vom 05.06.2001 beschrieb Dr. B ... eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und Neigung zu depressiven Verstimmungen bei neurotischer Persönlichkeitsstruktur und sozialen Belastungsfaktoren. Außerdem bestünden ein deutliches Übergewicht mit übergewichtsbedingter Überlastung der Wirbelsäule und der körpertragenden Beingelenke sowie eine hohlrunde Fehlhaltung der Wirbelsäule. Darüber hinaus bestünden degenerative Veränderungen der Kniescheiben bei X-Beinfehlstellung sowie - ohne wesentliche Bedeutung für das Leistungsvermögen - Spannungskopfschmerzen und ein Ganglion des linken Handgelenkes. Dr. B ... hielt die Klägerin weiterhin für leichte, anteilig mittelschwere Arbeiten ohne vermehrten Zeitdruck vollschichtig einsetzbar. Auch als Reisebürokauffrau und Friseurin sei sie weiterhin vollschichtig belastbar.

Mit Bescheid vom 28.06.2001 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab. Zur Begründung führte sie aus, dass mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten vollschichtig ausgeübt werden könnten. Damit könne wenigstens die Hälfte dessen verdient werden, was gesunde Versicherte mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten üblicherweise verdienen könnten. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2001 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin könne ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Friseurin noch nachgehen und andere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ebenfalls ganztägig verrichten. Es bestehe auch kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der ab 01.01.2001 anzuwendenden Fassung des Gesetzes, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich arbeiten könne.

Hiergegen hat die Klägerin am 17.12.2001 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben.

Das SG hat u. a. den Neurologen und Psychiater Dr. E., die Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin Dr. Wucher und die Internistin und Rheumatologin Dr. H. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. E. hat über eine Migräne und Spannungskopfschmerzen, über eine vordiagnostizierte Fibromyalgie und über einen Verdacht auf eine Anpassungsstörung in der Zeit der Behandlung vom 13.11.2000 bis 20.06.2001 berichtet. Dr. Wucher hat mitgeteilt, dass sie die Klägerin in der Zeit vom 04.11.1997 bis 10.04.2000 mit einer ambulanten tiefenpsychologisch fundierten Einzelpsychotherapie behandelt habe (insgesamt 75 Sitzungen). Diese habe die körperlichen Beschwerden nur unzureichend auflösen können. Sie habe eine neurotische Depression, eine Migräne, Adipositas, einen unerfüllten Kinderwunsch und den Verdacht auf eine Fibromyalgie festgestellt. Die Klägerin sei in der Lage, leichte Arbeiten in Teilzeit zu verrichten, sofern sie nicht als Friseurin arbeiten müsse. Dr. H., die die Klägerin im Zeitraum vom 28.07.2000 bis 02.07.2001 behandelte, hat ein ausgeprägtes Fibromyalgiesyndrom und eine depressive Verstimmung bestätigt. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei dahingehend eingeschränkt, dass eine Erwerbsfähigkeit auch für leichte körperliche Arbeiten nur noch unter zwei Stunden pro Tag möglich sei. Die Prognose der somatoformen Schmerzstörung, die bereits chronifiziert sei, sei als äußerst schlecht anzusehen.

Das SG hat weiter Beweis erhoben durch das Einholen eines psychiatrischen Gutachtens bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A., Tübingen. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 26.08.2002 ausgeführt, die Klägerin leide an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit Schmerzen unterschiedlichen Charakters und unterschiedlicher Intensität, die sich sowohl diffus als auch lokalisiert am Körper manifestieren würden und affektiv und im Erleben mit einer depressiven Symptomatik einhergingen. Derzeit sei sie noch in der Lage leichte Arbeiten, die eher geistiger Natur sein und routinemäßig ablaufen müssten, zwei bis drei Stunden täglich, die für sie frei wählbar sein müssten, zu verrichten. Unter Vorlage einer Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. ist die Beklagte der Einschätzung von Dr. A. entgegen getreten. Sie hat insbesondere darauf verwiesen, dass kognitiv und emotional funktionell einschränkende Befunde nicht nachvollziehbar dargestellt seien. Eine Berentung würde bedeuten, die Klägerin weiter zu infantilisieren, sie von jeglicher Eigenverantwortung und Aktivität zu entbinden. Dr. A. sei nicht zu folgen, wenn sie annehme, dass die Klägerin zu der Gruppe derer gehöre, deren Motivation unbewusst sei und deren Symptombildung unabsichtlich erfolge. Die derzeitige Behandlung sei als unzureichend anzusehen. Insgesamt könne eine andere Beurteilung als bisher, nämlich dass der Klägerin leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zumutbar seien, aus dem Gutachten nicht begründet werden. In einer ergänzenden Stellungnahme hat Dr. A. an der von ihr vertretenen Auffassung festgehalten. Auch hierzu hat die Beklagte unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme von Dr. D. erwidert.

