L 2 AL 119/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AL 537/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 119/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. August 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 10. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2003 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab dem 24. Februar 2003 Arbeitslosengeld im gesetzlichen Umfang zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 24. Februar 2003.

Die am 1953 geborene Klägerin hat den Abschluss als Ingenieur-Ökonomin für Bauwesen. Sie war von 1977 bis 1979 als Leiterin eines Personalbüros, von 1979 bis 1980 als Materialtechnologin, von 1980 bis 1990 als Materialverbrauchsnorm-Ingenieurin und 1990 bis 1995 als Kalkulatorin bei verschiedenen Firmen tätig. In der Zeit vom 16. Oktober 1995 bis 4. März 1996 bezog die Klägerin Alg. Danach war sie selbstständig tätig. Mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom 21. März 1999 gründete die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann die BFS K. –B. GmbH. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der GmbH lag im Bautenschutz (Denkmalpflege). In dieser GmbH hielt die Klägerin zunächst ca. 95% der Geschäftsanteile, ihr Ehemann ca. 5%. Die Klägerin wurde zur Geschäftsführerin bestellt. Mit notarieller Urkunde vom 5. Dezember 2000 übertrug die Klägerin ihren Geschäftsanteil auf ihren Ehemann zu einem Kaufpreis von 1,00 DM. In einer Gesellschafterversammlung am 10. Dezember 2000 wurde die Klägerin ab 1. Januar 2001 zur Geschäftsführerin berufen. Sie schloss mit der GmbH am 1. Januar 2001 einen entsprechenden Anstellungsvertrag. In diesem wurde u.a. festgelegt: " § 1 2. Der Anstellungsvertrag kann von der GmbH vorzeitig nur durch Kündigung aus wichtigem Grund beendet werden. Wird der Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft vorzeitig aus seinem Amt abberufen, endet der Anstellungsvertrag zu dem Zeitpunkt, in dem die Abberufung wirksam wird, ohne dass dem Geschäftsführer Entschädigungsansprüche zustehen. 3. nach Ablauf von fünf Jahren kann der Geschäftsführer den Anstellungsvertrag mit einer Frist von sechs Monaten kündigen. Liegt ein wichtiger Grund, kann die Kündigung des Geschäftsführers mit einer Frist von zwei Wochen zum Ende eines jeden Monats ausgesprochen werden. 4. im beiderseitigen Einverständnis kann der Arbeitsvertrag mit einer Frist von vier Wochen aufgelöst werden. § 2 1. der Geschäftsführer ist allein geschäftsführungs- und alleinvertretungsberechtigt. Er hat den gesamten Betrieb zu leiten. Er bestimmt die innerbetriebliche Organisation und ist Arbeitgeber im Sinne des Arbeits- und Sozialrechtes.

§ 3 1. Der Geschäftsführer stellt der GmbH seine Erfahrungen und Kenntnisse in deren Aufgabenbereich voll und ganz zur Verfügung. 2. Der Geschäftsführer benötigt die vorherige Zustimmung der Gesellschaft -zum Erwerb, zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken sowie zum Abschluss der entsprechenden Verpflichtungsgeschäfte -zur Veräußerung von Teilen des Betriebes sowie zum Abschluss von Umgründungs- und Umwandlungsverträgen -zu allen sonstigen Geschäften und Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen. § 4 Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. § 6 Das Gehalt des Geschäftsführers beträgt 2000 DM monatlich und ist als Festgehalt jeweils am Monatsende zu zahlen. § 7 1. der Geschäftsführer erhält jährlich einen Urlaub von 30 Arbeitstagen. Wann er diesen Urlaub nimmt und wir ihn auf das Jahr verteilt, bleibt ihm überlassen. Er muss allerdings sicherstellen, dass der Geschäftsbetrieb auch während seiner Abwesenheit ohne Schaden zu nehmen weiterläuft. 2. der Geschäftsführer erhält einen Dienst-PKW den er auch zur privaten Nutzung verwenden kann. § 8 1. wird der Geschäftsführer infolge von Krankheit oder anderen unverschuldeten Umständen um mehr als 50 vH arbeitsunfähig und gibt er infolgedessen seine Tätigkeit nicht mehr aus, so erhält er an Stelle der in § 6 des Vertrages vereinbarten Vergütung eine am Ende des Monats fällige Rente in Höhe von monatlich 1/36 der in den letzten beiden Geschäftsjahren an ihn gezahlten Vergütung, bestehend aus Festgehalt, Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld.

