Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 13 AY 11/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 20/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 AY 5/08 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.04.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob den Klägern höhere sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anstelle von Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Zeit vor Vollendung des dritten Lebensjahres zustehen.
Die am 00.00.2006 geborenen Kläger sind Kurden mit türkischer Staatsangehörigkeit. Ihre Eltern halten sich seit dem 01.06.1997 in Deutschland auf. Der Aufenthalt der Familie wurde wegen einer beim Vater bestehenden, krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit trotz erfolglosen Abschlusses des Asylverfahrens geduldet. Seit dem 31.07.2007 besitzen die Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die Kläger haben zwei ältere Geschwister (F I, geb. 00.00.1998, und H, geb. 00.00.2000).
Die Familie bezog seit dem 01.04.2000 Leistungen nach § 3 AsylbLG.
Mit einem Bescheid vom 20.10.2006 wurden den Eltern und den beiden älteren Geschwistern der Kläger ab dem 01.10.2006 Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt. Hiergegen legten diese unter Hinweis auf § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Widerspruch ein.
Ebenfalls mit einem Bescheid vom 20.10.2006 bewilligte die Beklagten den beiden Klägern Leistungen nach § 3 AsylbLG ab 01.10.2006. Der Bescheid, auf den Bezug genommen wird, wurde bestandskräftig.
Mit Änderungsbescheid vom 18.11.2006 berechnete die Beklagte die Leistungen für die Kläger ab dem 01.12.2006 neu (Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG je Kläger 112,48 EUR, Geldbetrag nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG monatlich jeweils 20,45 EUR, Unterkunftsleistungen jeweils monatlich 64,92 EUR); wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Unter dem 02.02.2007 legten die Kläger Widerspruch ein und beantragten die rückwirkende Bewilligung von Leistungen nach § 2 AsylbLG.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2007 (der Bevollmächtigten der Kläger am 02.04.2007 zugegangen) gewährte die Beklagte in Anwendung von § 44 SGB X den Eltern und den beiden älteren Geschwistern der Kläger wegen einer gesetzlichen Änderung rückwirkend Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG auch für den Zeitraum ab 01.01.2005 bis zum 30.09.2006. Den Widerspruch der Kläger wies die Beklagte zurück. Die Kläger erfüllten nicht die Voraussetzungen eines 36-monatigen Bezuges von Leistungen nach § 3 AsylbLG. Minderjährigen Kindern stehe jedoch nur dann ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zu, wenn sie zugleich diese Voraussetzung des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllten und mindestens ein Elternteil Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalte.
Hiergegen haben zunächst die Eltern der Kläger, die beiden älteren Geschwister sowie Kläger am 02.05.2007 Klage erhoben. Im Laufe des Klageverfahrens bewilligte die Beklagte den Eltern und den beiden älteren Geschwistern der Kläger in Anwendung von § 44 SGB X auch für die Zeit ab dem 01.04.2003 bzw. 01.06.2003 rückwirkend Leistungen nach § 2 AsylbLG (Bescheid vom 24.07.2007), was zur Erledigung der Klage der Eltern und der älteren Geschwister führte. Die Kläger haben vorgetragen, die Ansicht der Beklagten, selbst bei einem Anspruch der Eltern nach § 2 Abs. 1 AsylbLG müssten sie zunächst selbst für 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen haben, entspreche nicht dem gesetzgeberischen Willen. Ein sachlicher Grund für die eingeschränkten Leistungen nach §§ 3 bis 7 AsylbLG bestehe in einem solchen Fall nicht. Der mit den Leistungen nach § 2 AsylbLG an die Eltern anerkannte erhöhte Integrationsbedarf erstrecke sich auch auf die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Kläger; ihr Aufenthalt sei aufgrund des Aufenthaltes der Eltern bereits verfestigt. Ursprünglicher Zweck der im Wortlaut nicht eindeutigen Vorschrift des § 2 Abs. 3 AsylbLG sei es gewesen, eine leistungsrechtliche Besserstellung des minderjährigen Kindes gegenüber seinen im gleichen Haushalt lebenden Eltern zu verhindern (BT-Drs. 13/2746 vom 24.10.1995, S. 16). Anders, als im Gesetzesentwurf vorgesehen, sollten jedoch nicht nur seit längerem geduldete Ausländer, sondern auch Asylbewerber in den Genuss von Leistungen nach § 2 AsylbLG kommen können. Nur durch den ursprünglichen Gesetzeszweck erkläre sich die missglückte Formulierung des § 2 Abs. 3 AsylbLG. Der generalpräventive Aspekt einer Abschreckung vor einer Inanspruchnahme des Asylrechts wegen Anreizwirkungen des hiesigen Sozialleistungssystems greife bei einer Geburt von Kindern analogleistungsberechtigter Kinder in Deutschland nicht. Es sei dem Gesetzgeber nicht um den Ausschluss solcher Kinder vom Bezug von Analogleistungen gegangen; vielmehr handele es sich vorliegend um eine vom Gesetzgeber übersehene Konstellation. Derartige gesetzgeberische Fehler seien durch Auslegung bzw. Rechtsfortbildung zu korrigieren; es müsse davon ausgegangen werden, dass auch weiterhin die in der Gesetzesbegründung genannte Intention, innerhalb einer familiären Haushaltsgemeinschaft den Kindern keine anderen (weder bessere noch schlechtere) Leistungen als den Eltern zu gewähren, dem Willen des Gesetzgebers entspreche. § 2 Abs. 3 AsylbLG begründe einen akzessorischen Anspruch der Kinder; dies habe etwa die Sozialverwaltung des Berliner Senats anerkannt (dortiges Rundschreiben I Nr. 7/2007 vom 31.08.2007). Nur Analogleistungen nach § 2 AsylbLG sicherten im Übrigen das soziokulturelle Existenzminimum.
Zum 01.11.2007 wurde nach Arbeitsaufnahme der Eltern der Kläger sowie nach Gewährung von Kindergeld die Leistungsgewährung an die Familie der Kläger nach dem AsylbLG eingestellt.
Die Kläger haben beantragt,
die Leistungsbescheide für die Kläger in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern rückwirkend Leistungen gemäß § 2 AsylbLG seit Geburt zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, § 2 Abs. 3 AsylbLG begründe über Abs. 1 der Vorschrift hinaus eine weitere Leistungsvoraussetzung für den Bezug von Analogleistungen. Der Fall eines noch nicht 36 Monate alten Kindes sei in § 2 Abs. 3 AsylbLG nicht besonders geregelt; ein Absehen von einer 36-monatigen Vorbezugszeit von Leistungen nach § 3 AsylbLG entspreche nicht dem Gesetzeswortlaut und sei nicht möglich, auch wenn den 2006 geborenen Klägern eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung ihrer Aufenthaltsdauer in Deutschland nicht angelastet werden könne. Abweichende Ausführungsbestimmungen der Berliner Sozialverwaltung entfalteten für die Beklagte keine Bindung; für Nordrhein-Westfalen existiere eine entsprechende Ausführungsbestimmung nicht.
