L 13 R 5097/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 2965/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 5097/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 25. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren ist.

Der 1948 geborene Kläger hat seinen Angaben sowie den vorhandenen Unterlagen zufolge in der ehemaligen UDSSR als Kfz-Mechaniker, Maurer, Heizer, Hammerschmied, Montageschlosser, Gas- und Elektroschweißer sowie Wachmann gearbeitet. Nach seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland (November 1988) war er von August 1990 bis Mai 2004 bei der Bauunternehmung A., H., beschäftigt. Danach bezog er Krankengeld.

Am 2. März 2005 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von voller bzw. teilweiser Erwerbsminderungsrente. Der Orthopäde Dr. R. erstellte im Rahmen der daraufhin eingeleiteten Ermittlungen ein Gutachten vom 26. April 2005, in dem er mitteilte, der Kläger leide an wiederkehrenden Beschwerden im Beckengürtelbereich nach stattgehabtem Beckenbruch, Harnblasenverletzung und rezidivierender Harnröhrenstriktur, einem muskulär statischen LWS-Syndrom bei begleitenden Aufbraucherscheinungen, einem wiederkehrenden BWS-Syndrom bei tief sitzender Brustwirbelsäulenkyphose, abgelaufenem Morbus Scheuermann und beginnenden Aufbraucherscheinungen, einem muskulären Cervicalsyndrom, einer initialen Gonarthrose sowie einer Adipositas permagna (107,5 kg bei einer Körpergröße von 174 cm). Darüber hinaus bestehe der dringende Verdacht auf Vorliegen einer Somatisierungsstörung. Die Tätigkeit eines Maurers sei ihm nicht mehr zumutbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten, wobei Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufiges Bücken, Überkopfarbeiten sowie Hebe- und Tragebelastungen über 15 kg vermieden werden müssten. Eine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit liege nicht vor; betriebsunübliche Pausen müssten nicht gewahrt werden.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren legte er ein vom Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. am 15. Juni 2005 ausgestelltes Attest vor, in dem eine ausgeprägte Somatisierungsstörung, eine Depression, ein LWS- und BWS-Syndrom mit radikulärer Symptomatik, ein Karpaltunnelsyndrom beidseits sowie ein Zustand nach Orchitis rechts mit Semikastration diagnostiziert wird. Da er Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert auf Dauer nicht mehr ausführen könne, werde der gestellte Rentenantrag unterstützt. Die Bauunternehmung A. berichtete am 27. Juli 2005, der Kläger habe Maurer- und Zimmerertätigkeiten sowie allgemeine Bauarbeiten verrichtet. Es habe sich um Tätigkeiten gehandelt, die innerhalb eines halben Jahres erlernt werden könnten. Entlohnt worden sei der Kläger nach dem Tarifvertrag für das Baugewerbe, Lohngruppe 3. Seine tarifliche Einstufung habe nicht dem beschriebenen Tätigkeitsbereich entsprochen, vielmehr sei hierfür eine tarifliche Lohnabsicherung maßgeblich gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2005 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück mit dem Hinweis, der Kläger könne aufgrund seiner zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit auf un- und angelernte Arbeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten noch zumutbaren Verweisungstätigkeit sei nicht erforderlich.

Mit der am 13. Oktober 2005 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und vorgetragen, einer Erwerbstätigkeit könne er wegen seines schlechten Gesundheitszustandes nicht mehr nachgehen. U.a. leide er an erheblichen Kreislaufbeschwerden, die schon mehrfach zu Ohnmachtsanfällen geführt hätten. Er fahre kein Auto mehr, auch benötige er ständig eine Begleitperson. Am 16. November 2005 hat der Nervenarzt Dr. T. berichtet, der Kläger habe von Juni 2004 bis März 2005 in seiner Behandlung gestanden. Diagnostiziert habe er einen Tremor der Hände, eine Innenohrschwerhörigkeit, eine vegetative Labilität, eine söckchenförmige Gefühlsstörung, eine schwere Somatisierungsstörung i.S. einer neurotischen Störung mit erheblicher sozialer Anpassungsstörung sowie eine depressive Verstimmung, die im Januar/Februar 2005 zu einer ca. vierwöchigen stationären psychiatrischen Behandlung geführt habe. Durch das Schmerzsyndrom sei der Kläger in seiner Alltagsbewältigung erheblich beeinträchtigt. Selbst unterhalbschichtigen Tätigkeiten sei er nicht mehr gewachsen. Der Orthopäde Dr. B. hat in seiner Auskunft vom 22. November 2005 eine Lumboischialgie links, eine Adipositas gigantica, ein Impingement-Syndrom der linken Schulter sowie ein chronisches Schmerzsyndrom beschrieben. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger nur noch unter sechsstündig einsetzbar. Dr. H. hat am 10. Januar 2006 mitgeteilt, der Kläger leide an einem chronischen Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, unklaren Synkopen, einem algogenen Psychosyndrom bei depressiver Verstimmung sowie einer erheblichen Somatisierung und einer beginnenden generalisierten Angststörung. Seit dem Jahre 2004 sei er weder psychisch noch körperlich in der Lage, irgendeine Tätigkeit auszuführen. Am 13. April 2006 hat der Urologe Dr. H. angegeben, zwar ergebe die organisch fassbare Situation einen altersentsprechenden Urogenitalbefund. Die vom Kläger glaubwürdig geschilderten ständigen Schmerzen im Genitalbereich führten aber im Zusammenhang mit der deutlichen psychischen Alteration zu einer erheblichen Leistungseinschränkung. Eine leichte körperliche Tätigkeit in geschlossenen wohltemperierten Räumen könne er vier Stunden täglich verrichten. Das SG hat weiter Beweis erhoben, durch Einholung von Sachverständigengutachten. Im orthopädischen Gutachten vom 17. Februar 2006 hat Dr. C. folgende Diagnosen gestellt: 1. myalgische Cervicobrachialgie mit endgradiger Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule; 2. chronische Dorsolumbalgie bei Fehlstatik, degenerativen Veränderungen und Residuen juveniler Aufbaustörungen thorakolumbal; 3. rechtsseitiger Beckenschmerz nach stattgehabter Beckenringfraktur, multiplen urologischen Operationen und Erkrankungen auf urologischem Fachgebiet; 4. Abriss der langen Bizepssehne rechts, Funktionseinschränkung der rechten Schulter; 5. beginnende Langfingerpolyarthrose beidseits; 6. beginnende Gonarthrose beidseits, kleine Bakerzyste rechts; 7. Hemihypaesthesie und Hemihyperalgesie der rechten Körperhälfte; 8. Gewichtsproblematik, metabolisches Syndrom; 9. Somatisierungsstörung. Weiter heißt es in dem Gutachten, als Maurer sei der Kläger nicht mehr einsetzbar. Leichte Tätigkeiten könne er noch vollschichtig ausführen. Vermieden werden müssten schwere und fortlaufende mittelschwere Arbeiten, ausschließliches Stehen, einseitige Körperhaltungen, häufiges Bücken, Arbeiten in gebeugter Rumpfhaltung, kniende und hockende Tätigkeiten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Belastungen durch Kälte, Nässe und Zugluft, Akkord-, Fließband- und Nachtarbeiten sowie Tätigkeiten über Kopf und in Armvorhalte. Im nervenärztlichen Gutachten vom 17. August 2006 hat Dr. B. eine etwa mittel ausgeprägte mehrdimensionale psychosomatische Störung beschrieben. Der Kläger sollte keine Tätigkeiten, die mit erhöhtem Stress (besonderem Zeitdruck, Schicht-, Nacht-, Akkord- und Fließbandarbeiten, vermehrtem Publikumsverkehr) verbunden seien, keine Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, keine Arbeiten an gefährdenden Maschinen und keine Tätigkeiten, die das Führen eines Kfz erforderten, besondere Anforderungen an das Hörvermögen stellten oder mit besonderer Lärmbelastung einhergingen, ausführen. Bei Berücksichtigung dieser Einschränkungen stünde der Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit nichts entgegen, zumal der Kläger weiterhin über die in diesem Zusammenhang erforderliche Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit verfüge.

