Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SF 750/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 1777/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 28. März 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist eine "Untätigkeitsbeschwerde" des Klägers.
Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist ein Antrag des Klägers auf Gewährung von Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Mit rechtskräftigem Urteil vom 13. Februar 2001 (Ns 15 Js 20022/99/3 AK 66/2000) hatte das Landgericht Ellwangen (LG) den 1957 geborenen Kläger unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Heidenheim (AG) vom 14. April 2000 wegen sexuellem Missbrauchs von Schutzbefohlenen in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt und diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Strafkammer war zu der Überzeugung gelangt, dass der als Diplom-Sozialpädagoge ausgebildete und bei einem Jugendheim angestellte Kläger an zwei zur Tatzeit 15- bzw. 16-jährigen Mädchen, die ihm als Bewohnerinnen einer Außenwohngruppe des Jugendheims anvertraut gewesen waren, sexuelle Handlungen vorgenommen habe. Hierbei stütze sich die Kammer auf zahlreiche von ihr vernommene Zeugen.
Am 3. August 2001 beantragte der Kläger beim früheren Versorgungsamt Ulm (VA) die Gewährung von Leistungen nach dem OEG und führte zur Begründung aus, er sei insbesondere aufgrund einer Falschaussage des Polizeiobermeisters (POM) P. vom LG zu Unrecht verurteilt worden. Die falsche Aussage von POM P. stelle einen vorsätzlichen tätlichen Angriff gegen seine Person und seine Würde dar, die darauf gezielt habe, durch eine Verurteilung seine berufliche Existenz zu vernichten. Als Folge seiner Verurteilung leide er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie unter einer Depression mit entsprechenden Folgen. Mit Bescheid vom 14. Januar 2002 lehnte das VA die Gewährung von Leistungen nach dem OEG ab, weil der Kläger nicht Opfer eines tätlichen Angriffs geworden sei. Der dagegen eingelegte Widerspruch bleib erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2002), ebenso die deshalb beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage (S 2 VG 1572/02; Urteil vom 16. Dezember 2002), die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung (L 6 VG 3151/06) zum Landessozialgericht (LSG - Beschluss vom 16. Oktober 2006) und die beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (B 9a VG 18/06 B - Beschluss vom 24. November 2006). Die vom Kläger am 23. Oktober 2006 beim LSG erhobene Wiederaufnahmeklage (L 6 VG 5286/06) wurde mit Beschluss vom 18. Januar 2007 als unzulässig verworfen. Ein vom Kläger beim BSG im Übrigen gestellter Antrag (B 9a VG 6/07 B), den Beklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Leistungserbringung zu verpflichten, blieb nach Verweisung an das zuständige SG (S 12 VG 1572/07 ER) gleichermaßen erfolglos (Beschluss vom 9. Mai 2007).
Am 28. Februar 2008 wandte sich der Kläger an das SG und legte "Untätigkeitsbeschwerde über die Verweisung des BSG B 9a VG 6/07 B" ein" und machte geltend, die inzwischen acht Jahre anhängige Rechtssache sei innerhalb von drei Monaten abzuschließen. Er beantragte gleichzeitig die Gewährung eines Vorschusses gemäß § 42 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I). Er legte das an ihn gerichtete Schreiben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25. Februar 2008 vor. Der Beklagte hat sich in dem Verfahren nicht geäußert. Mit Gerichtsbescheid vom 28. März 2008 verwarf das SG den Antrag des Klägers als unzulässig und führte zur Begründung aus, der Rechtsbehelf einer "Untätigkeitsbeschwerde" sei in der Prozessordnung nicht vorgesehen. Ungeachtet dessen sei auch kein Raum dafür, zur Vermeidung eines Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention ohne gesetzliche Grundlage richterrechtlich eine sog. Untätigkeitsbeschwerde zu schaffen, um auf ein laufendes Verfahren beschleunigend einzuwirken. Denn vor Eingang des Antrags des Klägers am 28. Februar 2008 sei kein Verfahren mehr anhängig gewesen, hinsichtlich dessen der Kläger die Untätigkeit eines Gerichts hätte rügen können. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem Kläger am 1. April 2008 mit Zustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.
