Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 234/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 181/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2007 verurteilt, die Klägerin mit einem neuen elektrischen Rollstuhl zu versorgen. Der Beklagten werden die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einem elektrischen Rollstuhl und insoweit über die Frage, ob die Klägerin einen solchen verkehrstauglich führen kann.
Die 1950 geborene Klägerin ist an Multipler Sklerose (MS) erkrankt. Es besteht bei ihr ein stark vermindertes Sehvermögen. In der Vergangenheit war sie zu Lasten der Beklagten mit einem elektrisch betriebenen Rollstuhl – mit einem sog. E-Fix - versorgt.
Im November 2006 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Verordung des Internisten T und eines Attestes des Augenarztes S die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl, da der vorhandene Rollstuhl nach sieben Jahren nicht mehr repariert werden könnte. Nach Anhörung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 10.01.2007 ab. Nach Beurteilung des MDK sei bei der Klägerin durch die geminderte Sehkraft keine ausreichende Fahrtauglichkeit mehr gegeben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Sie legte ein Attest des Chefarztes der Neurologischen Klinik des B Krankenhauses in L1, des H, vor, der die Neuversorgung mit einem Elektrorollstuhl beim Vorliegen einer stabilen Borderline-Psychose als nervenärztlich sinnvoll erachtete. Des Weiteren legte sie eine Bescheinigung des S vor, dass sie aus augenärztlicher Sicht in der Lage sei, einen elektrischen Rollstuhl zu führen. Auf Nachfrage der Beklagten teilte dieser mit, dass zur Beurteilung der Sicherheit im öffentlichen Straßenverkehr eine Prüfung durch den TÜV empfohlen werde. Nach Anhörung eines Hilfsmittelberaters aufgrund eines Hausbesuches und einer Begutachtung durch den TÜV wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2007 zurück. Der Hilfsmittelberater könne keine uneingeschränkte Empfehlung für die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl geben und der TÜV habe eine Fahrtauglichkeit nicht bestätigt.
Die Klägerin hat gegen die ablehnenden Bescheide Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren der Versorgung mit einem elektrischen Rollstuhl weiterverfolgt. Sie macht geltend, dass sie trotz ihrer Sehbeeinträchtigung seit sieben Jahren den Elektrorollstuhl unfallfrei gebrauche. Zwei Vorfälle in der Vergangenheit seien auf das Verschulden Dritter zurückzuführen. Sie hat während des Klageverfahrens ein Attest des Augenarztes I vorgelegt, der bescheinigte, dass das Führen eines Elektrorollstuhls mit Brillenkorrektur möglich sei. Das Gesichtsfeld beiderseits sei intakt.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, bei der Klägerin die Kosten für einen neuen Elektrorollstuhl zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort aufgeführten Gründen für rechtmäßig. Insgesamt ergebe sich auch nach Einholung des vom Gericht veranlassten Sachverständigengutachten keine ausreichend sichere Grundlage zur Feststellung einer ausreichenden Fahrtauglichkeit der Klägerin. So sei nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, dass der Gerichtssachverständige bei früher angegebener linksseitiger Erblindung eine Restsehfähigkeit dieses Auges festgestellt habe. T und S hätten sich nicht zur sicheren Beurteilung einer Verkehrstauglichkeit in der Lage gesehen, ebenso wie der zu Rate gezogene unabhängige Hilfsmittelberater. Der Umstand einer ausreichend sicheren Fahrprobe der Klägerin in der Praxis des Gerichtssachverständigen könne nicht als ausreichend betrachtet werden.
Das Gericht hat zur Ermittlung des Sachverhalts Befundberichte des S sowie des Augenarztes G und das Gutachten des Augenarztes L2 vom 15.04.2008 eingeholt. Zur weiteren Sachdarstellung wird auf diese Unterlagen sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten haben sich als rechtswidrig erwiesen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Versorgung mit einem elektrisch betriebenen Rollstuhl zu, §§ 27, 33 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V).
