L 10 U 2723/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 2420/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2723/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.04.2007 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 18.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2005 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, die Verletztenrente des Klägers nach einem Jahresarbeitsverdienst von anfangs 37.061,20 EUR zu bemessen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Siebtel der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine höhere Verletztenrente unter Zugrundelegung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes (JAV).

Der am 1964 geborene Kläger war seit 1992 als selbstständiger Reisejournalist tätig. Seine Tätigkeit hatte der Kläger derart organisiert, dass er Reisen nach Afrika - in der Zeit von 1996 bis 1999 von Mai bis Juli 1997 und von Juni bis August 1999 - unternahm und die Ergebnisse dieser Reisen anschließend durch Vortragsveranstaltungen, den Verkauf von Büchern, Kalendern etc. vermarktete. Der steuerrechtliche Gewinn des Klägers aus seiner selbständigen Tätigkeit in der Zeit von 1996 bis 1999 und die in dieser Zeit erzielten Umsatzerlöse stellen sich nach den von dem Kläger vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden und Übersichten über Umsatzerlöse wie folgt dar:

Gewinn Umsatzerlöse 1996 48.985,- DM 181.767,21 DM 1997 23.957,- DM 76.363,39 DM 1998 127.696,- DM 195.983,31 DM 1999 37.974,- DM 168.343,38 DM

Dabei wurden in den Monaten Juli, August und November 1999 keine Erlöse erzielt, im Dezember 1999 lediglich 538,88 DM. Zur weiteren Feststellung der monatlichen Umsätze der Jahre 1996 bis 1999 wird auf die vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Aufstellungen verwiesen. Am 20.10.1999 wurde der Kläger als Helfer bei einem Unfall von einem LKW erfasst und erlitt ein Polytrauma (Thoraxtrauma, Rippenserienfraktur, Hämatopneumothorax, Milzruptur, Acetabulumfraktur links und Claviculafraktur rechts). Er war danach nicht mehr in der Lage, seiner selbständigen Tätigkeit nachzugehen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestand bis 31.07.2001, ab 01.08.2001 absolvierte er eine zweijährige Umschulung zum Mediengestalter Bild/Ton.

Mit Bescheid vom 23.07.2002 anerkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall und bewilligte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung vom 01.08.2001 bis 31.05.2002 nach einer MdE um 20 v.H. und unter Zugrundelegung eines JAV von 30.884,33 EUR (errechnet aus dem anteiligen steuerrechtlichen Gewinn für 1998 und 1999). Hiergegen erhob der Kläger am 03.08.2002 Widerspruch, mit dem er sich zum einen gegen die Höhe der von der Beklagten zu Grunde gelegten MdE wandte - das insoweit vor dem Senat geführte Berufungsverfahren (L 10 U 2818/07) ist durch Vergleich beendet worden (MdE 60 v. H.) - und zum anderen geltend machte, die Beklagte habe einen zu geringen JAV zu Grunde gelegt. Die Beklagte verkenne, dass er ohne den Unfall auch in den Jahren 1999 und 2000 einen JAV in der Größenordnung des Jahres 1998 erzielt hätte. Er habe vom 29.06.1999 bis 08.09.1999 eine Reise nach Äthiopien unternommen und hätte aus dieser Reise, wenn der Unfall nicht eingetreten wäre, erhebliche Einkünfte (durch Vortragsveranstaltungen, Sponsoren, Verkauf von Kalendern und Büchern) erzielt. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des JAV sei daher grob unbillig.

Mit Bescheid vom 18.05.2005 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers teilweise ab und bewilligte ihm eine Rente auf unbestimmte Zeit ab 01.08.2001 nach einer MdE um 45 v.H., der JAV blieb unverändert. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte in der Begründung aus, gemäß § 82 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei der der Rentenberechnung zu Grunde zu legende JAV im Kalenderjahr vor dem Unfall maßgeblich, die Zugrundelegung eines fiktiv zu erzielenden JAV nach dem Unfall sei daher nicht möglich gewesen. Da sich der Kläger im Kalenderjahr vor dem Unfall zu vorbereitenden Tätigkeiten im Ausland befunden habe, sei hinsichtlich des JAV ein Mittelwert der Einkünfte aus den Jahren 1996 bis 1999 gebildet worden. Daraus habe sich ein Durchschnitt von 30.502,40 EUR ergeben. Verglichen mit dem der Rentenberechnung zu Grunde gelegten JAV in Höhe von 30.884,33 EUR sei festzustellen gewesen, das sich dieser JAV im Rahmen des Jahreseinkommens bewege, das dem Kläger im Vergleichszeitraum durchschnittlich zur Verfügung gestanden habe. Danach sei keine Unbilligkeit "in erheblichen Maße" gemäß § 87 SGB VII zu erkennen.