Dagegen hat der Kläger am 14. April 2008 beim Landessozialgericht (LSG) sinngemäß Berufung eingelegt und geltend gemacht, die bisherige gerichtliche Tätigkeit genüge nicht den Anforderungen des Artikel 103 des Grundgesetzes (GG). Dieser verlange "dass der Bürger nicht nur Formel sondern auch materiell ankommen muss." Hieran fehle es. Er weigere sich, die bisherige Tätigkeit der Sozialgerichte als verfassungsgemäß anzuerkennen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 28. März 2008 aufzuheben und die Rechtssache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung als "principal claim" an das Sozialgericht Ulm zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist in der Sache jedoch nicht begründet.
Das SG hat den Antrag des Klägers vom 28. Februar 2008 zutreffend als unzulässig verworfen, da eine "Untätigkeitsbeschwerde" der geltenden Prozessordnung fremd ist und für die Zulassung eines derartigen Rechtsbehelfs im Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung keine Veranlassung besteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung. Das Begehren des Klägers auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG war bereits Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. Dieses wurde mit rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 16. Oktober 2006 abgeschlossen. Auch über eine Wiederaufnahmeklage des Klägers ist mit Beschluss vom 18. Januar 2008 rechtskräftig entschieden worden. Eine Untätigkeit der Sozialgerichte im Hinblick auf das vom Kläger geltend gemachte Begehren ist für den Senat daher nicht ersichtlich. Der Kläger verkennt ganz offenbar, dass die Ablehnung der von ihm geltend gemachten Versorgungsansprüche, über die eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt, einer Untätigkeit der Sozialgerichte nicht gleichzustellen ist. Weitere Ausführungen des Senats sind nicht veranlasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist eine "Untätigkeitsbeschwerde" des Klägers.
Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist ein Antrag des Klägers auf Gewährung von Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Mit rechtskräftigem Urteil vom 13. Februar 2001 (Ns 15 Js 20022/99/3 AK 66/2000) hatte das Landgericht Ellwangen (LG) den 1957 geborenen Kläger unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Heidenheim (AG) vom 14. April 2000 wegen sexuellem Missbrauchs von Schutzbefohlenen in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt und diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Strafkammer war zu der Überzeugung gelangt, dass der als Diplom-Sozialpädagoge ausgebildete und bei einem Jugendheim angestellte Kläger an zwei zur Tatzeit 15- bzw. 16-jährigen Mädchen, die ihm als Bewohnerinnen einer Außenwohngruppe des Jugendheims anvertraut gewesen waren, sexuelle Handlungen vorgenommen habe. Hierbei stütze sich die Kammer auf zahlreiche von ihr vernommene Zeugen.
Am 3. August 2001 beantragte der Kläger beim früheren Versorgungsamt Ulm (VA) die Gewährung von Leistungen nach dem OEG und führte zur Begründung aus, er sei insbesondere aufgrund einer Falschaussage des Polizeiobermeisters (POM) P. vom LG zu Unrecht verurteilt worden. Die falsche Aussage von POM P. stelle einen vorsätzlichen tätlichen Angriff gegen seine Person und seine Würde dar, die darauf gezielt habe, durch eine Verurteilung seine berufliche Existenz zu vernichten. Als Folge seiner Verurteilung leide er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie unter einer Depression mit entsprechenden Folgen. Mit Bescheid vom 14. Januar 2002 lehnte das VA die Gewährung von Leistungen nach dem OEG ab, weil der Kläger nicht Opfer eines tätlichen Angriffs geworden sei. Der dagegen eingelegte Widerspruch bleib erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2002), ebenso die deshalb beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage (S 2 VG 1572/02; Urteil vom 16. Dezember 2002), die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung (L 6 VG 3151/06) zum Landessozialgericht (LSG - Beschluss vom 16. Oktober 2006) und die beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (B 9a VG 18/06 B - Beschluss vom 24. November 2006). Die vom Kläger am 23. Oktober 2006 beim LSG erhobene Wiederaufnahmeklage (L 6 VG 5286/06) wurde mit Beschluss vom 18. Januar 2007 als unzulässig verworfen. Ein vom Kläger beim BSG im Übrigen gestellter Antrag (B 9a VG 6/07 B), den Beklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Leistungserbringung zu verpflichten, blieb nach Verweisung an das zuständige SG (S 12 VG 1572/07 ER) gleichermaßen erfolglos (Beschluss vom 9. Mai 2007).