Entgegen dem Standpunkt der Beklagten ist es zur Überzeugung des Gerichtes erwiesen, dass ein elektrisch betriebener Rollstuhl nicht nur ein medizinisch notwendiges, sondern auch ein medizinisch geeignetes Hilfsmittel für die Klägerin ist. Die insoweit zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob die Klägerin einen elektrisch betriebenen Rollstuhl im öffentlichen Straßenverkehr ausreichend sicher bedienen kann, ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme positiv im Sinne des Klagebegehrens zu beantworten. Der Gerichtssachverständige L2 hat in Kenntnis des Akteninhalts und aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Klägerin festgestellt, dass ihr Wahrnehmungsvermögen trotz des verminderten Sehvermögens zum sicheren Führen eines Elektrorollstuhls bis zu einer Geschwindigkeit von 10 km/h ausreichend ist. Das Gericht ist dieser Einschätzung gefolgt, da die Beurteilung nachvollziehbar ist. So hat der Gerichtssachverständige durch eigene Befunderhebung eine Restsehfähigkeit von 0,1 (ohne Korrektur) bzw. 0,4 (korrigiert) am besseren Auge festgestellt, während mit dem linken Auge lediglich Handbewegungen (HBW) erkannt werden konnten. Der rechtsseitige Visus von 0,4 wird auch beidäugig erreicht. Hinsichtlich des zusätzlich bei der Klägerin bestehenden Nystagmus (Augenzittern) erscheint es nachvollziehbar, dass das Nichtvorliegen einer Bildunruhe für den Sachverständigen offensichtlich von Bedeutung war. Das Gericht hat den ernannten Sachverständigen als ausreichend kompetent erachtet, die Frage der Verkehrstauglichkeit unter Berücksichtigung mehrerer Faktoren wie der erhobenen objektiven Befunde, der Beobachtung des Fahrverhaltens der Klägerin in der Praxis und dem Umstand der Verkehrsteilnahme in der Vergangenheit ausreichend zuverlässig zu beurteilen. Dem stehen nicht im entscheidenden Ausmaß die von der Beklagten weiterhin vorgetragenen Zweifel und der von ihr erhobene Einwand, dass die behandelnden Ärzte, der angehörte Hilfsmittelberater und der Gutachter des TÜV keine sichere Beurteilung abgegeben hätten, entgegen. Denn letztendlich haben diese, von der Beklagten gehörten Ärzte und Berater keine definitive Stellungnahme abgegeben, weder im anerkennenden noch im ablehnenden Sinne. Selbst die Gutachter des TÜV haben lediglich Fakten zur Beurteilung des Sehvermögens aufgeführt, ohne letztendlich eine Befürwortung oder Ablehnung auszusprechen. Vielmehr haben sie auf ein ihnen nicht bekanntes, der Krankenkasse vorliegendes Attest verwiesen. Der zusätzlich vom Gericht gehörte Augenarzt G hat insoweit ausgeführt, dass das Sehvermögen der Klägerin sehr schlecht sei, sich ihr Umgang mit dem Elektrorollstuhl in der Vergangenheit dagegen als erstaunlich geschickt und sicher erwiesen habe. Insoweit kann den Ausführungen des Gerichtssachverständigen zugestimmt werden, dass sich aus den Akten keine abweichende harte und verwertbare Beurteilung des Sehvermögens ergibt. Die von der Beklagten gesehenen Widersprüche haben sich damit für das Gericht nicht ergeben.
Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ergeben sich keine Bedenken dafür, dass die Klägerin an einem sicheren Führen eines Elektrorollstuhls gehindert wäre. Neben den von der Klägerin vorgelegten diesbezüglichen Attesten hat sich dies insbesondere aus dem von der Beklagten eingeholten TÜV-Gutachten ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einem elektrischen Rollstuhl und insoweit über die Frage, ob die Klägerin einen solchen verkehrstauglich führen kann.
Die 1950 geborene Klägerin ist an Multipler Sklerose (MS) erkrankt. Es besteht bei ihr ein stark vermindertes Sehvermögen. In der Vergangenheit war sie zu Lasten der Beklagten mit einem elektrisch betriebenen Rollstuhl – mit einem sog. E-Fix - versorgt.
Im November 2006 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Verordung des Internisten T und eines Attestes des Augenarztes S die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl, da der vorhandene Rollstuhl nach sieben Jahren nicht mehr repariert werden könnte. Nach Anhörung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 10.01.2007 ab. Nach Beurteilung des MDK sei bei der Klägerin durch die geminderte Sehkraft keine ausreichende Fahrtauglichkeit mehr gegeben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Sie legte ein Attest des Chefarztes der Neurologischen Klinik des B Krankenhauses in L1, des H, vor, der die Neuversorgung mit einem Elektrorollstuhl beim Vorliegen einer stabilen Borderline-Psychose als nervenärztlich sinnvoll erachtete. Des Weiteren legte sie eine Bescheinigung des S vor, dass sie aus augenärztlicher Sicht in der Lage sei, einen elektrischen Rollstuhl zu führen. Auf Nachfrage der Beklagten teilte dieser mit, dass zur Beurteilung der Sicherheit im öffentlichen Straßenverkehr eine Prüfung durch den TÜV empfohlen werde. Nach Anhörung eines Hilfsmittelberaters aufgrund eines Hausbesuches und einer Begutachtung durch den TÜV wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2007 zurück. Der Hilfsmittelberater könne keine uneingeschränkte Empfehlung für die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl geben und der TÜV habe eine Fahrtauglichkeit nicht bestätigt.