Mit Bescheid vom 8. Januar 2001 beurteilte die Beigeladene die Tätigkeit der Klägerin als Geschäftsführerin in der BFS K. B. GmbH als eine abhängige Beschäftigung.

Zum 21. Februar 2003 kündigte der Ehemann der Klägerin deren Geschäftsführeranstellungsvertrag. Die Klägerin meldete sich am 24. Februar 2003 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld um. Im "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Fremdgeschäftsführers einer GmbH" gab sie an, dass sie vom Selbstkontrahierungszwang nach § 181 BGB befreit sei und als einziger Geschäftsführer/Gesellschafter/Betriebsangehöriger über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse verfüge. Sie habe wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht der Gesellschaft bezüglich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung unterlegen. Dieses Weisungsrecht sei vom Hauptgesellschafter tatsächlich ausgeübt worden Sie habe selbstständig Personal einstellen und/oder entlassen können. Den Urlaub habe sie sich genehmigen lassen müssen. Eine Kündigungsfrist sei nicht vereinbart, ebenso wenig sei die Vergütung im Falle einer Arbeitsunfähigkeit weitergewährt worden.

Mit Bescheid vom 10. April 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alg an die Klägerin ab. Sie begründete dies damit, dass die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 22. Februar 2003 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Sie sei als Geschäftsführerin alleinvertretungsberechtigt gewesen, habe alleine die Geschäfte geführt und die betriebliche Organisation bestimmt, sodass sie nicht als Arbeitnehmerin anzusehen sei. Den hiergegen am 15. April 2003 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2003 im Wesentlichen mit der Begründung zurück: Die kostenfreie Übertragung des Gesellschaftskapitals an den Ehemann lasse von vornherein eine abhängige Beschäftigung als sehr unwahrscheinlich erscheinen, da die familienhafte Rücksichtnahme und die Teilnahme am unternehmerischen Risiko eine wesentliche Rolle spielten. Die Klägerin besitze als einzige die für die Führung des Unternehmens erforderlichen Branchenkenntnisse und habe damit faktisch ihre Funktion vom Zeitpunkt vor der Übertragung des Gesellschaftskapitals an den Ehemann unverändert als "Kopf und Seele der Firma" fortgesetzt. Sie unterliege nicht dem Direktionsrecht der Gesellschaft, in der Praxis also der Weisung des Ehemannes, mit dem neben dem ehelichen Güterstand eine durch die Anteilsübertragung nicht unerhebliche finanzielle Verbundenheit bestehe. Auch die Lage des Urlaubs und dessen Dauer habe die Klägerin selbst bestimmen können. Es sei davon auszugehen, dass vorliegend die Übertragung der Gesellschaftsanteile nur formellen Charakter gehabt habe, die Klägerin weiterhin die tatsächliche Leitung der Firma innegehabt habe und damit als Arbeitgeber zu betrachten sei.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 30. Juni 2003 Klage vor dem Sozialgericht Halle erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 24. Februar 2003 Alg in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerinnen im Wesentlichen ausgeführt: Der Grund der Übertragung der Gesellschaftsanteile sei die wirtschaftlich angespannte Situation gewesen. Die Klägerin habe sich der auf ihr lastenden Verantwortung entziehen und den sozialversicherungsrechtlichen Schutz eines Arbeitnehmers gegebenenfalls in Anspruch nehmen wollen. Sie sei darauf angewiesen gewesen, da sie nur einen geringen Verdienst und keine Umsatzbeteiligung gehabt habe. Letztlich habe sie dem Direktionsrecht ihres Ehemannes und den Beschlüssen der Gesellschaft unterstanden. So habe sie selbstständig Personal weder einstellen noch kündigen dürfen. Ihre Weisungsgebundenheit ergebe sich auch aus der am 15. Januar 2001 geschlossenen Arbeitsanweisung (vgl. Bl. 67 der Gerichtsakte - GA). Auch von der Befreiung nach § 181 BGB habe sie keinen Gebrauch gemacht. Zu ihren Aufgaben habe es gehört, die Baustellen zu betreuen (im Wesentlichen seien Subunternehmen beauftragt worden) und Kontakt zu den Auftraggebern aufzunehmen und zu halten. Angebote habe sie nur in Abstimmung mit ihrem Ehemann abgegeben, der auch an den entsprechenden Verhandlungen teilgenommen habe. Ihr Ehemann habe auch die erforderlichen Fachkenntnisse besessen.

