S 20 AY 7/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AY 7/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Beklagte trägt - entsprechend seinem Kostengrundan- erkenntnis vom 13.08.2008 - die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen; weitere Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch über einen Anspruch der Klägerin zu 2) auf Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in entsprechender Anwendung des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Monate März bis August, Oktober und November 2007.

Die Klägerinnen sind liberianische Staatsangehörige und im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die Klägerin zu 1) hält sich seit 1993 in Deutschland auf. Ihre Tochter - die Klägerin zu 2) - wurde am 12.09.2000 in B. geboren. Die Klägerin zu 1) erhielt vom 01.12.1995 bis 31.05.1999 (= 42 Monate) Leistungen nach § 3 AsylbLG. Vom 01.06.1999 bis 31.12.2002 (= 43 Monate) bezog sie Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).Von Dezember 2002 bis Dezember 2005 war sie (erlaubt) erwerbstätig und sicherte dadurch ihren Lebensunterhalt und den ihrer Tochter. Von Januar bis Dezember 2006 (= 12 Monate) bezog die Klägerin zu 1) Arbeitslosengeld. Die Klägerin zu 2) erhielt vom Zeitpunkt ihrer Geburt bis 31.12.2002 (= 27 Monate, 19 Tage) Leistungen nach dem BSHG. Anschließend war ihr Lebensunterhalt durch das Erwerbseinkommen und das Arbeitslosengeld ihrer Mutter bis Dezember 2006 gesichert. Seit 01.01.2007 beziehen die Klägerinnen Leistungen nach § 3 AsylbLG. Der Beklagte bewilligte diese Leistungen durch Bescheid vom 16.01.2007 für den Monat Januar 2007, durch Bescheid vom 14.02.2007 für den Monat Februar 2007 und durch Bescheid vom 23.08.2007 für den Monat September 2007; diese Bescheide waren jeweils mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Für die Monate März bis August und seit Oktober 2007 wurden die Leistungen ohne schriftlichen Bescheid monatsweise ausgezahlt.

Am 27.11.2007 legten die Klägerinnen, soweit ihnen in den letzten 12 Monaten die Leistungen durch tatsächliche Auszahlung bewilligt worden waren, Widerspruch ein. Zugleich beantragten sie - rückwirkend ab 01.01.2007 - unter entsprechender Aufhebung sämtlicher Bescheide die Gewährung von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG entsprechend dem SGB XII unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen. Zur Begründung führten sie aus, sie hätten seit 01.01.2007 Anspruch auf diese Leistungen, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits länger als 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG bzw. höherwertige Sozialleistungen erhalten hätten.

Durch Widerspruchsbescheid vom 14.01.2008 wies der Beklagte den Widerspruch gegen die Verwaltungsentscheidungen, durch die den Klägerinnen für März bis August, Oktober und November 2007 ohne schriftlichen Bescheid Leistungen nach dem AsylbLG gewährt worden waren, zurück. Hinsichtlich des Überprüfungsantrags wegen der Leistungen für Januar, Februar und September 2007 kündigte er einen gesonderten Bescheid an.

Dagegen haben die Klägerinnen am 25.02.2008 Klage erhoben.

Mit Schriftsatz vom 17.04.2008 hat der Beklagte unter entsprechender Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide den Anspruch der Klägerin zu 1) auf Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII rückwirkend ab 01.01.2007 anerkannt. Die Klägerin zu 1) hat das Anerkenntnis angenommen und in Bezug auf ihre Person den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich ebenfalls bereit erklärt, die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu übernehmen.

Die Klägerin zu 2) ist der Auffassung, dass die Zeiten des Bezugs von Sozialhilfe nach dem BSHG als höherwertige Sozialleistungen auf die erforderlichen 36 bzw. 48 Monate Vorbezugszeiten im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG anrechenbar seien. Gleiches gelte auch für Zeiten der Erwerbstätigkeit, da auch diese den Nachweis einer bereits erfolgten Integration erbringen würden.

Die Klägerin zu 2) beantragt,

den Beklagten unter entsprechender Abänderung seiner Verwaltungsentscheidungen über die Gewährung von Leistungen für die Monate März, April, Mai, Juni, Juli, August, Oktober und November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2008 zu verurteilen, auch ihr für diese Monate Leistungen nach § 2 AsylbLG entsprechend dem SGB XII unter Anrechnung der ge- währten Leistungen nach § 3 AsylbLG zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, für den Anspruch der Klägerin zu 2) auf Leistungen nach § 2 AsylbLG sei die 48-Monate-Frist noch nicht erfüllt. Als Vorbezugszeiten könnten bei ihr lediglich die Monate des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG seit Januar 2007 Berücksichtigung finden. Soweit sie davor BSHG-Leistungen erhalten und ihr Lebensunterhalt durch die Erwerbstätigkeit ihrer Mutter bzw. deren Arbeitslosengeldbezug gesichert gewesen sei, stehe dies dem Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG nicht gleich; diese Zeiten könnten nicht zur Erfüllung der 48-Monate-Frist des § 2 AsylbLG herangezogen werden. Eine planwidrige Lücke des Gesetzes, die eine so weitgehende Analogie erlaube, sei nicht ersichtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerinnen betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch in der Person der Klägerin zu 2) nicht begründet.

Nach dem der Beklagte den Anspruch der Klägerin zu 1) im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens anerkannt und diese das Anerkenntnis angenommen hat, ist der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt (§ 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Kammer hatte daher in der Sache allein noch darüber zu entscheiden, ob auch die Klägerin zu 2) für die - hier allein streitbefangenen - 8 Monate von März bis August, Oktober und November 2007 Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII anstelle der nach § 3 AsylbLG gewährten Leistungen hat. Dieser Anspruch besteht nicht.