Die Klägerin hat gegen die ablehnenden Bescheide Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren der Versorgung mit einem elektrischen Rollstuhl weiterverfolgt. Sie macht geltend, dass sie trotz ihrer Sehbeeinträchtigung seit sieben Jahren den Elektrorollstuhl unfallfrei gebrauche. Zwei Vorfälle in der Vergangenheit seien auf das Verschulden Dritter zurückzuführen. Sie hat während des Klageverfahrens ein Attest des Augenarztes I vorgelegt, der bescheinigte, dass das Führen eines Elektrorollstuhls mit Brillenkorrektur möglich sei. Das Gesichtsfeld beiderseits sei intakt.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, bei der Klägerin die Kosten für einen neuen Elektrorollstuhl zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort aufgeführten Gründen für rechtmäßig. Insgesamt ergebe sich auch nach Einholung des vom Gericht veranlassten Sachverständigengutachten keine ausreichend sichere Grundlage zur Feststellung einer ausreichenden Fahrtauglichkeit der Klägerin. So sei nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, dass der Gerichtssachverständige bei früher angegebener linksseitiger Erblindung eine Restsehfähigkeit dieses Auges festgestellt habe. T und S hätten sich nicht zur sicheren Beurteilung einer Verkehrstauglichkeit in der Lage gesehen, ebenso wie der zu Rate gezogene unabhängige Hilfsmittelberater. Der Umstand einer ausreichend sicheren Fahrprobe der Klägerin in der Praxis des Gerichtssachverständigen könne nicht als ausreichend betrachtet werden.
Das Gericht hat zur Ermittlung des Sachverhalts Befundberichte des S sowie des Augenarztes G und das Gutachten des Augenarztes L2 vom 15.04.2008 eingeholt. Zur weiteren Sachdarstellung wird auf diese Unterlagen sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten haben sich als rechtswidrig erwiesen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Versorgung mit einem elektrisch betriebenen Rollstuhl zu, §§ 27, 33 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V).
Entgegen dem Standpunkt der Beklagten ist es zur Überzeugung des Gerichtes erwiesen, dass ein elektrisch betriebener Rollstuhl nicht nur ein medizinisch notwendiges, sondern auch ein medizinisch geeignetes Hilfsmittel für die Klägerin ist. Die insoweit zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob die Klägerin einen elektrisch betriebenen Rollstuhl im öffentlichen Straßenverkehr ausreichend sicher bedienen kann, ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme positiv im Sinne des Klagebegehrens zu beantworten. Der Gerichtssachverständige L2 hat in Kenntnis des Akteninhalts und aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Klägerin festgestellt, dass ihr Wahrnehmungsvermögen trotz des verminderten Sehvermögens zum sicheren Führen eines Elektrorollstuhls bis zu einer Geschwindigkeit von 10 km/h ausreichend ist. Das Gericht ist dieser Einschätzung gefolgt, da die Beurteilung nachvollziehbar ist. So hat der Gerichtssachverständige durch eigene Befunderhebung eine Restsehfähigkeit von 0,1 (ohne Korrektur) bzw. 0,4 (korrigiert) am besseren Auge festgestellt, während mit dem linken Auge lediglich Handbewegungen (HBW) erkannt werden konnten. Der rechtsseitige Visus von 0,4 wird auch beidäugig erreicht. Hinsichtlich des zusätzlich bei der Klägerin bestehenden Nystagmus (Augenzittern) erscheint es nachvollziehbar, dass das Nichtvorliegen einer Bildunruhe für den Sachverständigen offensichtlich von Bedeutung war. Das Gericht hat den ernannten Sachverständigen als ausreichend kompetent erachtet, die Frage der Verkehrstauglichkeit unter Berücksichtigung mehrerer Faktoren wie der erhobenen objektiven Befunde, der Beobachtung des Fahrverhaltens der Klägerin in der Praxis und dem Umstand der Verkehrsteilnahme in der Vergangenheit ausreichend zuverlässig zu beurteilen. Dem stehen nicht im entscheidenden Ausmaß die von der Beklagten weiterhin vorgetragenen Zweifel und der von ihr erhobene Einwand, dass die behandelnden Ärzte, der angehörte Hilfsmittelberater und der Gutachter des TÜV keine sichere Beurteilung abgegeben hätten, entgegen. Denn letztendlich haben diese, von der Beklagten gehörten Ärzte und Berater keine definitive Stellungnahme abgegeben, weder im anerkennenden noch im ablehnenden Sinne. Selbst die Gutachter des TÜV haben lediglich Fakten zur Beurteilung des Sehvermögens aufgeführt, ohne letztendlich eine Befürwortung oder Ablehnung auszusprechen. Vielmehr haben sie auf ein ihnen nicht bekanntes, der Krankenkasse vorliegendes Attest verwiesen. Der zusätzlich vom Gericht gehörte Augenarzt G hat insoweit ausgeführt, dass das Sehvermögen der Klägerin sehr schlecht sei, sich ihr Umgang mit dem Elektrorollstuhl in der Vergangenheit dagegen als erstaunlich geschickt und sicher erwiesen habe. Insoweit kann den Ausführungen des Gerichtssachverständigen zugestimmt werden, dass sich aus den Akten keine abweichende harte und verwertbare Beurteilung des Sehvermögens ergibt. Die von der Beklagten gesehenen Widersprüche haben sich damit für das Gericht nicht ergeben.
Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ergeben sich keine Bedenken dafür, dass die Klägerin an einem sicheren Führen eines Elektrorollstuhls gehindert wäre. Neben den von der Klägerin vorgelegten diesbezüglichen Attesten hat sich dies insbesondere aus dem von der Beklagten eingeholten TÜV-Gutachten ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
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