Mit Urteil vom 17.04.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Weder Wortlaut noch Sinn des § 2 Abs. 3 AsylbLG ließen die Gewährung von Analogleistungen zu. Der Gesetzeswortlaut "nur" zeige, dass die Vorschrift die des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht erweitere, sondern einschränke. Auch aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 13/2746) ergebe sich, dass § 2 Abs. 3 AsylbLG lediglich eine Besserstellung der Kinder gegenüber einem Elternteil vermeiden solle. Dem Sozialhilfeniveau entsprechende Analogleistungen sollten erst dann zustehen, wenn ein längerer Aufenthaltszeitraum verstrichen und sodann Bedürfnisse anzuerkennen seien, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auf bessere soziale Integration gerichtet seien (BT-Drucks. 12/5008, S. 15). Die Verweisung in § 2 AsylbLG auf das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sei nur ein Rechtsfolgenverweis; anders als das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) kenne das SGB XII auch keine Bedarfsgemeinschaft, in der die Regelleistung für Kinder von der Höhe der Regelleistung für die Eltern abhänge.
Gegen das am 23.04.2008 zugestelle Urteil haben die Kläger am 19.05.2008 Berufung eingelegt. Sie führen in Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrages aus, der Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG ergebe nicht zwangsläufig die vom Sozialgericht gesehene Anspruchseinschränkung. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/2746, S. 16) führe aus, mit der Vorschrift solle erreicht werden, "dass innerhalb einer Familie minderjährigen Kindern keine anderen Leistungen gewährt werden als ihren Eltern, mit denen sie in einer Haushaltsgemeinschaft leben." Eine Abschreckung vor der Einreise nach Deutschland könne bei hier geborenen Kindern überhaupt nicht erreicht werden. Wenn den Eltern bereits Analogleistungen gewährt würden, könne auch kein Asylmissbrauch verhindert oder Schleppertum bekämpft bzw. ein besonderer Ausreisedruck auf das Kleinkind ausgeübt werden. Vor diesem Hintergrund könne der Gesetzgeber in Fällen wie dem ihren eine 36-monatige (heute 48-monatige) Vorbezugsfrist nicht bewusst in Kauf genommen haben. Eine solche Frist sei in ihrem Falle auch verfassungsrechtlich nicht haltbar. Die durch § 2 AsylbLG erfolgte Anerkennung des Bedarfs der Eltern auf Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums werde durch die Gewährung abgesenkter Leistungen für ihre Kleinkinder nicht unerheblich wieder entwertet. Hier geborene Kinder würden zu einem bloßen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt; der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Grundgesetz (GG)) und das Willkürverbot (Art. 3 GG) geböten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Auslegung von § 2 Abs. 3 AsylbLG dahingehend, dass zumindest hier geborene Kinder eines analogleistungsberechtigten Elternteils Anspruch auf Analogleistungen hätten. Anderenfalls würden Kinder unter drei bzw. jetzt vier Jahren allein aufgrund ihres Alters in diskriminierender Weise von Analogleistungen ausgeschlossen. Bedenken bestünden insoweit auch im Hinblick auf die UN-Kinderrechtskonvention. Eine die Rechtsauffassung der Beklagten stützende Entscheidung des erkennenden Senats (Urteil vom 05.05.2008 - L 20 AY 5/07) berücksichtige nicht, dass der Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG nicht nur auslegungsfähig, sondern auch auslegungsbedürftig sei. Handwerkliche Fehler des Gesetzgebers seien unter Beachtung des objektivierten Willen des Gesetzgebers - nicht dessen, was der Gesetzgeber gedacht habe, sondern dessen, was er hätte denken sollen - in verfassungskonformer Auslegung mit dem Ziel der Rekonstruktion des dem Gesetz objektiv innewohnenden Gedankens im Rahmen der Auslegungsspielräume offen zu legen und zu korrigieren. Heutigem Verständnis von Gewaltenteilung entspreche es, wenn Gerichte das Recht nicht nur anwendeten, sondern ihm konkret und individuell unter Beachtung und innerhalb der Grenzen der Auslegungsspielräume Gestalt und Wirkung verschafften. Sei es dem Gesetzgeber nicht gelungen, das objektiv Gewollte zutreffend zu formulieren und würde die Anwendung des reinen Wortlauts zu ungerechten oder gar verfassungswidrigen Ergebnissen führen, sei es gerichtliche Aufgabe, den auslegungsfähigen Wortlaut des Gesetzes begrenzt durch den Wortsinn verfassungskonform auszulegen. Denn der Richter sei nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Kein Richter sei gezwungen, ein Gesetz anzuwenden, das er in einem Widerspruch mit höherrangigem Recht sehe. Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 AsylbLG sei die Vermeidung einer leistungsrechtlichen Besserstellung eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen mit ihm in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern. Unabhängig von der Frage nach einer uneingeschränkten Akzessorietät zwischen den Leistungen der Kinder und denen der Eltern erfordere dieser Zweck jedenfalls nicht, dass Kinder ebenfalls die Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllt haben müssten. Der Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG bleibe insoweit auslegungsfähig und habe sich an Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientieren; dieser aber gehe von einem grundsätzlich zumindest am Leistungsanspruch der Eltern orientierten, akzessorischen Leistungsniveau aus. Der Gesetzeswortlaut "nur" lasse unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes eine Auslegung dahingehend zu, dass minderjährige Kinder zwar nur dann einen Anspruch auf Analogleistungen haben könnten, wenn auch ein Elternteil zu diesen Leistungen berechtigt sei, dass dies für einen solchen Anspruch des Kindes aber auch hinreichend sei. Dem Gesetzgeber stehe überdies zwar ein weiter, nicht aber ein unbegrenzter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu; für die minderjährigen Kindern verbleibenden Leistungsansprüche nach § 3 AsylbLG bestünden durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken, da diese Ansprüche mit ca. 35% unter den Regelsätzen nach dem SGB XII lägen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.04.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2007 zu verurteilen, den Klägern anstelle der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG höhere Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG für die Zeit vom 01.12.2006 bis 31.10.2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Die Beteiligten haben sich im Berufungsverfahren darauf verständigt, dass die Beklagte, sollten die Kläger im vorliegenden Rechtsstreit obsiegen, höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG auch für die Zeit ab Geburt der Kläger bis zum 30.11.2006 erbringen wird.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des Verfahrens ist nach der im Berufungsverfahren erfolgten Einschränkung des streitigen Zeitraums auf die Zeit ab dem 01.12.2006 allein der die Leistungen für die Kläger ab diesem Zeitpunkt neu bestimmende Bescheid vom 18.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2007.
II. Die Berufung der Kläger ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) der Kläger zu Recht abgewiesen. Die Kläger sind durch den angefochtenen Bescheid vom 18.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2007 nicht beschwert i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG, da die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen entsprechend den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG zu Recht abgelehnt hat.
Gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG in der bis zum 27.08.2007 geltenden Fassung war abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben. Durch Artikel 6 Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 ist mit Wirkung vom 28.08.2007 die Dauer der Vorbezugszeit von 36 auf 48 Monate verlängert worden.
1. Eine 36-monatige Vorbezugsfrist konnten die Kläger bis zum Ende des streitigen Zeitraumes am 31.10.2007 wegen ihrer Geburt erst am 02.10.2006 von vornherein nicht erfüllen.