Mit Urteil vom 24. August 2005 hat das Sozialgericht Halle in die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen: Es sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin ihrem Ehemann gegenüber weisungsgebundenen gewesen sei. So habe die Klägerin selbst die Geschäftsanteile an den Ehemann verkauft. Ihr Ehemann, der die Ausbildung eines Diplom-Ingenieurs im Chemiebereich habe, habe auch nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt, sodass eine Kontrolle des Ehemannes unwahrscheinlich sei. Ein Großteil der Arbeiten sei von Subunternehmen durchgeführt worden, sodass es hier der Kontrolle eines Baufachmannes bedurft habe. Das Gehalt der Klägerin habe zudem im unteren Bereich gelegen. Ferner sei eine Lohnfortzahlung bei Krankheit nicht gewährt worden. Diese Umstände deuteten auf eine Familienrücksichtnahme hin. Ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe sei ebenfalls nicht gegeben.

Gegen das ihr am 13. September 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. Oktober 2005 Berufung eingelegt: Da die Beigeladene eine versicherungspflichtige Beschäftigung bejaht habe, sei sie davon ausgegangen ist, dass hinsichtlich ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung eine einvernehmliche Beurteilung vorgelegen habe. Auch sei während des Laufes des Geschäftsführeranstellungsvertrages eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gewährt worden. Zur Bestätigung hat sie eine Bescheinigung ihres Steuerberaters vorgelegt, aus der hervorgeht, dass ihr im Jahr 2001 nach einer Knieoperation für sechs Wochen das Entgelt von der GmbH weiter gezahlt worden sei. Sie habe auch keine überschießenden Branchenkenntnisse gehabt. So sei ihr Ehemann Dipl.-Ing. für Verfahrenstechnik. Seine Ausbildung sei nicht nur auf den Chemiebereich zu beziehen. Sie habe, als es der BFS K. –B. GmbH wirtschaftlich schlecht gegangen sei, das Geschäft eigentlich aufgeben wollen. Ihr Ehemann habe vorgeschlagen, neue Aufträge zu akquirieren. Sie habe sich eine Fortführung der Geschäfte nicht zugetraut. Ihr Ehemann habe vorgeschlagen, die Akquisition zu übernehmen, dafür aber wollte er auch die GmbH übernehmen. Sie selbst sollte nur für die Abarbeitung der Aufträge zuständig sein. Ihr Ehemann habe die GmbH zudem durch persönliche Darlehen unterstützt. Dafür aber auch Leitung der GmbH tatsächlich übernommen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 24. Februar 2003 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich im Wesentlichen auf die bereits in erster Instanz von ihr vorgetragenen Argumente: Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Beigeladene in der Tätigkeit der Klägerin eine versicherungspflichtige Beschäftigung anerkannt habe. Die Klägerin hätte die Zustimmung der Beklagten beantragen können, habe dies allerdings nicht getan.

In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2008 ist Beweis erhoben worden über die Stellung der Klägerin in der durch Vernehmung des Ehemannes der Klägerin, Herrn H. W ... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 235 ff. der GA verwiesen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes die Wertgrenze von 500,00 EUR übersteigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).

Die Berufung ist auch begründet.

