L 4 KNR 5392/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KNR 6030/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KNR 5392/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Verurteilung, dem Kläger bereits ab 13. September 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet auf 3 Jahre zu zahlen.

Der am 1961 geborene Kläger absolvierte nach eigenen Angaben eine Fernmeldetechnikerausbildung, die er wegen eines im Jahre 1978 erlittenen Unfalls abbrach. Er wurde zum Feinmechaniker umgeschult und war u.a. in einem Salzbergwerk beschäftigt sowie zuletzt bis Juni 2000 als Schankanlagentechniker tätig. Seit Juli 2000 übt er diese Tätigkeit wegen einer Hepatitis-C-Erkrankung nicht mehr aus. Seit 2002 war der Kläger arbeitslos gemeldet und bezog zunächst Arbeitslosengeld, vom 22. bis 23. März 2004 Krankengeld und vom 10. Oktober 2003 bis 09. Oktober 2004 Arbeitslosenhilfe. Von Februar bis Juni 2003 nahm der Kläger an einem Weiterbildungslehrgang zum CNC-Fräser teil. Wegen Bandscheibenproblemen wurde eine sich daran anschließende Tätigkeit jedoch nur kurzfristig ausgeübt. Das Versorgungsamt H. hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 seit dem 10. März 2004 festgestellt (Bescheid vom 14. Oktober 2004).

Am 14. Januar 2004 beantragte der Kläger bei der Bundesknappschaft, Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte), Rente wegen voller Erwerbsminderung. Orthopäde Dr. M. erstattete das Gutachten vom 18. Juni 2004. Im Vordergrund stehe die leichte Erschöpfbarkeit bei bekannter Hepatitis C. Die Epicondylitis humeri ulnaris sei ambulant therapierbar, ebenso die Rotatorenmanschettenproblematik rechts. Nennenswerte orthopädische Probleme bestünden aufgrund der Spondylolisthese L5/S1 mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule. Bezüglich der Rhizarthrose bestehe keine Behandlungsindikation. Aus orthopädischer Sicht sei eine leichte Tätigkeit vollschichtig zumutbar. Die Tätigkeit als Schankanlagentechniker könne der Kläger nur noch unter drei Stunden täglich verrichten, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch sechs Stunden und mehr täglich. Häufiges Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern, Gerüsten, Heben und Tragen und Bewegen von Lasten und Zwangshaltungen seien zu vermeiden. Internist Dr. B. erstattete das Gutachten vom 29. Juli 2004. Der Kläger leide an einer chronischen Virushepatitis B bei geringer entzündlicher Aktivität, an einer unkomplizierten Refluxkrankheit der Speiseröhre sowie an psychovegetativer Labilität mit funktionalen Störungen (z.B. Reizdarmsyndrom). Auf internistischem Fachgebiet ergäben sich keine Leistungseinschränkungen. Der Kläger könne sowohl die Tätigkeit als Schankanlagentechniker als auch mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sechs Stunden und mehr täglich verrichten.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vorliege, zumal auch die Voraussetzungen des § 240 Abs. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) nicht vorlägen, da der Kläger nach dem 01. Januar 1961 geboren sei (Bescheid vom 16. September 2004). Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers unter Wiederholung der Gründe des Ablehnungsbescheids zurück (Widerspruchsbescheid vom 24. November 2004). Sie verwies auf die erhobenen Gutachten und führte weiter aus, auch ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau gemäß § 45 Abs. 1 SGB VI bestehe wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen nicht.

Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage, das unter dem Aktenzeichen S 2 KN 4281/04 geführt wurde. Das SG hörte die behandelnden Ärzte (Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. L., Ärztin für Psychiatrie Dr. d, Lo., Internist Dr. E., Orthopäde Ba.) als sachverständige Zeugen. Im Auftrag des SG erstatte Internist Dr. St. das Gutachten vom 06. Dezember 2005. Er gelangte zu folgenden Diagnosen: Chronisch-aktive Hepatitis C, chronische Gastritis Typ C, nicht erosive Refluxösophagitis, rezidivierende depressive Episoden mit psychovegetativer Labilität, Taubheit rechts nach Schädelhirntrauma 1978, Spondylolisthesis L5/S1, Epicondylitis humeri ulnaris, Rhizarthrose beidseits, Halswirbelsäulen-Syndrom, Supraspinatussehnen-Syndrom, Schulterarmsyndrom und Carpaltunnelsyndrom beidseits. Der gesamte Bewegungsapparat sei mittelgradig eingeschränkt, sodass Knien, Heben und Zwangshaltungen längerfristig nicht möglich seien. Aufgrund der Taubheit rechts bestehe nur eine leichte Einschränkung im Bezug auf räumliches Richtungshören und in sehr lauter Umgebung. Die allgemeine Belastbarkeit sei phasenweise im Sinne eines allgemeinen Krankheitsgefühls und Leistungsschwäche mit nicht vorhersagbarem Ausmaß eingeschränkt. Eine regelmäßige Erwerbstätigkeit sei möglich. Aktuell halte er eine Tätigkeit im Rahmen von drei bis weniger als sechs Stunden für sinnvoll. Die zeitliche Einschränkung beruhe im Wesentlichen auf der Leistungseinschränkung bei chronisch-aktiver Hepatitis C sowie auf der schmerzbedingten Einschränkung durch die Gelenkbeschwerden. Insgesamt sei von einem langsam progredienten Krankheitsgeschehen auszugehen, sodass die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter sechs Stunden nicht zwingend bereits am 14. Januar 2004 vorgelegen haben müsse. Rückwirkende Einschätzungen seien jedoch in diesem Krankheitsgeschehen nicht möglich. Zum Zeitpunkt der Vorstellung (13. September und 13./14. Oktober 2005) habe die Leistungseinschränkung vorgelegen.

Die Beklagte unterbreitete daraufhin mit Schreiben vom 09. Januar 2006 aufgrund der ärztlichen Stellungnahme des Dr. Kr. vom 04. Januar 2006, wonach das Gutachten des Dr. St. insgesamt nachvollziehbar und davon auszugehen sei, dass in letzter Zeit eine Akzentuierung der Beschwerden eingetreten sei, mit der Folge, dass ab der Erstellung des Gerichtsgutachtens (13. September 2005) von einer Leistungseinschränkung (mehr als drei und weniger als sechs Stunden) auszugehen sei, folgendes Vergleichsangebot:

"1. Aufgrund des verschlossenen Arbeitsmarktes wird ab dem 13.09.2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Absatz 2 SGB VI auf Zeit angenommen; Leistungen werden hieraus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für die Dauer von drei Jahren gewährt.

2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte auf der Basis einer Mittelgebühr.

3. Der Kläger erklärt mit dem Vergleichsangebot der Beklagten den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt."

Der Kläger vertrat unter Vorlage des Attests des Dr. E. vom 27. Oktober 2006 die Auffassung, der Zeitpunkt für den Beginn der Rente sei auf das Jahr 2003 vorzuverlegen und die Rente unbefristet zu gewähren, sodass er die Beklagte bat, das Vergleichsangebot in diesem Sinn zu erweitern (Schreiben vom 15. Februar 2006). Dies lehnte die Beklagte ab (Schreiben vom "09.01.2006", beim SG am 07. März 2006 eingegangen). Laut dem Sachverständigen liege eine Erwerbsminderung nicht zwingend seit dem 14. Januar 2004 vor. Von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit könne somit erst mit dem ersten Besuch des Klägers beim Sachverständigen am 13. September 2005 ausgegangen werden. Außerdem sei lediglich eine teilweise Erwerbsminderung festgestellt worden, sodass eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nur aufgrund des verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkts angeboten werde. In diesen Fällen könne maximal eine Zeitrente für die Dauer von drei Jahren bewilligt werden. Der Kläger blieb schriftsätzlich dabei, dass die Erwerbsminderungsrente spätestens seit 14. Januar 2004 zu bewilligen sei (Schreiben vom 11. Mai 2006). Laut Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23. August 2006 (Bl. 87/88 der SG-Akten in dem Verfahren S 2 KN 4281/04) wies das SG darauf hin, dass der Vergleichsvorschlag der Beklagten vom 09. Januar 2006 nach seiner Auffassung der Sach- und Rechtslage bei Berücksichtigung der im Gerichtsverfahren durchgeführten medizinischen Ermittlungen entspreche. Auch Dr. E. sei von einer Verschlechterung des Gesundheitszustands nach der Begutachtung durch Dr. B. und damit auch von einer weiteren Abnahme des quantitativen Leistungsvermögens ausgegangen. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärte daraufhin: "Das Vergleichsangebot der Beklagten vom 09.01.2006 wird zur vollständigen Erledigung des Rechtsstreits an- und die Klage im Übrigen zurückgenommen."