2. Der Ablauf der Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist für die von den Klägern begehrten Analogleistungen Voraussetzung auch unabhängig davon, ob der Leistungsberechtigte die Dauer seines Aufenthalts i.S. der Vorschrift rechtsmissbräuchlich verursacht hat. Der Anspruch nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist zudem unabhängig von Familienstand und Alter des Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG zu beurteilen (so schon Urteile des Senats vom 10.03.2008 - L 20 AY 9/07 und vom 05.05.2008 - L 20 AY 5/07 R; Revisionsverfahren anhängig unter B 8 AY 2/08 R bzw. 3/08 R).
a) Während § 2 Abs. 1 AsylbLG als eigentliche Anspruchsnorm heranzuziehen ist, schränkt § 2 Abs. 3 AsylbLG einen nach Abs. 1 der Vorschrift möglichen Anspruch - lediglich - ein (vgl. Adolph, in: Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, Stand Januar 2008, § 2 AsylbLG Rn. 33; Hohm, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage 2006, § 2 AsylbLG Rn. 34). Diese Auslegung erscheint schon angesichts des Gesetzeswortlauts ("nur") und der Gesetzessystematik zwingend. Sie entspricht darüber hinaus nach Ansicht des Senats auch dem Willen des Gesetzgebers. Zwar erläutert die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/2746, S. 15 f.) die gesetzgeberischen Absichten dahingehend, dass innerhalb einer Familie keine unterschiedlichen Leistungen gewährt werden sollen. Dies zur Begründung des von den Klägern geltend gemachten Anspruchs anzuführen, missachtet jedoch den Kontext, der für das Verständnis der Norm entscheidende Bedeutung hat. Die Gesetzesbegründung bezieht sich nämlich im Folgenden auf eine im Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG und anderer Gesetze (1. ÄndG) vom 24.10.1995 (a.a.O.) ggf. durch § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG des Entwurfs angelegte Besserstellung minderjähriger Kinder ("Dazu könnte es ohne diese Regelung kommen, wenn beide Elternteile lediglich für sich einen Asylantrag stellen, während die Kinder eine Duldung besitzen") und zielt ersichtlich lediglich auf die Situation unterschiedlicher Asylantragsverhältnisse bei Eltern und Kindern ab.
b) § 2 Abs. 3 AsylbLG begründet insoweit insbesondere keine uneingeschränkte Akzessorietät (missverständlich Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 2 AsylbLG Rn. 16) der Ansprüche von nach dem AsylbLG grundsätzlich leistungsberechtigten minderjährigen Kindern (vgl. Hohm, AsylbLG, Stand April 2008, § 2 Rn. 228, der von einem akzessorischen Leistungsniveau auf dem abgesenkten Niveau des AsylbLG spricht) zu den Ansprüchen der mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern. Erst Recht stellt die Vorschrift keine losgelöst von Abs. 1 der Vorschrift zu beurteilende Anspruchsnorm dar. Vielmehr müssen die Voraussetzungen des Abs. 3 sowie (zusätzlich) diejenigen des Abs. 1 kumulativ erfüllt sein (vgl. auch Hohm, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Rn. 34; Fasselt, in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage 2005, § 2 AsylbLG Rn. 14; Herbst, in: Mergler/Zink, SGB XII, Stand August 2007, § 2 AsylbLG Rn. 49; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 31.05.1999 - 4 L 1884/99). Ansprüche nach dem AsylbLG sind wie solche nach dem SGB XII und dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Individualansprüche konzipiert. Mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.06.2000 - 12 L 3349/99, bestätigt durch Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 28.09.2001 - 5 B 94/00 = FEVS 53, 111-112) ist weiterhin - wie für das Sozialhilferecht anerkannt - von einem eigenständigen Hilfeanspruch jedes Familienangehörigen auszugehen, weil ein Grundsatz familieneinheitlicher Leistungsgewährung nicht existiert. Die zwischenzeitlichen Änderungen des Aufenthalts-, Ausländer- und Asylbewerbereistungsrechts rechtfertigen eine abweichende Beurteilung nicht.
3. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift des § 2 Abs. 1 AsylbLG selbst kommt nicht in Betracht. Unabdingbare Voraussetzung des dort normierten Leistungsanspruchs ist der Ablauf der Vorbezugsfrist. Soweit in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung mit Blick auf den der Vorschrift zu Grunde liegenden Integrationsgedanken (vgl. BT-Drucks. 12/5008, S. 15) auch der Vorbezug etwa von höherwertigen Sozialleistungen berücksichtigt wurde (vgl. etwa LSG NRW, Beschlüsse des erkennenden Senates vom 26.04.2007 - L 20 B 4/07 AY ER, vom 06.08.2007 - L 20 B 50/07 AY ER, vom 27.04.2006 - L 20 B 10/06 AY ER; ebenso Hessisches LSG, Beschluss vom 21.03.2007 - L 7 AY 14/06 ER, SG Aachen, Urteil v. 19.06.2007 - S 20 AY 4/07), ändert dies (unabhängig davon, dass höchstrichterliche Hauptsacheentscheidungen zu dieser Frage ohnehin noch nicht verfügbar sind) nichts an der eindeutigen und der einschränkenden Auslegung nicht zugänglichen Regelung, dass zumindest die gesetzlich normierte Vorbezugsfrist abgelaufen sein muss. Die Frage der Sinnhaftigkeit des Auseinanderfallens von Ansprüchen innerhalb einer familiären Haushaltsgemeinschaft und des Ausschlusses von in Deutschland geborenen Kindern von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bis zur Vollendung ihres dritten bzw. jetzt vierten Lebensjahres stellt sich angesichts der klaren gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung nicht.
Wenn die Kläger insoweit einen "objektivierten Willen" des Gesetzgebers für ihre gegenteilige Ansicht anführen, so kann der Senat dem Gesetz und den zu ihm vorhandenen Materialien Hinweise, die eine entsprechend weite Anspruchsherleitung rechtfertigten, aus den genannten Gründen gerade nicht entnehmen. Ohnehin ist der Topos dieses "objektivierten" Willens nach Ansicht des Senats mit Blick auf die den Gerichten durch Art. 20 Abs. 3 GG gesetzten Grenzen im Rahmen staatlicher Gewaltenteilung allenfalls mit großer Vorsicht anwendbar; insbesondere erlaubt der Hinweis auf den "objektivierten" gesetzlichen Willen keine Überschreitung der Grenze von zulässiger richterlicher Rechtserkenntnis hin zu unzulässiger richterlicher Rechtssetzung (kritisch zu diesem Topos jüngst etwa Rüthers, Fortgesetzter Blindflug oder Methodendämmerung der Justiz? Zur Auslegungspraxis der obersten Bundesgerichte, JZ 2008, 446, 449). Die gleichen Bedenken sprechen dagegen, wenn die Kläger eine aus Sicht des Senats allzu freihändige Anspruchsnormerweiterung unter dem Gesichtspunkt der Bindung der Gerichte an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie unter Hinweis auf ein "heutiges Verständnis von Gewaltenteilung" als gerechtfertigt ansehen wollen. Erwägungen dazu, was rechtspolitisch sinnvoll oder wünschenswert wäre, sind für die richterliche Rechtserkenntnis ohne Belang, solange sie nicht in das vom Gesetzgeber vorgegebene Recht eingeflossen sind; (noch) nicht Gesetz gewordene rechtspolitische Vorstellungen können allenfalls den Gesetzgeber veranlassen, die den Gerichten vorgegebenen Rechtsvorschriften diesen Vorstellungen entsprechend auszugestalten.
