L 3 U 229/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 2 U 22/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 229/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 01. März 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Kläger absolvierte von 1960 bis 1966 ein Medizinstudium. Die Medizinalassistentenzeit dauerte vom 01. Dezember 1966 bis zum 30. November 1968. Von Februar 1969 bis zum 01. August 1975 durchlief er die Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie. Die Facharzt-Anerkennung der Ärztekammer B erfolgte am 03. September 1975 (Urkunde vom selben Tag).

Im Februar 1977 bemerkte der Kläger Hautjucken und verstärkte Müdigkeit. Am 14. März 1977 wurden die Transaminasen kontrolliert und in der Folge eine akute, protrahiert verlaufende Bs-Antigennegative Virushepatitis festgestellt (internistisches Gutachten der Frau Prof. Dr. A vom 10. August 1977 für die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Eigenunfallversicherung Berlin – EUV -). Zu diesem Zeitpunkt war er als Oberarzt in der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses N beschäftigt. Mit Bescheid vom 25. Mai 1978 gewährte ihm die EUV nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit und Wiederaufnahme seiner Tätigkeit als Oberarzt am 31. Januar 1978 eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v. H. wegen der während der versicherten Tätigkeit erworbenen Hepatitis infectiosa. Diese Erkrankung wurde als Berufskrankheit (BK) anerkannt. Aufgrund Bescheides vom 22. Februar 1979 wurde die vorläufige Rente schließlich als Dauerrente gewährt. Der Rentenberechnung wurde der Jahresarbeitsverdienst-Höchstbetrag zugrunde gelegt. Ab dem 09. Mai 1986 wurde die Rente nach einer MdE von 35 v. H. wegen einer Verschlechterung (nunmehr chronisch-aggressive Hepatitis) gewährt (Bescheid vom 24. Juni 1986). Mit Wirkung zum 01. Oktober 1990 wurde die MdE jedoch wieder auf 25 v. H. abgesenkt, da kein Anhalt mehr für eine aggressive Entzündung bestand (Bescheid vom 24. August 1990).

1980 erhielt der Kläger die Genehmigung, in Verbindung mit der Bezeichnung Arzt für Chirurgie die Teilgebietsbezeichnung Gefäßchirurgie (Urkunde der Ärztekammer B vom 17. Dezember 1980) zu führen, 1992 folgte die Anerkennung, die Teilgebietsbezeichnung Unfallchirurgie zu führen (Urkunde der Ärztekammer B vom 13. November 1992). Bereits 1981 hatte er nach seinen Angaben im Fachgebiet Chirurgie habilitiert. Am 01. Juni 1992 wurde ihm die akademische Würde "außerplanmäßiger Professor" vom Präsidenten der F Universität B verliehen (Urkunde vom 01. Juni 1992). Seit 1981 war er als Privatdozent und seit 1992 als Hochschullehrer in den genannten Fachgebieten tätig (Lehrveranstaltungen, Ausbildung im Praktischen Jahr, Betreuung von Doktorarbeiten, Abnahme von Prüfungen in den ärztlichen Staatsexamen).

Seit dem 01. Januar 1984 war er Chefarzt der Chirurgischen Abteilung im Wkrankenhaus S sowie Durchgangsarzt (D-Arzt) für die Berufsgenossenschaften. Als Chefarzt der Chirurgischen Abteilung war er mit Einverständnis des Arbeitgebers als ermächtigter Kassenarzt mit täglicher Sprechstunde tätig und befugt, privat stationäre Wahlleistungen zu liquidieren. Des Weiteren war er als medizinischer Gutachter für Berufsgenossenschaften, Versicherungen und Gerichte mit einem Arbeitsanfall von durchschnittlich 60 bis 70 Stunden im Monat tätig. Sein Jahresverdienst betrug vor 2001 zwischen 350.000,00 und 450.000,00 DM vor Abzug von Steuern und Abgaben an Mitarbeiter und Krankenhausträger.

Bereits am 19. Oktober 2000 wurde der Kläger nach seinen Angaben durch seinen Arbeitgeber von seinen Aufgaben freigestellt. Das Arbeitsverhältnis mit dem Rechtsträger des E Wrankenhauses S endete zum 31. Januar 2002, die Erlaubnis zur Ausübung von Nebentätigkeiten - ambulante D-Arzttätigkeit für gesetzliche Unfallversicherungsträger, KV-Tätigkeit und Liquidationsrecht für stationäre Wahlleistungen – endete zum 31. März 2001 (Aufhebungsvereinbarung vom 28. Februar 2001). Gleichzeitig erfolgte nach dem Inhalt der Vereinbarung die Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge sowie unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Laut der Aufhebungsvereinbarung erhielt der Kläger Abfindungen für die endgültige Aufgabe der D-Arzttätigkeit sowie für die Aufgabe sonstiger Tätigkeiten im Rahmen der Nebentätigkeitserlaubnis in Höhe von 1.000.000,00 DM brutto, für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 358.658,00 DM brutto zuzüglich – nach Ablauf des Arbeitsverhältnisses – ein Urlaubsgeld in Höhe von 500,00 DM und ein pauschales Weihnachtsgeld in Höhe von 5.947,12 DM brutto. Gemäß ergänzender Vereinbarung vom selben Tag wurde ihm noch eine weitere Abfindung in Höhe von 100.000,00 DM in Aussicht gestellt, wenn es bis zum 15. April 2001 aufgrund seiner maßgeblichen Mitwirkung zu einer Übertragung der BG-Ermächtigung auf Oberarzt Dr. K kommen sollte. Außerdem wurde er aufgrund des Eintretens in den vorzeitigen Ruhestand von den Lehrverpflichtungen und den Prüfertätigkeiten für die Medizinische Fakultät C der H-Universität zu B entbunden (Schreiben von Prof. Dr. D vom 05. April 2001).