Mit Bescheid vom 25. September 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger aufgrund eines Leistungsfalls vom 13. September 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. April 2006 bis 31. März 2009. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch wandte sich der Kläger gegen den Rentenbeginn. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 23. August 2006, bei der es im Wesentlichen um den Eintritt der Erwerbsminderung und den Zeitpunkt des Rentenbeginns gegangen sei, sei Einigkeit darüber erzielt worden, dass die Rente ab dem im Vergleichsangebot vom 09. Januar 2006 genannten Zeitpunkt, dem 13. September 2005, bewilligt werde. In diesem Vergleich sei nicht der Zeitpunkt des Eintritts der Minderung der Erwerbsfähigkeit festgelegt worden, sondern der Beginn des Rentenbezugs. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 02. November 2006). Aus dem Vergleichsangebot vom 09. Januar 2006 gehe hervor, dass ab dem 13. September 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit angenommen werde und Leistungen hieraus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für die Dauer von drei Jahren gewährt würden. Mit dem weiteren Schreiben vom "09.01.2006" (beim SG eingegangen am 07. März 2006) sei nochmals darauf hingewiesen worden, dass erst ab dem 13. September 2005 von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ausgegangen werden könne. Dies sei im Rahmen der mündlichen Verhandlung durch die damalige Richterin bestätigt worden. Das Vergleichsangebot vom 09. Januar 2006 weise mithin als Leistungsfall den 13. September 2005 aus, sodass die befristete Rente nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet werden könne. Daraus ergebe sich ein Rentenbeginn am 01. April 2006.

Gegen den am 06. November 2006 bei der Prozessbevollmächtigten des Klägers eingegangenen Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 05. Dezember 2006 Klage beim SG, das unter dem Aktenzeichen S 2 KN-R 6030/06 geführt wurde. Er verwies zur Begründung auf den Inhalt der Widerspruchsbegründung. Ergänzend trug er vor, Gegenstand der Vergleichsverhandlungen sei die Frage gewesen, ab wann die Erwerbsminderungsvoraussetzungen vorgelegen hätten und ab welchem Zeitpunkt die Erwerbsminderungsrente zu bewilligen gewesen sei. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung habe die damalige Vorsitzende, Richterin am SG im Ruhestand W.-M., darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Rechtsauffassung des Gerichts der Zeitpunkt des Vorliegens der Erwerbsminderungsvoraussetzungen wohl nicht bereits ab dem Jahr 2003 und auch nicht schon ab dem 14. Januar 2004 nachweisbar sei, sondern erst ab dem 13. September 2005. Die Vorsitzende habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Angebot der Beklagten vor diesem Hintergrund durchaus günstig für ihn sei, da es den Zeitpunkt des Rentenbeginns gleichsetze mit dem von der Beklagten angenommenen Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente. Die Vorsitzende habe in diesem Zusammenhang nochmals erläutert, dass normalerweise die sechsmonatige Wartefrist einzuhalten und der Rentenbeginn erst ab diesem Zeitpunkt festzusetzen sei, sodass das von der Beklagten unterbreitete Angebot günstig für ihn sei. Aufgrund dieser Erörterungen habe man sich schließlich geeinigt, wobei alle Beteiligten zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen seien, dass der 13. September 2005 der Zeitpunkt des Rentenbeginns sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und bestätigte, dass im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 23. August 2006 der Rentenbeginn ausgiebig diskutiert worden sei. Mit ihren weiteren Erläuterungen zum Vergleich, auch unter dem Datum vom 09. Januar 2006, werde jedoch eindeutig beschrieben, dass von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit erst mit dem ersten Besuch des Klägers beim Sachverständigen am 13. September 2005 ausgegangen und die zu bewilligende Rente lediglich auf Zeit gewährt werden könne. Der nunmehr geforderte Rentenbeginn widerspreche allen gesetzlichen Regelungen. Ein Rentenbeginn im Laufe eines Monats sei lediglich nach dem alten Erwerbsunfähigkeitsrecht möglich gewesen. Der Zahlungs- bzw. Leistungsanspruch sei nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen anerkannt worden. Das bedeute, dass die Zahlung unter Berücksichtigung der weiteren gesetzlichen Vorschriften (Beginn, Änderung und Ende von Renten, den Anrechnungsvorschriften nach §§ 89 SGB VI ff.) erfolge. Ein konkreter Zahlungsanspruch ab dem 13. September 2005 sei durch den geschlossenen Vergleich nicht geregelt.

