Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KA 7823/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 6127/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Oktober 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Befreiung des Klägers von der Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst im Streit.
Der Kläger ist als Arzt für Psychiatrie mit der Zusatzqualifikation Psychotherapie in W. niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Anfang der neunziger Jahre, wohl 1993 (genauere Daten und Unterlagen liegen nicht vor) beschloss die damalige Ärzteschaft Wa. eine generelle Befreiung der psychotherapeutisch tätigen Ärzte von der Teilnahme am allgemeinen Notfalldienst. Im Juli 1993 beantragte im Hinblick darauf der Kläger die Befreiung vom Notfalldienst, da er als rein psychotherapeutisch tätiger Arzt ohne Personal in der Praxis und ohne apparative Praxisausstattung es nicht für sinnvoll halte, am regulären Notfalldienst teilzunehmen. Mit Bescheid vom 29. Oktober 1993 (Bl. 14 Verwaltungsakte - VA -) entsprachen die Beauftragten für den ärztlichen Notfalldienst im Bereich der Ärzteschaft Wa. dem Antrag des Klägers auf Befreiung von der Teilnahme am allgemeinen Notfalldienst unter der Voraussetzung, dass er ausschließlich psychotherapeutisch tätig sei. Zur Begründung wurde ausgeführt: Gleichstellung mit anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten in unserem Ärztebereich.
Mit Schreiben vom 28. März 2005 (Bl. 1 VA) teilte der Vorsitzende der Ärzteschaft Wa., Dr. Sch., dem Kläger mit, dass dort nicht registriert sei, dass er vom Notfalldienst befreit sei. Eine grundsätzliche Befreiung von psychotherapeutisch tätigen Ärzten sei in der aktuellen Notfalldienstordnung nicht vorgesehen. Eine eventuell bestehende Befreiung möge der Kläger vorlegen. Falls er über eine solche nicht verfüge, sei er mit sofortiger Wirkung zum Notfalldienst einzuteilen. Der Kläger teilte daraufhin mit Schreiben vom 12. April 2005 mit, dass eine ordnungsgemäße Befreiung vorliege (eine entsprechende Befreiung wurde allerdings nicht vorgelegt). Am 14. April 2005 beschloss der Vorstand der Ärzteschaft Wa., dass die psychotherapeutisch tätigen Ärzte mit sofortiger Wirkung am Notfalldienst des Bezirkes W. teilzunehmen hätten. Mit Bescheid vom 29. April 2005 (Bl. 5 VA) informierte der Vorsitzende der Ärzteschaft Wa. den Kläger über den Inhalt des Beschlusses des Vorstandes der Ärzteschaft Wa. und teilte ihm mit, dass er daher ab sofort zur Teilnahme am Notfalldienst der Ärzteschaft Wa. verpflichtet sei.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung machte sein Bevollmächtigter geltend, es fehle schon an den formellen Voraussetzungen. Ein bloßer Beschluss des Vorstandes der Ärzteschaft stelle keine Änderung der äußeren Umstände dar, der eine Rücknahme der Befreiung rechtfertigen könnte. Im Übrigen gäbe es für die Befreiung auch gute Gründe. Der Kläger sei rein psychotherapeutisch tätiger Arzt, ohne Personal in der Praxis und ohne apparative Praxisausstattung. Seine Tätigkeit müsste zwangsläufig, sowohl die Versichertengemeinschaft als auch die niedergelassene Ärzte belastend, in eine erhöhte Krankenhaus-Einweisung münden. Im Übrigen sei nach § 4 Abs. 2 Satz 1 der Notfalldienstordnung (NFDO) eine Befreiung aus schwerwiegenden Gründen zulässig. Solche würden in der unzureichenden Praxisausstattung hier vorliegen. Dieser Einwand würde zwar möglicherweise nicht für die Heranziehung am Wochenende in der Notfallpraxis in Wa. gelten. Dort allerdings fehle es derzeit an den Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Abrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung. An der Tätigkeit seien Ärzte beteiligt, die nicht niedergelassen seien und das Abrechnungswesen nicht kennen würden (der Bevollmächtigte legte in diesem Zusammenhang den Bescheid vom 29. Oktober 1993 sowie das Antragsschreiben vom 6. Juli 1993 vor - Bl. 14/15 Verwaltungsakten -).
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2005 wies der Widerspruchsausschuss bei der Bezirksdirektion Stuttgart den Widerspruch zurück (Beschluss v. 16. November 2005). Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 3 Nr. 1 NFDO der Kassenärztlichen Vereinigung Nordwürttemberg (KVNW) - Rechtsvorgängerin der Beklagten - seien sämtliche an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden frei praktizierenden Ärzte berechtigt und verpflichtet, am Notfalldienst teilzunehmen und sich hierin fortzubilden. Eine Befreiung von der Notfalldiensteilnahme sei gem. § 4 NFDO nur aus schwerwiegenden Gründen möglich. Die vom Vorstand der Ärzteschaft Wa. im Jahr 1993 ausgesprochene Befreiung des Klägers sei als sehr großzügige Entscheidung zu seinen Gunsten zu bewerten, da eine überwiegende oder ausschließliche psychotherapeutische Tätigkeit des Vertragsarztes auch zum damaligen Zeitpunkt keinem Befreiungstatbestand entsprochen habe. Im Hinblick darauf, dass die Teilnahme am Notfalldienst auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wichtiger Bestandteil der Zulassung des Arztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sei und ein schwerwiegender Befreiungstatbestand im Falle des Klägers nicht vorliege, könne dem Widerspruch nicht stattgegeben werden.
Hiergegen hat der Kläger am 8. Dezember 2005 Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat hierbei geltend gemacht, dass er auf Grund des Befreiungsbescheides vom Oktober 1993 wirksam von der Teilnahme am Notfalldienst befreit sei und diese Befreiung auch nicht rückgängig gemacht werden könne. Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat ausgeführt, die Befreiung hätte bei richtiger Rechtsanwendung damals nicht erfolgen dürfen. Unabhängig davon habe die Ärzteschaft Wa. mit Beschluss vom 14. Mai 2005 (gemeint wohl 14. April 2005) festgelegt, dass künftig auch die Gruppe der psychotherapeutisch tätigen Ärzte am Notfalldienst teilzunehmen habe. Im Ergebnis spiele es dabei keine Rolle, ob die Ärzteschaft dabei davon ausgegangen sei, dass der Kläger nicht befreit gewesen sei, denn spätestens mit dem Bescheid vom 29. April 2005 sei die Befreiung vom Oktober 1993 für die Zukunft widerrufen worden. Es stehe außer Frage, dass es in der Kompetenz der Ärzteschaft als für die Organisation des Notfalldienstes vor Ort beauftragter Stelle liege, über Befreiungen und deren Widerruf entscheiden zu können. Ein wie auch immer begründeter Vertrauensschutz auf ein unbegrenztes Fortbestehen der Befreiung bestehe nicht.
Mit Urteil vom 17. Oktober 2007 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 29. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2005 aufgehoben. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, dass zwar nach den zum damaligen Zeitpunkt nach wie vor noch anzuwendenden Regelungen der Notfalldienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordwürttemberg, die auch gem. § 2 der Organisationsregelung zur Zusammenlegung der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordbaden, Nordwürttemberg, Südbaden und Südwürttemberg zur Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom 18. Februar 2004, ab dem 1. Januar 2005 weiterhin gelten würden, der Kläger grundsätzlich zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet wäre. Gründe, ihn von der Teilnahme zu befreien, habe er nicht vorgebracht und seien auch nicht ersichtlich. Allerdings sei der Kläger durch Bescheid vom 29. Oktober 1993 von der Teilnahme am Notfalldienst befreit worden. Eine Befreiung habe nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Notfalldienstordnung vom 7. Juni 1978 aus schwerwiegenden Gründen, insbesondere wegen körperlicher Behinderungen oder besonders belastender familiärer Pflichten sowie wegen Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit nachzuweisender Notfallversorgung, auf schriftlichen Antrag ganz oder teilweise erfolgen können (§ 3 NFDO in der Fassung vom 7. Juni 1978). Dass diese Voraussetzungen vorgelegen hätten, sei nicht ersichtlich, weshalb die damalige Befreiung nach Auffassung des SG wohl zu Unrecht erfolgt sei. Dies könne jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da eine Rücknahme dieser Befreiung aus formalen Gründen nicht in Betracht komme. Das SG hat weiter ausgeführt, dass der Bescheid vom 29. Oktober 1993 keinen Widerrufsvorbehalt nach § 47 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) enthalte und daher ein Widerruf des Bescheides vom 29. Oktober 1993 nicht in Betracht komme. Ebenso wenig komme eine Rücknahme der Befreiung vom Notfalldienst nach § 45 SGB X in Betracht. Denn ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung könne grds. nur bis zum Ablauf von 2 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Unter bestimmten Voraussetzungen komme auch eine Rücknahme bis zum Ablauf von 10 Jahren nach der Bekanntgabe in Betracht (§ 45 Abs. 3 Satz 3 SGBX). Die Beklagte habe zwar auf die Entscheidung des BSG vom 23. Mai 1984 (BSGE 56, 295) verwiesen, wonach die Bestimmungen des SGB X über den Verwaltungsakt, seine Bestandskraft und seine Aufhebung in erster Linie für die eine Sozialleistung betreffenden Verwaltungsakte gelten würde. Dies schließe zwar nicht aus, dass sie auch auf sonstige, dem Sozialrecht zugehörende Verwaltungsakte anzuwenden seien, wenn die rechtliche Interessenlage wenigstens vergleichbar sei. Eine dem dortigen Fall vergleichbare Lage bestehe jedoch im vorliegenden Fall nach Auffassung des SG nicht. Anders als bei der Ermächtigung eines Krankenhausarztes (so im Fall des BSG) habe der Kläger hier nicht von vornherein damit rechnen müssen, dass die Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst wieder wegfallen werde. Nach Auffassung des SG seien daher die Regelungen in § 45, insbesondere auch die Schutzbestimmungen, anzuwenden. Damit aber sei zwischenzeitlich auch die 10-Jahres-Frist für die Rücknahme abgelaufen und daher die Voraussetzungen nach § 45 SGB X für eine Rücknahme nicht erfüllt. Ebenso wenig komme eine Aufhebung der Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst nach § 48 SGB X in Betracht. Im vorliegenden Fall scheide die Anwendung schon deshalb aus, weil nicht ersichtlich sei, dass sich in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die der Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst zu Grunde gelegen hätten, etwas geändert habe.