Mit Gerichtsbescheid vom 25. September 2006 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe in den streitgegenständlichen Bescheiden den rechtserheblichen Sachverhalt hinreichend dargestellt, die an eine Rentengewährung geknüpften Voraussetzungen zutreffend wiedergegeben und widerspruchsfrei begründet, weshalb dem Kläger Rente nicht zu bewilligen sei. Die Kammer schließe sich den Ausführungen der Beklagten an und sehe deshalb von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gem. § 136 Abs. 3 SGG teilweise ab. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit i. S. von § 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zu Recht verneint habe. Denn der Kläger habe lt. Auskunft der Bauunternehmung A. keine Facharbeitertätigkeit, sondern Arbeiten verrichtet, die lediglich einer Anlernzeit von sechs Monaten bedurft hätten. Dem könne auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der Kläger sei tarifvertraglich wie ein Facharbeiter eingestuft gewesen. Denn dies habe den unbestrittenen Arbeitgeberangaben zufolge ausschließlich auf qualitätsfremden Merkmalen (hier: tarifliche Lohnabsicherung) beruht. Darüber hinaus sei nicht erwiesen, dass der Kläger nicht mehr fähig sei, sechsstündige Tätigkeiten zu verrichten. Insoweit sei zunächst festzuhalten, dass den meisten Gesundheitsstörungen (degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Karpaltunnelsyndrom beidseits, Tremor, beginnende Gonarthrose beidseits bei kleiner Bakerzyste rechts, Kreislaufbeschwerden mit Kollapsneigung, Innenohrschwerhörigkeit, Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Schultern, Abriss der langen Bizepssehne rechts, beginnende Langfingerpolyarthrose, Zustand nach Beckenringfraktur, Semikastration rechts, bei Zustand nach Orchitis) keine entscheidende sozialmedizinische Relevanz beizumessen sei. Hinzu komme, dass der objektivierbare Urogenitalbefund unauffällig sei und dem Kläger allenfalls eine Dysthymia, nicht hingegen eine auf Dauer angelegte erhebliche depressive Verstimmung attestiert werden könne. Denn lt. dem Untersuchungsbefund des Dr. B. ließen sich keine schwerwiegenden psychopathologischen Auffälligkeiten feststellen. Der Kläger sei in seiner Auffassungs-, Umstellungs-, Konzentrations- und Merkfähigkeit nicht beeinträchtigt, Defizite der Gedächtnisleistung seien ebenso wenig nachweisbar wie Antriebsstörungen. Allenfalls sei ihm eine reduzierte affektive Schwingungsfähigkeit zu konstatieren, die der Ausübung einer sechsstündigen körperlich leichten Tätigkeit nicht entgegenstehe. Gleiches gelte für die Somatisierungsstörung, die selbst bei leichtesten Berührungen zu erheblichen Schmerzäußerungen führe (s. hierzu z. B. die Darlegungen des Dr. C.), von Aggravationstendenzen mitentscheidend geprägt sei und durch kein organisches Korrelat, auch nicht die nachvollziehbaren Unterleibsbeschwerden, erklärbar sei. Es sei deshalb konsequent, wenn Dr. B. meine, dass die Somatisierungsstörung eine Berentung des Klägers nicht rechtfertige. Von der Richtigkeit dieser Einschätzung sei die Kammer überzeugt. Danach ließen sich ausschließlich qualitative Leistungseinschränkungen begründen, die es dem Kläger nicht verwehrten, beispielsweise als Pförtner, Museumsaufsicht oder Kassierer in einem Parkhaus, einer Tankstelle oder einem Kino - um nur einige denkbare Betätigungsfelder aufzuzeigen - zu arbeiten, zumal er noch die Fähigkeit besitze, sich auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme einer neuen Tätigkeit verbunden seien. Dem stehe auch nicht etwa eine erheblich eingeschränkte Wegefähigkeit entgegen. Denn die vom Kläger als maximal angesehene Gehstrecke von 100 m lasse sich durch objektivierbare Befunde nicht begründen. Demgegenüber dürfe zwar nicht übersehen werden, dass die den Kläger behandelnden Ärzte, die Dres. H., T., B. und H., von einem quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögen gesprochen hätten. Eine Rentengewährung komme gleichwohl nicht in Betracht, da sich die Bewertungen der o.g. Ärzte nicht auf objektivierbare Funktionsstörungen, sondern ausschließlich auf die subjektiven Angaben des Klägers stützten, denen keine entscheidende sozialmedizinische Bedeutung, gerade auch im Hinblick auf sein zielgerichtetes Auftreten, beizumessen sei.