Das SG vernahm die Prozessbevollmächtigte des Klägers, Angela Bender (früher: Bender-Lachenmann, und die Richterin am SG im Ruhestand W.-M. im Termin zur Erörterung des Sachverhalts als Zeugen; auf die Niederschrift vom 11. Oktober 2007 wird Bezug genommen (Bl. 32 bis 36 der SG-Akte in dem Verfahren S 2 KN-R 6030/06).

Mit Urteil vom 12. Oktober 2007 verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. November 2006, "dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Dauer von drei Jahren beginnend ab dem 13.09.2005 zu bezahlen". Zur Begründung führte es aus, der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 13. September 2005 ergebe sich aus dem zwischen den Beteiligten geschlossenen und das Verfahren S 2 KN 4281/04 beendenden Vergleich. Dieser Vergleich sei nach wie vor wirksam. Bereits aus dem Wortlaut der Ziff. 1 ergebe sich, dass der Rentenbeginn und nicht der Leistungsfall geregelt worden sei. In Satz 2 der genannten Ziffer werde die Leistungsdauer der Rente geregelt. Dies deute darauf hin, dass das in Satz 1 genannte Datum der Beginnzeitpunkt der Rente sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht bei der Auslegung des Vergleichstextes unter Berücksichtigung der äußeren Umstände des Vergleichsabschlusses. Zwar sei die Wortwahl, die Rente werde "angenommen" ungewöhnlich. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lasse sich jedoch eine dem Wortlaut des Vergleichstextes modifizierende Auslegung nicht begründen. Beide Zeugenaussagen würden den Vortrag der Beklagten nicht stützen. Damit aber gelte die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit des tatsächlich vereinbarten Vergleichstextes. Dass die getroffene Regelung zum Rentenbeginn mit dem geltenden Rentenrecht nicht in Einklang stehe, führe nicht zur Unwirksamkeit des Vergleichs. Der Vergleich sei auch nicht nichtig. Die Beteiligten hätten weder kollusiv gehandelt, noch liege ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 40 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) vor. Nichtigkeit nach § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sei im Übrigen nicht schon dann gegeben, wenn mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag gegen das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen werde, sondern nur dann, wenn eine zwingende Rechtsvorschrift ein Verwaltungshandeln durch Vertrag überhaupt verbiete. Schließlich liege auch kein die Kündigung oder Vertragsanpassung rechtfertigender Sachverhalt vor.

Gegen das ihr am 30. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. November 2007 beim Landessozialgericht (LSG) schriftlich Berufung eingelegt. Das Urteil des SG sei in keinster Weise nachvollziehbar. Keinesfalls könne der Leistungsfall und der daraus resultierende Rentenbeginn zur gleichen Zeit vorliegen. Dem stünden die Vorschriften der §§ 99, 101 SGB VI entgegen. Zudem könne eine Rente nicht im angebrochenen Monat beginnen. Für die Beklagte sei stets nur die Nennung des maßgeblichen Leistungsfalls wichtig, da von diesem ausgehend sämtliche Rechtswirkungen entstünden. Die übrigen Folgen ergäben sich aus den gesetzlichen Bestimmungen und bedürften keiner expliziten Nennung. Hierunter falle z.B. der Rentenbeginn, da dieser unter Vorgabe des Leistungsfalls sowie des bekannten Antragsdatums eindeutig bestimmbar sei. Vor diesem Hintergrund sei der unterbreitete Vergleichsvorschlag ergangen. Das Gesetz stelle in zahlreichen Vorschriften maßgeblich auf den Leistungsfall ab. Das SG habe auf die Nennung des Leistungsfalls verzichtet und setze anstelle dessen einen gesetzlich nicht möglichen Rentenbeginn fest. Der Kläger sei mit diesem Urteil in Bezug auf die Rentenhöhe nicht beschwert, sondern auch benachteiligt, da Entgeltpunkte für die Rentenberechnung lediglich bis Ende Februar 2005 und nicht wie hier bis September 2005 anzurechnen seien. Außerdem sei der Rentenanspruch für zwölf Tage anteilig vermindert und die Rentenbezugsdauer nicht über drei Jahre hinaus verlängert worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sein Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Dauer von drei Jahren, beginnend ab dem 13. September 2005, ergebe sich aus dem zwischen ihm und der beklagten geschlossenen Vergleich. In Ziff. 1 des Vergleichs sei ausdrücklich vom "Rentenbeginn" und nicht vom Eintritt eines Leistungsfalls die Rede. Dies habe auch die Beweisaufnahme vor dem SG ergeben. Die Beteiligten hätten seinerzeit den 13. September 2005 als Datum des Rentenbeginns angenommen. Die damalige Vorsitzende habe deshalb auch darauf hingewiesen, dass das Vergleichsangebot günstig sei, da sich der 13. September 2005 mit dem Zeitpunkt decke, zu dem erstmalig der Leistungsfall nachgewiesen werden könne. Deshalb habe er (der Kläger) sein Einverständnis mit dem Vergleich erklärt. Es liege in der Natur der Sache eines Vergleichs, dass ein gegenseitiges Nachgeben auf beiden Seiten erfolge. Dies sei seinerzeit geschehen. Während er den Standpunkt vertreten habe, dass als Zeitpunkt für den Eintritt des Leistungsfalls der 14. Januar 2004 anzusehen sei, sei die Beklagte der Auffassung gewesen, dass dies erst ab dem 13. September 2005 angenommen werden könne. Ausgehend von diesen divergierenden Standpunkten habe man sich schließlich darauf geeinigt, dass jedenfalls der Zeitpunkt des Rentenbeginns der 13. September 2005 sein solle.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG (in den Verfahren S 2 KN 4281/04 und S 2 KN-R 6030/06) sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Dauer von drei Jahren beginnend ab dem 13. September 2005 zu zahlen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. November 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

1. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 13. September 2005. Grundlage hierfür ist der am 23. August 2006 abgeschlossene außergerichtliche Vergleich.

1.1. Die Beteiligten haben am 23. August 2006 einen wirksamen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag (§§ 53 Abs. 1 Satz 2, 54 Abs. 1 SGB X) geschlossen. Der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags richtet sich gemäß § 61 Satz 2 SGB X nach den Grundsätzen der §§ 145 ff. BGB. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 09. Januar 2006 ein Vergleichsangebot unterbreitet. Hierbei handelte es sich um einen außergerichtlichen Vergleichsvorschlag (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9.Aufl. 2008, § 101 RdNr. 9a).

Dieses Vergleichsangebot war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 23. August 2006 auch noch nicht erloschen, da der Kläger gegenüber der Beklagten das Vergleichsangebot zuvor noch nicht ausdrücklich abgelehnt hatte (§ 146 BGB). Denn im Schreiben vom 15. Februar 2006 bat der Kläger lediglich um die Erweiterung des Vergleichsangebots und im Schreiben vom 11. Mai 2006 wiederholte er nur seine Ansicht, dass Erwerbsminderungsrente spätestens seit 14. Januar 2004 zu bewilligen sei. Im Übrigen ist selbst dann, wenn man die genannten Schreiben des Klägers als Ablehnung ansehen würde, davon auszugehen, dass die Beklagte ihr Vergleichsangebot sowohl mit weiterem Schreiben vom "09. Januar 2006" (beim SG eingegangen am 07. März 2006) als auch in der mündlichen Verhandlung am 23. August 2006 wiederholt bzw. daran festgehalten hat.

Dieses außergerichtliche Vergleichsangebot hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 23. August 2006 durch seine vom Gericht protokollierte Erklärung angenommen. Nachdem die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 23. August 2006 ausweislich der Niederschrift vom selbigen Tag durch einen Mitarbeiter mit Generalterminsvollmacht vertreten war, erfolgte die Annahme des Vergleichsangebots unmittelbar gegenüber der Beklagten. Der Senat weist deshalb lediglich ergänzend darauf hin, dass die Annahme des Vergleichsangebots gemäß § 151 Abs. 1 BGB auch (und allein) gegenüber dem Gericht hätte erklärt werden können, da aufgrund der Vorgehensweise der Beklagten (das Vergleichsangebot war an das SG adressiert) davon auszugehen ist, dass die Beklagte darauf verzichtet hat, dass die Annahme nur ihr gegenüber erklärt werden kann (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 04. Dezember 1980 - 2 AZR 983/78 - = veröffentlicht in juris). Der Vergleichsvertrag ist mithin am 23. August 2006 zustande gekommen.

Damit sind die Beteiligten als Parteien dieses Vergleichsvertrags vertragsmäßig an dessen Inhalt gebunden und auch das Gericht hat den außergerichtlichen Vergleich zu berücksichtigen, soweit er für den Rechtsstreit erheblich ist (Leitherer, a.a.O., § 101 RdNr. 18).