4. Schließlich vermag der Senat auch einen Verstoß gegen übergeordnetes Recht nicht zu erkennen. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG schon deshalb nicht vor, weil die Vorschrift des § 2 Abs. 1 AsylbLG gerade nicht hinsichtlich des Alters differenziert, sondern - wie ausgeführt - ausgehend vom Individualanspruch eines jeden Leistungsberechtigten unterschiedslos den Ablauf der Vorbezugsfrist verlangt. Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob der Verzicht auf die Vorbezugsfrist unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 AsylbLG unter Gleichheitsgesichtspunkten sachlich zu rechtfertigen wäre. Eine restriktive Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG dahingehend, dass dieser nicht für in Deutschland geborene Kinder gilt, wenn ein Elternteil bereits nach § 2 Abs. 1 AsylbLG leistungsberechtigt ist, kommt - wie dargelegt - nicht in Betracht. Die abweichende Auffassung (vgl. Birk, in: LPK-SGB XII, 8. Auflage 2008, § 2 AsylbLG Rn. 7) überzeugt nicht. Sie bleibt schon eine nähere Benennung der angeführten verfassungsrechtlichen Gründe schuldig. Im Übrigen scheint sie, obgleich das grundsätzliche Erfordernis des Ablaufs der (jetzt) 48-monatigen Vorbezugsfrist anerkannt wird, zu verkennen, dass § 2 Abs. 3 AsylbLG nicht als Anspruchsnorm konzipiert ist. Eine Auslegung im dort vorgeschlagenen - anspruchsbegründenden - Sinn stellte damit auch keine restriktive Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG, sondern genau genommen - in Bezug auf die Vorbezugsfrist - vielmehr eine einschränkende Auslegung des Abs. 1 der Vorschrift dar. Droht kein Verfassungsverstoß, kommt eine solche, sich vom Wortlaut allzu sehr entfernende Auslegung im Übrigen auch unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen Auslegung von vornherein nicht in Betracht.
5. Durchgreifende Bedenken an der Verfassungsgemäßheit der (für die Kläger verbleibenden) Leistungen nach § 3 AsylbLG, die für das Jahr 2007 mit etwa 35 % unter den Regelsätzen nach dem SGB XII eingestuft werden (vgl. Birk, a.a.O., § 3 AsylbLG Rn. 8), hat der Senat nicht. Insoweit kommt auch eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens zur Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Wege der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht Betracht.
Zwar ist den Klägern zuzugegeben, dass (erst) die Leistungen nach dem SGB XII das sog. soziokulturelle Existenzminimum einer Lebensführung in Deutschland sicherstellen, und dass (regelmäßig erst) damit - entsprechend der Aufgabe der Sozialhilfe, die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 1 SGB XII) - der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch auf das Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. hierzu auch Horrer, Das Asylbewerberleistungsgesetz, die Verfassung und das Existenzminimum, 2001, 145 ff.) eingelöst wird (vgl. Armborst, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 1 Rn. 5); die darunter liegenden Normalleistungen nach § 3 AsylbLG (insoweit pointiert der Titel der Schrift von Classen, Menschenwürde mit Rabatt. Leitfaden und Dokumentation zum Asylbewerberleistungsgesetz, 2. Aufl. 2000) können deshalb im Wesentlichen allein mit der besonderen, regelmäßig nur auf absehbare Dauer angelegten Aufenthaltssituation und einem deshalb abweichenden Bedarf von Berechtigten nach dem AsylbLG gerechtfertigt werden (vgl. hierzu Horrer, a.a.O., 179 ff, insbes. 195 ff., der allerdings die Leistungen unterhalb des Sozialhilfeniveaus nur bis zur Dauer eines Jahres für verfassungsgemäß hält). Gleichzeitig ist jedoch wegen des bereits verfestigten Aufenthalts in Deutschland die Besonderheit der Aufenthaltssituation der Familie der Kläger bereits deutlich verblasst. Bei der Anknüpfung der Zuweisung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG zu Leistungen entweder nach § 2 oder nach § 3 AsylbLG an die Aspekte der Verfestigung des Aufenthalts und des Integrationsbedarfs in die bundesrepublikanische Gesellschaft ist jedoch ein weiter Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers anzuerkennen. Nach Ansicht des Senats ist die zwingende Vorfrist eines 36- bzw. jetzt 48-monatigen Bezuges von Leistungen nach § 3 AsylbLG für den Bezug von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG auch bei Kindern, deren Eltern bereits einen verfestigteren Aufenthalt aufweisen, noch dem Bereich der sachgerechten Erwägungen zuzuordnen; denn sollte sich der Aufenthalt der Eltern derart weiter verfestigen, dass die Anspruchsberechtigung nach § 1 AsylbLG zugunsten einer solchen nach dem SGB II oder (originär) nach dem SGB XII entfällt, so wirkt sich dies - wie im Falle der Kläger auch später geschehen - zugleich unmittelbar auf die Kinder aus.
Auch unter sonstigen Gesichtspunkten bestehen keine Bedenken gegen die Höhe der den Klägern gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG. Zwar setzt nach § 3 Abs. 3 AsylbLG das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit den Bundesministerien des Innern und der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Beträge nach Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift (Taschengeld, Wert der Gutscheine bzw. Geldleistungen) jeweils zum 01. Januar eines Jahres neu fest, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten zur Deckung des in Abs. 1 genannten Bedarfes erforderlich ist. Den Klägern ist auch zuzugeben, dass eine solche Anpassung seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahre 1993 nie stattgefunden hat, was angesichts der zwischenzeitlichen Inflation (von Birk, a.a.O., mit ca. 20 % beziffert) eine seit 1993 erhebliche faktische Absenkung des bereits formell abgesenkten Existenzminimums bedeutet (selbst eine Umstellung der Grundbeträge auf im Wert geringfügig höhere Euro-Beträge ab dem 01.01.2002 scheiterte am Widerstand des Bundesrates; vgl. Birk, a.a.O.). Bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer Neufestsetzung der Leistungen für den in § 3 Abs. 1 AsylbLG genannten Bedarf nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG ist jedoch ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum der in § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG genannten Beurteilungsverantwortlichen (diverse Bundesministerien und Bundesrat) anzuerkennen; der Senat geht davon aus, dass diese ihrer Beurteilungsverantwortlichkeit nachgekommen sind (vgl. hierzu aber Hohm, AsylblG, a.a.O., § 3 Rn. 94, der verfassungsrechtliche Bedenken sieht). Umstände, die die Leistungsgewährung im konkreten Fall der Kläger als nicht ausreichend zur Sicherung der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestsicherung erscheinen ließen, sind denn auch weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
Auch ein Verstoß gegen Art. 27b UN-Kinderrechtskonvention ist daher im Ergebnis zu verneinen.
6. Besteht nach allem von vornherein kein Anspruch der noch heute nicht einmal drei Jahre (36 Monate) alten Kläger auf höhere Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, so kann der Senat offen lassen, ob auch über den Zeitpunkt der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (31.07.2007) hinaus bis zum Ende des streitigen Zeitraumes (31.10.2007) weiterhin eine grundsätzliche Leistungsberechtigung der Kläger nach § 1 AsylbLG bestand.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob den Klägern höhere sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anstelle von Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Zeit vor Vollendung des dritten Lebensjahres zustehen.
Die am 00.00.2006 geborenen Kläger sind Kurden mit türkischer Staatsangehörigkeit. Ihre Eltern halten sich seit dem 01.06.1997 in Deutschland auf. Der Aufenthalt der Familie wurde wegen einer beim Vater bestehenden, krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit trotz erfolglosen Abschlusses des Asylverfahrens geduldet. Seit dem 31.07.2007 besitzen die Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die Kläger haben zwei ältere Geschwister (F I, geb. 00.00.1998, und H, geb. 00.00.2000).
Die Familie bezog seit dem 01.04.2000 Leistungen nach § 3 AsylbLG.
Mit einem Bescheid vom 20.10.2006 wurden den Eltern und den beiden älteren Geschwistern der Kläger ab dem 01.10.2006 Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt. Hiergegen legten diese unter Hinweis auf § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Widerspruch ein.
Ebenfalls mit einem Bescheid vom 20.10.2006 bewilligte die Beklagten den beiden Klägern Leistungen nach § 3 AsylbLG ab 01.10.2006. Der Bescheid, auf den Bezug genommen wird, wurde bestandskräftig.
Mit Änderungsbescheid vom 18.11.2006 berechnete die Beklagte die Leistungen für die Kläger ab dem 01.12.2006 neu (Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG je Kläger 112,48 EUR, Geldbetrag nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG monatlich jeweils 20,45 EUR, Unterkunftsleistungen jeweils monatlich 64,92 EUR); wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Unter dem 02.02.2007 legten die Kläger Widerspruch ein und beantragten die rückwirkende Bewilligung von Leistungen nach § 2 AsylbLG.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2007 (der Bevollmächtigten der Kläger am 02.04.2007 zugegangen) gewährte die Beklagte in Anwendung von § 44 SGB X den Eltern und den beiden älteren Geschwistern der Kläger wegen einer gesetzlichen Änderung rückwirkend Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG auch für den Zeitraum ab 01.01.2005 bis zum 30.09.2006. Den Widerspruch der Kläger wies die Beklagte zurück. Die Kläger erfüllten nicht die Voraussetzungen eines 36-monatigen Bezuges von Leistungen nach § 3 AsylbLG. Minderjährigen Kindern stehe jedoch nur dann ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zu, wenn sie zugleich diese Voraussetzung des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllten und mindestens ein Elternteil Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalte.
Hiergegen haben zunächst die Eltern der Kläger, die beiden älteren Geschwister sowie Kläger am 02.05.2007 Klage erhoben. Im Laufe des Klageverfahrens bewilligte die Beklagte den Eltern und den beiden älteren Geschwistern der Kläger in Anwendung von § 44 SGB X auch für die Zeit ab dem 01.04.2003 bzw. 01.06.2003 rückwirkend Leistungen nach § 2 AsylbLG (Bescheid vom 24.07.2007), was zur Erledigung der Klage der Eltern und der älteren Geschwister führte. Die Kläger haben vorgetragen, die Ansicht der Beklagten, selbst bei einem Anspruch der Eltern nach § 2 Abs. 1 AsylbLG müssten sie zunächst selbst für 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen haben, entspreche nicht dem gesetzgeberischen Willen. Ein sachlicher Grund für die eingeschränkten Leistungen nach §§ 3 bis 7 AsylbLG bestehe in einem solchen Fall nicht. Der mit den Leistungen nach § 2 AsylbLG an die Eltern anerkannte erhöhte Integrationsbedarf erstrecke sich auch auf die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Kläger; ihr Aufenthalt sei aufgrund des Aufenthaltes der Eltern bereits verfestigt. Ursprünglicher Zweck der im Wortlaut nicht eindeutigen Vorschrift des § 2 Abs. 3 AsylbLG sei es gewesen, eine leistungsrechtliche Besserstellung des minderjährigen Kindes gegenüber seinen im gleichen Haushalt lebenden Eltern zu verhindern (BT-Drs. 13/2746 vom 24.10.1995, S. 16). Anders, als im Gesetzesentwurf vorgesehen, sollten jedoch nicht nur seit längerem geduldete Ausländer, sondern auch Asylbewerber in den Genuss von Leistungen nach § 2 AsylbLG kommen können. Nur durch den ursprünglichen Gesetzeszweck erkläre sich die missglückte Formulierung des § 2 Abs. 3 AsylbLG. Der generalpräventive Aspekt einer Abschreckung vor einer Inanspruchnahme des Asylrechts wegen Anreizwirkungen des hiesigen Sozialleistungssystems greife bei einer Geburt von Kindern analogleistungsberechtigter Kinder in Deutschland nicht. Es sei dem Gesetzgeber nicht um den Ausschluss solcher Kinder vom Bezug von Analogleistungen gegangen; vielmehr handele es sich vorliegend um eine vom Gesetzgeber übersehene Konstellation. Derartige gesetzgeberische Fehler seien durch Auslegung bzw. Rechtsfortbildung zu korrigieren; es müsse davon ausgegangen werden, dass auch weiterhin die in der Gesetzesbegründung genannte Intention, innerhalb einer familiären Haushaltsgemeinschaft den Kindern keine anderen (weder bessere noch schlechtere) Leistungen als den Eltern zu gewähren, dem Willen des Gesetzgebers entspreche. § 2 Abs. 3 AsylbLG begründe einen akzessorischen Anspruch der Kinder; dies habe etwa die Sozialverwaltung des Berliner Senats anerkannt (dortiges Rundschreiben I Nr. 7/2007 vom 31.08.2007). Nur Analogleistungen nach § 2 AsylbLG sicherten im Übrigen das soziokulturelle Existenzminimum.
Zum 01.11.2007 wurde nach Arbeitsaufnahme der Eltern der Kläger sowie nach Gewährung von Kindergeld die Leistungsgewährung an die Familie der Kläger nach dem AsylbLG eingestellt.
Die Kläger haben beantragt,
die Leistungsbescheide für die Kläger in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern rückwirkend Leistungen gemäß § 2 AsylbLG seit Geburt zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, § 2 Abs. 3 AsylbLG begründe über Abs. 1 der Vorschrift hinaus eine weitere Leistungsvoraussetzung für den Bezug von Analogleistungen. Der Fall eines noch nicht 36 Monate alten Kindes sei in § 2 Abs. 3 AsylbLG nicht besonders geregelt; ein Absehen von einer 36-monatigen Vorbezugszeit von Leistungen nach § 3 AsylbLG entspreche nicht dem Gesetzeswortlaut und sei nicht möglich, auch wenn den 2006 geborenen Klägern eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung ihrer Aufenthaltsdauer in Deutschland nicht angelastet werden könne. Abweichende Ausführungsbestimmungen der Berliner Sozialverwaltung entfalteten für die Beklagte keine Bindung; für Nordrhein-Westfalen existiere eine entsprechende Ausführungsbestimmung nicht.