Am 28. Februar 2008 wandte sich der Kläger an das SG und legte "Untätigkeitsbeschwerde über die Verweisung des BSG B 9a VG 6/07 B" ein" und machte geltend, die inzwischen acht Jahre anhängige Rechtssache sei innerhalb von drei Monaten abzuschließen. Er beantragte gleichzeitig die Gewährung eines Vorschusses gemäß § 42 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I). Er legte das an ihn gerichtete Schreiben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25. Februar 2008 vor. Der Beklagte hat sich in dem Verfahren nicht geäußert. Mit Gerichtsbescheid vom 28. März 2008 verwarf das SG den Antrag des Klägers als unzulässig und führte zur Begründung aus, der Rechtsbehelf einer "Untätigkeitsbeschwerde" sei in der Prozessordnung nicht vorgesehen. Ungeachtet dessen sei auch kein Raum dafür, zur Vermeidung eines Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention ohne gesetzliche Grundlage richterrechtlich eine sog. Untätigkeitsbeschwerde zu schaffen, um auf ein laufendes Verfahren beschleunigend einzuwirken. Denn vor Eingang des Antrags des Klägers am 28. Februar 2008 sei kein Verfahren mehr anhängig gewesen, hinsichtlich dessen der Kläger die Untätigkeit eines Gerichts hätte rügen können. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem Kläger am 1. April 2008 mit Zustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.
Dagegen hat der Kläger am 14. April 2008 beim Landessozialgericht (LSG) sinngemäß Berufung eingelegt und geltend gemacht, die bisherige gerichtliche Tätigkeit genüge nicht den Anforderungen des Artikel 103 des Grundgesetzes (GG). Dieser verlange "dass der Bürger nicht nur Formel sondern auch materiell ankommen muss." Hieran fehle es. Er weigere sich, die bisherige Tätigkeit der Sozialgerichte als verfassungsgemäß anzuerkennen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 28. März 2008 aufzuheben und die Rechtssache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung als "principal claim" an das Sozialgericht Ulm zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist in der Sache jedoch nicht begründet.
Das SG hat den Antrag des Klägers vom 28. Februar 2008 zutreffend als unzulässig verworfen, da eine "Untätigkeitsbeschwerde" der geltenden Prozessordnung fremd ist und für die Zulassung eines derartigen Rechtsbehelfs im Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung keine Veranlassung besteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung. Das Begehren des Klägers auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG war bereits Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. Dieses wurde mit rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 16. Oktober 2006 abgeschlossen. Auch über eine Wiederaufnahmeklage des Klägers ist mit Beschluss vom 18. Januar 2008 rechtskräftig entschieden worden. Eine Untätigkeit der Sozialgerichte im Hinblick auf das vom Kläger geltend gemachte Begehren ist für den Senat daher nicht ersichtlich. Der Kläger verkennt ganz offenbar, dass die Ablehnung der von ihm geltend gemachten Versorgungsansprüche, über die eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt, einer Untätigkeit der Sozialgerichte nicht gleichzustellen ist. Weitere Ausführungen des Senats sind nicht veranlasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
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