Mit Urteil vom 11.12.2003 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 01.01.2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit befristet bis zum 31.12.2003 zu bezahlen. Das SG geht von einem im Juni 2000 eingetretenen Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit aus, nachdem die medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der S.-Klinik Bad C. zwar keine wesentliche Besserung der Schmerzsymptomatik erbracht habe, die Klägerin sich jedoch etwas erholt und neue Zukunftsperspektiven erhalten habe. Dieser positive Effekt sei durch den am 02.06.2000 erlittenen weiteren Auffahrunfall, der zunächst in der chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses Reutlingen behandelt worden sei und zu einer Distorsion der Halswirbelsäule und Verdacht auf eine Steißbeinfraktur geführt habe, zunichte gemacht worden. Die Klägerin könne seit Juni 2000 daher nicht mehr vollschichtig einer zumutbaren Erwerbstätigkeit nachgehen.

Gegen das der Beklagten am 19.12.2003 zugestellte Urteil hat sie am 12.01.2004 Berufung eingelegt.

Sie macht geltend, nicht der zuständige Leistungsträger zu sein, weil die Klägerin bis 30.03.2000 als Reiseverkehrskauffrau geringfügig beschäftigt gewesen sei. Für diese Tätigkeit seien vom Arbeitgeber an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu zahlende Beiträge abgeführt worden. Des weiteren macht die Beklagte geltend, dass für eine Rentengewährung ab dem 01.01.2001 neues Recht anzuwenden gewesen wäre und deshalb die im Regelfall geringere Rente wegen voller Erwerbsminderung hätte zugesprochen werden müssen. In diesem Zusammenhang beanstandet sie, dass die Kammer ihrer Entscheidung einen am 02.06.2000 eingetretenen Versicherungsfall zugrunde gelegt habe. Bei dem geschilderten Auffahrunfall habe es sich um einen Bagatellunfall gehandelt. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb das SG zu dem Ergebnis habe kommen können, dass eine bleibende Leistungsminderung seit diesem Zeitpunkt bestehe. Die Beklagte hält auch weiterhin das Gutachten von Dr. A. nicht für nachvollziehbar und bezieht sich insoweit auf die Ausführungen der von ihr vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines weiteren psychiatrischen Gutachtens bei Prof. Dr. T., Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Bürgerhospitals Stuttgart. Im nervenärztlichen Gutachten vom 28.06.2005 haben Prof. T. und die Assistenzärztin Dr. B. eine somatoforme Schmerzstörung, eine Anpassungsstörung und emotionale Instabilität festgestellt. Es handele sich um seelisch bedingte Störungen und nicht um bloße Krankheitsvorstellungen. Diese seelischen Störungen würden nicht vorgetäuscht und würden auch nicht simuliert. Die Beschwerden seien nicht nur in der Untersuchungssituation zu beobachten, sondern auch sonst vorhanden. Es bestünde allerdings eine Aggravationstendenz, die Beschwerden würden durch die Probandin funktionell ausgestaltet und detailliert beschrieben. Sie leide sicherlich subjektiv an Schmerzen, wenn auch kein organisches Korrelat gefunden worden sei. Durch die Beschwerden könne sie zwar so gut es gehe ihre zweijährige Tochter versorgen und auch im Haushalt mache sie noch, was sie könne, jedoch gehe sie keinen Hobbys mehr nach, treffe sich kaum noch mit Bekannten und schaffe es nicht, ohne ihren Mann einkaufen zu gehen. Diese Symptomatik könne auch bei aller Willensanspannung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe nicht sofort oder innerhalb eines halben Jahres ganz oder teilweise überwunden werden. Die Schmerzen hätten sich bereits chronifiziert, sodass eine Therapie mit ärztlicher Hilfe sicherlich einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen würde. Allerdings habe die Klägerin schon einige erfolglose Vorbehandlungen hinter sich und scheine auch für eine ambulante Psychotherapie wenig motiviert zu sein. Letztendlich scheine deshalb momentan nur eine symptomatische medikamentöse Behandlung der Beschwerden in Frage zu kommen. Weil die Schmerzen eine psychische Ursache hätten, würden diese bei Ablehnung der Rente eher bestehen bleiben. Die Klägerin könne aufgrund der genannten Gesundheitsstörungen vollschichtig eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung ausüben. Schichtarbeit sollte vermieden werden. Im Gegensatz zur Einschätzung von Dr. A. gehe man nicht von einer depressiven Symptomatik, sondern eher zusätzlich von einer Anpassungsstörung und emotionalen Instabilität aus. Die unterschiedliche Einschätzung bezüglich des Leistungsvermögens beruhe möglicherweise darauf, dass man der Ansicht sei, dass eine Somatisierungsstörung nicht zwingend zu einer Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung führe.