Gegen diesen ihm am 26. September 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 2. Oktober 2006 beim SG Berufung eingelegt und geltend gemacht, sein Gesundheitszustand habe sich in letzter Zeit erheblich verschlechtert. Die letzte Operation der Harnröhre habe vor zwei Wochen stattgefunden. Eine Besserung sei nicht eingetreten. Er müsse sogar noch mit einer weiteren Verschlechterung rechnen und berufe sich auf seinen Urologen Dr. H ... Der Kläger hat eine ärztliche Bescheinigung von Dr. H. vom 2. Oktober 2006 vorgelegt, in dem dieser mitteilt, dass beim Kläger rezidivierende Harnröhrenstrikturen teilweise mit Blasensteinen bei Zustand nach 17maliger Blasenoperation vorlägen. Der augenblickliche Zustand sei stabil. Mit einer Verschlechterung der Situation und weiteren Operationen müsse gerechnet werden. Bei wie jetzt anhaltenden Schmerzen sei weitere Arbeitsunfähigkeit zu erwarten. Beigefügt waren Behandlungsberichte der Klinik für Urologie, S.-Straße, M. vom 25. September 2006, vom 9. September 2006 und vom 10. Juli 2006.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 25. September 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2005 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer sachverständigen Zeugenaussage von Dr. H., der im Wesentlichen auf seine Aussage vom 13. April 2006 an das SG Bezug genommen hat. Der Senat hat weiterhin ein urologisches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. A., Direktor der Urologischen Klinik im Klinikum M. vom 16. Oktober 2007 eingeholt, auf dessen Inhalt verwiesen wird (LSG-Akte S. 41 bis S. 45 sowie ergänzende Stellungnahmen vom 10. Januar 2008, S. 49 bis S. 51 und vom 25. Januar 2008, S. 52). Die Beklagte hat zum Sachverständigengutachten vom 16. Oktober 2007 eine fachurologische Stellungnahme von Dr. L. vom 13. November 2007 vorgelegt, auf deren Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird (LSG-Akte S. 47).

Der Kläger erhält seit dem 1. Oktober 2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die bei der Beklagten geführten Reha- und Verwaltungsakten des Klägers sowie die Akten des SG und die Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Dieser Anspruch steht ihm nicht zu, da ein Leistungsfall nicht eingetreten ist.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der hier anzuwendenden, seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert im Sinne dieser Regelung sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine Erwerbsminderung liegt nicht vor, wenn der Versicherte noch sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts tätig sein kann (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Auf der Grundlage der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten liegt eine Erwerbsminderung nach diesem Maßstab nicht vor. Auch nach Überzeugung des Senats kann der Kläger noch mindestens sechs Stunden am Tag unter den allgemeinen Bedingungen des Arbeitsmarkts tätig sein. Die Leistungseinschätzung des Sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten ist durch die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten bestätigt worden. Das SG hat die mindestens sechsstündige Leistungsfähigkeit pro Tag aus zutreffenden Gründen angenommen. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Eine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit ergibt sich auch aus dem urologischen Leiden des Klägers nicht. Insofern hat der Sachverständige Prof. Dr. A. zwar zunächst angegeben, dass dem Kläger auch leichte Tätigkeiten weniger als sechs Stunden täglich zumutbar seien. Auf weitere Nachfrage und Bitte um Stellungnahme zu der von der Beklagten vorgelegten fachurologischen Beurteilung von Dr. L. hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Januar 2008 mitgeteilt, dass auch er keine quantitative Einschränkung für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sehe, jedoch weiterhin eine sitzende Tätigkeit oder eine Tätigkeit mit geringer körperlicher Belastung für weniger als drei bis sechs Stunden empfehle. Auf weitere Nachfrage hat der Sachverständige schließlich mit Schreiben vom 25. Januar 2008 erklärt, der Kläger könne sechs Stunden leichte, nicht ausschließlich sitzende Tätigkeiten verrichten. Dies hält der Senat insbesondere auf der Grundlage fachurologischen Beurteilung von Dr. L. vom 13. November 2007 für überzeugend, wonach eine Dauerableitung der Harnblase ohne Harndranggefühl besteht, aus der sich keine zeitliche Einschränkung der Arbeitszeit ergibt. Gründe für eine solche sind auch vom Sachverständigen Prof. Dr. A. nicht genannt worden und auch im Übrigen nicht ersichtlich.