Mit Urteil vom 17.04.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Weder Wortlaut noch Sinn des § 2 Abs. 3 AsylbLG ließen die Gewährung von Analogleistungen zu. Der Gesetzeswortlaut "nur" zeige, dass die Vorschrift die des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht erweitere, sondern einschränke. Auch aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 13/2746) ergebe sich, dass § 2 Abs. 3 AsylbLG lediglich eine Besserstellung der Kinder gegenüber einem Elternteil vermeiden solle. Dem Sozialhilfeniveau entsprechende Analogleistungen sollten erst dann zustehen, wenn ein längerer Aufenthaltszeitraum verstrichen und sodann Bedürfnisse anzuerkennen seien, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auf bessere soziale Integration gerichtet seien (BT-Drucks. 12/5008, S. 15). Die Verweisung in § 2 AsylbLG auf das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sei nur ein Rechtsfolgenverweis; anders als das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) kenne das SGB XII auch keine Bedarfsgemeinschaft, in der die Regelleistung für Kinder von der Höhe der Regelleistung für die Eltern abhänge.
Gegen das am 23.04.2008 zugestelle Urteil haben die Kläger am 19.05.2008 Berufung eingelegt. Sie führen in Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrages aus, der Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG ergebe nicht zwangsläufig die vom Sozialgericht gesehene Anspruchseinschränkung. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/2746, S. 16) führe aus, mit der Vorschrift solle erreicht werden, "dass innerhalb einer Familie minderjährigen Kindern keine anderen Leistungen gewährt werden als ihren Eltern, mit denen sie in einer Haushaltsgemeinschaft leben." Eine Abschreckung vor der Einreise nach Deutschland könne bei hier geborenen Kindern überhaupt nicht erreicht werden. Wenn den Eltern bereits Analogleistungen gewährt würden, könne auch kein Asylmissbrauch verhindert oder Schleppertum bekämpft bzw. ein besonderer Ausreisedruck auf das Kleinkind ausgeübt werden. Vor diesem Hintergrund könne der Gesetzgeber in Fällen wie dem ihren eine 36-monatige (heute 48-monatige) Vorbezugsfrist nicht bewusst in Kauf genommen haben. Eine solche Frist sei in ihrem Falle auch verfassungsrechtlich nicht haltbar. Die durch § 2 AsylbLG erfolgte Anerkennung des Bedarfs der Eltern auf Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums werde durch die Gewährung abgesenkter Leistungen für ihre Kleinkinder nicht unerheblich wieder entwertet. Hier geborene Kinder würden zu einem bloßen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt; der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Grundgesetz (GG)) und das Willkürverbot (Art. 3 GG) geböten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Auslegung von § 2 Abs. 3 AsylbLG dahingehend, dass zumindest hier geborene Kinder eines analogleistungsberechtigten Elternteils Anspruch auf Analogleistungen hätten. Anderenfalls würden Kinder unter drei bzw. jetzt vier Jahren allein aufgrund ihres Alters in diskriminierender Weise von Analogleistungen ausgeschlossen. Bedenken bestünden insoweit auch im Hinblick auf die UN-Kinderrechtskonvention. Eine die Rechtsauffassung der Beklagten stützende Entscheidung des erkennenden Senats (Urteil vom 05.05.2008 - L 20 AY 5/07) berücksichtige nicht, dass der Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG nicht nur auslegungsfähig, sondern auch auslegungsbedürftig sei. Handwerkliche Fehler des Gesetzgebers seien unter Beachtung des objektivierten Willen des Gesetzgebers - nicht dessen, was der Gesetzgeber gedacht habe, sondern dessen, was er hätte denken sollen - in verfassungskonformer Auslegung mit dem Ziel der Rekonstruktion des dem Gesetz objektiv innewohnenden Gedankens im Rahmen der Auslegungsspielräume offen zu legen und zu korrigieren. Heutigem Verständnis von Gewaltenteilung entspreche es, wenn Gerichte das Recht nicht nur anwendeten, sondern ihm konkret und individuell unter Beachtung und innerhalb der Grenzen der Auslegungsspielräume Gestalt und Wirkung verschafften. Sei es dem Gesetzgeber nicht gelungen, das objektiv Gewollte zutreffend zu formulieren und würde die Anwendung des reinen Wortlauts zu ungerechten oder gar verfassungswidrigen Ergebnissen führen, sei es gerichtliche Aufgabe, den auslegungsfähigen Wortlaut des Gesetzes begrenzt durch den Wortsinn verfassungskonform auszulegen. Denn der Richter sei nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Kein Richter sei gezwungen, ein Gesetz anzuwenden, das er in einem Widerspruch mit höherrangigem Recht sehe. Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 AsylbLG sei die Vermeidung einer leistungsrechtlichen Besserstellung eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen mit ihm in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern. Unabhängig von der Frage nach einer uneingeschränkten Akzessorietät zwischen den Leistungen der Kinder und denen der Eltern erfordere dieser Zweck jedenfalls nicht, dass Kinder ebenfalls die Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllt haben müssten. Der Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG bleibe insoweit auslegungsfähig und habe sich an Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientieren; dieser aber gehe von einem grundsätzlich zumindest am Leistungsanspruch der Eltern orientierten, akzessorischen Leistungsniveau aus. Der Gesetzeswortlaut "nur" lasse unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes eine Auslegung dahingehend zu, dass minderjährige Kinder zwar nur dann einen Anspruch auf Analogleistungen haben könnten, wenn auch ein Elternteil zu diesen Leistungen berechtigt sei, dass dies für einen solchen Anspruch des Kindes aber auch hinreichend sei. Dem Gesetzgeber stehe überdies zwar ein weiter, nicht aber ein unbegrenzter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu; für die minderjährigen Kindern verbleibenden Leistungsansprüche nach § 3 AsylbLG bestünden durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken, da diese Ansprüche mit ca. 35% unter den Regelsätzen nach dem SGB XII lägen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.04.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2007 zu verurteilen, den Klägern anstelle der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG höhere Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG für die Zeit vom 01.12.2006 bis 31.10.2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Die Beteiligten haben sich im Berufungsverfahren darauf verständigt, dass die Beklagte, sollten die Kläger im vorliegenden Rechtsstreit obsiegen, höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG auch für die Zeit ab Geburt der Kläger bis zum 30.11.2006 erbringen wird.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des Verfahrens ist nach der im Berufungsverfahren erfolgten Einschränkung des streitigen Zeitraums auf die Zeit ab dem 01.12.2006 allein der die Leistungen für die Kläger ab diesem Zeitpunkt neu bestimmende Bescheid vom 18.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2007.
II. Die Berufung der Kläger ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) der Kläger zu Recht abgewiesen. Die Kläger sind durch den angefochtenen Bescheid vom 18.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2007 nicht beschwert i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG, da die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen entsprechend den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG zu Recht abgelehnt hat.
Gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG in der bis zum 27.08.2007 geltenden Fassung war abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben. Durch Artikel 6 Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 ist mit Wirkung vom 28.08.2007 die Dauer der Vorbezugszeit von 36 auf 48 Monate verlängert worden.
1. Eine 36-monatige Vorbezugsfrist konnten die Kläger bis zum Ende des streitigen Zeitraumes am 31.10.2007 wegen ihrer Geburt erst am 02.10.2006 von vornherein nicht erfüllen.