In der Folge war er nach seinen Angaben zunächst noch als Beratungsarzt für die Beklagte, als Gutachter im Umfang von 20 bis 30 Stunden im Monat und im Rahmen kursorischer Prüfungen für das Landesamt für Gesundheit und Soziales – Landesprüfungsamt – tätig. Die beratungsärztliche Tätigkeit ist seit 2003 beendet, die gutachterliche Tätigkeit seit 2004. Einsätze als Prüfer erfolgen nur noch gelegentlich. Er bezieht eine Berufsunfähigkeitsrente aus seiner privaten Versicherung bei der A.

Im Rahmen der regelmäßigen von der Beklagten veranlassten Nachuntersuchung stellte Prof. Dr. N in seinem Gutachten vom 14. Februar 2002 eine Progredienz des Leidens fest. Er diagnostizierte eine mäßiggradig chronisch aktive portale und lobuläre Hepatitis vom Virustyp mit fokalerportaler Septenbildung, nekroinflammatorischer Aktivität nach Scheurer: portal-periportal Grad III, lobuläre Aktivität Grad II, Fibrosegrad III. Die MdE sei mit 50 v. H. anzusetzen. Die Leberwerte waren laut Gutachten normal, Hauterscheinungen bestanden nicht. Der Kläger klagte bei der Untersuchung – wie schon die Jahre zuvor – über Müdigkeit und Abgeschlagenheit sowie Rückenbeschwerden und retrosternale Beschwerden mit Fortleitung in die linke obere Extremität.

Mit Schreiben vom 18. März 2002 beantragte der Kläger eine Höherstufung der MdE aufgrund "besonderer beruflicher Betroffenheit", nachdem er dies zuvor bereits telefonisch erstmals am 18. Oktober 2001 getan hatte. Er habe seine Tätigkeit als Arzt und Chirurg aufgrund der Hepatitis C aufgeben müssen. Da die Aufgabe nicht durch eine gravierende Verschlimmerung selbst, sondern durch die jüngsten Erkenntnisse einer möglichen Infektionsübertragung bei ärztlichen Tätigkeiten hervorgerufen worden sei, sei dies quasi mit dem Umstand einer deutlichen Verschlimmerung der Erkrankung gleichzusetzen. In einem Beratungsgespräch bei der Beklagten am 05. April 2002 führte er ergänzend aus, die Aufgabe der Tätigkeiten sei zwar medizinisch nicht begründet gewesen, da bei seiner Tätigkeit keine Ansteckungsgefahr von ihm ausgegangen sei, aber sie sei auf Druck der öffentlichen Meinung erzwungen worden und insofern im Zusammenhang mit der BK zu sehen.

Nachdem die Beklagte ergänzende Stellungnahmen des Prof. Dr. N vom 12. März 2002 und 10. Juli 2002, ein internistisches Gutachten nach Aktenlage von dem Internisten F vom 01. Juni 2002 sowie eine beratungsärztliche Stellungnahme von Frau Prof. Dr. S vom 08. August 2002, jeweils zur Frage der MdE-Bewertung, eingeholte hatte, gewährte sie mit Bescheid vom 03. September 2002 ab dem 01. Februar 2002 wegen einer wesentlichen Verschlimmerung Verletztenrente nach einer MdE von 50 v. H ... Gleichzeitig wurde ein Anspruch auf Erhöhung der Rente wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) abgelehnt, da kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der BK und der Tatsache, dass die berufliche Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werden könne, bestehe, denn eine medizinische Begründung für die Aufgabe der Tätigkeit liege nicht vor.