Da der Kläger damit abgesehen von Zeiten arbeitsunfähiger Erkrankung mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, ist er nicht erwerbsgemindert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den zu beachtenden qualitativen Einschränkungen. Der Kläger kann nur noch leichte, nicht ausschließlich sitzende Tätigkeiten ohne erhöhten Stress (insbesondere Akkord-, Fließband- und Nacharbeit, vermehrter Publikumsverkehr) verrichten. Er darf nicht ständig Nässe, Kälte und Zugluft ausgesetzt sein und kann keine Arbeiten mit häufigem Rumpfbeugen, im Knien, in der Hocke oder Überkopfarbeiten und Arbeiten in Armvorhaltehaltung, auf Leitern und Gerüsten sowie laufenden Maschinen verrichten. Dies steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und der im gerichtlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. C., Dr. B. und Prof. Dr. A. fest. Diese qualitativen Einschränkungen führen aber nicht dazu, dass eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist. Grundsätzlich bedarf es bei Versicherten, die noch mindestens sechs Stunden täglich körperlich leichte Arbeiten mit zusätzlichen Einschränkungen verrichten können, nicht der konkreten Benennung (zumindest) einer Verweisungstätigkeit. Ausnahmsweise hat die Rechtsprechung auf der Grundlage der vor dem 1. Januar 2001 gültigen Rechtslage auch bei noch vollschichtiger Leistungsfähigkeit die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit aber in solchen Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl. BSG, Beschlüsse des Großen Senats (GrS) vom 19. Dezember 1996 - GS 1 bis 4/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 sowie Entscheidungen des BSG vom 20. August 1997 - 13 RJ 39/96 - SozR 3-2600 § 43 Nr. 17, vom 24. März 1998 - B 4 RA 44/96 R -, vom 25. März 1998 - B 5 RJ 46/97 R - und vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 30/98 R - SozR 3-2600 § 44 Nr. 12 jeweils veröffentlicht in Juris). Überträgt man diese Rechtsprechung auf die Frage des Vorliegens voller Erwerbsminderung führt dies hier zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis. Bei dem Kläger lag weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die sein Leistungsvermögen in einer zur Prüfung der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes Anlass gebenden Weise einschränken. Der Kläger bedarf aber auch keiner unüblichen Pausen. Für den Senat steht insoweit fest, dass der Kläger nicht mehr als einmal pro Stunde zur Toilette gehen muss, um den Urinbeutel zu entleeren. Wenn er den Katheder abstöpselt, was er nach Ansicht des Sachverständigen versuchen sollte, um die Blasenkapazität zu trainieren, wird er den Beutel nicht so häufig entleeren müssen, dafür wird er dann öfter einen Verbandswechsel, der nach Schätzung des Sachverständigen 10 Minuten dauert, vornehmen müssen. Dies ergibt sich bei Zugrundelegung der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. A. vom 5. März 2008, die der Senat für nachvollziehbar und überzeugend hält. Soweit die Toilettengänge mit Verbandswechsel - nicht unmittelbar vor und nach der Arbeitszeit sowie im Rahmen der üblichen Arbeitspausen erledigt werden können, kann hierfür die persönliche Verteilzeit in Anspruch genommen werden, ohne dass eine betriebsunübliche Arbeitsunterbrechung vorliegt (vgl. auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2003 - L 14 RJ 137/01 -; Urteil des Senats vom 2. September 2008 - L 13 R 1352/07 -). Für eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit haben die Ermittlungen keine Anhaltspunkte ergeben.

Letztlich liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI nicht vor; der Kläger ist nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt der Prüfung ist auch hier entsprechend der zu § 43 SGB VI a.F. entwickelten Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Kann der Versicherte diesen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das Bundessozialgericht hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellt eines besonders hoch qualifizierten Facharbeiters), eines Facharbeiters, der einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren ausübt, eines angelernten Arbeiters, der einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren ausübt, und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Dabei wird die Gruppe der angelernten Arbeiter nochmals in die Untergruppen der "oberen Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten) und "unteren Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von mindestens drei bis zu zwölf Monaten) unterteilt. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Der Kläger, der nach diesem Maßstab der Gruppe der unteren Angelernten zuzurechnen ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat – auch insoweit macht sich der Senat die Ausführungen des SG zu eigen -, kann auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, ohne dass es der Benennung einer konkreten Tätigkeit bedarf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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