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat den Psychiater und Psychotherapeuten Dr. I. als Sachverständigen gehört. Auch dieser Sachverständige bestätigt in seinem Gutachten vom 29.05.2006 das Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung. Außerdem geht er vom Vorliegen einer seit Kindheit bestehenden Angststörung und depressiven Störung, d. h. von einer generalisierten Angststörung und Dysthymie aus. Hauptmerkmale der Angststörung seien die permanenten, von der Klägerin anschaulich geschilderten diffusen, in alle Lebensbereiche gedrungenen Befürchtungen wie: wie schaffe ich den Tag, stirbt die Tochter, wird der Ehemann wieder gereizt sein etc. Diese Gefühle und Gedanken könne die Klägerin nicht kontrollieren oder abstellen. Die Sorgen und Ängste würden durch Reizbarkeit, Ruhelosigkeit, Schwitzen, Heißhungerattacken, Schlafstörungen und weitere geschilderte vegetative Beschwerden begleitet. Bereits bei der bloßen Vorstellung, aus dem Haus zu gehen, etwas erledigen zu müssen, beginne die Klägerin zu schwitzen und nehme Ersatzwäsche mit, wenn sie aus dem Haus gehe. Hauptmerkmal der dysthymen Störung sei eine chronische, in der Kindheit oder Jugend beginnende depressive oder reizbare Verstimmung. Auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes und bei kritischer Würdigung sei auszuschließen, dass die Beschwerden vorgetäuscht würden. Die Klägerin berichte nachvollziehbar und glaubhaft, dass die Beschwerden jeden Tag vorhanden seien und nicht lediglich in der Untersuchungssituation. Diese psychiatrischen Erkrankungen könnten bei aller zumutbaren Willensanstrengung aus eigener Kraft und durch eigene Willensentschlüsse auch nicht unter ärztlicher Mithilfe sogleich oder innerhalb eines halben Jahres ganz oder teilweise überwunden werden. Er halte die Gewährung einer zeitlich befristeten Rente für notwendig. Diese würde die Voraussetzung schaffen, dass die Klägerin nicht nur um die Anerkennung ihrer Beschwerden kämpfen müsse, sondern sich auf die Besserung derselben konzentrieren könne. Seines Erachtens sei die Klägerin nicht in der Lage, sich eine Tätigkeit zu organisieren und auch nicht stundenweise einer leichten Tätigkeit nachzugehen. Sie sei nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitmarkt vollschichtig auszuüben, es sei auch keine höchstmögliche noch leistbare Stundenzahl anzugeben. Insoweit sei auch nicht vorstellbar, dass sie die zuletzt verrichtete Tätigkeit vollschichtig ausüben könne. Die Befunde stünden einer vollschichtigen Ausübung auch von Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe- Sortier-, Verpackungs- und /oder Etikettierarbeiten, Tätigkeit als Pförtnerin, Registratorin, Mitarbeiterin in einer Poststelle der Verwaltungsabteilung entgegen. Die Leistungseinschränkung bestünde seines Erachtens im Wesentlichen seit der Krankschreibung im Jahr 2000. Er gehe weiter davon aus, dass es zwischenzeitlich insgesamt zu einer Zunahme der Beschwerden gekommen sei. Prognostisch halte er eine wesentliche und nachhaltige Besserung in einem Dreijahreszeitraum für erreichbar.

Prof. Dr. T. und Dr. K. führen in ihrer vom Senat veranlassten ergänzenden Stellungnahme aus, dass die bei ihrer Begutachtung geäußerten Ängste, die teils diffuser Art gewesen seien, teils auf die Tochter bezogen gewesen seien, im Rahmen der bestehenden Anpassungsstörung gewertet worden seien. Insofern wichen sie von der Diagnose im Gutachten von Dr. I. ab. Sie hätten keine ausreichenden Hinweise für das Vorliegen einer generalisierten Angststörung gefunden. Sie vertreten die Auffassung, dass die Klägerin in einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitmarkt entsprechende Ablenkung finde, die sich günstig auf ihre Beschwerden auswirken könnte. Des weiteren würde ihr die Arbeit zu einer strukturierten Zeiteinteilung verhelfen, die sozialen Kontakte zu einer weiteren Besserung ihres verminderten Selbstwertgefühls führen und darüber hinaus auch eine Besserung der Schmerzsymptomatik und der depressiven Verstimmung ermöglichen.