Mit seinem Widerspruch vom 13. September 2002 wandte sich der Kläger gegen die Ablehnung der Erhöhung der MdE aufgrund einer besonderen beruflichen Betroffenheit. Der Ursachenzusammenhang zwischen der anerkannten BK und der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit sei insoweit eindeutig und nachvollziehbar im Sinne einer medizinischen Begründung gegeben, als von ihm eine BK-bedingte Ansteckungsgefahr ausgehe. Diese Erkenntnis habe sich erst in den letzten zwei bis drei Jahren vor seinem Ausscheiden wissenschaftlich herauskristallisiert. Aufgrund seiner Ausbildung im Fach Chirurgie mit Spezialausbildungen in der Gefäß- und Unfallchirurgie habe er eine Spezialisierung, für die mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Ausgleich gefunden werden könne. Es wären immerhin noch fünf Jahre Chefarzttätigkeit verblieben. Hier könne ein Ausgleich etwa durch gutachterliche Tätigkeiten nicht erfolgen. Zum anderen sei schon aufgrund seines Alters die Wahrscheinlichkeit für das Antreten einer neuen Stelle gering. Im Jahre 2001 sei in Presse und Fernsehen eine öffentliche Diffamierungskampagne gegen hepatitiserkrankte Chirurgen über Deutschland hinweg gerollt. Da erst in den letzten Jahren erkannt worden sei, dass sich das Infektionsübertragungsrisiko nicht vollständig ausschließen lasse, verbiete sich für ihn jede aus-gleichende anderweitige Tätigkeit in Form von Praxisvertretungen mit Notarztdiensten, ambulantem Operieren etc ...

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Erhöhung der MdE unter dem Aspekt einer "besonderen beruflichen Betroffenheit" könne nicht erfolgen. Zwar habe der Kläger seine berufliche Tätigkeit als aktiver Chirurg im Jahre 2001 aufgeben müssen, jedoch nicht wegen sich in den Folgen der BK begründender mangelnder körperlicher Leistungsfähigkeit, sondern aufgrund eines infolge der operativen Tätigkeit angenommenen Infektionsrisikos. Dieser Umstand sei entgegen der Ansicht des Klägers einer wesentlichen Verschlimmerung der BK nicht gleichzusetzen. Eine berufskrankheitenspezifische Ansteckungsgefahr sei vom Kläger tatsächlich nicht ausgegangen. Hierzu werde auf die Ausführungen des Ausschusses "Rechtsfragen" der Konferenz der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Unfallkassen vom 18./19. März 2002 verwiesen. Seitens der Unfallkassen gebe es für Personal mit häufigem Blutkontakt wie Chirurgen Empfehlungen zur Verhütung der Übertragung von Hepatitis-C-Viren. Diese bestünden aus einem Katalog besonderer Vorsichtsmaßnahmen. Dahinter stehe das Ziel, den Infizierten soweit wie möglich im Beruf zu belassen und dabei das Infektionsrisiko zu minimieren.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam hat der Kläger geltend gemacht, ihm stehe wegen besonderer beruflicher Betroffenheit ab dem 01. Februar 2002 eine Verletztenrente nach einer MdE von 70 v. H. zu. Er habe außergewöhnliche Nachteile dadurch erlitten, dass er infolge seiner BK besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen nicht mehr nutzen könne. Diese Nachteile würden nicht durch sonstige Fähigkeiten ausgeglichen. Die Nichtberücksichtigung dieser Nachteile würde zu einer unbilligen Härte führen.

Auslöser der Entlassungsbestrebungen seines ehemaligen Arbeitgebers sei der Umstand gewesen, dass dessen Haftpflichtversicherung das Infektionsrisiko nicht habe tragen wollen, das aufgrund der Hepatitis-C-Erkrankung für seine Patienten bestanden habe. Nach Freistellung von seiner Tätigkeit sei zur Vermeidung einer Kündigung und eines sich anschließenden arbeitsgerichtlichen Prozesses eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen worden. Keinesfalls sei eine Medienkampagne Grund für die Beendigung der Tätigkeit gewesen, diese sei erst Mitte 2001 gelaufen.

Auf die Gründe für die Beendigung der Chefarzttätigkeit komme es jedoch nicht entscheidend an. Entscheidend sei allein die wesentliche Verschlimmerung der BK. Aufgrund dieser Verschlimmerung wäre ihm heute eine Wiederaufnahme seiner auf einer extrem hohen Spezialisierung beruhenden Tätigkeiten als Hochschullehrer, chirurgischer Chefarzt, D-Arzt und ermächtigter Kassenarzt weder körperlich möglich noch würde er mit einer solchen Erkrankung überhaupt eine Anstellung als Arzt, welche ein Minimum an Belastbarkeit erfordere, erhalten. Auch für die Tätigkeit als Hochschullehrer sei keine körperliche Belastbarkeit vorhanden, außerdem fehle es angesichts der mangelnden kontinuierlichen Praxis an der Lehrbefähigung. Die mangelnde Praxis beeinträchtige zudem die wegen der geringen körperlichen Belastbarkeit ohnehin geringfügige Möglichkeit, als medizinischer Gutachter tätig zu sein.

Keineswegs könne auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls abgestellt werden. Hier werde die vorliegende Sonderproblematik nicht berücksichtigt. Anders als im Normalfall eines Unfalls fielen im Fall der Hepatitis-C-Infektion der Eintritt gravierender Konsequenzen für die Stellung des Versicherten im Erwerbsleben und Versicherungsfall, d. h. die Infektion, nicht zusammen. Bei einer Erkrankung mit Hepatitis C wechselten typischerweise Phasen ohne ausgeprägte Symptomatik und mit relativ geringer Beeinträchtigung mit solchen, in denen die MdE krankheitsbedingt stark erhöht sei. Ob eine besondere Härte vorliege oder nicht, könne deswegen nicht aufgrund eines schlichten Abgleichs der Situation vor dem Versicherungsfall mit derjenigen nach dem Versicherungsfall entschieden werden. Eine solche Orientierung am Normalfall wäre gänzlich unangebracht und widerspreche der Intention des Gesetzgebers. Denn die Verletztenrente werde infolge des Prinzips der abstrakten Schadensberechnung auch dann zuerkannt, wenn der erkrankte Versicherte aufgrund zusätzlicher eigener Anstrengungen tatsächlich keine konkreten Einbußen im Erwerbslebens erleide. Diese Wertung würde konterkariert, knüpfte man die maßgebliche Zäsur für die Beurteilung der besonderen Härte auch in Fällen wie dem vorliegenden an den Eintritt des Versicherungsfalls.

Gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liege hier ein Härtefall nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII deshalb vor, weil er über eine 15jährige Ausbildung, eine 25jährige praktische Erfahrung als Facharzt für Chirurgie, die durch eine Kombination der Zusatzspezialisierungen Gefäßchirurgie (20 Jahre) und Unfallchirurgie (8 Jahre) ergänzt werde, eine 17jährige Erfahrung als Leiter einer großen Krankenhausabteilung sowie eine 19jährige Lehrerfahrung als Hochschullehrer verfüge. All diese außergewöhnlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten könne er wegen der Verschlimmerung seiner BK nicht mehr wahrnehmen. Seine beruflichen Nachteile seien demnach ganz erheblich und begründeten eine unbillige Härte i. S. d. § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII.

Die erhaltene Abfindung sei im Rahmen der Überlegungen zu § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII irrelevant, denn er habe diese Abfindung als Kompensation dafür erhalten, dass er auf einen voraussichtlich jahrelangen und belastenden Arbeitsrechtsstreit um eine rechtlich nicht haltbare Kündigung verzichtet habe. Die spezifischen Nachteile i. S. v. § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII, die er seit dem 01. Februar 2002 erlitten habe, weil seine Arbeitsfähigkeit von diesem Zeitpunkt an berufskrankheitenbedingt massiv reduziert gewesen sei, seien durch die Abfindung nicht kompensiert worden.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei der Beurteilung der Frage, ob eine unbillige Härte i. S. v. § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII vorliege, seien strenge Maßstäbe anzulegen, um eine Aufweichung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung zu vermeiden. Bei der Anwendung dieser Vorschrift sei zu beachten, dass der Versi-cherte vor dem Versicherungsfall besondere Kenntnisse und Erfahrungen erworben haben müsse. Nach dem Versicherungsfall erworbene Kenntnisse und Erfahrungen seien nicht zu berücksichtigen. Diese – vor dem Versicherungsfall erworbenen – Kenntnisse und Erfahrungen müssten vom Versicherten infolge des Versicherungsfalls nur noch in erheblich reduziertem Maß oder gar nicht mehr genutzt werden können. Der Kläger habe hingegen seine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen im Wesentlichen erst nach dem Versicherungsfall erworben. Zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls im Jahre 1977 sei er 35 Jahre alt und Facharzt für Chirurgie mit der Berechtigung, den Titel "Doktor" zu führen, sowie Oberarzt gewesen. Die Ausbildungszeit habe einschließlich Facharztausbildung fast 13 Jahre betragen. Erst danach und trotz der aus der BK resultierenden gesundheitlichen Einschränkungen wie Müdigkeit, Übelkeit und subjektiv eingeschränkter Belastbarkeit habe er sich weiter qualifiziert und sogar die Professorenwürde erlangt. Die nach dem Versicherungsfall erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen hätten jedoch bei der MdE-Bewertung nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII außer Betracht zu bleiben. Zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls habe er noch keine so günstige soziale Stellung wie beispielsweise ab dem Jahr 1992 erreicht und noch den größten Teil seines Berufslebens vor sich gehabt. Eine berufskrankheitenbedingte Einschränkung im konkreten Beruf habe darüber hinaus tatsächlich nicht vorgelegen. Selbst wenn man nicht auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls, sondern auf den Zeitpunkt der Verschlimmerung im Jahre 2002 abstelle, ergebe sich keine besondere berufliche Betroffenheit. Zwar sei es nach den gutachterlichen Feststellungen des Prof. Dr. N von Februar 2002 zu einer wesentlichen Verschlechterung gekommen. Diese Verschlechterung stehe jedoch nicht im Zusammenhang mit der Berufsaufgabe. Diese habe vielmehr ausweislich der vom Kläger mit seinem Arbeitgeber am 28. Februar 2001 geschlossenen Aufhebungsvereinbarung bereits lange vor dem Nachweis einer Verschlechterung der BK-Folgen stattgefunden. Zeitnah zum Vereinbarungsabschluss habe es auch keine Äußerung des Klägers gegeben, welche auf eine Verschlechterung hingedeutet hätte. Zudem habe der Kläger selber im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht, die Tätigkeit wegen einer Verschlechterung aufgegeben zu haben. Ob durch die im Februar 2002 eingetretene Verschlechterung der BK-Folgen tatsächlich eine Tätigkeitsaufgabe erzwungen worden wäre, stelle eine unbewiesene Behauptung des Klägers dar. Darüber hinaus bleibe es dem Kläger unbenommen, als Gutachter und/oder beratender Arzt weiter zu arbeiten. Der Einwand des Klägers, jemand, der nicht mehr praktisch tätig sei, werde seltener mit Gutachten beauftragt, überzeuge nicht. Schließlich habe er wegen der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit auch keinen sozialen Abstieg in Kauf nehmen müssen wie sich aus den in der Aufhebungsvereinbarung festgelegten Abfindungssummen ergebe.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 01. März 2007 abgewiesen. Die Beklagte habe die besondere berufliche Betroffenheit, die der Kläger aufgrund seiner Hepatitis-C-Erkrankung geltend mache, zu Recht verneint. Ein Ursachenzusammenhang zwischen der von ihr anerkannten BK und der Tatsache, dass seine beruflichen Tätigkeiten nicht mehr ausgeübt werden könnten, sei nicht gegeben. Der Kläger sei ohne Vorliegen einer medizinischen Begründung durch seinen ehemaligen Arbeitgeber von seinen Aufgaben entbunden worden. Zwischen dem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung und dem die Verschlechterung feststellenden Bescheid der Beklagten liege ein Zeitraum von eineinhalb Jahren. Zudem habe der Kläger die von ihm geltend gemachten besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten im Wesentlichen erst nach Eintritt des Versicherungsfalls am 14. März 1977 erlangt. Abzustellen sei jedoch auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls. Zu jenem Zeitpunkt habe er noch keine derart günstige Stellung erlangt wie beispielsweise ab dem Jahre 1992. Tatsächlich sei seine berufliche Tätigkeit trotz BK mit einem sozialen Aufstieg verknüpft gewesen, so dass eine berufskrankheitsbedingte Einschränkung im konkreten Beruf nicht vorgelegen habe. Ebenso wenig habe er wegen der Aufgabe seiner beruflichen Tätigkeit einen für die Anwendung von § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII erforderlichen sozialen Abstieg in Kauf nehmen müssen. Laut der vorliegenden Vereinbarung habe er insgesamt eine Abfindungssumme von 749.096,35 Euro erhalten, wovon er für die Zeit vom 01. Januar 2002 bis zum Erreichen des regulären Renteneintrittsalters von 65 Jahren im August 2006 seinen Lebensunterhalt zu bestreiten gehabt habe. Damit hätten ihm 17.024,91 Euro brutto monatlich zur Verfügung gestanden, was unter Abzug einer Pauschale von 40% für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge einen Nettobetrag in Höhe von 10.240,95 Euro ergebe.

Gegen das am 01. August 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 01. September 2007 eingegangene Berufung des Klägers, mit welcher er sein erstinstanzliches Begehren mit im Wesentlichen derselben Begründung fortführt. Er betont nochmals, dass aus seiner Sicht die tatsächlichen Gründe für die Beendigung seiner Tätigkeit nicht entscheidungserheblich seien. Abzustellen sei allein darauf, dass er infolge der Verschlechterung der BK-Folgen seine Tätigkeit als Chefarzt, hoch spezialisierter Facharzt und Hochschullehrer nicht mehr ausüben könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 01. März 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 03. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2003 zu verurteilen, ihm ab dem 01. Februar 2002 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Verletztenrente.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier einer BK - über die 26. Woche nach dem Versiche-rungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens – Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung - § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VIIin Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung vgl.BSGE 63, 207, 209 = SozR 2200 § 581 Nr. 28 m. w. N.; vgl. BT-Drucks 13/2204 S. 90. Die Höhe der MdE richtet sich somit grundsätzlich nicht nach den Beeinträchtigungen im erlernten oder ausgeübten Beruf. Die individuelle Betroffenheit im Beruf des Versicherten wird dadurch berücksichtigt, dass sich der Jahresarbeitsverdienst nach der letzten Erwerbstätigkeit bemisst.

Darüber hinaus werden jedoch bei der Bemessung der MdE auch Nachteile berücksichtigt, die der Versicherte dadurch erleidet, dass er bestimmte von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihm zugemutet werden kann, ausgeglichen werden § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII.

Die Beklagte hat die MdE unter unfallmedizinischen Gesichtspunkten mit 50 v. H eingeschätzt und sich hierbei auf das Gutachten des Prof. Dr. N vom 14. Februar 2002, dessen ergänzende Stellungnahmen vom 12. März 2002 und 10. Juli 2002 sowie die beratungsärztliche Stellungnahme von Frau Prof. Dr. S vom 09. August 2002 gestützt. Bereits diese Einschätzung ist jedoch fraglich. Die MdE-Sätze sind nach 5er- oder 10er-Graden abgestuft. In der Praxis gelten seit langem für bestimmte Folgen bestimmte MdE-Sätze, so genannte Regelsätze oder Erfahrungswerte, die von der Rechtsprechung aufgrund ständiger Übung zu beachten sind (vgl. BSG Urteil vom 23. Juni 1982 – 9b/8/8a RU 86/80 – in SozR 2200 § 581 Nr. 15, 22, 23). Dabei enthalten diese Regelsätze lediglich Anhaltspunkte für den Normalfall und sind nicht schematisch anzuwenden. Es sind jeweils die individuellen Umstände des Einzelfalls zu beachten, insbesondere auch das Zusammenwirken von Unfallfolgen mit Vorschäden (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar Randnr. 20 zu § 56).

Die Bewertung der MdE in Fällen der berufsbedingten Hepatitis-C-Infektion beruht nach der unfallmedizinischen Standardliteratur auf morphologischen Kriterien (Ausmaß der entzündlichen Aktivität einerseits und histologisches Stadium, Ausmaß der Fibrose andererseits), die zugleich Rückschlüsse auf das Ausmaß der klinisch-funktionellen Beeinträchtigungen zulassen. Die die Klassifikation prägenden quantitativen Bewertungen von entzündlicher Aktivität und morphologischem Stadium (Ausmaß der Fibrose) können in einem MdE-Bewertungsschema korreliert werden (nachzulesen in Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung Kommentar, Anm. 21.2 zu M 3101 sowie Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. A. 2003, Anm. 9.2.6, jeweils unter Bezugnahme auf Prof. Dr. H. S u. a., "Vorschläge zur Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei chronischen Virus-B- und –C-Hepatitiden in der gesetzlichen Unfallversicherung auf der Grundlage einer neuen morphologischen Nomenklatur", MedSach 94 (1998), 132, 134). In die klinische Gesamtdiagnose gehen weitere Parameter ein, welche die morphologischen Kriterien und die im Bewertungsschema vorgeschlagenen Empfehlungswerte für die MdE ergänzen. Die Möglichkeit einer individuell begründeten modifizierten MdE-Bewertung ergibt sich vor allem unter Berücksichtigung des klinischen Befindens und klinischen Untersuchungsbefundes, der serologischen und molekular-biologischen Befunde, der Transaminaseaktivitäten, einer Dysproteinämie, der Prokollagen-III-Peptid-Konzentration, der Syntheseleistung und der Entgiftungsfunktion sowie der aktuellen Beeinflussung durch therapeutische Maßnahmen (antivirale Therapien) (vgl. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O. Anm. 21.2 zu M 3101). Nach dem Bewertungsschema wäre hier zunächst das Ausmaß der entzündlichen Aktivität (gering, mäßig oder stark) sowie das Ausmaß der Fibrose (null bis gering, mäßig, stark) zu bestimmen. Eine Zirrhose lag nach den Befunden des Prof. Dr. N im Jahr 2002 nicht vor. Das Ausmaß der entzündlichen Aktivität sowie der Fibrose bestimmt sich nach spezifischen Parametern: Ausmaß der entzündlichen Infiltrate in portalen Feldern (PE), Häufigkeit und Anordnung entzündlicher Zerstörungen der periportalen Grenzlamelle – Mottenfraßnekrosen bzw. piecemeal-Nekrosen, interface-Hepatitis, periportale Alteration – (PMN), Häufigkeit fokaler Leberzelluntergänge im lobulären Bereich (LN), Vorkommen konfluierender Nekrosen oder von Brückennekrosen (KN), Beschränkung der Fibrose auf portale Felder oder portale Fibrose mit portalen Septen ohne Störung der Architektur oder Vorhandensein zahlreicher portaler Septen – zum Teil mit porto-portalen und porto-zentralen Brückenbildungen sowie entsprechenden Störungen der Architektur oder bindegewebiger pseudolobulärer Umbau der Leber.

Die von Prof. Dr. N durchgeführte Abdomensonografie ergab einen Verdacht auf einen beginnenden Leberparenchymumbau i. S. einer beginnenden Fibrose bei unauffälligen Perfusionsparametern und leichter Hepato-/Splenomegalie. Aszites wurde nicht nachgewiesen. Die Lebersyntheseparameter waren alle normwertig. Bei der Leberbiopsie fanden sich die Portalfelder mäßiggradig fibrös verbreitert mit fokaler portoportaler Septenbildung. Auch war ein portales Entzündungsinfiltrat mit semizirkulärem Übergreifen desselben auf das angrenzende Läppchenparenchym mit Nachweis von piecemeal-Nekrosen nachweisbar. Betroffen war etwa 50% des jeweiligen Portalumfeldes.