Der Kläger hat am 15.09.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und damit die Gewährung einer höheren Verletztenrente sowohl unter Zugrundelegung einer höheren MdE als auch eines höheren JAV begehrt. Das Sozialgericht Augsburg hat mit Beschluss vom 23.09.2005 die auf Gewährung einer höheren Rente unter Zugrundelegung eines höheren JAV gerichtete Klage vom Verfahren abgetrennt und mit weiterem Beschluss vom 08.05.2006 die Klageverfahren an das Sozialgericht Karlsruhe verwiesen.

Der Kläger hat geltend gemacht, der Rentenberechnung sei wesentlich höherer Arbeitsverdienst zu Grunde zu legen. § 82 SGG VII gelte gerade nicht, wenn es hierbei zu unbilligen Ergebnissen komme. Diese Unbilligkeit liege bei ihm darin, dass die Regelberechnung dazu führe, dass neun Monate mit einem aus dem Jahresverdienst 1999 von 37.974,- DM errechneten Durchschnittswert und lediglich drei Monate mit einem höheren Durchschnittswert errechnet aus dem Jahresverdienst des Jahres 1998 in Höhe von 127.686,- DM zu Grunde gelegt würden. Der JAV für das Jahr 1999 sei aber in Folge des Unfalls ungewöhnlich niedrig ausgefallen. Außerdem sei der Arbeitsverdienst im Jahr 1999 deshalb deutlich gemindert gewesen, weil entsprechende Kosten für die Reise nach Äthiopien angefallen seien. Zum anderen hätten in dieser Zeit kaum Einnahmen erzielt werden können. Aus dieser Investition hätten nicht nur Gewinne für das Jahr 1999, sondern auch die Jahr 2000 und 2001 erwachsen sollen. Die Einbeziehung der reisebedingten Kosten und Umsatzausfälle führe zu einer willkürlichen Benachteiligung des Klägers, insbesondere auch verglichen mit einem Journalisten, der seine Tätigkeit unselbstständig ausübe. Gegen die Unbilligkeit der Bemessung des JAV könne auch nicht der Mittelwert aus den Einkünften aus den Jahren 1996 bis 1999 eingewandt werden, eine Mittelwertbildung unter Einbeziehung des Jahres 1996 sei schon deshalb nicht zulässig, weil sich in diesem Jahr die selbstständige Tätigkeit des Klägers noch im Aufbau befunden habe.

Mit Urteil vom 05.04.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in der Begründung ausgeführt, die Beklagte habe den JAV nach § 82 Abs.1 Satz 1 SGB VII zutreffend mit 30.884,33 EUR ermittelt. Diese Festsetzung sei nicht im Sinne des § 87 SGB VII in erheblichem Maße unbillig. Das Einkommen habe vor dem Unfall starken Schwankungen unterlegen, auch bei Betrachtung eines längeren Zeitraums stelle sich das Jahreseinkommen des Jahres 1998 nicht als typisch dar. Es erscheine nicht unbillig, wenn das mit Abstand höchste Einkommen des Jahres 1998 nur in Teilen in die Berechnung des JAV einfließe.

Gegen das am 30.04.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.05.2007 Berufung eingelegt. Er macht geltend, für die Bewertung, ob der nach § 82 SGB VII ermittelte JAV unbillig sei, könne nicht wie von der Beklagten und vom Sozialgericht vorgenommen, ein Vergleich mit dem Einkommen im Zeitraum von drei Jahren vor dem Unfall angestellt werden. Bei ihm würden nicht nur stark schwankende Einnahmen vorliegen, auch gebe das zu versteuernde Einkommen von 1996 die tatsächlichen Erlöse aus diesem Jahr nur ungenügend wieder, da er in der Zeit seit Beginn seiner beruflichen Tätigkeit wegen hoher Kosten für notwendige Sachinvestitionen sowie Aufwendungen für Reisen etc. steuerliche Verluste erzielt habe. Ohne den Unfall hätte er 1999 einen Gewinn von 156.708,61 DM und 2000 einen solchen von 154.809,28 DM erzielt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.04.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2005 zu verurteilen, ihm eine höhere Verletztenrente nach einem JAV von mehr als 30.884,33 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, das von dem Kläger für das Jahr 1999 und das darauf folgende Kalenderjahr angegebene zu erwartende Einkommen beruhe lediglich auf Schätzungen bzw. Hochrechnungen des Klägers. Bei der Bestimmung des JAV könne als zu berücksichtigendes Arbeitseinkommen, wie es in § 15 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) definiert sei, nur das tatsächlich erzielte Einkommen und nicht ein fiktiv ermittelter Gewinn herangezogen werden. Soweit der Kläger die stark schwankenden Einnahmen an sich als eine Besonderheit ansehe, sei dem nicht zu folgen. Eine Besonderheit liege auch nicht darin, dass nach den Angaben des Klägers im Jahr 1996 ein Umsatz von mehr als 180.000,- DM erzielt worden sei, wovon lediglich 48.985,- DM als zu versteuerndes Einkommen ausgewiesen worden seien, denn unternehmensbezogene Aufwendungen und tatsächliche Ausgaben würden der allgemeinen unternehmerischen Wagnis unterliegen. Der vorliegend nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ermittelte JAV in Höhe von 30.884,33 EUR sei keinesfalls unbillig.

Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet.

Nachdem die Beklagte mit dem Bescheid vom 18.05.2005 an Stelle der ursprünglich mit Bescheid vom 23.07.2005 zuerkannten Rente als vorläufige Entschädigung die Verletztenrente von Beginn an neu bewilligt hat, wurde der Bescheid vom 23.07.2005 durch denjenigen vom 18.05.2005 ersetzt. Nur dieser Bescheid ist daher noch streitgegenständlich.

Die - allein streitige - Höhe der Verletztenrente ergibt sich aus § 56 Abs. 3 SGB VII. Danach wird bei Verlust der Erwerbsfähigkeit Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des vom Hundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

Für die Höhe des JAV ist nach der zunächst vorzunehmenden Regelberechnung des § 82 Abs. 1 SGB VII der Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte (§ 14 SGB IV) und Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) des Versicherten in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, zu Grunde zu legen. Für Zeiten, in denen der Versicherte in dem in § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII genannten Zeitraum kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen hat, wird das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu Grunde gelegt, das seinem durchschnittlichen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen in den mit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen belegten Zeiten dieses Zeitraums entspricht (§ 82 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Ausgehend von der gesetzlichen Regelung des § 82 SGB VII hat die Beklagte den JAV fehlerhaft bemessen.

Zwar hat sie für die Berechnung des Arbeitseinkommens aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Versicherungsfall zutreffend auf den in den Jahren 1999 und 1998 steuerlich ermittelten Gewinn abgestellt und den jährlich ermittelten Gewinn auf die in den Berechnungszeitraum fallenden Monate umgelegt. Denn da nach dem Einkommensteuerrecht, zu dem nach § 15 SGB IV eine Parallelität angestrebt wird (BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 56/02 R in SozR 4-2400 § 15 Nr. 1), Gewinn aus selbständiger Tätigkeit regelmäßig jährlich ermittelt wird, besteht bei Selbständigen lediglich die Möglichkeit ein - durchschnittliches - monatliches Einkommen zu ermitteln, indem das Jahreseinkommen durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, geteilt wird (BSG, Urteil vom 03.05.2005, B 13 RJ 8/04 R in SozR 4-2600 § 96a Nr. 7).

Bei ihrer Berechnung hat die Beklagte aber nicht berücksichtigt, dass der Kläger im Juli und August 1999 aus seiner selbstständigen Tätigkeit kein Einkommen erzielte. Dies ergibt sich aus der von dem Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegten Aufstellung der monatlichen Umsätze der Jahre 1996 bis 1999 (Blatt 425 bis 428 der Verwaltungsakten). Nach § 82 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ist für diese Zeiten das Arbeitseinkommen zu Grunde zu legen, das dem durchschnittlichen Arbeitseinkommen des Klägers in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, entspricht. Die Berechnung nach § 82 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ist auch dann vorzunehmen, wenn der Verletzte auf Grund eigener Willensentscheidung im Jahr vor dem Arbeitsunfall zeitweise kein Arbeitseinkommen bezog (vgl. zu der entsprechenden Regelung des § 571 Abs. 1 Satz 2 RVO BSG, Urteil vom 11.02.1981, 2 RU 65/79 in SozR 2200 § 571 Nr. 20; BSG, Urteil vom 28.07.1982, 2 RU 47/81 in SozR 2200 § 571 Nr. 21). Für die Anwendung des § 82 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ist somit vorliegend unerheblich, ob der Kläger in den Monaten Juli und August 1999 nur deshalb kein Einkommen erzielte, weil er sich auf Grund seiner freien Willensentscheidung auf einer Afrikareise befand. Für die Berechnung nach § 82 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind bei Fehlzeiten während eines ganzen Kalendermonats 30 Ausfalltage und für das Kalenderjahr 360 Tage zu Grunde zu legen (§ 187 Abs. 4 Satz 2 SGB VII). Ausgehend von dem in dem Kalenderjahr vor dem Arbeitsunfall erzielten Einkommen in Höhe von 30.884,33 EUR, 60 Fehltagen (zwei Kalendermonate) und 300 Tagen, in denen das Einkommen erwirtschaftet wurde (zehn Monate) ergibt sich ein nach § 82 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zusätzlich zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 6.176,87 EUR und somit insgesamt ein JAV in Höhe von 37.061,20 EUR.