Mit Beschluss vom 10.03.2004 hat der Senat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Rechtsvorgängerin der Deutschen Rentenversicherung Bund, zum Verfahren beigeladen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie wendet sich ebenfalls gegen die sozialmedizinische Beurteilung im Gutachten von Dr. A. im Hinblick auf die Feststellung, dass es der Klägerin nicht mit zumutbarer Willensanspannung (sowie unter Aufbietung aller Mittel des Willens bei Inanspruchnahme adäquater therapeutischer Bemühungen) eine ausreichende Belastbarkeit für eine vollschichtige Tätigkeit selbstverständlich unter Beachtung der qualitativen Einschränkungen zumutbar sein sollen. Des weiteren folgt sie den Ausführungen von Prof. T. und meint, dass aufgrund der von Dr. I. beschriebenen Motivation zur Durchführung einer Psychotherapie eine gute Behandlungsprognose bestünde, die ambulant und berufsbegleitend durchgeführt werden könne. Im Übrigen anerkennt die Beigeladene ihre Zuständigkeit.

Gegen das ihr am 18.12.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05.03.2004 Berufung eingelegt.

Sie beantragt,

im Wege der Anschlussberufung die Beigeladene zu verurteilen, ihr ab 01. Juni 2000 Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise ab einem späteren Zeitpunkt über den 31. Dezember 2003 hinaus zu gewähren.

Sie führt zur Begründung aus, dass sie eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer ab dem 01.06.2000 anstrebe. Diese beginne bereits mit Antragstellung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist insoweit begründet, als sie als unzuständiger Versicherungsträger zu Unrecht verurteilt worden ist, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit an die Klägerin zu gewähren. Das Urteil des SG war deshalb aufzuheben. Die Berufung der Beigeladenen bleibt hingegen ohne Erfolg. Die erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG eingelegte, von der Berufung der Beklagten in ihrem Bestand abhängige Anschlussberufung der Klägerin (vgl. § 202 SGG in Verbindung mit § 524 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 der Zivilprozessordnung) ist begründet, soweit die Klägerin auch einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer ab 01.07.2000 sowie auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab 01.03.2003 bis 28.02.2009 geltend macht. Ein darüber hinausgehender Anspruch sowie eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit steht ihr hingegen nicht zu.

Für die Klägerin sind aufgrund der geringfügigen Beschäftigung im Zeitraum vom 01.04.1999 bis 31.03.2000 pauschale Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung an die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, abgeführt worden. Die Klägerin hat aufgrund ihrer Tätigkeit als Angestellte der Zuständigkeit der BfA gemäß § 133 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) unterlegen. Dies ist zwischenzeitlich zwischen den Beteiligten ist unstreitig, die Beigeladene hat ihre Zuständigkeit auch anerkannt. Sie kann gemäß § 75 Abs. 5 SGG verurteilt werden., dass

Der Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, weil die Klägerin geltend macht, dass der Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI). Für den sinngemäß geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12.2000 sind aber die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung anzuwenden.

Anspruch auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie berufs- bzw. erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt des Versicherungsfalles die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1, § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F.).

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (bzw. ab 1. April 1999 monatlich 630,00 Deutsche Mark) übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbständige Tätigkeit ausübt oder eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz und Satz 2 SGB VI a.F.)

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VI a. F.). Entscheidend für die damit angesprochene Frage des Berufsschutzes kommt es auf die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit an, die sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs auf der Grundlage des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas bemisst. Ausgangspunkt der Prüfung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Kann der Versicherte diesen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das Bundessozialgericht hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellten besonders hoch qualifizierten Facharbeiters), eines Facharbeiters, der einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren ausübt, eines angelernten Arbeiters, der einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren ausübt, und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Dabei wird die Gruppe der angelernten Arbeiter nochmals in die Untergruppen der "oberen Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten) und "unteren Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von mindestens drei bis zu zwölf Monaten) unterteilt. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Denn das Gesetz sieht einen Versicherten nicht schon dann als berufsunfähig an, wenn er seinen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, sondern verlangt, ausgehend von diesem Beruf, einen "zumutbaren beruflichen Abstieg" in Kauf zu nehmen. Erst wenn ein Versicherter auch auf eine ihm zumutbare andere Tätigkeit nicht verwiesen werden kann, ist er berufsunfähig (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 55, 75, 86 und 90 sowie SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 2, 17, 28 und 41). Ferner ist erforderlich, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erwerben kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23).