Mit diesen Befunden lässt sich letztlich keine eindeutige Einordnung in das oben genannte Bewertungsschema durchführen. Zwar spricht Prof. Dr. N in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12. März 2002 von einer mäßig bis starken entzündlichen Aktivität bei mäßiger Fibrose und mäßiger Zirrhose. Diese Einordnung ist für den Senat allerdings nicht nachvollziehbar, denn der Sachverständige hat insbesondere keine Angaben zur den Faktoren LN und KN gemacht, so dass eine klare Bestimmung des Ausmaßes der entzündlichen Aktivität nicht möglich ist. Eine Zirrhose lag zumindest 2002 nicht vor (vgl. Aktenlagegutachten des Internisten F vom 01. Juni 2002 und Stellungnahme von Frau Prof. Dr. S vom 08. August 2002). Darüber hinaus ist der Sachverständige nicht auf das klinische Befinden und den klinischen Untersuchungsbefund sowie die weiteren Laborbefunde eingegangen. Hier ist hervorzuheben, dass die Lebersynthesewerte normwertig waren, die entzündliche Aktivität laborchemisch gering war (GPT-Wert normwertig) und andere Entzündungsparameter nicht nachgewiesen wurden, extrahepatische Manifestationen der Erkrankung und auch andere Erscheinungen wie Hautjuckreiz und Aszites fehlten. Bereits von Anfang an klagte der Kläger im Übrigen über Müdigkeit, Abgeschlagenheit und gelegentliche Übelkeit. Somit ist zwar eine Verschlechterung des feingeweblichen Befundes im Sinne eines Fortschreitens der Fibrose eindeutig, die MdE-Bewertung aus unfallmedizinischer Sicht jedoch nicht abschließend möglich; aber auch nicht notwendig, denn vorliegend ist jedenfalls eine weitere - über die von der Beklagten aus rein medizinischen Gründen durchgeführte Erhöhung von 25 v. H. auf 50 v. H. - hinausgehende Anhebung des MdE-Grades wegen besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII nicht gerechtfertigt.

Diese Vorschrift verlangt wie ihre Vorläuferbestimmung in § 581 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen, die Versicherte dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene be-sondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können. Bereits vor der Einfügung der Vorschrift durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl. I 241) entsprach es der ständigen Rechtsprechung des BSG, zur Vermeidung unbilliger Härten bei der Bemessung der MdE auch die Auswirkungen der Unfallfolgen auf den Lebensberuf des Verletzten im Einzelfall angemessen, nicht etwa ausschlaggebend, zu berücksichtigen (vglBSGE 1, 174178BSGE 4, 294298). Seit dem Inkrafttreten des § 581 Abs. 2 RVO (ab dem 01. Januar 1997: § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII) sind die bis dahin entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung gesetzlich normiert. Allerdings lässt diese unfallversicherungsrechtliche Regelung keine allgemeine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit - etwa entsprechend den Grundsätzen des § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes - zu. Eine derartige Auslegung widerspräche der Systematik des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung, das für die Bemessung der Verletztenrente anders als das Versorgungsrecht für Beschädigtengrundrenten nicht lediglich ohne Rücksicht auf Alter und Einkommen des Beschäftigten allein nach der Höhe der MdE zu gewährende Pauschalsätze vorsieht, sondern (auch) den individuelleren Maßstab des vom Verletzten während des letzten Jahres vor dem Versicherungsfall verdienten Arbeitsentgelts (§§ 56 Abs. 3, 81 ff SGB VII) zugrunde legt (BSG in SozR 3-2200 § 581 Nr. 7 m. w. N.). Die eine Höherbewertung der MdE rechtfertigenden Nachteile liegen im Rahmen des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII deshalb nur dann vor, wenn unter Wahrung des in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde (stRspr seitBSGE 23, 253, 255 = SozR Nr. 2 zu § 581 RVO; zuletzt BSG in SozR3-2200 § 581 Nr. 7). Der Versicherungsfall muss sich spezifisch auf die Fähigkeit zum Erwerb auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens auswirken (vgl. Kater in Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII, Randnrn. 71 und 75 zu § 56). Selbst wenn der Verletzte seinen erlernten Beruf infolge des Versicherungsfalls nicht mehr ausüben kann, muss dies daher nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der MdE führen (vgl. Urteil des BSG vom 05. September 2006 – B 2 U 25/05 R - in SozR 4-2700 § 56 Nr. 2).

Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung der Frage, ob eine höhere Bewertung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist, hat das BSG insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausbildung sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und auch den Umstand bezeichnet, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete, sowie schließlich, dass der Versicherungsfall einen unzumutbaren sozialen Abstieg hervorgerufen hat (vgl. BSG in SozR 3-2200 § 581 Nr. 7, S. 29, 30 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben ist hier eine unbillige Härte zu verneinen. Entgegen der Klägerauffassung ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine unbillige Härte vorliegt, nicht auf den Zeitpunkt des Eintritts der wesentlichen Verschlimmerung der BK-Folgen im Februar 2002 abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls. Versicherungsfall ist nach §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung – BKV – (vormals Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKVO) die berufsbedingte Infektion mit Hepatitis C. Der Versicherte muss grundsätzlich vor dem Versicherungsfall (hier der 14. März 1977) besondere Kenntnisse und Erfahrungen erworben und dadurch eine besonders günstige Stellung im Erwerbsleben erlangt haben (so auch BSG, Urteil vom 05. September 2006 – B 2 U 25/05 R – in SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; vgl. des Weiteren z. B. Kranig in Hauck/Haines, Kommentar zum SGB VII, Randnr. 47 zu § 56; Sacher in Lauterbach, Kommentar zum SGB VII, Randnr. 60; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, Nr. 500 S. 4h). Dies korrespondiert mit den allgemeinen Grundsätzen zur Beurteilung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung. Ausgangspunkt für diese Beurteilung ist nämlich in jedem Fall das Ausmaß der Erwerbsfähigkeit des Versicherten, welches im Zeitpunkt des Versicherungsfalls bestanden hat (vgl. z. B. Burchardt in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Randnrn. 54 und 106 zu § 56; Ricke in Kasseler Kommentar, Randnr. 17 zu § 56; Sacher in Lauterbach a. a. O., Randnr. 20 zu § 56 m. w. N.; Mehrtens in Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Randnr. 10.2 zu § 56; Kunze in LPK – SGB VII, Randnr. 8 zu § 56; Kater in Kater/Leube, a. a. O., Randnr 29 zu § 56). Auch der der Rentenberechnung zugrunde zu legende Jahresarbeitsverdienst (JAV) richtet sich nach dem Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte und –einkommen des Versicherten in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist (§ 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach dem Versicherungsfall erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten sind daher nicht zu berücksichtigen (so auch Sacher in Lauterbach a. a. O. Randnr. 60 zu § 56; Podzun a. a. O. Nr. 500 S. 4h).

