L 25 B 1731/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 25 AS 1822/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 1731/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

3. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juli 2008 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht hat es das Sozialgericht abgelehnt, der Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 der SGG zu gewähren. Denn die Angelegenheit erscheint zumindest aus der rechtlich insofern maßgeblichen heutigen Sicht nicht eilbedürftig. Der Antragstellerin, die vom Antragsgegner laufend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bezieht, ist es auch im Lichte des in Art. 19 Abs. 4 S. 1 des Grundgesetzes (GG) verankerten Gebots effektiven Rechtsschutzes zuzumuten, eine Ent-scheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Zum einen ist der Zeitraum, für welchen sie die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begehrt, zum Teil bereits abgelaufen, ohne dass die Antragstellerin vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht hat, dass eine nachträgliche Gewährung der Krankenkostzulage geeignet wäre, einen bereits ab Oktober 2007 bestandenen, nunmehr der Vergangenheit angehörenden Mehrbedarf rückwirkend beseitigen zu können.

Zum anderen ist auch im Übrigen nichts dafür ersichtlich, dass es der Antragstellerin nicht zuzumuten ist, den Ausgang des Widerspruchs- und gegebenenfalls anschließenden Klageverfahrens abzuwarten. Es ist nämlich schon nichts dazu vorgetragen, ob sich die Antragstellerin derzeit überhaupt kostenaufwändiger ernährt oder wie hoch die durch eine kostenaufwändigere Ernährung verursachten Mehrkosten sind. Auch lässt das Krankheitsbild der Antragstellerin, das nach den jüngsten ärztlichen Bescheinigungen der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. K vom 10. März 2008 und 11. Juni 2008 durch Laktoseintoleranz und nach dem akten-kundigen Allergiepass vom 30. April 2007 durch Überempfindlichkeit gegen Diethylentriamin (D0913Z), Paraben-Mix (D2469Z) und Perubalsam (A0015ST) geprägt ist, für sich genommen nicht etwa eine tatsächliche Vermutung dahin zu, dass sie auf eine kostenaufwändigere Ernäh-rung angewiesen ist. Denn die wegen der Laktoseintoleranz gebotene Vermeidung von Milchprodukten führt gerade nicht zwangsläufig zu einer kostenaufwändigeren Ernährung, ebenso wenig die Vermeidung von Lebensmitteln, die die vorgenannten Stoffe enthalten. So legen die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. vom 1. Oktober 2008 (3., völlig neu bearbeitete Auflage 2008) keinen anderen Schluss nahe, die eine geeignete sachverständige Hilfe bei der Beurteilung ernährungsbedingter Mehrbedarfe sind (etwa Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25. Mai 1992 – 9 TG 2803/91 -, rech. bei juris) und die für eine Laktoseintoleranz sowie die bei der Antragstellerin diagnostizierten Allergien gerade keinen ernährungsbedingten Mehrbedarf vorsehen, und dies selbst dann, wenn – etwa auch im Hinblick auf eine früher bei der Antragstellerin diagnostizierte Hypertonie und Hyperlipidämie - Vollkosternährung angezeigt wäre. Denn nach der fachkundigen Einschätzung in den vorgenannten Empfehlungen ist der notwendige Aufwand für eine Vollkost in der Regel vom in den Regelleistungen enthaltenen Verpflegungsanteil gedeckt. Davon abgesehen liegt weder die ärztliche Verordnung einer bestimmten Krankenkost noch ein auf die Bedürfnisse der Antragstellerin abgestimmtes, individuelles Ernährungskonzept vor, von denen sich auf einen konkreten Ernährungsbedarf schließen ließe, der erst die Annahme eines für den Er-lass eines einstweiligen Anordnung unerlässlichen eiligen Regelungsbedürfnisses erlauben könnte.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens in der Sache selbst.

3. Das Prozesskostenhilfegesuch ist abzulehnen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen nach den hierfür einschlägigen §§ 73a SGG, 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht vor. Nach § 114 S. 1 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entsprechend.

Vorliegend fehlt es an der für das Beschwerdeverfahren erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der hinreichenden Erfolgsaussicht ist unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu beachten, dass die Prüfung der Erfolgsaussicht bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung nicht dazu führen darf, die Klärung der Tatsachen und Rechtsfragen selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern, weil Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes gebietet, auch wenn der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden braucht, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. November 2007 – 1 BvR 68/07, 1BvR 70/07, 1 BvR 71/07 -, rech. bei juris Rn. 8 ff.). Dementsprechend dürfen schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (BVerfG a.a.O. und Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 1993 - 1 BvR 1523/92 -, NJW 1994, 241, 242).

Dies zugrunde gelegt kommt die Gewährung von Prozesskostenhilfe hier nicht in Betracht. Hier hat nämlich nicht die Klärung schwerer Rechts- und Tatfragen angestanden, sondern hat es die Antragstellerin schlichtweg versäumt, das für den Erlass einer einstweiligen Anordnung unerlässliche eilige Regelungsbedürfnis gemäß § 86b Abs. 2 SGG glaubhaft zu machen oder auch nur plausibel darzulegen. Hierfür reichen insbesondere auch nicht die Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten im Schriftsatz vom 22. Oktober 2008 aus, dem sich keinerlei Anhaltspunkte entnehmen lassen, von denen auf eine gegenwärtige existenzielle Notlage geschlossen werden könnte.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde ans Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved