S 4 EG 13/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 EG 13/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Landeserziehungsgeld nach dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz (BayLErzGG) hat.

Der 1966 geborene Kläger ist der Vater des 2004 geborenen Kindes L. Er hat seinen Wohnsitz zusammen mit seiner Familie in D. und damit im Bundesland Hessen. Seinen Arbeitsplatz hat er in A. (Bundesland Bayern), wobei er während der Erziehungszeit einer Teilzeitbeschäftigung dort nachgegangen ist. Für das zweite Lebensjahr des Kindes hat er einen Antrag auf Leistungen nach Bundeserziehungsgeld beim Hessischen Amt für Versorgung in D. gestellt gehabt und von dort offensichtlich Leistungen erhalten.

Im September 2006 fragte der Kläger beim Zentrum Bayern Familie und Soziales, Region Unterfranken, nach, ob Landeserziehungsgeld unter bestimmten Voraussetzungen auch im 4. Lebensjahr genehmigt werden könnte. Die Anfrage per e-mail war mit dem Namen des Klägers und der Ortsangabe A. unterzeichnet. Ihm wurde geantwortet, dass Landeserziehungsgeld nur im 3. Lebensjahr eines Kindes gewährt werden könne, eine detaillierte Auskunft jedoch nicht möglich sei, da ein Erziehungsgeldantrag innerhalb der Behörde nicht zu ermitteln gewesen sei und der Kläger auch im Telefonbuch nicht zu finden gewesen sei.

Mit Schreiben und Antragsformular vom 27.09.2006 beantragte der Kläger beim Zentrum Bayern Familie und Soziales, Region Unterfranken – im Anschreiben noch als Amt für Versorgung und Familienförderung, Würzburg bezeichnet – die Zahlung von Landeserziehungsgeld. Sein Hauptwohnsitz sei in D., er arbeite jedoch seit elf Jahren in A. Gemäß der Broschüre "Landeserziehungsgeld" des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen komme Landeserziehungsgeld auch in Betracht für Beschäftigte, die als Grenzgänger nach Bayern einpendeln würden.

Mit Bescheid vom 24.10.2006 lehnte der Beklagte die Gewährung von Landeserziehungsgeld nach dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz ab. Der Kläger gehöre nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis, da er seinen Hauptwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht seit mindestens zwölf Monaten vor Leistungsbeginn in Bayern gehabt habe (Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BayLErzGG). Der Kläger sei auch kein Grenzgänger in Bayern, da nach einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft als Grenzgänger nur derjenige Arbeitnehmer anzusehen sei, der in einem anderen Staat als dem Beschäftigungsstaat wohne (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 22.09.1988, Az.: 236/87). Da Hessen und Bayern Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland seien, seien sie nicht als Staaten im Sinne der vorgenannten Definition anzusehen und das Vorliegen der Grenzgängereigenschaft sei zu verneinen.

Hiergegen legte der Kläger durch seine Bevollmächtigten mit Schreiben vom 21.11.2006 Widerspruch ein und machte geltend, dass in der Ablehnung des Landeserziehungsgeldes und des Vorliegens der Grenzgängereigenschaft ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz (GG) vorliege. Es könne ja wohl nicht sein, dass Tschechen, Slowaken oder Österreicher oder deutsche Staatsangehörige, die in diesen Staaten wohnten und in Bayern einer Arbeitstätigkeit nachgingen, das Landeserziehungsgeld zugesprochen erhielten, während der Kläger, der von Hessen nach Bayern pendele, diese Leistung nicht erhalte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Daraufhin erhob der Kläger entsprechend der im Bescheid gegebenen Rechtsbehelfsbelehrung am 21.02.2007 per Telefax Klage zum Sozialgericht Darmstadt. Er machte weiterhin geltend, dass auf ihn die Grenzgängereigenschaft zutreffe. Zudem sei durch entsprechen-de Auskunft bzw. Information des Beklagten erklärt worden, dass in derartigen Fällen ein Anspruch auf Bayerisches Landeserziehungsgeld bestünde.