Die Beklagte hat gegen das ihr mit Empfangsbekenntnis am 3. Dezember 2007 zugestellte Urteil am 24. Dezember 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass ihrer Auffassung nach sehr wohl § 45 SGB X einer Rücknahme der Befreiung nicht entgegenstehe. Die zwei bzw. zehnjährige Ausschlussfrist nach § 45 Abs. 3 SGB X finde nach der Entscheidung des BSG vom 23. Mai l984 keine Anwendung. Denn weder die Beteiligung von Vertragsärzten an der vertragsärztlichen Versorgung noch die Begründung der Mitgliedschaft in der KV noch die Honorarzahlungen der KV an ihre Vertragsärzte seien Sozialleistungen im Sinne des § 11 Satz 1 SGB I (Hinweis auf BSG SozR 1200 § 34 Nr. 8, BSGE 56,116,117, BSG SozR 1200 § 16 Nr. 8). Die rechtliche Interessenlage sei daher nicht vergleichbar. Vielmehr liege, entgegen der Auffassung des SG, eine vergleichbare Lage zur Ermächtigung eines Krankenhausarztes vor. Die Beteiligung der Vertragsärzte an der vertragsärztlichen Versorgung sei, ebenso wie die Beteiligung von Chefärzten an der vertragsärztlichen Versorgung, anders als bei Sozialleistungen, weder vom Beitragsprinzip noch vom Sozialstaatsprinzip, nämlich der Hilfe bei besonderer Schutzwürdigkeit, beherrscht. Die Schutzfristen des SGB X seien daher auf den Kläger nicht anwendbar. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, er habe auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut und sein Vertrauen sei unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig. Durch die Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst habe der Kläger keinerlei Vermögensdispositionen getroffen. Darüber hinaus könne er sich nicht auf Vertrauen berufen, da er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes hätte kennen müssen. Im Bescheid vom 29. Oktober 1993 sei als Begründung lediglich die Gleichstellung mit anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten im Ärzteschaftsbereich angeführt. Dem Kläger sei daher bekannt gewesen oder hätte bekannt sein müssen, dass die Befreiung nicht auf einen Befreiungstatbestand nach den Vorschriften der NFDO basiert habe, es sich vielmehr um eine außerordentlich großzügige Entscheidung zu seinen Gunsten gehandelt habe. Darüber hinaus sei die Aufhebung der Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst auch nach § 48 SGB X gerechtfertigt. Zum 1. Januar 2008 sei eine neue Notfalldienstordnung in Kraft getreten, diese regele erstmalig die Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung nach § 75 Abs. 1 SGB V für die ehemaligen Kassenärztlichen Vereinigungen Nordbaden, Nordwürttemberg, Südbaden und Südwürttemberg zu den sprechstundenfreien Zeiten einheitlich. Es handele sich daher um eine Änderung rechtlicher Art, nämlich die Änderung einer Satzungsbestimmung. Eine einheitliche Behandlung aller Vertragsärzte, der gerade die einheitliche Notfalldienstordnung diene, könne jedoch nur gewährleistet werden, wenn die Vorschriften der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen einheitlichen Notfalldienstordnung auch für alle Vertragsärzte angewendet würden. Ein Befreiungstatbestand nach § 6 der NFDO sei aber beim Kläger nicht ersichtlich. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, die neue Notfalldienstordnung schaffe eine eklatante Ungleichbehandlung. Keinesfalls könne er sich mit einem psychologischen Psychotherapeuten oder einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vergleichen. Beim Kläger handele es sich um einen ärztlichen Psychotherapeuten. Das bedeute, er verfüge über eine medizinische Ausbildung, was bei psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nicht der Fall sei. Zwischen den Psychotherapeuten und dem Kläger bestünden Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass die ungleiche Behandlung gerechtfertigt sei. Dies ergebe sich insbesondere aus der unterschiedlichen Ausbildung. Der Kläger verfüge als zugelassener Vertragsarzt über eine vollständige medizinische Ausbildung sowie eine Approbation als Arzt. Dies sei bei Psychotherapeuten nicht der Fall. Auf Grund dieser Ausbildung sei der Kläger geeignet, typischen Notfallsituationen eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes wenigstens mit Sofortmaßnahmen bis zum Einsetzen der normalen ärztlichen Versorgung gerecht zu werden. Er könne sich auch nicht darauf berufen, er verfüge nicht über die erforderliche Ausstattung der Praxis (nämlich nach seinen Angaben habe er nicht einmal die Möglichkeit zur desinfizierenden Reinigung nach einer eventuellen notfalldienstlichen Versorgung blutender, erbrechender, inkontinenter oder infektiöser Patienten, er habe auch keine Arzthelferin). Insoweit stelle sich die Frage, was der Kläger tue, wenn während seiner normalen Sprechstundentätigkeit bei ihm ein Notfall auftrete. Auf Grund seiner vertragsärztlichen Verpflichtungen könne er derartige Notfälle auch nicht wegschicken. Darüber hinaus sei dem Kläger bereits mit Schreiben vom 29. April 2005 mitgeteilt worden, dass der Notfalldienst des Bezirkes W. am Wochenende von der Notfallpraxis Wa. aus zu verrichten sei. Somit stehe ihm eine ordnungsgemäß eingerichtete Notfallpraxis zur Verfügung. Außerdem habe das BSG in seiner neuesten Entscheidung vom 6. Februar 2008 (B 6 KA 13/06 R) erneut betont, dass nach den bundesrechtlichen Vorgaben alle Vertragsärzte Kraft ihres Zulassungsstatutes verpflichtet seien, die durch die Einrichtung eines Notfalldienstes entstehenden Belastungen gleichwertig mitzutragen, da dieser Notfalldienst zugleich eine Entlastung des einzelnen Vertragsarztes bewirke. Dies gelte sogar für Fachärzte, die ohne direkten Patientenkontakt tätig seien. Der vom Kläger noch angeführte Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit spiele im vorliegenden Verfahren keine Rolle. Im vorliegenden Verfahren gehe es nicht um Vergütungsgesichtspunkte sondern ausschließlich um die Frage der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst. Abschließend verweist die Beklagte ausdrücklich darauf, dass nach der nunmehr noch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG vom 6. Februar 2008 zum 1. August 2008 angepassten NFDO gem. § 6 Abs. 3 nur dann von der Teilnahme am Notfalldienst befreit werden könne, wenn der Arzt wegen gesundheitlichen oder vergleichbar schwerwiegenden Gründen, die zu einer deutlichen Einschränkung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit führen würden, an seiner persönlichen Teilnahme am Notfalldienst gehindert sei und ihm die Bestellung eines Vertreters aus wirtschaftlichen Gründen nicht zugemutet werden könne. Der Kläger habe weder gesundheitliche oder vergleichbar schwerwiegenden Gründe, die zu einer deutlichen Einschränkung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit führen würden, noch wirtschaftliche Aspekte vorgetragen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ergänzend führt der Klägerbevollmächtigte aus, diese ärztliche Tätigkeit des Klägers erstrecke sich ausschließlich auf die Ausübung von Psychotherapie. Körperliche Untersuchungen oder Behandlungen würden dabei regelmäßig nicht durchgeführt. Dementsprechend sei seine Praxis hinsichtlich Größe und Ausstattung (abgesehen von der Büroeinrichtung) ausschließlich auf die Führung von Gesprächen ausgerichtet. Er habe deshalb keine Möglichkeit zur desinfizierenden Reinigung der Praxisräume nach der notfalldienstlichen Versorgung blutender, erbrechender, inkontinenter oder infektiöser Patienten. Der Wartebereich reiche auch nur für ein bis zwei Personen aus. Er verfüge weder über einen Untersuchungsraum noch über genügend Platz zur Unterbringung von Untersuchungsliege bzw. -stuhl. Da er auch keine Arzthelferin habe, sei keine personelle Präsenz in der Praxis gewährleistet für den Fall, dass er während einer Notfallsprechstunde zu einem dringlichen Hausbesuch müsse. Das bedeute, wartende Patienten müssten für die Dauer des Hausbesuches unbeaufsichtigt und ohne medizinische Obhut in seiner Praxis allein gelassen oder zuvor auf die Straße hinausgebeten werden. Um am ärztlichen Notfalldienst teilnehmen zu können, wäre der Kläger daher gezwungen, eigens und ausschließlich für diesen Zweck in andere Praxisräume umzuziehen bzw. zusätzlich zu seiner gegenwärtigen Praxis geeignete Räumlichkeiten anzumieten. Vor allem sei dann darauf hinzuweisen, dass auch bei den Kostenansätzen in den Rechnungsgrundlagen des EBM 2000plus und des EBM 2008 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Psychotherapiepraxen ein Praxiskostenanteil für eine entsprechende - personelle bzw. materielle - Praxisausstattung nicht berücksichtigt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung liegt nicht vor. Die Klage betrifft keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, sondern vielmehr die Befreiung vom Notfalldienst.
II.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des SG verletzt der Bescheid vom 29. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2005, mit dem der Kläger ab sofort zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet wurde, diesen nicht in seinen Rechten.
1. Gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Die Sicherstellung umfasst gemäß § 75 Abs. 1 S. 2 SGB V auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), nicht jedoch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, soweit landesrechtlich anderes bestimmt ist. Im Hinblick darauf ordnen sowohl das allgemeine ärztliche Berufsrecht als auch das Vertragsarztrecht deshalb an, dass zu diesem Zweck ein Notfalldienst einzurichten ist, an dem die niedergelassenen Ärzte teilzunehmen haben (vgl. § 30 Abs. 3 S. 2 des Baden-Württembergischen Kammergesetzes in der Neufassung vom 16. März 1995 - GBl BW 1995 S. 313 - i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Kammergesetzes vom 25. November 1999 - GBl BW 1999 S. 453 - i.V.m. § 26 Abs. 1 S. 1 der Berufsordnung der Landesärztekammer 1998).
Ein Vertragsarzt übernimmt als Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung mit seiner Zulassung die Verpflichtung, in zeitlicher Hinsicht umfassend für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen. Das umfasst auch die Zeiten außerhalb der Sprechstunde. Der einzelne Arzt wird dadurch, dass die gesamte Ärzteschaft einen Notfalldienst organisiert, von der täglichen Dienstbereitschaft rund um die Uhr entlastet, muss aber dafür den Notfalldienst gleichwertig mittragen, solange er in vollem Umfang vertragsärztlich tätig ist (siehe hierzu zuletzt Urteile des BSG vom 6. September 2006 - B 6 KA 43/05 R - in SozR 4-2500 § 75 Nr. 5 und vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 13/06 R - in Juris). Die Kassenärztliche Vereinigung kann - gegebenenfalls zusammen mit der Ärztekammer (dazu siehe näher BSG SozR 3-2500, § 75 Nr. 2) - Regelungen in Satzungsform über die Gewährleistung der vertragsärztlichen Versorgung in den sprechstundenfreien Zeiten (Not- bzw. Bereitschaftsdienst) erlassen (siehe BSG SozR 4-2500 § 75 Nr. 5). Von dieser Kompetenz hat die Beklagte durch Erlass der Notfalldienstordnung (NFDO) Gebrauch gemacht, die zuletzt zum 1. Januar 2008 bzw. 1. August 2008 geändert worden ist.
Gemäß § 3 der noch 1993 geltenden NFDO der damaligen KV Nordwürttemberg vom 7. Juni 1978 konnte eine Befreiung aus schwerwiegenden Gründen, insbesondere wegen körperlicher Behinderungen oder besonders belastender familiärer Pflichten sowie gegen Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit nachzuweisender regelmäßiger Notfallversorgung, auf schriftlichen Antrag ganz oder teilweise erfolgen.
Die Regelungen zur Befreiung vom Notfalldienst lauteten in der NFDO der KV Nordwürttemberg vom 1. Juli 1999 i. d. F. des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 8. Dezember 2004, die zunächst gem. § 2 der Organisationsregelung zur Zusammenlegung der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordbaden, Nordwürttemberg, Südbaden und Südwürttemberg zur Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom 18. Februar 2004 auch nach dem 1. Januar 2005 weiter galt, wie folgt:
§ 4 Befreiung vom NFD (2) Eine Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst kann aus schwerwiegenden Gründen ausgesprochen werden (Satz 1). Befreiungstatbestände sind insbesondere: a) Körperliche Behinderungen, so weit diese auch außerhalb des NFD zu einer Beeinträchtigung der ärztlichen Tätigkeit führen. b) Krankheit, wobei eine Befreiung aus Krankheitsgründen längerfristig nur erfolgen kann, wenn die Erkrankung mit einem entsprechenden Rückgang der Vertragspraxis verbunden ist und kein angestellter Arzt, Assistent oder Vertreter beschäftigt wird und kein Arzt im Jobsharing tätig ist. c) ...
Die nunmehr für den Bezirk der Beklagten maßgebliche, seit 1. August 2008 geltende Fassung der NFDO trifft folgende Regelungen:
§ 1 Grundsätze
(1) Der Notfalldienst hat die Aufgabe, Notfälle zu versorgen und akute Erkrankungen zu behandeln (Satz 1). Die Einrichtung eines Notfalldienstes entbindet den behandelnden Arzt nicht von seiner Verpflichtung, für die Betreuung seiner Patienten zu sorgen, wie es deren Krankheitszustand erfordert (Satz 2).
§ 2 Organisation:
(1) Die KV BW bildet Notfalldienstbereiche (Satz 1)
(2) Die Ärzte des jeweiligen Notfalldienstbereiches bestimmen den örtlichen Notfalldienstbeauftragten als Koordinator, der dem Kreisbeauftragten mitzuteilen ist (Satz 1).
(3) Auf Vorschlag der örtlichen Notfalldienstbeauftragten eines Landkreises benennt die Notfalldienst-Kommission einen Kreisbeauftragten für die ganz oder überwiegend im Kreis gelegenen Notfalldienstbereiche (Satz 1). Dem Kreisbeauftragten obliegen insbesondere (u. a.) - die Entscheidung von Anträgen auf Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst, außer in den Fällen nach § 6 Abs. 7
§ 4 Teilnahme:
(1) Niedergelassene Ärzte haben grundsätzlich am Notfalldienst teilzunehmen (Satz 1).
(6) Werden gebietsärztliche Notfalldienste eingerichtet, sind die dem jeweiligen Notfalldienst zuzuordnenden Ärzte dort zur Teilnahme verpflichtet (Satz 1)
§ 5 Vertretung
(1) Der zum Notfalldienst eingeteilte Arzt kann sich von einem anderen approbierten Arzt vertreten lassen (Satz 1). Er bleibt dafür verantwortlich, dass der vertretende Arzt den Dienst ordnungsgemäß versieht (Satz 2). Im gebietsärztlichen Notfalldienst kann eine Vertretung nur durch einen Arzt mit der gleichen Gebietsbezeichnung erfolgen (Satz 3).
§ 6 Befreiung/Ausschluss
(1) Eine Befreiung von der Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst erfolgt nur, wenn es die örtlichen Verhältnisse gestatten und die Sicherstellung des Notfalldienstes durch die Befreiung nicht gefährdet wird.
(2) Ärztinnen sind auf Antrag ganz oder teilweise von der Teilnahme am Notfalldienst ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft und bis zu acht Wochen nach der Entbindung zu befreien (Satz 1).
(3) Abgesehen von den Fällen des Absatzes 2 können Ärztinnen und Ärzte von der Teilnahme am Notfalldienst befreit werden, wenn - sie aus gesundheitlichen oder vergleichbar schwerwiegenden Gründen, die zu einer deutlichen Einschränkung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit führen, an der persönlichen Teilnahme am Notfalldienst gehindert sind und - ihnen die Bestellung eines Vertreters aus wirtschaftlichen Gründen nicht zugemutet werden kann. Wirtschaftliche Gründe sind gegeben, wenn der Ärztin/dem Arzt auf Grund geringer Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfalldienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter durchführen zu lassen. Der Kreisbeauftragte informiert sich bei der Notfalldienstkommission über das Vorliegen derartiger wirtschaftlicher Gründe. - das Erreichen eines bestimmten Lebensalters, belegärztliche oder berufspolitische Tätigkeiten oder fehlende aktuelle Kenntnisse und Fähigkeiten für die Durchführung des Notfalldienstes sind keine schwerwiegenden Gründe im Sinne des Satzes 1 (Satz 2).
(4) Der Antrag auf Befreiung vom Notfalldienst ist schriftlich an den Kreisbeauftragten zu richten (Satz 1). Der Antragsteller kann die Begründung des Antrages direkt der Notfalldienst - Kommission vorlegen (zum Beispiel aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes) (Satz 2).
(6) In begründeten Fällen kann der Kreisbeauftragte einen Befreiungsantrag der Notfalldienst-Kommission zur Entscheidung vorlegen (Satz 1). Im Fall des Absatz 4 Satz 2 hat der Kreisbeauftragte den Befreiungsantrag der Notfalldienst-Kommission vorzulegen (Satz 2).
(8) Die Notfalldienst-Kommission entscheidet über den Ausschluss von der persönlichen Durchführung des Notfalldienstes, wenn Gründe vorliegen, die den betreffenden Arzt für die Durchführung des Notfalldienstes ungeeignet erscheinen lassen (Satz 1). In diesen Fällen ist der betreffende Arzt verpflichtet, auf seine Kosten einen geeigneten Vertreter zu bestellen (Satz 2)
Damit ist festzuhalten, dass nach der - wie bereits vom SG angesprochen - damals noch geltenden Notfalldienstordnung vom 7. Juni 1978 ebenso wenig die Voraussetzungen der dort genannten Befreiungstatbestände beim Kläger erfüllt waren, wie sie es auch bezüglich der ab 1. Juli 1999 bzw. ab 1. Januar 2008 bzw. ab 1. August 2008 geltenden Notfalldienstordnungen sind. Beim Kläger liegen keine schwerwiegenden Gründe, Erkrankungen oder Behinderungen vor, die einerseits einer Teilnahme am Notfalldienst entgegenstehen und andererseits zu einer Reduzierung der vertragsärztlichen Tätigkeit führen und es ihm deswegen unzumutbar machen würden, gegebenenfalls auch einen Vertreter zu bestellen. Daher war nach Überzeugung des Senates in der Tat die dem Kläger mit Bescheid vom 29. Oktober 1993 erteilte Befreiung vom Notfalldienst (für die Gruppe der psychotherapeutisch tätigen Ärzte) rechtswidrig. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (so etwa schon mit Urteil vom 11. Juni 1986 - 6 RKa 5/85 - in MedR 1987, 122, 124, bestätigt mit Urteil vom 6. September 2006 in BSG SozR 4 - 2500 § 75 Nr. 5 und Urteil vom 6. Februar 2006 - B 6 KA 13/06 R - in Juris) kommt eine vollständige (ersatzlose) Befreiung vom Notfalldienst unter dem Gesichtspunkt gleichmäßiger Belastung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) nur unter zusätzlichen Voraussetzungen in Frage, wenn nämlich gesundheitliche oder vergleichbare Belastungen zu einer deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führen und ihm zudem auf Grund geringer Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfalldienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Das BSG hat in seinem Urteil vom 11.Juni 1986 (aaO) u.a. ausgeführt:
Vielmehr lässt sich mit dem übergeordneten Recht vereinbaren, die Freistellung vom Notfallvertretungsdienst (NVD) zusätzlich von beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Arztes, insbesondere von seinem Honorarumsatz abhängig zu machen. Das Kassenarztrecht überträgt die ärztliche Versorgung der Versicherten denjenigen freiberuflich tätigen Ärzten, die dazu bereit sind. Mit der auf ihren Antrag hin ausgesprochenen Zulassung übernehmen die Ärzte die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung (§§ 368, 368a, 368k, 368n RVO). Zutreffend ist in den Vorinstanzen darauf hingewiesen worden, dass die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung nicht auf gewisse Zeiträume (z.B. Sprechstunden, Werktage) beschränkt ist, sondern auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein muss ("rund um die Uhr"). Die Erfüllung dieser Aufgabe macht es, wenn nicht anderweitig vorgesorgt, erforderlich, für bestimmte Zeiten (insbesondere für die Wochenenden) einen NVD zu organisieren (§ 368 Abs 3 RVO). Da es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Kassenärzte handelt, sind auch alle Kassenärzte zur Mitwirkung heranzuziehen, und zwar in einer alle gleichmäßig belastenden Weise. Persönliche Verhältnisse des einzelnen Arztes bleiben dabei grundsätzlich unberücksichtigt. Ein Kassenarzt hat den NVD, der für ihn auch eine Entlastung darstellt, zumindest solange gleichwertig mitzutragen, wie er in vollem Umfange kassenärztlich tätig ist. Es ist nicht geboten, einzelne Kassenärzte zu Lasten ihrer Kollegen von kassenärztlichen Pflichten freizustellen, wenn sie im übrigen ihrer beruflichen Tätigkeit uneingeschränkt nachgehen, also die wirtschaftlichen Möglichkeiten des freien Berufes voll nutzen und deshalb wirtschaftlich nicht schlechter, eventuell sogar besser gestellt sind als ihre Kollegen, auf deren Kosten sie die Freistellung begehren. Es ist daher mit den Grundsätzen des Kassenarztrechts vereinbar, wenn die Freistellung von der gemeinsamen Aufgabe des NVD nicht allein von den gesundheitlichen Verhältnissen des Kassenarztes, sondern auch davon abhängig gemacht wird, ob die gesundheitlichen Verhältnisse sich nachteilig auf die allgemeine berufliche Tätigkeit des Arztes auswirken, z.B. dass sie zu einer deutlichen Einschränkung der Praxisausübung geführt haben (vgl. § 3 Ziffer 2 der Notfalldienstordnung der KÄV Nordbaden) oder wie im Bereich der Beklagten dem Kassenarzt aufgrund seiner Einkommensverhältnisse (des Honorarumsatzes) nicht mehr zugemutet werden kann, den NVD auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen.
Die vom Kläger gerügten Grundrechtsverletzungen können ebenfalls nicht bestätigt werden. NVD-Regelungen der vorliegenden Art schränken die Berufsausübung nicht in unzulässiger Weise ein (vgl. die oben angegebenen Urteile des Senats). Die Beklagte hat mit dem hier maßgeblichen Satzungsrecht und dessen Anwendung auf den Kläger (gemäß den Notfalldienst-Richtlinien ihres Vorstandes) auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Die satzungsrechtlichen Regelungen und die Notfalldienst-Richtlinien entsprechen diesen Grundsätzen, wenn sie alle Ärzte, die ihrer beruflichen Tätigkeit noch voll nachgehen, zum gemeinsamen NVD heranziehen. Schließlich liegt keine Verletzung des Sozialstaatsgebots vor. Es ist von verfassungswegen nicht geboten, den durch gesundheitliche Beschwerden in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkten Kassenarzt von seinem Beitrag zum gemeinsamen NVD zu entbinden, solange ihm dieser Beitrag, wenn auch nur durch einen Vertreter, möglich ist und die damit unter Umständen verbundene Kostenbelastung aufgrund seines beruflichen Einkommens zugemutet werden kann. Zu Recht weist die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid auf die Eigenverantwortung des freiberuflich Tätigen und auf die aus der Kassenzulassung sich ergebenden Verpflichtungen hin. Die dem Kläger zugemutete Wahrnehmung des NVD durch einen Vertreter ist keine Sanktion, sondern ein allen Kassenärzten obliegender Beitrag zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung.
Das BSG hat im weiteren zuletzt mit Urteil vom 6. Februar 2008 (B 6 KA 13/06 R) auch im Falle des dortigen Klägers, eines Facharztes für Pathologie in einer Gemeinschaftspraxis, der die Befreiung vom Notfalldienst mit der Begründung beantragte, dass er auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit im Bereich der Pathologie zur qualifizierten Durchführung der Notdienste nicht geeignet sei, festgestellt, dass eine Berufung hierauf nicht durchgreift. Der Umstand, dass der dortige Kläger als Pathologe seit langer Zeit ausschließlich pathologisch tätig war und es deshalb weder ihm noch den Patienten zuzumuten sei, Notdienst zu leisten, wurde nicht anerkannt. Das BSG hat darauf verwiesen, dass solche Gründe eine ersatzlose Befreiung von der Verpflichtung zum gleichmäßigen Mittragen der Belastungen des Notdienstes nicht rechtfertigen könnten, zumal die Ableistung des Notdienstes in eigener Person niemals vom dortigen Kläger verlangt worden sei und auch nicht verlangt werde.
Vor diesem Hintergrund ist es auch zur Überzeugung des Senates nicht zu beanstanden, wenn hier nun die Ärzteschaft Wa. den früheren, Anfang der neunziger Jahre gefassten Beschluss, wonach die psychotherapeutisch tätigen Ärzte vom Notfalldienst befreit wurden, aufgehoben und nunmehr festgestellt hat, dass auch diese Arztgruppe uneingeschränkt zum Notfalldienst heranzuziehen ist.
2. Soweit nun das SG allerdings der Auffassung war, dass eine Aufhebung des Befreiungsbescheides vom 29. Oktober 1993 nach den §§ 45, 48 SGB X nicht möglich und daher eine Rücknahme dieses Befreiungsbescheides ausgeschlossen sei, kann der Senat dem nicht folgen.
Der Kläger leitet seine Berechtigung, nicht am Notfalldienst teilnehmen zu müssen, aus dem Bescheid vom 29. Oktober 1993 ab, von dem sich die Beklagte durch den Bescheid vom 29. April 2005 nicht habe lösen können. Indessen hat der Bescheid vom 29. Oktober 1993 seine Wirksamkeit mit dem (Änderungs-) Beschluss des Vorstandes der Ärzteschaft Wa. vom 14. April 2005, mit dem nunmehr ab sofort die generelle Verpflichtung aller psychotherapeutisch tätigen Ärzte zur Teilnahme am Notfalldienst beschlossen wurde, verloren, weil er sich im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat. Einer Aufhebung durch die Beklagte hat es nicht bedurft. Deshalb kann offen bleiben, ob eine solche Aufhebung auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ("wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen") oder - im Hinblick auf die vom Senat angenommene Rechtswidrigkeit der seinerzeitigen Freistellung der Gruppe der psychotherapeutischen Ärzte insgesamt und des Klägers im besonderen - auf § 45 Abs. 1 SGB X zu stützten wäre. Es bedarf in dem Zusammenhang auch keiner Entscheidung darüber, ob die Beklagte in dem Bescheid vom 29. April 2005 die Aufhebung des früheren Bescheides hinreichend deutlich gemacht (vgl. § 35 Abs. 1 SGB X) und die Voraussetzungen der anzuwendenden Rücknahmevorschriften (§ 45 bzw. § 48 SGB X) vorliegen (so ausdrücklich im Hinblick auf eine rechtswidrige Freistellung aller Hautärzte vom Notfalldienst das BSG im Urteil vom 6. September 2006 - B 6 KA 43/05 R - in SozR 4 - 2500 § 75 Nr. 5).
Dabei bleibt zusammenfassend festzuhalten, dass der Kläger seit dem Beschluss des Vorstandes der Ärzteschaft Wa. vom 14. April 2005 bzw. der Bekanntgabe des Bescheides vom 29. April 2005 zur Teilnahme am Notfalldienst der Ärzteschaft Wa. verpflichtet ist.
Soweit der Kläger in dem Zusammenhang noch Einwendungen dahingehend erhebt, er verfüge nicht über die notwendige Praxisausstattung und in diesem Falle müsse dann zumindest die Vergütung für psychotherapeutischen Tätigkeiten entsprechende Kosten mit Wirkung für die Zukunft einbeziehen, geht dies schlicht an der Sache vorbei. Zum Einen geht es hier einzig und allein um die Teilnahme am Notfalldienst und nicht um die Honorarverteilung. Zum Anderen steht dem Kläger für den Wochenendnotdienst die Notfallpraxis Wa. mit den entsprechenden Ausstattungen zur Verfügungen. Und bei Notdiensten unter der Woche, also in erster Linie während der Nacht, findet üblicherweise keine Notfallbehandlung in den Praxisräumen statt, sondern üblicherweise fährt der Notdienst habende Arzt zum Patienten und veranlasst ggffls. dann die Unterbringung ins Krankenhaus (unter Umständen auch mit Krankentransport). Daher ist der Kläger keineswegs gezwungen, in seinen Praxisräumen auch hierfür bestimmte Grundausstattungen vorzuhalten.
Aus diesen Gründen ist daher auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt. Mangels anderer Anhaltspunkte hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung der Befreiung vom Notfalldienst war hier der Regelstreitwert zu Grunde zu legen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Befreiung des Klägers von der Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst im Streit.