Der Senat hat die Beklagte zur Zahlung der begehrten Leistung gem. § 130 Abs. 1 SGG dem Grunde nach verurteilt. Dieses Grundurteil auf die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ergeht als Endurteil (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. zum SGG, 8. Auflage, § 130 Rn. 4). Streitgegenstand ist der Leistungsanspruch der Klägerin für den sich aus dem Antrag im Verwaltungsverfahren ergebenden Leistungszeitraum ab dem 24. Februar 2003. Einer zeitlichen Begrenzung bedarf es im Falle des Grundurteils nicht. Die Beklagte hat das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach bis zu einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen zu beachten. Auf dieser Grundlage wird sie die Höhe des Anspruchs und die Dauer der Bewilligung von Alg mit Bescheid festzusetzen haben.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Bewilligung von Alg ab 24. Februar 2003.

Anspruch auf Alg haben nach § 117 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich beim Ar- beitsamt arbeitslos gemeldet haben und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Eine Anwartschaftszeit ist nach § 123 SGB III erfüllt, wenn der Arbeitslose in der Rahmenfrist des § 124 SGB III mindestens zwölf Monat versicherungspflichtig beschäftigt war. Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 Abs. 1 SGB III drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Die Klägerin war in der dreijährigen Rahmenfrist, die am 23. Februar 2000 begann, ab 1. Januar 2001 versicherungspflichtig als Geschäftsführerin in der BFS K. –B. GmbH tätig.

Nach § 25 Abs. 1 SGB III sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Beschäftigung ist nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV), der für sämtliche Bereiche der Sozialversicherung gilt, die nicht selbstständige Arbeit. Arbeitnehmer ist danach, wer von seinem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Das Weisungsrecht kann allerdings bei Diensten höherer Art erheblich eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Es darf aber nicht vollständig entfallen. Kennzeichnend für eine selbstständige Tätigkeit ist demgegenüber das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und –zeit zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die vertragliche Gestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 1999, B 2 U 48/98 R, GmbHR 2000, 618 ff.).

Diese Grundsätze sind auch bei Organen juristischer Personen anzuwenden. Auch insoweit ist entscheidend, ob sie von der Gesellschaft persönlich abhängig sind. Bei den Organen juristischer Personen, zu denen auch Geschäftsführer einer GmbH gehören, ist abhängige Beschäftigung i.S. der Sozialversicherung nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil sie gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer der Gesellschaft gelten. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht. Ebenso wenig steht der Zugehörigkeit von Geschäftsführern einer juristischen Person zu ihren Beschäftigten entgegen, dass sie im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen und sie in der Regel keinen Weisungen Dritter bezüglich Zeit, Art und Ort ihrer Arbeitsleistung unterliegen. Im Regelfall sind auch die geschäftsführenden Organe juristischer Personen, abhängig beschäftigt, wenn sie an deren Kapital nicht beteiligt sind (Fremdgeschäftsführer) (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt dagegen dann nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und er allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1999, a.a.O.), insbesondere ihm sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH gestattet, nicht genehme Weisungen der genannten Art zu verhindern. (BSG, Urteil vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400, § 7 Nr. 4). Dies kann z.B. der Fall sein, wenn er als externer (angestellter) Geschäftsführer in der GmbH "schalten und walten" kann, wie er will, weil er die Gesellschafter persönlich dominiert oder weil diese wirtschaftlich von ihm abhängig sind.

Die Klägerin war zwar bis Ende 2000 zu 95% an der GmbH beteiligt. Sie führte die Geschäfte allein. Ab 1. Januar 2001 war sie nicht mehr an der Gesellschaft beteiligt. Ihr Ehemann hatte ihre Gesellschafteranteile übernommen. Im Einzelfall können die familiären Beziehungen dazu führen, dass die Geschäftsführertätigkeit überwiegend durch familiäre Rücksichtnahmen geprägt wird und es an der Ausübung eines Direktionsrechts durch die Gesellschafter völlig mangelt (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1987, 7 Rar 25/86). Ergibt daher eine Gesamtwürdigung der Umstände, dass der Geschäftsführer auf Grund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten, fehlt es an der für eine beitragspflichtige Beschäftigung unabdingbaren Voraussetzung der persönlichen Abhängigkeit.