Der Beklagte entgegnete, dass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vorliege, da alle anderen Berufspendler zwischen zwei Bundesländern auch keinen Leistungsanspruch hätten. Landeserziehungsgeld sei eine ergänzende Leistung des Freistaates Bayern im Anschluss an das Bundeserziehungsgeld und es obliege dem Gesetzgeber, welchen Personenkreis er in die Leistungsgewährung einbeziehe.

Das Sozialgericht Darmstadt kam zum Ergebnis, dass die örtliche Zuständigkeit abweichend von der Vorschrift des § 57 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu bestimmen sei, da durch bayerisches Landesrecht nicht anderen Bundesländern Pflichten auferlegt werden könne, wozu auch die Gerichtstätigkeit zähle. In entsprechender Anwendung des § 57 Abs. 3 SGG sei eine Verweisung an das Sozialgericht Bayreuth beabsichtigt. Das Sozialgericht Darmstadt kam im Weiteren zu der Überlegung, dass ein Beschäftigungsort im Inland vorliege und dies der Regelung aus § 57 Abs. 3 SGG vorgehe. Dies müsse auch für die analoge Anwendung auf bayerisches Landesrecht gelten. Mit Beschluss vom 02.05.2007 erklärte sich das Sozialgericht Darmstadt für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Sozialgericht Würzburg.

Der Kläger beantragt: 1. Der Bescheid des Beklagten vom 24.10.2006 in Form des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2007 wird aufgehoben. 2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für dessen Kind L., geboren 2004, Bayerisches Landeserziehungsgeld für den Zeitraum vom 12.11.2006 bis 11.11.2007 zu zahlen. 3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57 Abs. 1 S. 1 2. Hs., 87, 90 SGG).

Die Klage ist jedoch zur Überzeugung des Gerichts nicht begründet. Anspruch auf Landeserziehungsgeld hat nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayLErzGG, wer seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit mindestens zwölf Monaten vor Leistungsbeginn in Bayern hat, mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht, keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt und die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt oder wer aufgrund völkerrechtlicher oder gemeinschaftsrechtlicher Abkommen mit Drittstaaten den EU/EWR-Bürgern insoweit gleichgestellt ist. Dabei wird nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 BayLErzGG auf die Vorwohndauer im Sinn von Satz 1 Nr. 1 verzichtet, wenn der Berechtigte aus einem Land zuzieht, das eine vergleichbare Leistung vorsieht und die Gegenseitigkeit sichergestellt ist. Der Kläger hat die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 zum Zeit-punkt des Ende des 2. Lebensjahres des Kindes erfüllt gehabt und es ist nicht ersichtlich, dass sich dies innerhalb des 3. Lebensjahres des Kindes geändert hätte. Ebenso ist es unstreitig, dass der Kläger die Voraussetzung des Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayLErzGG dem Wortlaut nach nicht erfüllt hat.

Der Kläger nimmt insoweit aber Bezug darauf, dass der Beklagte in seinen Informationen von einer über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden Ausdehnung des berechtigten Personenkreises gesprochen hat. Dabei kann der Kläger aus dieser nachgewiesenen Information des Beklagten keinen Rechtsanspruch auf die Leistung selbst ableiten, weil darin weder eine Zusicherung (§ 34 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X) liegt, nachdem hier keine schriftliche, individualisierte Zusage im Einzelfall erfolgte. Noch kann er sich auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen, der wegen unzureichender Beratung des Beklagten in Betracht kommen könnte (vgl. Kasseler Kommentar, Seewald, vor § 38 SGB I, Rdnr. 30 ff). Eine allgemeine Informationsbroschüre kann für be-sonders gelagerte Spezial- und Einzelfälle möglicherweise nicht präzise genug sein. In solchen Fällen sollte die Informationsbroschüre so gestaltet sein, dass im Zweifelsfalle eher zu häufig als zu selten Sozialleistungen beantragt werden. Nachdem dies im vorliegenden Fall auch so gestaltet war und letztlich auch zu einer entsprechenden Antragstellung des Klägers geführt hat, liegt aus Sicht des Gerichtes schon kein relevanter Beratungsfehler vor. Im Übrigen wäre im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches auch nur die Herstellung eines gesetzmäßigen Anspruches möglich, d. h. wenn dem Kläger von Gesetzes wegen kein Anspruch auf bayerisches Landeserziehungsgeld zusteht, dann kann er dies auch nicht im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches zugesprochen bekommen.