Der Kläger ist als Arzt für Psychiatrie mit der Zusatzqualifikation Psychotherapie in W. niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Anfang der neunziger Jahre, wohl 1993 (genauere Daten und Unterlagen liegen nicht vor) beschloss die damalige Ärzteschaft Wa. eine generelle Befreiung der psychotherapeutisch tätigen Ärzte von der Teilnahme am allgemeinen Notfalldienst. Im Juli 1993 beantragte im Hinblick darauf der Kläger die Befreiung vom Notfalldienst, da er als rein psychotherapeutisch tätiger Arzt ohne Personal in der Praxis und ohne apparative Praxisausstattung es nicht für sinnvoll halte, am regulären Notfalldienst teilzunehmen. Mit Bescheid vom 29. Oktober 1993 (Bl. 14 Verwaltungsakte - VA -) entsprachen die Beauftragten für den ärztlichen Notfalldienst im Bereich der Ärzteschaft Wa. dem Antrag des Klägers auf Befreiung von der Teilnahme am allgemeinen Notfalldienst unter der Voraussetzung, dass er ausschließlich psychotherapeutisch tätig sei. Zur Begründung wurde ausgeführt: Gleichstellung mit anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten in unserem Ärztebereich.
Mit Schreiben vom 28. März 2005 (Bl. 1 VA) teilte der Vorsitzende der Ärzteschaft Wa., Dr. Sch., dem Kläger mit, dass dort nicht registriert sei, dass er vom Notfalldienst befreit sei. Eine grundsätzliche Befreiung von psychotherapeutisch tätigen Ärzten sei in der aktuellen Notfalldienstordnung nicht vorgesehen. Eine eventuell bestehende Befreiung möge der Kläger vorlegen. Falls er über eine solche nicht verfüge, sei er mit sofortiger Wirkung zum Notfalldienst einzuteilen. Der Kläger teilte daraufhin mit Schreiben vom 12. April 2005 mit, dass eine ordnungsgemäße Befreiung vorliege (eine entsprechende Befreiung wurde allerdings nicht vorgelegt). Am 14. April 2005 beschloss der Vorstand der Ärzteschaft Wa., dass die psychotherapeutisch tätigen Ärzte mit sofortiger Wirkung am Notfalldienst des Bezirkes W. teilzunehmen hätten. Mit Bescheid vom 29. April 2005 (Bl. 5 VA) informierte der Vorsitzende der Ärzteschaft Wa. den Kläger über den Inhalt des Beschlusses des Vorstandes der Ärzteschaft Wa. und teilte ihm mit, dass er daher ab sofort zur Teilnahme am Notfalldienst der Ärzteschaft Wa. verpflichtet sei.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung machte sein Bevollmächtigter geltend, es fehle schon an den formellen Voraussetzungen. Ein bloßer Beschluss des Vorstandes der Ärzteschaft stelle keine Änderung der äußeren Umstände dar, der eine Rücknahme der Befreiung rechtfertigen könnte. Im Übrigen gäbe es für die Befreiung auch gute Gründe. Der Kläger sei rein psychotherapeutisch tätiger Arzt, ohne Personal in der Praxis und ohne apparative Praxisausstattung. Seine Tätigkeit müsste zwangsläufig, sowohl die Versichertengemeinschaft als auch die niedergelassene Ärzte belastend, in eine erhöhte Krankenhaus-Einweisung münden. Im Übrigen sei nach § 4 Abs. 2 Satz 1 der Notfalldienstordnung (NFDO) eine Befreiung aus schwerwiegenden Gründen zulässig. Solche würden in der unzureichenden Praxisausstattung hier vorliegen. Dieser Einwand würde zwar möglicherweise nicht für die Heranziehung am Wochenende in der Notfallpraxis in Wa. gelten. Dort allerdings fehle es derzeit an den Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Abrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung. An der Tätigkeit seien Ärzte beteiligt, die nicht niedergelassen seien und das Abrechnungswesen nicht kennen würden (der Bevollmächtigte legte in diesem Zusammenhang den Bescheid vom 29. Oktober 1993 sowie das Antragsschreiben vom 6. Juli 1993 vor - Bl. 14/15 Verwaltungsakten -).
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2005 wies der Widerspruchsausschuss bei der Bezirksdirektion Stuttgart den Widerspruch zurück (Beschluss v. 16. November 2005). Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 3 Nr. 1 NFDO der Kassenärztlichen Vereinigung Nordwürttemberg (KVNW) - Rechtsvorgängerin der Beklagten - seien sämtliche an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden frei praktizierenden Ärzte berechtigt und verpflichtet, am Notfalldienst teilzunehmen und sich hierin fortzubilden. Eine Befreiung von der Notfalldiensteilnahme sei gem. § 4 NFDO nur aus schwerwiegenden Gründen möglich. Die vom Vorstand der Ärzteschaft Wa. im Jahr 1993 ausgesprochene Befreiung des Klägers sei als sehr großzügige Entscheidung zu seinen Gunsten zu bewerten, da eine überwiegende oder ausschließliche psychotherapeutische Tätigkeit des Vertragsarztes auch zum damaligen Zeitpunkt keinem Befreiungstatbestand entsprochen habe. Im Hinblick darauf, dass die Teilnahme am Notfalldienst auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wichtiger Bestandteil der Zulassung des Arztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sei und ein schwerwiegender Befreiungstatbestand im Falle des Klägers nicht vorliege, könne dem Widerspruch nicht stattgegeben werden.
Hiergegen hat der Kläger am 8. Dezember 2005 Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat hierbei geltend gemacht, dass er auf Grund des Befreiungsbescheides vom Oktober 1993 wirksam von der Teilnahme am Notfalldienst befreit sei und diese Befreiung auch nicht rückgängig gemacht werden könne. Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat ausgeführt, die Befreiung hätte bei richtiger Rechtsanwendung damals nicht erfolgen dürfen. Unabhängig davon habe die Ärzteschaft Wa. mit Beschluss vom 14. Mai 2005 (gemeint wohl 14. April 2005) festgelegt, dass künftig auch die Gruppe der psychotherapeutisch tätigen Ärzte am Notfalldienst teilzunehmen habe. Im Ergebnis spiele es dabei keine Rolle, ob die Ärzteschaft dabei davon ausgegangen sei, dass der Kläger nicht befreit gewesen sei, denn spätestens mit dem Bescheid vom 29. April 2005 sei die Befreiung vom Oktober 1993 für die Zukunft widerrufen worden. Es stehe außer Frage, dass es in der Kompetenz der Ärzteschaft als für die Organisation des Notfalldienstes vor Ort beauftragter Stelle liege, über Befreiungen und deren Widerruf entscheiden zu können. Ein wie auch immer begründeter Vertrauensschutz auf ein unbegrenztes Fortbestehen der Befreiung bestehe nicht.
Mit Urteil vom 17. Oktober 2007 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 29. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2005 aufgehoben. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, dass zwar nach den zum damaligen Zeitpunkt nach wie vor noch anzuwendenden Regelungen der Notfalldienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordwürttemberg, die auch gem. § 2 der Organisationsregelung zur Zusammenlegung der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordbaden, Nordwürttemberg, Südbaden und Südwürttemberg zur Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom 18. Februar 2004, ab dem 1. Januar 2005 weiterhin gelten würden, der Kläger grundsätzlich zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet wäre. Gründe, ihn von der Teilnahme zu befreien, habe er nicht vorgebracht und seien auch nicht ersichtlich. Allerdings sei der Kläger durch Bescheid vom 29. Oktober 1993 von der Teilnahme am Notfalldienst befreit worden. Eine Befreiung habe nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Notfalldienstordnung vom 7. Juni 1978 aus schwerwiegenden Gründen, insbesondere wegen körperlicher Behinderungen oder besonders belastender familiärer Pflichten sowie wegen Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit nachzuweisender Notfallversorgung, auf schriftlichen Antrag ganz oder teilweise erfolgen können (§ 3 NFDO in der Fassung vom 7. Juni 1978). Dass diese Voraussetzungen vorgelegen hätten, sei nicht ersichtlich, weshalb die damalige Befreiung nach Auffassung des SG wohl zu Unrecht erfolgt sei. Dies könne jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da eine Rücknahme dieser Befreiung aus formalen Gründen nicht in Betracht komme. Das SG hat weiter ausgeführt, dass der Bescheid vom 29. Oktober 1993 keinen Widerrufsvorbehalt nach § 47 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) enthalte und daher ein Widerruf des Bescheides vom 29. Oktober 1993 nicht in Betracht komme. Ebenso wenig komme eine Rücknahme der Befreiung vom Notfalldienst nach § 45 SGB X in Betracht. Denn ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung könne grds. nur bis zum Ablauf von 2 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Unter bestimmten Voraussetzungen komme auch eine Rücknahme bis zum Ablauf von 10 Jahren nach der Bekanntgabe in Betracht (§ 45 Abs. 3 Satz 3 SGBX). Die Beklagte habe zwar auf die Entscheidung des BSG vom 23. Mai 1984 (BSGE 56, 295) verwiesen, wonach die Bestimmungen des SGB X über den Verwaltungsakt, seine Bestandskraft und seine Aufhebung in erster Linie für die eine Sozialleistung betreffenden Verwaltungsakte gelten würde. Dies schließe zwar nicht aus, dass sie auch auf sonstige, dem Sozialrecht zugehörende Verwaltungsakte anzuwenden seien, wenn die rechtliche Interessenlage wenigstens vergleichbar sei. Eine dem dortigen Fall vergleichbare Lage bestehe jedoch im vorliegenden Fall nach Auffassung des SG nicht. Anders als bei der Ermächtigung eines Krankenhausarztes (so im Fall des BSG) habe der Kläger hier nicht von vornherein damit rechnen müssen, dass die Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst wieder wegfallen werde. Nach Auffassung des SG seien daher die Regelungen in § 45, insbesondere auch die Schutzbestimmungen, anzuwenden. Damit aber sei zwischenzeitlich auch die 10-Jahres-Frist für die Rücknahme abgelaufen und daher die Voraussetzungen nach § 45 SGB X für eine Rücknahme nicht erfüllt. Ebenso wenig komme eine Aufhebung der Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst nach § 48 SGB X in Betracht. Im vorliegenden Fall scheide die Anwendung schon deshalb aus, weil nicht ersichtlich sei, dass sich in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die der Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst zu Grunde gelegen hätten, etwas geändert habe.
