L 13 AS 4338/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 AS 5189/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4338/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. August 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung (BGBl. I S. 444) statthaft, da der Beschwerdewert vorliegend 750,- EUR (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG n.F.) übersteigt. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Prozessuale Grundlage ist insoweit § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Die Versagungsentscheidung vom 25. Juli 2008 steht der Statthaftigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung schon deswegen nicht entgegen, weil sie inzwischen vom Antragsgegner aufgehoben worden ist. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorweg nehmenden Eilentscheidung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG (Anordnungsgrund) kann bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistung für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 26. November 2006 L 13 AS 4113/06 ER-B - (juris)). Der Anordnungsanspruch hängt vom voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs ab und erfordert eine summarische Prüfung; an ihn sind um so niedrigere Anforderungen zu stellen, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen, insbesondere eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in NJW 2003, 1236 f. und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -(juris)). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung, hier also der Entscheidung über die Beschwerde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 - L 13 AS 1620/06 ER-B - m.w.N. (juris)). Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005, NVwZ 2005, 927, 928).

Ein Antragsteller, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt, ist nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG gehalten, die für ihn günstigen Tatsachenbehauptungen durch entsprechende, beweiskräftige Unterlagen glaubhaft zu machen. Hieran fehlt es, weil zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds erforderliche und ausreichende Unterlagen weder im erstinstanzlichen noch im Beschwerdeverfahren vorgelegt wurden und sich auch nicht in den Verwaltungsakten befinden. Die Antragsteller haben damit einen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin ihnen - gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III analog vorläufig - Leistungen nach § 19 SGB II gewährt, nicht glaubhaft gemacht. Arbeitslosengeld II (Alg II) gemäß § 19 Satz 1 SGB II erhält nach § 7 Abs. 1 SGB II ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Die Antragsteller zu 1 und 2 haben nicht glaubhaft gemacht, dass sie nach diesem Maßstab hilfebedürftig sind. Die bisher im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben und vorgelegten Unterlagen rechtfertigen die Feststellung der Hilfebedürftigkeit nicht. Auch im gerichtlichen Verfahren haben die Antragsteller ihre wirtschaftliche Situation nicht offen gelegt. Insbesondere aktuelle Kontoauszüge wurden nicht vorgelegt. In ihrem Erstantrag haben die Antragsteller angegeben über Barvermögen in Höhe von insgesamt 15.500, EUR zu verfügen. Weiterhin gaben sie an, dass der Antragsteller zu 1 Eigentümer einer Eigentumswohnung in I. mit einem Verkehrswert in Höhe von 15.000 EUR sei. In den Fortzahlungsanträgen erklärten die Antragsteller, ihre Vermögenssituation habe sich nicht verändert. Selbst wenn aufgrund der jetzigen Angaben der Antragsteller davon ausgegangen wird, dass der Verkehrswert der Eigentumswohnung lediglich 7.500, EUR beträgt, hätten die Antragsteller damit ein Vermögen in Höhe von insgesamt 23.000 EUR.

Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II sind vom Vermögen ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 3.100 EUR, abzusetzen, wobei – was hier nicht der Fall ist – der Grundfreibetrag für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils den nach Satz 2 maßgebenden Höchstbetrag nicht übersteigen darf. Außerdem ist gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 EUR für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen abzusetzen. Damit ist zu Gunsten des zum Zeitpunkt der Stellung des hier maßgeblichen Antrags vom 7. Juli 2008 57-jährigen Antragstellers zu 1 ein Freibetrag von 8.550 EUR und für die zu diesem Zeitpunkt 50-jährige Antragstellerin 2 ein Freibetrag von 7.500 EUR nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen. Hinzu kommt der Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II für zwei Personen, also in Höhe von 1.500 EUR. Somit ergibt sich ein Freibetrag in Höhe von insgesamt 17.550 EUR. Diesen Betrag übersteigt das vorhandene Vermögen erheblich, so dass die Antragsteller nicht bedürftig im Sinne der obigen Vorschriften sind. Anhaltspunkte dafür, dass die Wohnung nicht - zumutbar - verwertbar sein könnte, sind nicht gegeben. Da die Bedürftigkeit der Antragsteller damit schon im Hinblick auf das vorhandene Vermögen nicht glaubhaft gemacht ist, kann offen bleiben, ob und ggf. in welcher Höhe die Antragsteller Mieteinnahmen erzielen. Die Frage nach weiteren Einkünften (z.B. auch Zuwendungen Dritter) und/oder Vermögen stellt sich auch deshalb, weil nicht ersichtlich ist, wovon die Antragsteller seit ihrer Einreise Anfang September 2006 bis zur Antragstellung am 21. März 2007 ihren Lebensunterhalt bestritten haben. Hierzu haben sie zwar angegeben, dass sie von der Restabfindung gelebt hätten, die der Antragsteller zu 1 im Jahre 2002 erhalten hatte. Dagegen, dass sich dieses Restvermögen - vollständig - auf dem von den Antragstellern angegebenen Konto bei der B. P. Nr. befindet bzw. befand, spricht allerdings, dass hierauf am 17. Juli 2006 und am 28. September 2006 Einzahlungen in Höhe von 10.127,41 EUR und 19.629,35 EUR getätigt wurden.

Die begehrte Anordnung kann damit aber, unabhängig vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, auch deshalb nicht ergehen, weil die Antragsteller auch einen Anordnungsgrund im Hinblick auf ihre Vermögenssituation nicht glaubhaft gemacht haben. Auch im Übrigen sind konkrete Umstände für eine Notlage der Antragsteller weder im Verfahren beim Sozialgericht noch im Beschwerdeverfahren dargelegt und glaubhaft gemacht worden.

Falls entgegen den bisherigen Erkenntnissen Bedürftigkeit gegeben sein sollte, sind die anwaltlich vertretenen Antragsteller nach alledem darauf zu verweisen, zunächst selbst Abhilfe dadurch zu schaffen, dass sie die zur Prüfung des von ihnen geltend gemachten Anspruchs erforderlichen Unterlagen, insbesondere bezüglich des aktuellen Vermögensstandes einschließlich des Verkehrswertes der Immobilie in I., dem Antragsgegner umgehend und vollständig zur Verfügung stellen. Sollten sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, wird der Antragsgegner zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung im Wege der Amtsermittlung geschaffen werden können oder die Voraussetzungen für eine erneute Versagung vorliegen.

Die Entscheidung der Frage, ob die Antragsteller, die gegenüber der Ausländerbehörde ein Recht auf Aufenthalt als Alt-Unionsbürger geltend machen, grundsätzlich aus dem Kreis der nach dem SGB II Leistungsberechtigten ausgeschlossen sind, kann offen bleiben. Insbesondere die Frage, ob Antragsteller, die kein Aufenthaltsrecht haben aus dem Kreis der Berechtigten nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Sinne eines Erst-Recht-Schlusses ausgeschlossen sind, braucht der Senat nicht zu entscheiden (vgl. zu § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Juli 2008 - L 7 AS 3031/08 ER-B -, veröffentlicht in Juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war mangels hinreichender Erfolgsaussicht, insbesondere im Hinblick auf die bereits nicht feststellbare Bedürftigkeit abzuweisen.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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