Soweit die Kammer im Beschluss vom 12.03.2008 (S 20 AY 6/08 ER) im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes eine andere Auffassung vertreten hat, gibt sie diese im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.06.2008 (B 8/9b AY 1/07 R) auf. Das BSG hat mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass § 2 AsylbLG im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzung eines Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG über einen Zeitraum von insgesamt 48 (früher: 36) Monaten einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich ist. Das BSG hat hierzu ausgeführt: "Die Vorbezugszeit ist nämlich keine Wartefrist, innerhalb der es unerheblich wäre, ob und welche (Sozial-)Leistungen der Ausländer bezogen hat (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 2 AsylbLG RdNr 8 bei Unterbrechungen durch Erhalt von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII; ders, AsylbLG, § 2 RdNr 39, Stand März 2007; vgl auch Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 12, Stand August 2007, zu sonstigen Sozialleistungen; aA Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 2 und Birk in Lehr- und Praxiskommentar (LPK) SGB XII, 8. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 3; zum Streitstand auch Hachmann/Hohm, NVwZ 2008, 33, 35 mwN). Dies ergibt sich aus dem hier zwingenden Wortlaut der Vorschrift. Zwar ist eine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortinterpretation von der Verfassung nicht vorgeschrieben. Eine teleologische Reduktion, eine systematische oder eine historische Auslegung von Vorschriften entgegen ihrem Wortlaut gehört sogar zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. April 1997 - 1 BvL 11/96 -, NJW 1997, 2230, 2231). Diese kann zulässig sein, wenn die in den Gesetzesmaterialien oder der Gesetzessystematik zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht eine analoge oder einschränkende Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte gebietet und deswegen sowie wegen der Gleichheit der zu Grunde liegenden Interessenlage auch der nicht geregelte Fall hätte einbezogen werden müssen (BSGE 57, 195, 196 = SozR 1500 § 149 Nr 7 S 7). Dabei darf dem Gesetz aber kein entgegenstehender Sinn verliehen werden, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden. Einer den Wortlaut erweiternden Auslegung des § 2 AsylbLG, mit der Bezugszeiten anderer Leistungen als der nach § 3 AsylbLG - auch solcher nach § 2 AsylbLG - oder Zeiten ohne irgendeinen Leistungsbezug gleichgestellt würden, stehen Sinn und Zweck der Regelung und deren Gesetzesentwicklung entgegen - ob für Zeiten, in denen ein durchsetzbarer Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG bestand, der erst später zugestanden wird, etwas Anderes gilt (vgl dazu in anderem Zusammenhang: Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 126 RdNr 45 mwN, Stand August 2004), kann offen bleiben. So normierte § 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen für Asylbewerber vom 30. Juni 1993 (BGBl I 1074) für geduldete Ausländer überhaupt keine Vorbezugszeit und für Asylbewerber eine reine Wartefrist von zwölf Monaten nach Asylantragstellung. Auch der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 24. Oktober 1995 sah zunächst ebenfalls keinen Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG vor, sondern eine reine Wartefrist von 24 Monaten nach dem Erteilen einer Duldung, und verzichtete auf die Wartefrist bei Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen, deren Abschiebung wegen des Krieges in ihrem Heimatland ausgesetzt war, sogar gänzlich (BT-Drucks 13/2746, S 5). Die Verschärfung des Zugangs zu den Leistungen nach § 2 AsylbLG im Verhältnis zur Vorgängerregelung stand dabei im engen Zusammenhang mit der in § 1 Abs 1 AsylbLG vorgenommenen Erweiterung des leistungsberechtigten Personenkreises, insbesondere um geduldete Ausländer, sowie der Beseitigung der vormals ungleichen Behandlung von Ausländern mit Duldung, die nicht Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge waren, und Asylbewerbern (BT-Drucks 13/2746, S 11). Vom Grundsatz sollten alle Ausländer, die sich typischerweise nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhielten, die gleichen, niedrigeren Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG erhalten (BT-Drucks 13/2746, S 12). Der Gesetzentwurf war (noch) von dem Gedanken getragen, dass der Status der Duldung nur ein schnell vorübergehender ist. Bei längerer Aufenthaltsdauer und einer damit verbundenen Verfestigung des Aufenthaltsstatus (die Zweijahresfrist korrespondierte mit dem damaligen § 30 Abs 4 Ausländergesetz (AuslG), der nach dieser Frist die Erteilung einer Aufenthalts- befugnis vorsah) sollte dem Ausländer durch die Gewährung von Analog-Leistungen eine Integration in die deutsche Gesellschaft durch öffentliche Mittel ermöglicht werden (BT-Drucks 13/2746, S 15). Diese Integrationskomponente verlor sich dann in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997 (BGBl I 1130). Erstmals stellte das Gesetz auf den Bezug ("erhalten haben") von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab und verlangte dies für eine Dauer von 36 Monaten ab 1. Juni 1997. In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung (vgl auch Ausschussbericht vom 7. Februar 1996, BT-Drucks 13/3728, S 3), zu erkennen daran, dass der Zeitraum von 36 Monaten am 1. Juni 1997 zu laufen begann, also alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG ohne Rücksicht darauf erfasste, ob sie bereits zuvor Analog-Leistungen erhalten hatten. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber schon 1997 bewusst allein auf den Bezug von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG abstellen und sonstige Vorbezugszeiten, auch solche nach § 2 AsylbLG (in der Zeit vor dem 1. Juni 1997), und Zeiten ohne jeglichen Leistungsbezug ausklammern wollte (aA Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 11a, Stand August 2007). Er beabsichtigte also, die höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG daran zu koppeln, dass das Existenzminimum für einen festen Zeitraum von drei Jahren nur auf einem niedrigeren Niveau sichergestellt werden solle. Mit der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Neuregelung sollten schließlich abweichend vom bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Recht Leistungsberechtigte von Analog-Leistungen ausgeschlossen werden, denen rechtsmissbräuchliches Verhalten (Tun oder Unterlassen), bezogen auf die Dauer des Aufenthalts, vorgeworfen werden kann. Neben der beabsichtigten Sanktion sollte durch den Bezug von Grundleistungen für die Dauer von drei Jahren aber auch der Anreiz für die Einreise von Ausländern und ihren weiteren Verbleib im Bundesgebiet genommen werden (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 86, Stand März 2007). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn andere Sozialleistungen (auch Analog-Leistungen oder solche nach § 1a AsylbLG) oder gar Zeiten, in denen der Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG seinen Bedarf aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken konnte, die erforderlichen Zeiten des Vorbezugs erfüllten. Die Gegenauffassung, die mit der § 2 AsylbLG innewohnenden Integrationskomponenten argumentiert (vgl etwa: Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 2; Birk in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 3) berücksichtigt nicht hinreichend diese Rechtsentwicklung und interpretiert die Frist von 36 Monaten zu Unrecht als reine Wartefrist. Die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 2 AsylbLG mit Wirkung ab 28. August 2007 (Vorbezugszeit von 48 Monaten; Art 6 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - BGBl I 1970) stützen die für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 vorgenommene Auslegung. Zwar wird die Anhebung auf 48 Monate mit einer Angleichung zu Regelungen im AufenthG (§ 104a) und einer Änderung der Verordnung über das Verfahren und die Zulassung von im Inland lebenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung - Beschäftigungsverfahrensordnung - (§ 10) begründet, der nach Ablauf von vier Jahren einen gleichrangigen Arbeitsmarktzugang für Geduldete gewährt (Satz 3). Für den Zeitpunkt der Gewährung von Leistungen auf Sozialhilfeniveau wird dabei auf den Grad der zeitlichen Verfestigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland abgestellt. Nach einem Voraufenthalt von 4 Jahren sei davon auszugehen, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine "bessere soziale Integration" gerichtet seien (vgl BT-Drucks 16/5065, S 232 zu Nummer 2 (§ 2); vgl auch Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsylbLG RdNr 11, Stand Oktober 2007). Dennoch wurde die Erforderlichkeit des Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG beibehalten; es bestehen deshalb keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber die mit der Regelung des § 2 Abs 1 AsylbLG (neben der Integrationskomponente) verbundene Intention, den Bezug von Analog-Leistungen an eine bestimmte Dauer des Vorbezugs von Grundleistungen zu koppeln, aufgeben wollte. Mit der Verlängerung der Vorbezugszeit sollten vielmehr nach der Gesetzesbegründung Leistungsberechtigte des AsylbLG (auch) ermutigt werden, ihren Lebensunterhalt möglichst durch eigene Arbeit und nicht durch Leistungen des Sozialsystems zu sichern (BT-Drucks 16/5065, S 155). Niedrige Leistungen sollten also dazu dienen, Anreize für die Aufnahme einer Beschäftigung zu geben. Die Aufnahme einer Beschäftigung durch Asylbewerber bzw geduldete Ausländer ist insoweit mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit sogar schon möglich, wenn sie sich ein Jahr gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten (§ 61 Abs 2 Asylver- fahrensgesetz, § 10 Beschäftigungsverfahrensordnung)." Dem schließt sich die Kammer an. Da somit die für den Anspruch nach § 2 AsylbLG erforderliche Vorbezugszeit ausschließlich durch Leistungen nach § 3 AsylbLG erfüllt werden kann und die Klägerin zu 2) solche Leistungen erst seit dem 01.01.2007 erhält, erfüllt sie die Voraussetzungen für die höherwertigen Leistungen nach § 2 AsylbLG frühestens - bei ununterbrochenem Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG - ab 01.01.2011, nicht aber schon für die mit der Klage geltend gemachten Zeiträume. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Beklagte hat den Anspruch der Klägerin zu 1) anerkannt und auch seine Bereitschaft erklärt, die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu übernehmen. Dem trägt der Kostenaus- spruch Rechnung. Bei der Entscheidung über die Berufungszulassung ist die Kammer davon ausgegangen, dass die Differenz zwischen Leistungen nach § 3 AsylbLG und solchen nach § 2 AsylbLG für die Klägerin zu 2) monatlich ca. 70,00 EUR beträgt; für die streitbefangenen 8 Monate ergibt sich hieraus ein Streitwert ca. 560,00 EUR. Dieser liegt unterhalb der Beschwerdewertgrenze nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Die Kammer hat die Berufung zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Zwar hat das BSG in seiner Entscheidung vom 17.06.2008 nunmehr die für den Anspruch der Klägerin zu 2) entscheidungserhebliche Rechtsfrage beantwortet. Es gibt jedoch offenbar Überlegungen, die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 1 AsylbLG und dessen Auslegung, wie sie das BSG vorgenommen hat, durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen.
Rechtskraft
Aus
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