Die Beklagte hat gegen das ihr mit Empfangsbekenntnis am 3. Dezember 2007 zugestellte Urteil am 24. Dezember 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass ihrer Auffassung nach sehr wohl § 45 SGB X einer Rücknahme der Befreiung nicht entgegenstehe. Die zwei bzw. zehnjährige Ausschlussfrist nach § 45 Abs. 3 SGB X finde nach der Entscheidung des BSG vom 23. Mai l984 keine Anwendung. Denn weder die Beteiligung von Vertragsärzten an der vertragsärztlichen Versorgung noch die Begründung der Mitgliedschaft in der KV noch die Honorarzahlungen der KV an ihre Vertragsärzte seien Sozialleistungen im Sinne des § 11 Satz 1 SGB I (Hinweis auf BSG SozR 1200 § 34 Nr. 8, BSGE 56,116,117, BSG SozR 1200 § 16 Nr. 8). Die rechtliche Interessenlage sei daher nicht vergleichbar. Vielmehr liege, entgegen der Auffassung des SG, eine vergleichbare Lage zur Ermächtigung eines Krankenhausarztes vor. Die Beteiligung der Vertragsärzte an der vertragsärztlichen Versorgung sei, ebenso wie die Beteiligung von Chefärzten an der vertragsärztlichen Versorgung, anders als bei Sozialleistungen, weder vom Beitragsprinzip noch vom Sozialstaatsprinzip, nämlich der Hilfe bei besonderer Schutzwürdigkeit, beherrscht. Die Schutzfristen des SGB X seien daher auf den Kläger nicht anwendbar. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, er habe auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut und sein Vertrauen sei unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig. Durch die Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst habe der Kläger keinerlei Vermögensdispositionen getroffen. Darüber hinaus könne er sich nicht auf Vertrauen berufen, da er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes hätte kennen müssen. Im Bescheid vom 29. Oktober 1993 sei als Begründung lediglich die Gleichstellung mit anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten im Ärzteschaftsbereich angeführt. Dem Kläger sei daher bekannt gewesen oder hätte bekannt sein müssen, dass die Befreiung nicht auf einen Befreiungstatbestand nach den Vorschriften der NFDO basiert habe, es sich vielmehr um eine außerordentlich großzügige Entscheidung zu seinen Gunsten gehandelt habe. Darüber hinaus sei die Aufhebung der Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst auch nach § 48 SGB X gerechtfertigt. Zum 1. Januar 2008 sei eine neue Notfalldienstordnung in Kraft getreten, diese regele erstmalig die Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung nach § 75 Abs. 1 SGB V für die ehemaligen Kassenärztlichen Vereinigungen Nordbaden, Nordwürttemberg, Südbaden und Südwürttemberg zu den sprechstundenfreien Zeiten einheitlich. Es handele sich daher um eine Änderung rechtlicher Art, nämlich die Änderung einer Satzungsbestimmung. Eine einheitliche Behandlung aller Vertragsärzte, der gerade die einheitliche Notfalldienstordnung diene, könne jedoch nur gewährleistet werden, wenn die Vorschriften der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen einheitlichen Notfalldienstordnung auch für alle Vertragsärzte angewendet würden. Ein Befreiungstatbestand nach § 6 der NFDO sei aber beim Kläger nicht ersichtlich. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, die neue Notfalldienstordnung schaffe eine eklatante Ungleichbehandlung. Keinesfalls könne er sich mit einem psychologischen Psychotherapeuten oder einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vergleichen. Beim Kläger handele es sich um einen ärztlichen Psychotherapeuten. Das bedeute, er verfüge über eine medizinische Ausbildung, was bei psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nicht der Fall sei. Zwischen den Psychotherapeuten und dem Kläger bestünden Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass die ungleiche Behandlung gerechtfertigt sei. Dies ergebe sich insbesondere aus der unterschiedlichen Ausbildung. Der Kläger verfüge als zugelassener Vertragsarzt über eine vollständige medizinische Ausbildung sowie eine Approbation als Arzt. Dies sei bei Psychotherapeuten nicht der Fall. Auf Grund dieser Ausbildung sei der Kläger geeignet, typischen Notfallsituationen eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes wenigstens mit Sofortmaßnahmen bis zum Einsetzen der normalen ärztlichen Versorgung gerecht zu werden. Er könne sich auch nicht darauf berufen, er verfüge nicht über die erforderliche Ausstattung der Praxis (nämlich nach seinen Angaben habe er nicht einmal die Möglichkeit zur desinfizierenden Reinigung nach einer eventuellen notfalldienstlichen Versorgung blutender, erbrechender, inkontinenter oder infektiöser Patienten, er habe auch keine Arzthelferin). Insoweit stelle sich die Frage, was der Kläger tue, wenn während seiner normalen Sprechstundentätigkeit bei ihm ein Notfall auftrete. Auf Grund seiner vertragsärztlichen Verpflichtungen könne er derartige Notfälle auch nicht wegschicken. Darüber hinaus sei dem Kläger bereits mit Schreiben vom 29. April 2005 mitgeteilt worden, dass der Notfalldienst des Bezirkes W. am Wochenende von der Notfallpraxis Wa. aus zu verrichten sei. Somit stehe ihm eine ordnungsgemäß eingerichtete Notfallpraxis zur Verfügung. Außerdem habe das BSG in seiner neuesten Entscheidung vom 6. Februar 2008 (B 6 KA 13/06 R) erneut betont, dass nach den bundesrechtlichen Vorgaben alle Vertragsärzte Kraft ihres Zulassungsstatutes verpflichtet seien, die durch die Einrichtung eines Notfalldienstes entstehenden Belastungen gleichwertig mitzutragen, da dieser Notfalldienst zugleich eine Entlastung des einzelnen Vertragsarztes bewirke. Dies gelte sogar für Fachärzte, die ohne direkten Patientenkontakt tätig seien. Der vom Kläger noch angeführte Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit spiele im vorliegenden Verfahren keine Rolle. Im vorliegenden Verfahren gehe es nicht um Vergütungsgesichtspunkte sondern ausschließlich um die Frage der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst. Abschließend verweist die Beklagte ausdrücklich darauf, dass nach der nunmehr noch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG vom 6. Februar 2008 zum 1. August 2008 angepassten NFDO gem. § 6 Abs. 3 nur dann von der Teilnahme am Notfalldienst befreit werden könne, wenn der Arzt wegen gesundheitlichen oder vergleichbar schwerwiegenden Gründen, die zu einer deutlichen Einschränkung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit führen würden, an seiner persönlichen Teilnahme am Notfalldienst gehindert sei und ihm die Bestellung eines Vertreters aus wirtschaftlichen Gründen nicht zugemutet werden könne. Der Kläger habe weder gesundheitliche oder vergleichbar schwerwiegenden Gründe, die zu einer deutlichen Einschränkung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit führen würden, noch wirtschaftliche Aspekte vorgetragen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ergänzend führt der Klägerbevollmächtigte aus, diese ärztliche Tätigkeit des Klägers erstrecke sich ausschließlich auf die Ausübung von Psychotherapie. Körperliche Untersuchungen oder Behandlungen würden dabei regelmäßig nicht durchgeführt. Dementsprechend sei seine Praxis hinsichtlich Größe und Ausstattung (abgesehen von der Büroeinrichtung) ausschließlich auf die Führung von Gesprächen ausgerichtet. Er habe deshalb keine Möglichkeit zur desinfizierenden Reinigung der Praxisräume nach der notfalldienstlichen Versorgung blutender, erbrechender, inkontinenter oder infektiöser Patienten. Der Wartebereich reiche auch nur für ein bis zwei Personen aus. Er verfüge weder über einen Untersuchungsraum noch über genügend Platz zur Unterbringung von Untersuchungsliege bzw. -stuhl. Da er auch keine Arzthelferin habe, sei keine personelle Präsenz in der Praxis gewährleistet für den Fall, dass er während einer Notfallsprechstunde zu einem dringlichen Hausbesuch müsse. Das bedeute, wartende Patienten müssten für die Dauer des Hausbesuches unbeaufsichtigt und ohne medizinische Obhut in seiner Praxis allein gelassen oder zuvor auf die Straße hinausgebeten werden. Um am ärztlichen Notfalldienst teilnehmen zu können, wäre der Kläger daher gezwungen, eigens und ausschließlich für diesen Zweck in andere Praxisräume umzuziehen bzw. zusätzlich zu seiner gegenwärtigen Praxis geeignete Räumlichkeiten anzumieten. Vor allem sei dann darauf hinzuweisen, dass auch bei den Kostenansätzen in den Rechnungsgrundlagen des EBM 2000plus und des EBM 2008 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Psychotherapiepraxen ein Praxiskostenanteil für eine entsprechende - personelle bzw. materielle - Praxisausstattung nicht berücksichtigt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung liegt nicht vor. Die Klage betrifft keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, sondern vielmehr die Befreiung vom Notfalldienst.
II.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des SG verletzt der Bescheid vom 29. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2005, mit dem der Kläger ab sofort zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet wurde, diesen nicht in seinen Rechten.
1. Gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Die Sicherstellung umfasst gemäß § 75 Abs. 1 S. 2 SGB V auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), nicht jedoch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, soweit landesrechtlich anderes bestimmt ist. Im Hinblick darauf ordnen sowohl das allgemeine ärztliche Berufsrecht als auch das Vertragsarztrecht deshalb an, dass zu diesem Zweck ein Notfalldienst einzurichten ist, an dem die niedergelassenen Ärzte teilzunehmen haben (vgl. § 30 Abs. 3 S. 2 des Baden-Württembergischen Kammergesetzes in der Neufassung vom 16. März 1995 - GBl BW 1995 S. 313 - i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Kammergesetzes vom 25. November 1999 - GBl BW 1999 S. 453 - i.V.m. § 26 Abs. 1 S. 1 der Berufsordnung der Landesärztekammer 1998).
Ein Vertragsarzt übernimmt als Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung mit seiner Zulassung die Verpflichtung, in zeitlicher Hinsicht umfassend für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen. Das umfasst auch die Zeiten außerhalb der Sprechstunde. Der einzelne Arzt wird dadurch, dass die gesamte Ärzteschaft einen Notfalldienst organisiert, von der täglichen Dienstbereitschaft rund um die Uhr entlastet, muss aber dafür den Notfalldienst gleichwertig mittragen, solange er in vollem Umfang vertragsärztlich tätig ist (siehe hierzu zuletzt Urteile des BSG vom 6. September 2006 - B 6 KA 43/05 R - in SozR 4-2500 § 75 Nr. 5 und vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 13/06 R - in Juris). Die Kassenärztliche Vereinigung kann - gegebenenfalls zusammen mit der Ärztekammer (dazu siehe näher BSG SozR 3-2500, § 75 Nr. 2) - Regelungen in Satzungsform über die Gewährleistung der vertragsärztlichen Versorgung in den sprechstundenfreien Zeiten (Not- bzw. Bereitschaftsdienst) erlassen (siehe BSG SozR 4-2500 § 75 Nr. 5). Von dieser Kompetenz hat die Beklagte durch Erlass der Notfalldienstordnung (NFDO) Gebrauch gemacht, die zuletzt zum 1. Januar 2008 bzw. 1. August 2008 geändert worden ist.
Gemäß § 3 der noch 1993 geltenden NFDO der damaligen KV Nordwürttemberg vom 7. Juni 1978 konnte eine Befreiung aus schwerwiegenden Gründen, insbesondere wegen körperlicher Behinderungen oder besonders belastender familiärer Pflichten sowie gegen Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit nachzuweisender regelmäßiger Notfallversorgung, auf schriftlichen Antrag ganz oder teilweise erfolgen.
Die Regelungen zur Befreiung vom Notfalldienst lauteten in der NFDO der KV Nordwürttemberg vom 1. Juli 1999 i. d. F. des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 8. Dezember 2004, die zunächst gem. § 2 der Organisationsregelung zur Zusammenlegung der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordbaden, Nordwürttemberg, Südbaden und Südwürttemberg zur Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom 18. Februar 2004 auch nach dem 1. Januar 2005 weiter galt, wie folgt:
§ 4 Befreiung vom NFD (2) Eine Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst kann aus schwerwiegenden Gründen ausgesprochen werden (Satz 1). Befreiungstatbestände sind insbesondere: a) Körperliche Behinderungen, so weit diese auch außerhalb des NFD zu einer Beeinträchtigung der ärztlichen Tätigkeit führen. b) Krankheit, wobei eine Befreiung aus Krankheitsgründen längerfristig nur erfolgen kann, wenn die Erkrankung mit einem entsprechenden Rückgang der Vertragspraxis verbunden ist und kein angestellter Arzt, Assistent oder Vertreter beschäftigt wird und kein Arzt im Jobsharing tätig ist. c) ...
Die nunmehr für den Bezirk der Beklagten maßgebliche, seit 1. August 2008 geltende Fassung der NFDO trifft folgende Regelungen:
§ 1 Grundsätze
(1) Der Notfalldienst hat die Aufgabe, Notfälle zu versorgen und akute Erkrankungen zu behandeln (Satz 1). Die Einrichtung eines Notfalldienstes entbindet den behandelnden Arzt nicht von seiner Verpflichtung, für die Betreuung seiner Patienten zu sorgen, wie es deren Krankheitszustand erfordert (Satz 2).
§ 2 Organisation:
(1) Die KV BW bildet Notfalldienstbereiche (Satz 1)
(2) Die Ärzte des jeweiligen Notfalldienstbereiches bestimmen den örtlichen Notfalldienstbeauftragten als Koordinator, der dem Kreisbeauftragten mitzuteilen ist (Satz 1).
(3) Auf Vorschlag der örtlichen Notfalldienstbeauftragten eines Landkreises benennt die Notfalldienst-Kommission einen Kreisbeauftragten für die ganz oder überwiegend im Kreis gelegenen Notfalldienstbereiche (Satz 1). Dem Kreisbeauftragten obliegen insbesondere (u. a.) - die Entscheidung von Anträgen auf Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst, außer in den Fällen nach § 6 Abs. 7
§ 4 Teilnahme:
(1) Niedergelassene Ärzte haben grundsätzlich am Notfalldienst teilzunehmen (Satz 1).
(6) Werden gebietsärztliche Notfalldienste eingerichtet, sind die dem jeweiligen Notfalldienst zuzuordnenden Ärzte dort zur Teilnahme verpflichtet (Satz 1)
§ 5 Vertretung
(1) Der zum Notfalldienst eingeteilte Arzt kann sich von einem anderen approbierten Arzt vertreten lassen (Satz 1). Er bleibt dafür verantwortlich, dass der vertretende Arzt den Dienst ordnungsgemäß versieht (Satz 2). Im gebietsärztlichen Notfalldienst kann eine Vertretung nur durch einen Arzt mit der gleichen Gebietsbezeichnung erfolgen (Satz 3).
§ 6 Befreiung/Ausschluss
(1) Eine Befreiung von der Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst erfolgt nur, wenn es die örtlichen Verhältnisse gestatten und die Sicherstellung des Notfalldienstes durch die Befreiung nicht gefährdet wird.
(2) Ärztinnen sind auf Antrag ganz oder teilweise von der Teilnahme am Notfalldienst ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft und bis zu acht Wochen nach der Entbindung zu befreien (Satz 1).
(3) Abgesehen von den Fällen des Absatzes 2 können Ärztinnen und Ärzte von der Teilnahme am Notfalldienst befreit werden, wenn - sie aus gesundheitlichen oder vergleichbar schwerwiegenden Gründen, die zu einer deutlichen Einschränkung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit führen, an der persönlichen Teilnahme am Notfalldienst gehindert sind und - ihnen die Bestellung eines Vertreters aus wirtschaftlichen Gründen nicht zugemutet werden kann. Wirtschaftliche Gründe sind gegeben, wenn der Ärztin/dem Arzt auf Grund geringer Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfalldienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter durchführen zu lassen. Der Kreisbeauftragte informiert sich bei der Notfalldienstkommission über das Vorliegen derartiger wirtschaftlicher Gründe. - das Erreichen eines bestimmten Lebensalters, belegärztliche oder berufspolitische Tätigkeiten oder fehlende aktuelle Kenntnisse und Fähigkeiten für die Durchführung des Notfalldienstes sind keine schwerwiegenden Gründe im Sinne des Satzes 1 (Satz 2).
(4) Der Antrag auf Befreiung vom Notfalldienst ist schriftlich an den Kreisbeauftragten zu richten (Satz 1). Der Antragsteller kann die Begründung des Antrages direkt der Notfalldienst - Kommission vorlegen (zum Beispiel aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes) (Satz 2).
(6) In begründeten Fällen kann der Kreisbeauftragte einen Befreiungsantrag der Notfalldienst-Kommission zur Entscheidung vorlegen (Satz 1). Im Fall des Absatz 4 Satz 2 hat der Kreisbeauftragte den Befreiungsantrag der Notfalldienst-Kommission vorzulegen (Satz 2).