Der so nach der Regelberechnung des § 82 SGB VII ermittelte JAV ist nicht unbillig zu niedrig. Nach § 87 Satz 1 und 2 SGB VII wird, wenn ein nach der Regelberechnung, nach den Vorschriften bei Berufskrankheiten, den Vorschriften für Kinder oder nach der Regelung über den Mindestjahresarbeitsverdienst festgesetzter JAV in erheblichem Maße unbillig ist, der JAV nach billigem Ermessen im Rahmen von Mindest- und Höchstjahresarbeitsverdienst festgesetzt. Hierbei werden insbesondere die Fähigkeiten, die Ausbildung, die Lebensstellung und die Tätigkeit der Versicherten im Zeitpunkt des Versicherungsfalls berücksichtigt.

Die Wertung, dass ein nach der Regelberechnung berechneter JAV in erheblichem Maße unbillig zu niedrig oder zu hoch ist, kann das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls selbst vollziehen, weil der Unfallversicherungsträger insoweit nicht nach seinem Ermessen entscheidet und auch keinen Beurteilungsspielraum hat (vgl. BSG, Urteil vom 28.07.1982, a.a.O.).

Bei der Anwendung der Regelung des § 87 SGB VII gilt außerdem der allgemeine Grundsatz, dass die Verhältnisse vor dem Arbeitsunfall maßgeblich sind (BSG, Urteil vom 30.10.1980, 8a RU 16/80 in SozR 2200 § 571 Nr. 19). Unternehmerische Gewinne in der Zeit nach dem Arbeitsunfall, egal ob besonders hoch oder besonders niedrig, vermögen daher den JAV nicht zu beeinflussen (BSG, a.a.O.). Der von dem Kläger geäußerten Auffassung, der nach der Regelberechnung ermittelte JAV sei deshalb zu niedrig, weil er künftig höhere Gewinne hätte erzielen können, ist somit nicht zu folgen.

Auch die vergleichsweise Heranziehung von Unternehmergewinnen aus zurückliegenden Jahren ist grundsätzlich nicht möglich, weil nur die Einkommensverhältnisse im Jahr vor dem Unfall maßgeblich sind und im Übrigen die Höhe des im einzelnen Kalenderjahr erzielten Unternehmergewinns weitgehend von den Gestaltungsmöglichkeiten des Unternehmers abhängt (BSG, Urteil vom 30.10.1980, a.a.O.). Diese können durchaus zu unterschiedlichen Unternehmergewinnen führen, ohne dass deshalb bereits eine Ausnahmelage besteht, die den danach berechneten JAV in erheblichem Maße unbillig erscheinen lässt (BSG, a.a.O.). Der nach der Regelberechnung ermittelte JAV ist dem gemäß auch nicht deshalb in erheblichem Maße unbillig, weil der Kläger im Kalenderjahr 1998, das nur mit drei Monaten in die Berechnung des JAV einfließt, erheblich höhere Gewinne erzielte, als im Jahr 1999. Eine erhebliche Unbilligkeit kann nach der Rechtsprechung des BSG in besonders gelagerten Fällen dann vorliegen, wenn etwa der Gewinn sehr niedrig ist oder der Unternehmer gar mit Verlust arbeitet. Davon kann nach Überzeugung des Senats vorliegend nicht ausgegangen werden. Der steuerliche Gewinn im Jahr 1999 (37.974,- DM) war zwar erheblich niedriger, als der im Jahr 1998 ausgewiesene steuerliche Gewinn (127.696,- DM), dies ist aber nicht nur durch besondere Investitionen im Jahr 1999 insbesondere in Form einer Reise, wie sie der Kläger im Jahr 1998 nicht unternommen hatte, begründet, sondern liegt in der Eigenart der von dem Kläger ausgeübten selbstständigen Tätigkeit als Reisejournalist. Sein Einkommen erzielte der Kläger nämlich dadurch, dass er Afrikareisen unternahm und diese anschließend in unterschiedlicher Form vermarktete. Sein Lebensstandard beruhte daher während der Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darauf, dass er in gewissen Abständen längere Auslandsreisen tätigte - so nach seinen eigenen Angaben nicht nur 1999, sondern auch im Jahr 1997 -, sodass seine selbstständige Tätigkeit wesentlich dadurch geprägt war, dass er während der Zeit seiner Auslandsreisen über keine oder keine wesentlichen Einkünfte verfügte und in diesem Zeitraum zunächst Kosten für einen später zu erwartenden Gewinn aufzubringen hatte. Der Lebensstandard des Klägers war daher nicht allein durch Kalenderjahre geprägt, in denen er die Ergebnisse vorangegangener Auslandsreisen - mit entsprechend höherem Gewinn - vermarktete, sondern auch dadurch, dass er mit diesem Gewinn Zeiträume zu überbrücken hatte, in denen er wegen seiner Auslandsreisen keine Einnahmen tätigen konnte und zudem entsprechende höhere Ausgaben erforderlich waren. Dass der im Jahr 1998 erwirtschaftete Gewinn für den Lebensstandard des Klägers bis zum Zeitpunkt des Unfalls nicht prägend war, zeigt sich auch daran, dass das Einkommen des Klägers aus seiner selbstständigen Tätigkeit in den Jahren 1997 mit 26.088,- DM und 1996 mit 48.985,- DM deutlich niedriger war als im Jahr 1998, in dem er keine Reise unternahm.

Eine Unbilligkeit in erheblichem Maße ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass in die Regelberechnung des JAV hinsichtlich des für das Jahr 1999 zu ermittelnden Durchschnittseinkommens das Jahr 1999 mit 12 Kalendermonaten einfließt, obwohl der Kläger nach seinem Unfall im Oktober 1999 nahezu kein Einkommen mehr erzielte. Dies könnte zwar insbesondere im Hinblick darauf, dass der Dezember für den Kläger ein sehr starker Umsatzmonat war - so erzielte der Kläger allein im Dezember 1997 75 % und im Jahr 1998 35 % seines Umsatzes - für die Annahme einer Unbilligkeit sprechen. Allerdings weicht der JAV bei außer Achtlassung der Monate November und Dezember 1999 für die Berechnung des Durchschnittseinkommens des Jahres 1999 nicht in erheblichem Maße von dem nach der oben dargelegten Regelberechnung des JAV nach § 82 SGB VII ab. Lässt man die Ausfallmonate weg und rechnet das Jahr 1999 also nur mit 10 Monaten (Rumpfjahr) ergibt sich für 1999 ein durchschnittliches monatliches Einkommen in Höhe von 3.797,40 DM (37.974 DM: 10 ). Für die Zeit bis zum Monat vor dem Unfall ergibt sich dann ein Gewinn von 3.797,40 DM x 9 = 34.176,60 DM. Unter Hinzurechnung des anteiligen Gewinns des Jahres 1998 in Höhe von 31.923,99 DM (127.696: 12 x 3) ergibt dies 66.100,59 DM. Dieser Betrag ist Grundlage für die Auffüllung der beiden umsatzlosen Monate Juli und August 1999, so dass sich hierfür ein Betrag von 13.220,12 DM (66.100,59 DM: 300 x 60) ergibt. Insgesamt ergäbe sich also ein JAV von 79.320.71 DM (66.100,59 DM + 13.220,12 DM) bzw. 40.556,04 EUR. Der so ermittelte JAV wäre nur um 9,43 % höher als der nach der Regelberechnung ermittelte JAV von 37.061,20 EUR. Eine starre untere und/oder obere Grenze für die Feststellung, wann eine Unbilligkeit in erheblichem Maße vorliegt, lässt sich nach der Rechtsprechung des BSG zwar nicht bestimmen, doch hat auch das BSG Einkommensdifferenzen von 20 % bei der Berechnung des JAV noch nicht als in erheblichem Maße unbillig angesehen (vg. BSG, Urteil vom 11.02.1981, a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 11.10.1973, 8/2 RU 199/72). Angesichts dessen und unter Berücksichtigung der bereits oben dargelegten Umstände des vorliegenden Einzelfalles ergibt sich nach Überzeugung des Senats aus der nur geringen Differenz von knapp unter 10 % keine Unbilligkeit in erheblichem Maße.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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