2. Der Ablauf der Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist für die von den Klägern begehrten Analogleistungen Voraussetzung auch unabhängig davon, ob der Leistungsberechtigte die Dauer seines Aufenthalts i.S. der Vorschrift rechtsmissbräuchlich verursacht hat. Der Anspruch nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist zudem unabhängig von Familienstand und Alter des Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG zu beurteilen (so schon Urteile des Senats vom 10.03.2008 - L 20 AY 9/07 und vom 05.05.2008 - L 20 AY 5/07 R; Revisionsverfahren anhängig unter B 8 AY 2/08 R bzw. 3/08 R).
a) Während § 2 Abs. 1 AsylbLG als eigentliche Anspruchsnorm heranzuziehen ist, schränkt § 2 Abs. 3 AsylbLG einen nach Abs. 1 der Vorschrift möglichen Anspruch - lediglich - ein (vgl. Adolph, in: Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, Stand Januar 2008, § 2 AsylbLG Rn. 33; Hohm, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage 2006, § 2 AsylbLG Rn. 34). Diese Auslegung erscheint schon angesichts des Gesetzeswortlauts ("nur") und der Gesetzessystematik zwingend. Sie entspricht darüber hinaus nach Ansicht des Senats auch dem Willen des Gesetzgebers. Zwar erläutert die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/2746, S. 15 f.) die gesetzgeberischen Absichten dahingehend, dass innerhalb einer Familie keine unterschiedlichen Leistungen gewährt werden sollen. Dies zur Begründung des von den Klägern geltend gemachten Anspruchs anzuführen, missachtet jedoch den Kontext, der für das Verständnis der Norm entscheidende Bedeutung hat. Die Gesetzesbegründung bezieht sich nämlich im Folgenden auf eine im Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG und anderer Gesetze (1. ÄndG) vom 24.10.1995 (a.a.O.) ggf. durch § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG des Entwurfs angelegte Besserstellung minderjähriger Kinder ("Dazu könnte es ohne diese Regelung kommen, wenn beide Elternteile lediglich für sich einen Asylantrag stellen, während die Kinder eine Duldung besitzen") und zielt ersichtlich lediglich auf die Situation unterschiedlicher Asylantragsverhältnisse bei Eltern und Kindern ab.
b) § 2 Abs. 3 AsylbLG begründet insoweit insbesondere keine uneingeschränkte Akzessorietät (missverständlich Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 2 AsylbLG Rn. 16) der Ansprüche von nach dem AsylbLG grundsätzlich leistungsberechtigten minderjährigen Kindern (vgl. Hohm, AsylbLG, Stand April 2008, § 2 Rn. 228, der von einem akzessorischen Leistungsniveau auf dem abgesenkten Niveau des AsylbLG spricht) zu den Ansprüchen der mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern. Erst Recht stellt die Vorschrift keine losgelöst von Abs. 1 der Vorschrift zu beurteilende Anspruchsnorm dar. Vielmehr müssen die Voraussetzungen des Abs. 3 sowie (zusätzlich) diejenigen des Abs. 1 kumulativ erfüllt sein (vgl. auch Hohm, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Rn. 34; Fasselt, in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage 2005, § 2 AsylbLG Rn. 14; Herbst, in: Mergler/Zink, SGB XII, Stand August 2007, § 2 AsylbLG Rn. 49; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 31.05.1999 - 4 L 1884/99). Ansprüche nach dem AsylbLG sind wie solche nach dem SGB XII und dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Individualansprüche konzipiert. Mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.06.2000 - 12 L 3349/99, bestätigt durch Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 28.09.2001 - 5 B 94/00 = FEVS 53, 111-112) ist weiterhin - wie für das Sozialhilferecht anerkannt - von einem eigenständigen Hilfeanspruch jedes Familienangehörigen auszugehen, weil ein Grundsatz familieneinheitlicher Leistungsgewährung nicht existiert. Die zwischenzeitlichen Änderungen des Aufenthalts-, Ausländer- und Asylbewerbereistungsrechts rechtfertigen eine abweichende Beurteilung nicht.
3. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift des § 2 Abs. 1 AsylbLG selbst kommt nicht in Betracht. Unabdingbare Voraussetzung des dort normierten Leistungsanspruchs ist der Ablauf der Vorbezugsfrist. Soweit in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung mit Blick auf den der Vorschrift zu Grunde liegenden Integrationsgedanken (vgl. BT-Drucks. 12/5008, S. 15) auch der Vorbezug etwa von höherwertigen Sozialleistungen berücksichtigt wurde (vgl. etwa LSG NRW, Beschlüsse des erkennenden Senates vom 26.04.2007 - L 20 B 4/07 AY ER, vom 06.08.2007 - L 20 B 50/07 AY ER, vom 27.04.2006 - L 20 B 10/06 AY ER; ebenso Hessisches LSG, Beschluss vom 21.03.2007 - L 7 AY 14/06 ER, SG Aachen, Urteil v. 19.06.2007 - S 20 AY 4/07), ändert dies (unabhängig davon, dass höchstrichterliche Hauptsacheentscheidungen zu dieser Frage ohnehin noch nicht verfügbar sind) nichts an der eindeutigen und der einschränkenden Auslegung nicht zugänglichen Regelung, dass zumindest die gesetzlich normierte Vorbezugsfrist abgelaufen sein muss. Die Frage der Sinnhaftigkeit des Auseinanderfallens von Ansprüchen innerhalb einer familiären Haushaltsgemeinschaft und des Ausschlusses von in Deutschland geborenen Kindern von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bis zur Vollendung ihres dritten bzw. jetzt vierten Lebensjahres stellt sich angesichts der klaren gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung nicht.
Wenn die Kläger insoweit einen "objektivierten Willen" des Gesetzgebers für ihre gegenteilige Ansicht anführen, so kann der Senat dem Gesetz und den zu ihm vorhandenen Materialien Hinweise, die eine entsprechend weite Anspruchsherleitung rechtfertigten, aus den genannten Gründen gerade nicht entnehmen. Ohnehin ist der Topos dieses "objektivierten" Willens nach Ansicht des Senats mit Blick auf die den Gerichten durch Art. 20 Abs. 3 GG gesetzten Grenzen im Rahmen staatlicher Gewaltenteilung allenfalls mit großer Vorsicht anwendbar; insbesondere erlaubt der Hinweis auf den "objektivierten" gesetzlichen Willen keine Überschreitung der Grenze von zulässiger richterlicher Rechtserkenntnis hin zu unzulässiger richterlicher Rechtssetzung (kritisch zu diesem Topos jüngst etwa Rüthers, Fortgesetzter Blindflug oder Methodendämmerung der Justiz? Zur Auslegungspraxis der obersten Bundesgerichte, JZ 2008, 446, 449). Die gleichen Bedenken sprechen dagegen, wenn die Kläger eine aus Sicht des Senats allzu freihändige Anspruchsnormerweiterung unter dem Gesichtspunkt der Bindung der Gerichte an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie unter Hinweis auf ein "heutiges Verständnis von Gewaltenteilung" als gerechtfertigt ansehen wollen. Erwägungen dazu, was rechtspolitisch sinnvoll oder wünschenswert wäre, sind für die richterliche Rechtserkenntnis ohne Belang, solange sie nicht in das vom Gesetzgeber vorgegebene Recht eingeflossen sind; (noch) nicht Gesetz gewordene rechtspolitische Vorstellungen können allenfalls den Gesetzgeber veranlassen, die den Gerichten vorgegebenen Rechtsvorschriften diesen Vorstellungen entsprechend auszugestalten.