(8) Die Notfalldienst-Kommission entscheidet über den Ausschluss von der persönlichen Durchführung des Notfalldienstes, wenn Gründe vorliegen, die den betreffenden Arzt für die Durchführung des Notfalldienstes ungeeignet erscheinen lassen (Satz 1). In diesen Fällen ist der betreffende Arzt verpflichtet, auf seine Kosten einen geeigneten Vertreter zu bestellen (Satz 2)
Damit ist festzuhalten, dass nach der - wie bereits vom SG angesprochen - damals noch geltenden Notfalldienstordnung vom 7. Juni 1978 ebenso wenig die Voraussetzungen der dort genannten Befreiungstatbestände beim Kläger erfüllt waren, wie sie es auch bezüglich der ab 1. Juli 1999 bzw. ab 1. Januar 2008 bzw. ab 1. August 2008 geltenden Notfalldienstordnungen sind. Beim Kläger liegen keine schwerwiegenden Gründe, Erkrankungen oder Behinderungen vor, die einerseits einer Teilnahme am Notfalldienst entgegenstehen und andererseits zu einer Reduzierung der vertragsärztlichen Tätigkeit führen und es ihm deswegen unzumutbar machen würden, gegebenenfalls auch einen Vertreter zu bestellen. Daher war nach Überzeugung des Senates in der Tat die dem Kläger mit Bescheid vom 29. Oktober 1993 erteilte Befreiung vom Notfalldienst (für die Gruppe der psychotherapeutisch tätigen Ärzte) rechtswidrig. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (so etwa schon mit Urteil vom 11. Juni 1986 - 6 RKa 5/85 - in MedR 1987, 122, 124, bestätigt mit Urteil vom 6. September 2006 in BSG SozR 4 - 2500 § 75 Nr. 5 und Urteil vom 6. Februar 2006 - B 6 KA 13/06 R - in Juris) kommt eine vollständige (ersatzlose) Befreiung vom Notfalldienst unter dem Gesichtspunkt gleichmäßiger Belastung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) nur unter zusätzlichen Voraussetzungen in Frage, wenn nämlich gesundheitliche oder vergleichbare Belastungen zu einer deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führen und ihm zudem auf Grund geringer Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfalldienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Das BSG hat in seinem Urteil vom 11.Juni 1986 (aaO) u.a. ausgeführt:
Vielmehr lässt sich mit dem übergeordneten Recht vereinbaren, die Freistellung vom Notfallvertretungsdienst (NVD) zusätzlich von beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Arztes, insbesondere von seinem Honorarumsatz abhängig zu machen. Das Kassenarztrecht überträgt die ärztliche Versorgung der Versicherten denjenigen freiberuflich tätigen Ärzten, die dazu bereit sind. Mit der auf ihren Antrag hin ausgesprochenen Zulassung übernehmen die Ärzte die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung (§§ 368, 368a, 368k, 368n RVO). Zutreffend ist in den Vorinstanzen darauf hingewiesen worden, dass die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung nicht auf gewisse Zeiträume (z.B. Sprechstunden, Werktage) beschränkt ist, sondern auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein muss ("rund um die Uhr"). Die Erfüllung dieser Aufgabe macht es, wenn nicht anderweitig vorgesorgt, erforderlich, für bestimmte Zeiten (insbesondere für die Wochenenden) einen NVD zu organisieren (§ 368 Abs 3 RVO). Da es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Kassenärzte handelt, sind auch alle Kassenärzte zur Mitwirkung heranzuziehen, und zwar in einer alle gleichmäßig belastenden Weise. Persönliche Verhältnisse des einzelnen Arztes bleiben dabei grundsätzlich unberücksichtigt. Ein Kassenarzt hat den NVD, der für ihn auch eine Entlastung darstellt, zumindest solange gleichwertig mitzutragen, wie er in vollem Umfange kassenärztlich tätig ist. Es ist nicht geboten, einzelne Kassenärzte zu Lasten ihrer Kollegen von kassenärztlichen Pflichten freizustellen, wenn sie im übrigen ihrer beruflichen Tätigkeit uneingeschränkt nachgehen, also die wirtschaftlichen Möglichkeiten des freien Berufes voll nutzen und deshalb wirtschaftlich nicht schlechter, eventuell sogar besser gestellt sind als ihre Kollegen, auf deren Kosten sie die Freistellung begehren. Es ist daher mit den Grundsätzen des Kassenarztrechts vereinbar, wenn die Freistellung von der gemeinsamen Aufgabe des NVD nicht allein von den gesundheitlichen Verhältnissen des Kassenarztes, sondern auch davon abhängig gemacht wird, ob die gesundheitlichen Verhältnisse sich nachteilig auf die allgemeine berufliche Tätigkeit des Arztes auswirken, z.B. dass sie zu einer deutlichen Einschränkung der Praxisausübung geführt haben (vgl. § 3 Ziffer 2 der Notfalldienstordnung der KÄV Nordbaden) oder wie im Bereich der Beklagten dem Kassenarzt aufgrund seiner Einkommensverhältnisse (des Honorarumsatzes) nicht mehr zugemutet werden kann, den NVD auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen.
Die vom Kläger gerügten Grundrechtsverletzungen können ebenfalls nicht bestätigt werden. NVD-Regelungen der vorliegenden Art schränken die Berufsausübung nicht in unzulässiger Weise ein (vgl. die oben angegebenen Urteile des Senats). Die Beklagte hat mit dem hier maßgeblichen Satzungsrecht und dessen Anwendung auf den Kläger (gemäß den Notfalldienst-Richtlinien ihres Vorstandes) auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Die satzungsrechtlichen Regelungen und die Notfalldienst-Richtlinien entsprechen diesen Grundsätzen, wenn sie alle Ärzte, die ihrer beruflichen Tätigkeit noch voll nachgehen, zum gemeinsamen NVD heranziehen. Schließlich liegt keine Verletzung des Sozialstaatsgebots vor. Es ist von verfassungswegen nicht geboten, den durch gesundheitliche Beschwerden in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkten Kassenarzt von seinem Beitrag zum gemeinsamen NVD zu entbinden, solange ihm dieser Beitrag, wenn auch nur durch einen Vertreter, möglich ist und die damit unter Umständen verbundene Kostenbelastung aufgrund seines beruflichen Einkommens zugemutet werden kann. Zu Recht weist die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid auf die Eigenverantwortung des freiberuflich Tätigen und auf die aus der Kassenzulassung sich ergebenden Verpflichtungen hin. Die dem Kläger zugemutete Wahrnehmung des NVD durch einen Vertreter ist keine Sanktion, sondern ein allen Kassenärzten obliegender Beitrag zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung.
Das BSG hat im weiteren zuletzt mit Urteil vom 6. Februar 2008 (B 6 KA 13/06 R) auch im Falle des dortigen Klägers, eines Facharztes für Pathologie in einer Gemeinschaftspraxis, der die Befreiung vom Notfalldienst mit der Begründung beantragte, dass er auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit im Bereich der Pathologie zur qualifizierten Durchführung der Notdienste nicht geeignet sei, festgestellt, dass eine Berufung hierauf nicht durchgreift. Der Umstand, dass der dortige Kläger als Pathologe seit langer Zeit ausschließlich pathologisch tätig war und es deshalb weder ihm noch den Patienten zuzumuten sei, Notdienst zu leisten, wurde nicht anerkannt. Das BSG hat darauf verwiesen, dass solche Gründe eine ersatzlose Befreiung von der Verpflichtung zum gleichmäßigen Mittragen der Belastungen des Notdienstes nicht rechtfertigen könnten, zumal die Ableistung des Notdienstes in eigener Person niemals vom dortigen Kläger verlangt worden sei und auch nicht verlangt werde.
Vor diesem Hintergrund ist es auch zur Überzeugung des Senates nicht zu beanstanden, wenn hier nun die Ärzteschaft Wa. den früheren, Anfang der neunziger Jahre gefassten Beschluss, wonach die psychotherapeutisch tätigen Ärzte vom Notfalldienst befreit wurden, aufgehoben und nunmehr festgestellt hat, dass auch diese Arztgruppe uneingeschränkt zum Notfalldienst heranzuziehen ist.
2. Soweit nun das SG allerdings der Auffassung war, dass eine Aufhebung des Befreiungsbescheides vom 29. Oktober 1993 nach den §§ 45, 48 SGB X nicht möglich und daher eine Rücknahme dieses Befreiungsbescheides ausgeschlossen sei, kann der Senat dem nicht folgen.
Der Kläger leitet seine Berechtigung, nicht am Notfalldienst teilnehmen zu müssen, aus dem Bescheid vom 29. Oktober 1993 ab, von dem sich die Beklagte durch den Bescheid vom 29. April 2005 nicht habe lösen können. Indessen hat der Bescheid vom 29. Oktober 1993 seine Wirksamkeit mit dem (Änderungs-) Beschluss des Vorstandes der Ärzteschaft Wa. vom 14. April 2005, mit dem nunmehr ab sofort die generelle Verpflichtung aller psychotherapeutisch tätigen Ärzte zur Teilnahme am Notfalldienst beschlossen wurde, verloren, weil er sich im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat. Einer Aufhebung durch die Beklagte hat es nicht bedurft. Deshalb kann offen bleiben, ob eine solche Aufhebung auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ("wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen") oder - im Hinblick auf die vom Senat angenommene Rechtswidrigkeit der seinerzeitigen Freistellung der Gruppe der psychotherapeutischen Ärzte insgesamt und des Klägers im besonderen - auf § 45 Abs. 1 SGB X zu stützten wäre. Es bedarf in dem Zusammenhang auch keiner Entscheidung darüber, ob die Beklagte in dem Bescheid vom 29. April 2005 die Aufhebung des früheren Bescheides hinreichend deutlich gemacht (vgl. § 35 Abs. 1 SGB X) und die Voraussetzungen der anzuwendenden Rücknahmevorschriften (§ 45 bzw. § 48 SGB X) vorliegen (so ausdrücklich im Hinblick auf eine rechtswidrige Freistellung aller Hautärzte vom Notfalldienst das BSG im Urteil vom 6. September 2006 - B 6 KA 43/05 R - in SozR 4 - 2500 § 75 Nr. 5).
Dabei bleibt zusammenfassend festzuhalten, dass der Kläger seit dem Beschluss des Vorstandes der Ärzteschaft Wa. vom 14. April 2005 bzw. der Bekanntgabe des Bescheides vom 29. April 2005 zur Teilnahme am Notfalldienst der Ärzteschaft Wa. verpflichtet ist.
Soweit der Kläger in dem Zusammenhang noch Einwendungen dahingehend erhebt, er verfüge nicht über die notwendige Praxisausstattung und in diesem Falle müsse dann zumindest die Vergütung für psychotherapeutischen Tätigkeiten entsprechende Kosten mit Wirkung für die Zukunft einbeziehen, geht dies schlicht an der Sache vorbei. Zum Einen geht es hier einzig und allein um die Teilnahme am Notfalldienst und nicht um die Honorarverteilung. Zum Anderen steht dem Kläger für den Wochenendnotdienst die Notfallpraxis Wa. mit den entsprechenden Ausstattungen zur Verfügungen. Und bei Notdiensten unter der Woche, also in erster Linie während der Nacht, findet üblicherweise keine Notfallbehandlung in den Praxisräumen statt, sondern üblicherweise fährt der Notdienst habende Arzt zum Patienten und veranlasst ggffls. dann die Unterbringung ins Krankenhaus (unter Umständen auch mit Krankentransport). Daher ist der Kläger keineswegs gezwungen, in seinen Praxisräumen auch hierfür bestimmte Grundausstattungen vorzuhalten.
Aus diesen Gründen ist daher auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt. Mangels anderer Anhaltspunkte hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung der Befreiung vom Notfalldienst war hier der Regelstreitwert zu Grunde zu legen.
Rechtskraft
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