1.2. Der Inhalt des Vertrags ist, soweit die vertraglichen Regelungen nicht eindeutig sind, durch Auslegung anhand der Grundsätze der §§ 133, 157 BGB, die ebenfalls gemäß § 61 Satz 2 SGB X entsprechend heranzuziehen sind, zu ermitteln (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 05. September 2006 - B 7a AL 62/05 R - = SGb 2008, 106). Maßstab für die Inhaltsbestimmung der getroffenen Regelungen ist danach der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge, den wirklichen Willen der Beteiligten (§ 133 BGB) aufgrund der mit dem Abschluss des Vertrags verbundenen Umstände erkennen kann (BSG, Urteil vom 29. Januar 2008 - B 7/7a AL 58/06 R; Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 23/06 R -; jeweils veröffentlicht in Juris). Unklarheiten gehen jedoch zu Lasten der Verwaltung (BSG, Urteil vom 08. November 2007 - B 9/9a V 1/06 R - = veröffentlicht in juris).

Der für die am Vertrag Beteiligten maßgebliche Vertragsinhalt ergibt sich aus den Ziff. 1 bis 3 des Vergleichsvertrags vom 23. August 2006. Nach Ziff. 1 Halbsatz [HS] 1 wird "aufgrund des verschlossenen Arbeitsmarktes [ ] ab dem 13.09.2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Absatz 2 SGB VI auf Zeit angenommen" und nach Ziff. 1 HS 2 werden "Leistungen [ ] hieraus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für die Dauer von drei Jahren gewährt".

Der Wortlaut von Ziff. 1 HS 1 deutet darauf hin, dass der Beginn einer Rente im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI geregelt wurde. Denn die Beklagte verwendete lediglich den Begriff "Rente" und nicht die Formulierung "Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit" (vgl. § 101 Abs. 1 SGB VI) oder Erwerbsminderung (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) oder "Leistungsfall". Aufgrund der genauen Datumsangabe ("ab dem 13.09.2005") und der Verwendung der Formulierung "Rente wegen voller Erwerbsminderung" spricht der Wortlaut des Vergleichs dafür, dass in Ziff. 1 HS 1 der Rentenbeginn geregelt wurde. Lediglich der Begriff "angenommen" führt dazu, dass der Vergleichsinhalt auf den ersten Blick ganz nicht klar und deutlich ist. Hätte die Beklagte den Begriff "gezahlt" verwendet, so dürfte zwischen den Beteiligten kein Streit darüber bestehen, dass der Kläger - unabhängig von der gesetzlichen Rechtslage (vgl. hierzu unter 2.) - Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 13. September 2005 hat.

Ob der Wortlaut der Ziff. 1 HS 2 des Vergleichs - wie es das SG angenommen hat - darauf hindeutet, dass das in Ziff. 1 HS 1 genannte Datum als Beginn der Rentenleistung zu verstehen ist, erscheint fraglich. Denn die isolierte Betrachtung der Formulierung "Leistungen werden hieraus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für die Dauer von drei Jahren gewährt" könnte auch darauf hindeuten, dass sich sowohl der Rentenbeginn als auch die Leistungsdauer allein nach den gesetzlichen Bestimmungen richten soll.

Allerdings ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, der bei der Auslegung nach dem Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten zu berücksichtigen ist, und dem Umstand, dass Unklarheiten zu Lasten der Beklagten gehen (vgl. BSG, Urteil vom 08. November 2007 - B 9/9a V 1/06 R - = veröffentlicht in juris), dass sich die Beklagte in Ziff. 1 HS 1 des Vergleichs verpflichtet hat, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 13. September 2005 zu gewähren. Dies ergibt sich für den Senat aus dem Verhalten der Beteiligten vor und während der mündlichen Verhandlung am 23. August 2006.

Der Kläger ging vor der mündlichen Verhandlung noch davon aus, dass er spätestens seit dem 14. Januar 2004 Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente hat. Insofern hatte er die Beklagte auch aufgefordert, das Vergleichsangebot vom 09. Januar 2006 zu erweitern, was diese jedoch abgelehnt hatte. Erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 23. August 2006 hat der Kläger - nach einem Hinweis der damaligen Vorsitzenden - das Vergleichsangebot der Beklagten vom 09. Januar 2006 angenommen.