Dieses ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Mit der Übertragung der Geschäftsanteile hat die Klägerin auch die Unternehmensführung an diesen übergeben. Ab 1. Januar 2001 war sie als abhängig Beschäftigte anzusehen.

Ab 1. Januar 2001 wurde nach Übertragung der Geschäftsanteile an ihren Ehemann ein Anstellungsvertrag zwischen der GmbH und der Klägerin geschlossen. Nach der glaubhaften Aussage des Ehemannes in der mündlichen Verhandlung hat er, nachdem seine Ehefrau mit der Firma keine Erfolge (mehr) erzielte, die Firma weiter geführt. Er hat die Firma umstrukturiert (Umstellung von Angestellten und Leiharbeitern auf die Vergabe der Aufträge an Subunternehmer) und sie mit Darlehen aus seinem Privatvermögen unterstützt, nachdem er die Gesellschaftsanteile von seiner Ehefrau übernommen hatte. Er hatte damit das unternehmerische Risiko übernommen. Der Ehemann hat glaubhaft bekundet, dass sein Ehefrau akzeptiert habe, dass er nach der Übernahme der Gesellschaftsanteile "das Sagen" gehabt habe. Er machte deutlich, dass er die Führung in der Firma übernommen hatte. Ohne seine Zustimmung konnte die Klägerin keine eigenen unternehmerischen Entscheidungen (mehr) treffen. Der Zeuge trat in der Beweisaufnahme sehr bestimmt auf und hinterließ den Eindruck, dass er eine sehr bestimmende Persönlichkeit hat. Vor diesem Hintergrund ist von einer Strohmannstellung des Ehemannes nicht auszugehen.

Der Ehemann bemühte sich, Aufträge zu akquirieren. So sollte die Firma mehr im Bereich des Industrieanlagenbaus tätig werden. Daraus wird deutlich, dass der Zeuge seine Stellung als Alleingesellschafter auch tatsächlich nutzte. Die Klägerin war ab diesem Zeitpunkt seine weisungsgebundene Angestellte. Ihr Wirken in der Firma hatte nur noch untergeordnete Bedeutung. So war sie ihm in vollem Umfang weisungsgebunden, sowohl nach dem abgeschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrag als auch im Tatsächlichen. So war die Klägerin in den Betrieb insoweit eingegliedert, dass sie auf Weisung des Ehemannes Termine auf Baustellen habe wahrnehmen müssen.

Der Annahme einer nicht selbstständigen Tätigkeit der Klägerin steht nicht entgegen, dass der Zeuge während der Zeit, in der er die Geschäfte der BFS K. B. GmbH führte, weiterhin als Angestellter für eine andere Firma mit dem Verkauf von Industriepumpen im Außendienst tätig war. Nach seiner glaubhaften Aussage konnte er seine Arbeit als Angestellter frei einteilen. Dies ermöglichte es ihm, Aufträge für die BFS K. B. GmbH zu akquirieren.

Auch teilt der Senat auf Grund des Eindrucks der Beweisaufnahme nicht Ansicht des SG, dass der Ehemann der Klägerin als Dipl.-Ing. für Verfahrenstechnik nicht in der Lage war, die BFS K. B. GmbH zu leiten. Nach seinem glaubhaften Bekunden lagen die Probleme der Firma weniger im fachlichen, sondern im kaufmännischen Bereich. Diesen kaufmännischen Bereich jedoch konnte er– zumindest in der ersten Zeit – durch die Umstrukturierung verbessern.

Auch die Arbeitsweise der Klägerin und die ihres Ehemannes hat sich nach der glaubhaften Aussage der Klägerin und des Zeugen nach der Übernahme der Gesellschaftsanteile durch den Ehemann geändert. Fast zwei Jahre lang hat die Klägein die GmbH unbestritten geleitet. Ab dem 1. Januar 2001 hat sich der Ehemann hauptsächlich um die Führung des Geschäfts gekümmert.

Unter Abwägung all dieser Gesamtumstände ist von einer abhängigen Beschäftigung der Klägerin ab 1. Januar 2001 auszugehen.

Nach alledem war wie tenoriert zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision i.S. von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs.2 Nr.2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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