Da die Klägerin eine Facharbeiterausbildung als Friseurin abgeschlossen und diesen Beruf zuletzt bis März 1999 ausgeübt hatte, genießt sie Berufsschutz als Facharbeiterin. Durch die nachfolgende kurzzeitige Tätigkeit als Angestellte in einem Reisebüro hat sie sich nicht von diesem Beruf gelöst. Die Versicherten dieser Berufsgruppe sind auf alle Tätigkeiten verweisbar, die zu den Facharbeiterberufen und den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehören oder die eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern (BSG SozR-2200 § 1246 Nr. 147; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17) oder die zumindest angelernten Tätigkeiten tarifvertraglich gleichgestellt sind (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 38). Nach der Rechtsprechung des BSG bedarf es stets der Benennung zumindest einer konkreten Verweisungstätigkeit (u.a. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136).

Nach den Feststellungen des Senats kann die Klägerin weder in ihrem bisherigen Beruf noch in zumutbaren Verweisungstätigkeiten arbeiten. Der Senat folgert dies für die Tätigkeit als Friseurin zunächst aus dem Entlassungsbericht der S.-Klinik Bad C., wo sich die Klägerin unmittelbar vor Antragstellung in stationärer Behandlung befunden hat. Dort war sie aufgrund des auch dort festgestellten und bestätigten Fibromyalgiesyndroms als halb- bis unter vollschichtig leistungsfähig in ihrer letzten Tätigkeit als Friseurin entlassen worden. Insbesondere sollte die Klägerin nur Tätigkeiten ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Klettern oder Steigen und ohne Absturzgefahr verrichten. Einer Tätigkeit, die im Wesentlichen im Stehen ausgeübt wird und eine dauernde Armvorhaltung erfordert, war daher der Klägerin bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr zuzumuten. So hat sich auch die vom SG als sachverständige Zeugin gehörte Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin Dr. Wucher dahingehend geäußert, dass es wegen der Fibromyalgie besonders bei Arbeiten mit erhobenen Armen während der Tätigkeit als Friseurin zu massiven Schmerzen kommt und sie die Klägerin nicht für in der Lage halte, als Friseurin weiter zu arbeiten. Ähnlich äußert sich auch die Internistin und Rheumatologin Dr. H., wenn sie ausführt, dass die Tätigkeit einer Friseurin bei vollschichtig stehender Tätigkeit keine leichte Arbeit sei. Auch wenn der Senat ihr nicht in der Beurteilung folgt, dass bereits im Juni 2000 eine Leistungsfähigkeit von unter zwei Stunden pro Tag auch für leichte körperliche Tätigkeiten vorgelegen hat, so ist ein unter vollschichtiges Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Friseurin für den Senat aufgrund der Berichte der behandelnden Ärzte nachvollziehbar und im Ergebnis nicht zweifelhaft. Deshalb kann auch den Ausführungen von Dr. B ... nicht gefolgt werden, der insoweit noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen angenommen hat.

Aufgrund der vorliegenden Einschränkungen sind auch keine anderen Tätigkeiten ersichtlich, die der Klägerin gesundheitlich zumutbar wären und auf die sie sozial zumutbar verwiesen werden könnte. Neben den bereits genannten, im Entlassungsbericht der S. Klinik beschriebenen qualitativen Einschränkungen werden in diesem auch Arbeiten mit psychischen Belastungen sowie Arbeiten mit besonderer Anforderung an das Konzentrations- bzw. Reaktionsvermögen ausgeschlossen. Deshalb scheiden nach Überzeugung des Senats auch die von der Beklagten im Termin genannten Tätigkeiten als Registrator oder Pförtner aus. Auch sonst sind zumutbare Verweisungstätigkeiten, die mit dem beschriebenen Restleistungsvermögen noch zumutbar ausgeübt werden könnten, für den Senat nicht ersichtlich (wie etwa Tätigkeiten als Telefonistin oder Rezeptionistin, die schon aufgrund der weitgehend erforderlichen einseitigen Körperhaltungen nicht ausgeübt werden können).