Die Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises ergibt sich daraus, dass Bayern als Teil der Bundesrepublik Deutschland in die von Deutschland eingegangenen europäischen Verpflichtungen einbezogen ist und deswegen gegenüber Personen, die im Rahmen der europäischen Freizügigkeit ihre Wohn- und ihre Arbeitsstätte in verschiedenen Staaten der Europäischen Union haben, Erziehungsgeldleistungen zu erbringen hat. Das deutsche Erziehungsgeld hat zwar einen gewissen Bezug zum Erwerbsleben aufzuweisen, stellt jedoch auf keine aus einer unmittelbaren Erwerbstätigkeit abzuleitende Anspruchsgrundlage ab, da auch Personen, die zuvor nicht erwerbstätig waren, Erziehungsgeld beziehen können. Nachdem es auch keinen deutlichen Bezug zur deutschen Sozialversicherung oder zu einer inländischen Besteuerung aufweist, ist es fraglich, ob hier tatsächlich eine im Rahmen europäischer Sozialregelungen (bisher EWG-Verordnung 1408/71 i.V.m. EWG-Verordnung 1612/68, jetzt EG-Vertrag 42) für Grenzgänger zu exportierende Leistung anzunehmen ist. Dies ist aber aufgrund von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (vgl. zuletzt EuGH vom 18.07.2007, Az. C 212/05, C 213/05) so entschieden worden und wird vom Bundessozialgericht so übernommen (BSG, Urteil vom 27.05.2004, Az. B 10 EG 1/04 R, und Anfrage vom 10.02.2005, Az. 10 EG 12/03 R). Hinzu kommt dass die Anwendung europäischen Rechts auf das Bayerische Landeserziehungsgeld ausdrücklich als zutreffend bestätigt wurde (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29.01.2002, Az. B 10 EG 2/01 R).

Der Beklagte beruft sich jedoch zu Recht darauf, dass er durch den Europäischen Gerichtshof zu einer Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises nur hinsichtlich Grenzgängern verpflichtet wurde und der Europäische Gerichtshof in der von dem Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung dargelegt hat, dass eine Grenzgängereigenschaft ein Auseinanderfallen von Wohn- und Beschäftigungsort zwischen verschiedenen Staaten der Europäischen Gemeinschaft bedinge. Die vom Europäischen Gerichtshof vorgenommene Erweiterung betrifft also nicht Fälle des innerstaatlichen Pendelns. Dies ist insoweit dem einzelnen Mitgliedsstaat überlassen. Auch wenn es sich bei einem Pendeln an Regions- oder wie im Falle Deutschlands Ländergrenzen um ähnliche Konstellationen handeln mag, ergibt sich keine unmittelbare Rechtswirkung aus den Entscheidungen des Europäi-schen Gerichtshofes.

Darüber hinaus besteht aus Sicht des Gerichtes auch eine schwächere Argumentation in derartigen Fällen, weil hier ohne nähere Differenzierung zwischen Bundesländern eine Anknüpfung im Erwerbsleben an den deutschen Sozialversicherungsträger insgesamt und die deutschen Steuerbehörden erfolgt, wozu jeweils der jeweilige Wohnort als örtlicher Bezug herangezogen wird.

Dementsprechend sind aus Sicht des Gerichtes die angefochtenen Bescheide des Beklagten nicht zu beanstanden. Der bayerische Gesetzgeber war nicht verpflichtet, auch Pendler aus anderen Bundesländern in die Leistungsberechtigung mit einzubeziehen, zumal er sogar Personen, die ihren Wohnsitz gerade erst zu Beginn des möglichen Landeserziehungsgeldzeitraumes nach Bayern verlegt haben, vom entsprechenden Leistungsbezug ausschließen wollte und dies auch durfte.

Nachdem der Kläger mit seiner Klage keinen Erfolg gehabt hatte, waren ihm außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten (§ 193 SGG).
Rechtskraft
Aus
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