Wie sich aus der Beweisaufnahme vom 11. Oktober 2007 vor dem SG ergibt, wurde der Rentenbeginn im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 23. August 2006 sowohl von der damaligen Vorsitzenden als auch von den Beteiligten thematisiert. Der Senat stützt sich hierbei auf die Zeugenaussage der Prozessbevollmächtigten. Danach war ausdrücklich über die "Zeitspanne der sechs Monate bzw. des siebten Monats" gesprochen worden (vgl. Bl. 3 der Niederschrift vom 11. Oktober 2007; Bl. 34 der SG-Akte in dem Verfahren S 2 KN-R 6030/06). Erst aufgrund eines Hinweises der damaligen Vorsitzenden, wonach der Rentenbeginn am 13. September 2005 günstig sei, wurde das Vergleichsangebot der Beklagten durch den Kläger angenommen. Die damalige Vorsitzende, die vom SG ebenfalls als Zeugin vernommen wurde, gab im Rahmen ihrer Vernehmung vor dem SG am 11. Oktober 2007 an, dass es durchaus sein könne, dass sie damals darauf hingewiesen habe, "dass der Rentenbeginn nach dem Wortlaut des Vergleichs der 13.09.2005 sein sollte" und sie "deshalb gesagt habe, dass dieses Angebot die Sechsmonatsfrist nicht einhält und daher günstig für die Klägerseite" sei (vgl. Bl. 4 der Niederschrift vom 11. Oktober 2007; Bl. 35 der SG-Akte in dem Verfahren S 2 KN-R 6030/06). Hätte die Beklagte mit Ziff. 1 HS 1 des Vergleichsvorschlags lediglich den Zeitpunkt des Eintritts der Leistungsminderung regeln wollen, so hätte sie spätestens zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und nach dem Hinweis der damaligen Vorsitzenden die Ziff. 1 HS 1 des Vergleichsvorschlags korrigieren müssen. Nachdem sie das nicht getan hat, muss sie sich an den Inhalt des Vergleichs festhalten lassen.

2. Der am 23. August 2006 geschlossene Vergleich ist auch wirksam (geblieben). Es handelt sich - wie bereits dargelegt - um einen außergerichtlichen Vergleichsvertrag im Sinne der §§ 54 Abs. 1 SGB X und 101 Abs. 1 SGG, der weder prozessrechtlich noch materiell-rechtlich unwirksam ist. Nach § 54 Abs. 1 SGB X kann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird (Vergleich), geschlossen werden, wenn die Behörde den Abschluss des Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach pflichtgemäßem Ermessen für zweckmäßig hält. Nach § 101 Abs. 1 SGG können die Beteiligten zur Niederschrift des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Sowohl die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 SGB X als auch die des § 101 Abs. 1 SGG sind vorliegend erfüllt.

2.1. Der Vergleich erfüllte die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 SGB X. Durch den Vergleich sollte die Ungewissheit darüber beseitigt werden, ob und ab wann der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung erhält. Der Kläger vertrat in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass die von dem Sachverständigen Dr. St. festgestellte Leistungsminderung bereits im Jahr 2003 eingetreten sei, während die Beklagte der Auffassung war, eine Leistungsminderung sei erst am 13. September 2005 nachgewiesen. Dr. St. wies in seinem Gutachten vom 06. Dezember 2005 hingegen darauf hin, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter sechs Stunden "nicht zwingend bereits zum 14.01.2004" vorgelegen haben muss. Eine rückwirkende Einschätzung war ihm aufgrund des Krankheitsgeschehens nicht möglich. Er ging jedoch davon aus, dass es sich um ein langsam progredientes Krankheitsgeschehen handle, sodass zumindest zum Zeitpunkt der Vorstellung (13. September 2005) die zeitliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit vorgelegen habe. Es lag somit eine nach dem eingeholten medizinischen Gutachten ungesicherte Sach- und Rechtslage vor, die durch gegenseitiges Nachgeben geklärt wurde. Mängel der Prozesshandlung sind weder ersichtlich noch von der Beklagten geltend gemacht worden.

2.2. Der abgeschlossene Vergleich ist auch materiell-rechtlich wirksam, obwohl er nicht der objektiven Rechtslage entspricht.

Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass ein Versicherungsträger beim Abschluss eines Vergleichsvertrags wie beim Erlass eines Verwaltungsaktes den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns beachten muss. Er darf sich insbesondere nicht zur Gewährung von Leistungen verpflichten, für welche die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Gleichwohl ist ein materiell-rechtlich unrichtiger Vergleichsvertrag nicht ohne Weiteres unwirksam. Denn es muss zwischen der Zulässigkeit und der Wirksamkeit eines materiell-rechtlichen fehlerhaften Vergleichsvertrags unterschieden werden (vgl. grundlegend BSG SozR 1500 § 101 Nr. 8). Das "Verfügen-Können" im Sinne des § 101 Abs. 1 SGG deckt sich nicht mit dem "Verfügen-Dürfen" (BSG a.a.O., m.w.N.). Die Unwirksamkeit eines Vergleichs ist nur dann anzunehmen, wenn sein Inhalt gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (vgl. § 58 Abs. 1 SGB X i.V.m. §§ 134, 138 BGB), nicht aber soweit sein Inhalt mit sonstigen materiell-rechtlichen Vorschriften ganz oder teilweise im Widerspruch steht (Engelmann in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 6. Auflage 2008, § 58 RdNr. 6 m.w.N.; Krasney in ders./Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Auflage 2008, VII. Kapitel, RdNr. 187 m.w.N.). Denn nicht jede zwingende Norm des Verwaltungsrechts oder Sozialrechts hat die Bedeutung eines Verbotsgesetzes im Sinne von § 134 BGB. Dies ergibt sich auch aus § 54 Abs. 1 SGB X, wonach die Behörde einen Vergleich schließen kann, wenn sie ihm "nach pflichtgemäßem Ermessen für zweckmäßig hält". Damit geht § 54 Abs. 1 SGB X davon aus, dass für die Zulässigkeit und Wirksamkeit eines Vergleichs nicht die materielle Richtigkeit der getroffenen Regelung das entscheidende Kriterium ist, sondern dass die für den Abschluss eines Vergleichs genannten Voraussetzungen (z.B. Bestehen einer Ungewissheit) gegeben sind (BSG a.a.O.). Solange sich der Verwaltungsträger zu einem Verhalten verpflichtet, das er auch durch einen (wenn auch unter Umständen rechtswidrigen) Verwaltungsakt übernehmen könnte, liegt kein Verstoß gegen zwingendes Recht vor (Krasney, a.a.O.).

Ein derart schwerwiegender Verstoß im Sinne des § 134 BGB kann bei dem hier vorliegenden Vergleich nicht bejaht werden. Es handelt sich bei der Regelung in Ziff. 1 HS 1 des Vergleichs vielmehr um einen auf fehlerhafter Auslegung von Rechtsnormen beruhenden Mangel, der die Wirksamkeit des Vergleichs nicht berührt. Nach § 101 Abs. 1 SGB VI werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Begin des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Darüber hinaus bestimmt § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI, dass eine Rente aus eigener Versicherung jeweils ab Beginn eines Kalendermonats zu leisten ist. Soweit die Beklagte davon ausgeht, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit am 13. September 2005 eingetreten ist, hätte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts erst ab dem 01. April 2006 geleistet werden dürfen. Bei den genannten Normen (§§ 99, 101 SGB VI) handelt es sich jedoch nicht um Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB. Die Beklagte hätte auch einen entsprechenden (rechtswidrigen) Verwaltungsakt erlassen können.

2.3. Der Vergleich ist auch nicht aus sonstigen Gründen unwirksam. Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Schriftformerfordernis (§ 56 SGB X) aufgrund des schriftlich durch die Beklagte unterbreiteten Vergleichsangebots vom 09. Januar 2006 und der im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 23. August 2006 protokollierten Annahme des Vergleichsangebots durch den Kläger entsprochen wurde. Auch der Senat geht davon aus, dass die Schriftform nicht in einer einheitlichen Vertragsurkunde gegeben sein muss, sondern auch durch zwei getrennte Erklärungen gewahrt wird. Dies ergibt sich für den Senat bereits daraus, dass die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden kann (vgl. § 36a Abs. 2 Satz 1, 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB I]), wodurch insoweit auf das Prinzip der Urkundeneinheit verzichtet wird (vgl. auch § 61 Satz 2 SGB X i.V.m. § 126a Abs. 1, 2 BGB; vgl. hierzu auch Zuck in Fichte/Plagemann/Waschull, Sozialverwaltungsverfahrensrecht, 2008, § 5 RdNr. 38).

Die Voraussetzungen für eine Anpassung oder Kündigung im Sinne des § 59 SGB X liegen ebenfalls nicht vor. Voraussetzung hierfür wäre, dass sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert haben, dass der Beklagten das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten wäre. Die Verhältnisse haben sich jedoch seit dem 23. August 2006 nicht wesentlich geändert. Die Beklagte behauptet dies auch nicht.

Aus diesen Gründen ist der außergerichtliche Vergleich als wirksam zu beurteilen, sodass der Kläger einen Anspruch auf Erfüllung des Vergleichsvertrags hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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