Die Klägerin erfüllt die allgemeine Wartezeit für einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit und es liegt bei Rentenantragstellung, wie sich aus dem Versicherungsverlauf und dem angefochtenen Bescheid der Beklagten ergibt, auch die weitere Voraussetzung - drei Jahre Pflichtbeitragszeiten in den letzten fünf Jahren - vor. Die Rente beginnt gemäß § 99 Abs. 1 SGB VI am 01.07.2000. Sie ist nicht zu befristen, weil keine begründete Aussicht bestand und besteht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann. Denn gemäß § 102 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI a. F. werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur dann auf Zeit geleistet, wenn die begründete Aussicht besteht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann. Für die in diesem Rahmen anzustellende Prognoseentscheidung reicht die Möglichkeit einer Behebung der Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit nicht aus. Wie das BSG bereits zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 1276 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) entschieden hat (Urteil vom 17.02.1982, 1 RJ 102/80 in SozR 2200 § 1276 Nr. 6), ist Kriterium für eine zeitliche Befristung die Wahrscheinlichkeit der Behebung der Berufs- und/oder Erwerbsunfähigkeit. Wahrscheinlichkeit ist dabei diejenige Möglichkeit, die nach sachgerechter und vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt; es muss sich unter Würdigung des Ergebnisses der Sachaufklärung ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden (so BSG a.a.O.). Ein solch deutliches Übergewicht kommt einer Heilungschance gegenüber der Möglichkeit des Fortbestandes der Erkrankung nach den hier maßgeblichen ärztlichen und gutachterlichen Äußerungen nicht zu. Denn die aufgrund des Fibromyalgiesyndroms bzw. der somatoformen Schmerzstörung bestehenden Leistungseinschränkungen haben ganz offensichtlich zu einer dauerhaften Leistungseinschränkung geführt. Dr. A. hat in ihrem Gutachten darauf hingewiesen, dass eine primäre Chronifizierung der Erkrankung vorliegt und erfolglos Vorbehandlungen lege artis sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt worden sind, ohne dass es bislang zu Remissionen gekommen ist. Die von ihr aufgezeigten Möglichkeiten einer kontinuierlichen medikamentösen, antidepressiven Behandlung, einer kognitiven Verhaltenstherapie oder einer psychosomatischen Reha-Maßnahme bewertet sie allenfalls als sinnvoll, ohne jedoch darzulegen, dass bei Durchführung solcher Maßnahmen tatsächlich von einer konkreten Heilungschance ausgegangen werden kann. Ähnlich hat sich auch die behandelnde Ärztin Dr. H. für die Zeit ihrer Behandlung (Juli 2000 bis Juli 2001) geäußert und die Prognose für eine bereits chronifizierte somatoforme Schmerzstörung ebenfalls als äußerst schlecht beurteilt. Eine nach alter Rechtslage erforderliche begründete Aussicht auf Besserung in absehbarer Zeit kann aufgrund der vorliegenden Berichte nach alledem nicht begründet werden. Der Klägerin steht daher eine Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.07.2000 und auf Dauer zu.

Der Senat vermag hingegen nicht der Auffassung des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. I. zu folgen, ein auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch für leichte Tätigkeiten bestehendes aufgehobenes Leistungsvermögen habe bereits bei Antragstellung vorgelegen. Ein solches ist nach Überzeugung des Senats erst für die Zeit nach der Untersuchung durch Dr. A. hinreichend nachgewiesen, sodass der Klägerin aufgrund dieses Versicherungsfalles Rente wegen voller Erwerbsminderung erst ab 01.07.2003 zu gewähren ist.

Nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 gültigen Fassung haben Versicherte dann einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Der Senat stützt sich dabei zunächst auf die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörten Dr. I ... Danach steht aufgrund der ausführlichen Befunderhebung durch Dr. I., der hierfür allein 4 Untersuchungstermine angesetzt hatte, für den Senat fest, dass die Klägerin nicht nur an einer somatoformen Schmerzstörung (was zwischen den gehörten Sachverständigen auch unstreitig ist) und nicht (nur) an einer depressiven Symptomatik oder Anpassungsstörung leidet, wie Dr. A. bzw. Prof Dr. T. in ihren Gutachten ausgeführt haben, sondern an einer seit ihrer Kindheit bestehenden generalisierten Angststörung und Dysthymie. Für den Senat in vollem Umfang nachvollziehbar hat Dr. I. hierzu ausgeführt, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Untersuchungen nicht einmal einfachste alltägliche Aufgaben im privaten Bereich bewältigen kann und es ihr aufgrund der Schmerzstörung, der Angststörung und der Dysthymie an Handlungsmotivation, Vitalität, Kraft, Impetus und der Fähigkeit zur Selbstorganisation und deren Umsetzung fehlt. Sie wird beschrieben als jemand, der in seiner Schmerzwelt, ihrem höchst negativen und pessimistischen Selbst- und Weltbild und ihren frustrierenden und traumatisierenden Erfahrungen gefangen ist, ohne dass diese psychiatrischen Erkrankungen bei aller zumutbaren Willensanspannung aus eigener Kraft und durch eigene Willensentschlüsse, auch nicht unter ärztliche Mithilfe, sogleich oder innerhalb eines halben Jahres ganz oder teilweise überwunden werden könnten. Diese Einschätzung deckt sich im Wesentlichen mit den Befunderhebungen und auch Schlussfolgerungen von Dr. A., die unter der Diagnose einer depressiven Symptomatik zu vergleichbaren Einschränkungen auf kognitiver, emotionaler, motivationaler und psychosozialer Ebene und zu einer vergleichbaren Leistungsbeurteilung gekommen ist. Ihre Leistungsbeurteilung einer noch zwei- bis dreistündigen Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten, die eher geistiger Natur sein und routiniert ablaufende Prozesse beinhalten müssten und darüber hinaus auch noch frei wählbare Arbeitszeiten, bestätigt, dass bereits zu diesem Zeitpunkt von einem unter dreistündigen Leistungsvermögen ausgegangen werden muss. Denn auch Dr. A. bestätigt, dass sie einen konkreten Arbeitsplatz, der die gestellten Anforderungen erfüllen könnte, nicht benennen kann. Auch die gegen die von Dr. A. erhobenen Einwendungen vermögen angesichts der von Dr. I. erhobenen weitergehenden Befunde im Hinblick auf eine chronische, in der Kindheit oder Jugend beginnende depressive oder reizbare Verstimmung, einhergehend mit einer Angststörung und der damit verbundenen Präzisierung der Diagnosen und damit verbundenen Klärung der Krankheitsgenese nicht zu überzeugen.

Nicht zu überzeugen vermochten auch die Ausführungen des ebenfalls als gerichtlichen Sachverständigen gehörten Prof Dr. T ... Seine Leistungsbeurteilung lässt jede Begründung vermissen, wenn er ausführt, er halte die Klägerin für in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig ausüben zu können, wenn Schichtarbeit vermieden werde. Dies gilt umso mehr, wenn er ausführt, dass es sich bei der von ihm ebenfalls diagnostizierten somatoformen Schmerz- und Anpassungsstörung um eine chronifizierte Erkrankung handele, die weder vorgetäuscht noch simuliert werde und die auch bei aller Willensanstrengung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe nicht sofort oder innerhalb eines halben Jahres ganz oder teilweise überwunden werden könne. Gleichzeitig legt er dar, dass sie "so gut es gehe" die zweijährige Tochter versorge und im Haushalt noch mache, was sie könne, jedoch keinen Hobbies mehr nachginge, kaum noch Bekannte treffe und es nicht mehr schaffe, ohne ihren Mann einkaufen zu gehen. Allein diese Ausführungen belegen für den Senat erhebliche Zweifel an einer noch vollschichtigen Leistungsfähigkeit. Nachfragen hierzu vonseiten des Sachverständigen im Rahmen der Exploration sind insoweit im Übrigen nicht vermerkt. Es bleibt daher offen, welche Tätigkeiten die Klägerin tatsächlich noch leistet und welche nicht. Darüber hinaus begründet Prof. Dr. T. weder hinreichend seine von Dr. A. und später auch von Dr. I. abweichende Diagnose(n) noch stellt er den von den beiden genannten Sachverständigen genannten Diagnosen eigene Befunde gegenüber, die diese Befunde und letztlich auch die daraus resultierende Einschätzungen widerlegen. Mit den von Dr. I. bezeichneten Mängeln (S. 22 f. des Gutachtens) setzt sich Prof. Dr. T. auch in der vom Senat veranlassten ergänzenden Stellungnahme nicht auseinander. Er stellt vielmehr fest, dass die eigene Untersuchung keine Hinweise für ein Vorliegen einer generalisierten Angststörung ergeben habe. Die von Dr. I. erhobenen Befunde, die dieser zur Begründung seiner Diagnosen herangezogen hat, werden von ihm nicht gewürdigt oder in Frage gestellt, sodass der Senat letztlich keinen Zweifel an einem derzeit aufgehobenen bzw. nur noch unter dreistündigen Leistungsvermögen auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes hat. Soweit Prof. Dr. T. von einer Behandlungsfähigkeit der Gesundheitsstörung ausgeht, steht dies der Annahme einer Erwerbsunfähigkeit nicht entgegen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 38). Eine unterbliebene Behandlung führt ohne Rücksicht auf die Ursachen der Unterlassung nicht dazu, dass vorhandene Gesundheitsstörungen nicht als Krankheit im Rechtssinne anzusehen sind (BSG SozR 2200 § 1277 Nr. 2). In entsprechenden Fällen kommt allerdings nur die Gewährung einer Zeitrente in Betracht (vgl. KassKomm-Niesel Rdnr. 73 zu § 43 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung und § 102 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI in der ab dem 1.1.2001 geltenden Fassung).