Gründe, die eine andere, vom - Normalfall abweichende - Sichtweise für den hier spe-zifischen Fall der Hepatitis-C-Infektion als BK nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV rechtfertigen würden, sind nicht erkennbar. Insbesondere liegt keine gesetzliche Regelungslücke in § 56 SGB VII vor. Zumal es sich bei der Verschlimmerung von Ar-beitsunfall- bzw. BK-Folgen nach Eintritt des Versicherungsfalls um einen häufig im Unfallversicherungsrecht anzutreffenden Sachverhalt handelt.

Stellt man – wie der erkennende Senat - auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls ab, so hat der Kläger zum damaligen Zeitpunkt keine außergewöhnlich günstige Stellung im Erwerbsleben eingenommen. Zwar hatte er bis dahin – wie bei Medizinern üblich - eine langjährige universitäre und praktische Ausbildung absolviert (insgesamt rund 15 Jahre bis zum Facharzt für Chirurgie), jedoch war er tatsächlich in der Lage, erfolgreich weiter zu arbeiten. Darüber hinaus hatte er mit 35 Jahren noch keine derartige Lebensposition erreicht, als dass eine berufliche Umorientierung auf dem Gebiet der Medizin (beispielsweise in Richtung Lehre für medizinisches Personal wie Krankenschwestern etc. oder angestellte Ärzte bei Behörden – Vertrauensärzte, Versorgungsärzte, medizinische Dienste der Krankenkassen, ärztliche Abteilungen von Rentenversicherungsträgern u. ä. - oder in der medizinischen bzw. pharmazeutischen Industrie) bzw. eine noch grundlegendere berufliche Umorientierung nicht möglich und vor allem nicht zumutbar gewesen wäre.

Auch wenn man nicht auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls, sondern auf den Zeitpunkt der medizinischen Feststellung einer Verschlimmerung durch Prof. Dr. N im Februar 2002 abstellt, ist eine besondere Härte zu verneinen. Dass der Kläger letztlich seinen Hauptberuf als Chirurg Jahrzehnte nach dem Eintritt des Versicherungsfalls im Oktober 2000 (so seine eigene Angabe im Schriftsatz vom 05. Mai 2003) aufgegeben hat, steht nämlich – wie er selber vorträgt - nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der BK. Er hat daher nicht infolge des Versicherungsfalls Nachteile i. S. d. § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII erlitten.

Im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob der Kläger seine – angenommenen – besonderen Kenntnisse und Erfahrungen ursächlich zurückzuführend auf den Versicherungsfall nur noch in erheblich reduziertem Maß oder gar nicht mehr nutzen kann und daraus resultierend über den Normalfall hinausgehende, durch die nach der festgestellten MdE berechnete Rente nicht ausgeglichene, Nachteile erlitten hat, ist – wie generell im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung - der Kausalitätsbegriff der "Theorie der wesentlichen Bedingung" zugrunde zu legen. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prü-fungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben.

Danach war Ursache für die nahezu vollständige Aufgabe aller Tätigkeiten des Klägers allein die mangelnde Bereitschaft des damaligen Arbeitgebers des Klägers und dessen Versicherers, das Infektionsrisiko für die Patienten des Klägers zu tragen. Zum Zeitpunkt der Verschlimmerung der BK-Folgen war der Kläger nach seinen Angaben tatsächlich nur noch in stark reduziertem Umfang erwerbstätig als Gutachter und beratender Arzt. Eine hypothetische Kausalität ist nicht zu bilden. Die von ihm geltend gemachten Nachteile hatten sich schon mehr als ein Jahr vor der Verschlimmerung aus anderen Gründen realisiert und allein dies ist entscheidungsrelevant.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision war im Hinblick auf das Fehlen eindeutiger obergerichtlicher Rechtsprechung zur besonderen beruflichen Betroffenheit für den Fall der Verschlimmerung von BK- bzw. Arbeitsunfallfolgen wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG) zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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