4. Schließlich vermag der Senat auch einen Verstoß gegen übergeordnetes Recht nicht zu erkennen. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG schon deshalb nicht vor, weil die Vorschrift des § 2 Abs. 1 AsylbLG gerade nicht hinsichtlich des Alters differenziert, sondern - wie ausgeführt - ausgehend vom Individualanspruch eines jeden Leistungsberechtigten unterschiedslos den Ablauf der Vorbezugsfrist verlangt. Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob der Verzicht auf die Vorbezugsfrist unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 AsylbLG unter Gleichheitsgesichtspunkten sachlich zu rechtfertigen wäre. Eine restriktive Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG dahingehend, dass dieser nicht für in Deutschland geborene Kinder gilt, wenn ein Elternteil bereits nach § 2 Abs. 1 AsylbLG leistungsberechtigt ist, kommt - wie dargelegt - nicht in Betracht. Die abweichende Auffassung (vgl. Birk, in: LPK-SGB XII, 8. Auflage 2008, § 2 AsylbLG Rn. 7) überzeugt nicht. Sie bleibt schon eine nähere Benennung der angeführten verfassungsrechtlichen Gründe schuldig. Im Übrigen scheint sie, obgleich das grundsätzliche Erfordernis des Ablaufs der (jetzt) 48-monatigen Vorbezugsfrist anerkannt wird, zu verkennen, dass § 2 Abs. 3 AsylbLG nicht als Anspruchsnorm konzipiert ist. Eine Auslegung im dort vorgeschlagenen - anspruchsbegründenden - Sinn stellte damit auch keine restriktive Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG, sondern genau genommen - in Bezug auf die Vorbezugsfrist - vielmehr eine einschränkende Auslegung des Abs. 1 der Vorschrift dar. Droht kein Verfassungsverstoß, kommt eine solche, sich vom Wortlaut allzu sehr entfernende Auslegung im Übrigen auch unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen Auslegung von vornherein nicht in Betracht.
5. Durchgreifende Bedenken an der Verfassungsgemäßheit der (für die Kläger verbleibenden) Leistungen nach § 3 AsylbLG, die für das Jahr 2007 mit etwa 35 % unter den Regelsätzen nach dem SGB XII eingestuft werden (vgl. Birk, a.a.O., § 3 AsylbLG Rn. 8), hat der Senat nicht. Insoweit kommt auch eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens zur Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Wege der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht Betracht.
Zwar ist den Klägern zuzugegeben, dass (erst) die Leistungen nach dem SGB XII das sog. soziokulturelle Existenzminimum einer Lebensführung in Deutschland sicherstellen, und dass (regelmäßig erst) damit - entsprechend der Aufgabe der Sozialhilfe, die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 1 SGB XII) - der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch auf das Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. hierzu auch Horrer, Das Asylbewerberleistungsgesetz, die Verfassung und das Existenzminimum, 2001, 145 ff.) eingelöst wird (vgl. Armborst, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 1 Rn. 5); die darunter liegenden Normalleistungen nach § 3 AsylbLG (insoweit pointiert der Titel der Schrift von Classen, Menschenwürde mit Rabatt. Leitfaden und Dokumentation zum Asylbewerberleistungsgesetz, 2. Aufl. 2000) können deshalb im Wesentlichen allein mit der besonderen, regelmäßig nur auf absehbare Dauer angelegten Aufenthaltssituation und einem deshalb abweichenden Bedarf von Berechtigten nach dem AsylbLG gerechtfertigt werden (vgl. hierzu Horrer, a.a.O., 179 ff, insbes. 195 ff., der allerdings die Leistungen unterhalb des Sozialhilfeniveaus nur bis zur Dauer eines Jahres für verfassungsgemäß hält). Gleichzeitig ist jedoch wegen des bereits verfestigten Aufenthalts in Deutschland die Besonderheit der Aufenthaltssituation der Familie der Kläger bereits deutlich verblasst. Bei der Anknüpfung der Zuweisung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG zu Leistungen entweder nach § 2 oder nach § 3 AsylbLG an die Aspekte der Verfestigung des Aufenthalts und des Integrationsbedarfs in die bundesrepublikanische Gesellschaft ist jedoch ein weiter Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers anzuerkennen. Nach Ansicht des Senats ist die zwingende Vorfrist eines 36- bzw. jetzt 48-monatigen Bezuges von Leistungen nach § 3 AsylbLG für den Bezug von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG auch bei Kindern, deren Eltern bereits einen verfestigteren Aufenthalt aufweisen, noch dem Bereich der sachgerechten Erwägungen zuzuordnen; denn sollte sich der Aufenthalt der Eltern derart weiter verfestigen, dass die Anspruchsberechtigung nach § 1 AsylbLG zugunsten einer solchen nach dem SGB II oder (originär) nach dem SGB XII entfällt, so wirkt sich dies - wie im Falle der Kläger auch später geschehen - zugleich unmittelbar auf die Kinder aus.
Auch unter sonstigen Gesichtspunkten bestehen keine Bedenken gegen die Höhe der den Klägern gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG. Zwar setzt nach § 3 Abs. 3 AsylbLG das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit den Bundesministerien des Innern und der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Beträge nach Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift (Taschengeld, Wert der Gutscheine bzw. Geldleistungen) jeweils zum 01. Januar eines Jahres neu fest, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten zur Deckung des in Abs. 1 genannten Bedarfes erforderlich ist. Den Klägern ist auch zuzugeben, dass eine solche Anpassung seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahre 1993 nie stattgefunden hat, was angesichts der zwischenzeitlichen Inflation (von Birk, a.a.O., mit ca. 20 % beziffert) eine seit 1993 erhebliche faktische Absenkung des bereits formell abgesenkten Existenzminimums bedeutet (selbst eine Umstellung der Grundbeträge auf im Wert geringfügig höhere Euro-Beträge ab dem 01.01.2002 scheiterte am Widerstand des Bundesrates; vgl. Birk, a.a.O.). Bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer Neufestsetzung der Leistungen für den in § 3 Abs. 1 AsylbLG genannten Bedarf nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG ist jedoch ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum der in § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG genannten Beurteilungsverantwortlichen (diverse Bundesministerien und Bundesrat) anzuerkennen; der Senat geht davon aus, dass diese ihrer Beurteilungsverantwortlichkeit nachgekommen sind (vgl. hierzu aber Hohm, AsylblG, a.a.O., § 3 Rn. 94, der verfassungsrechtliche Bedenken sieht). Umstände, die die Leistungsgewährung im konkreten Fall der Kläger als nicht ausreichend zur Sicherung der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestsicherung erscheinen ließen, sind denn auch weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
Auch ein Verstoß gegen Art. 27b UN-Kinderrechtskonvention ist daher im Ergebnis zu verneinen.
6. Besteht nach allem von vornherein kein Anspruch der noch heute nicht einmal drei Jahre (36 Monate) alten Kläger auf höhere Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, so kann der Senat offen lassen, ob auch über den Zeitpunkt der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (31.07.2007) hinaus bis zum Ende des streitigen Zeitraumes (31.10.2007) weiterhin eine grundsätzliche Leistungsberechtigung der Kläger nach § 1 AsylbLG bestand.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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