Den hinreichenden Nachweis eines solch eingeschränkten Leistungsvermögens erachtet der Senat jedoch noch nicht für im Antragsmonat als erbracht. Auch wenn der nach § 109 SGG gehörte Dr. I. von einer bereits seit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2000 bestehenden Leistungsminderung überzeugt ist, liegt ein Nachweis einer bereits zu diesem Zeitpunkt bestehenden so weitgehenden Leistungsminderung nicht vor. So wurde die Klägerin nach Überzeugung des Senats im Entlassungsbericht der S.klinik zutreffend dahingehend beurteilt, dass sie zwar nur halb- bis unter vollschichtig in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf, vollschichtig aber noch für leichte Tätigkeiten in Tagesschicht unter Berücksichtigung weiterer qualitativer Einschränkungen leistungsfähig ist. Zu einer vergleichbaren Leistungsbeurteilung (vollschichtig in Tagesschicht für ständig leichte Tätigkeiten) ist im Übrigen auch das in den Akten vorliegende arbeitsamtsärztliche Gutachten von Dr. M. vom 02.02.2000 gekommen. Soweit Dr. Wucher und Dr. H. in ihren sachverständigen Zeugenaussagen zu anderen Einschätzungen gelangen, vermag dies eine andere Beurteilung nicht zu begründen. Eine Begründung dafür, weshalb auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht verrichtet werden können, haben beide Zeuginnen nicht vorgebracht. Die in diesen Berichten beschriebenen Einschränkungen werden dabei auch im Wesentlichen mit körperlichen Einschränkungen begründet, während Dr. A. und Dr. I. später auch und zusätzlich (neben der Fibromyalgie oder somatoformen Schmerzstörung) gerade Einschränkungen beschreiben, die sich psychisch auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Dies sind insbesondere die von Dr. A. und Dr. I. beschriebenen Einschränkungen auf emotionalem, motivationalem und psychosozialem Gebiet. Erst hierdurch sieht es der Senat für nachgewiesen an, dass eine vollschichtige Tätigkeit nicht mehr leistbar gewesen ist. Nachdem beide genannten Sachverständigen von einem progressiven Krankheitsbild ausgehen und gutachterliche Äußerungen bzw. Berichte von Rehabilitationseinrichtungen vorliegen, die ein (noch) günstigeres Bild der Leistungsfähigkeit beschreiben, kann vom Nachweis einer entsprechenden Leistungsbeeinträchtigung nicht vor der Untersuchung bei Dr. A. und den dort getroffenen Feststellungen ausgegangen werden, zumal beide Sachverständige von einer Progression der Erkrankung in den vorangegangenen Jahren ausgehen. Auszugehen ist damit also von einem Versicherungsfall am 23.08.2002. Die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist zu befristen, weil nicht unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 S. 4 SGB VI). Im Gegensatz zur Rechtslage bis 31.12.2000 reicht für die Befristung die Möglichkeit der Behebung aus. Eine solche Möglichkeit hat Dr. I. in seinem Gutachten bejaht. Denn er hat ausgeführt, dass er es der Klägerin zutraue, mithilfe von Therapeuten eine Besserung des Gesundheitszustandes zu erreichen, auch wenn er gleichzeitig die prognostische Einschätzung für "kritisch" ansehe. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Sie beginnt daher am 01.03.2003 und war gemäß § 102 Abs. 2 S. 3 und S. 4 SGB VI wiederholt für die Dauer von jeweils drei Jahren auszusprechen. Die insoweit erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hat die Klägerin durch den Bezug der hier zugesprochenen Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt (§ 43 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 SGB VI), da sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung um die Bezugsdauer verlängert. Insoweit gilt das bereits zur Begründung der Rente wegen Berufsunfähigkeit Ausgeführte entsprechend. Während der Zeit des Bezuges der Rente wegen voller Erwerbsminderung tritt die gleichzeitig erfüllte Rente wegen Berufsunfähigkeit hinter diese zurück (§ 89 Abs. 1 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Kosten des Gutachtens nach § 109 SGG waren auf die Staatskasse zu übernehmen, weil das Gutachten wesentlich zur Sachaufklärung beigetragen hat.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved