L 12 AL 4612/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 5567/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 4612/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. August 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).

Der 1946 geborene Antragsteller war vom 1. April 1963 bis 31. Dezember 2005 als Disponent versicherungspflichtig beschäftigt, das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige Kündigung vom 29. Juni 2005 unter Zahlung einer Abfindung in Höhe von 47.500 EUR. Von seiner privaten Krankenversicherung erhielt der Antragsteller Krankentagegeld in der Zeit vom 28. März 2006 bis 25. September 2007.

Am 29. November 2007 meldete sich der Antragsteller arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Mit Bescheid vom 17. Juni 2008 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit der Begründung ab, die Anwartschaftszeit sei nicht erfüllt, da der Antragsteller innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 29. November 2007 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Hiergegen reichte der Antragsteller Widerspruch ein und verwies auf den Bezug des Krankentagegeldes, wodurch seiner Ansicht nach die Anwartschaftszeit erfüllt sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2008 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, innerhalb der Rahmenfrist vom 29. November 2005 bis 28. November 2007 seien nur die Kalendertage vom 29. November bis 31. Dezember 2005 zu berücksichtigen, in denen ein Versicherungspflichtverhältnis bestanden habe. Der Bezug von Krankentagegeld sei nach § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) nur dann versicherungspflichtig, wenn unmittelbar vor Bezug dieser Leistung Versicherungspflicht bestanden habe. Der Krankentagegeldbezug habe jedoch erst im März 2006 begonnen und könne daher nicht berücksichtigt werden.

Am 18. August 2008 hat der Antragsteller hiergegen Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zugleich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Er macht geltend, ab 10. Januar 2006 eine neue Stelle gehabt zu haben, allerdings sei er vom 9. bis 31. Januar 2006 krank gewesen. Die Arbeitsstelle sei ihm zunächst freigehalten worden, ab dem 14. Februar 2006 bis 25. September 2007 sei er dann erneut krank gewesen und habe nach der sechswöchigen Karenzzeit Krankentagegeld erhalten. Seit dem 25. September 2007 erhalte er von keiner Seite mehr Leistungen.

Mit Beschluss vom 22. August 2008 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass kein Anordnungsanspruch bestehe, da die Klage offensichtlich unbegründet sei. Für die Ermittlung der für die Gewährung von Alg erforderlichen Anwartschaftszeit könne die Zeit des Krankentagegeldbezugs nicht berücksichtigt werden, da der Antragsteller unmittelbar vor Bezug dieser Leistung nicht versicherungspflichtig gewesen sei.

Hiergegen richtet sich der Antragsteller mit seiner am 22. September 2008 eingelegten Beschwerde. Er macht geltend, dass er bereits mit Wirkung ab dem 21. November 2005 in einem Arbeitsverhältnis mit der Firma W. L. GmbH in G. gestanden habe. An diesem Tag habe die Firma W. L. GmbH schriftlich bestätigt, dass der Antragsteller am 10. Januar 2008 ein Probearbeitsverhältnis beginnen könne. Bereits mit diesem Schreiben sei eine arbeitsvertragliche Verbindung zustande gekommen. Die Arbeitsverhältnisse des Antragstellers hätten sich mithin überlappt, wobei der Antragsteller bei der Firma W. L. GmbH noch bis 10. Januar 2006 freigestellt gewesen sei. Die Beschäftigung sei auch nicht unentgeltlich gewesen, auch wenn der Antragsteller aus Unkenntnis der Rechtslage den nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Beschäftigungsverhältnisses bestehenden Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz nicht geltend gemacht habe. Das Arbeitsverhältnis mit der Firma L. habe zwei Wochen nach Zugang der Kündigung vom 22. Februar 2006, somit frühestens am 6. März 2006 geendet. Anschließend habe die private Krankenversicherung an den Antragsteller ein Krankengeld gezahlt, mithin unmittelbar an das Arbeitsverhältnis der Firma L. anschließend.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG Stuttgart vom 22. August 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, Alg zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und verweist auf ihre Ausführungen in erster Instanz.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Leistungsakte der Antragsgegnerin, die Akte des SG und die Akte des Senats Bezug genommen.

II.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 2. Aufl., § 123 Rdnr. 78; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 123 Rdnr. 62 m.w.N.). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - FEVS 57, 72 und 164).

Hiervon ausgehend hat das SG zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Soweit der Antragsteller - was seinen Ausführungen nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist - die Gewährung von Alg auch schon für Zeiträume vor dem 18. August 2008 geltend machen sollte, fehlt es schon an dem nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlichen Gegenwartsbezug und damit auch am Anordnungsgrund (§ 920 Abs. 2 ZPO), der besonderen Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens. Dies darf der Senat nicht unbeachtet lassen, denn die Regelungsanordnung dient zur Abwendung wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller, noch bestehender Notlagen notwendig sind. Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen, ist grundsätzlich Aufgabe des Hauptsacheverfahrens. Eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht. Einen derartigen Nachholbedarf hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Ob für die Folgezeit ein Anordnungsgrund besteht, erscheint zweifelhaft, da der Antragsteller seinen Lebensunterhalt seit dem Ende des Krankentagegeldbezugs bestreiten konnte und zudem die Möglichkeit hat, zur Gewährung existenzsichernder Leistungen einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch zu stellen.

Indes liegt jedenfalls kein Anordnungsanspruch vor. Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit haben nach § 118 Abs. 1 SGB III Arbeitnehmer, die (1.) arbeitslos sind, (2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Die zuletzt genannte Voraussetzung hat der Antragsteller nicht erfüllt. Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Satz 1 SGB III). Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg (§ 124 Abs. 1 SGB III) und läuft hier somit vom 29. November 2005 bis 28. November 2007. In diesem Zeitraum stand der Antragsteller vom 29. November bis 31. Dezember 2005 in einem Versicherungspflichtverhältnis der abhängigen Beschäftigung nach § 24 Abs. 1 SGB III. Die Zeit des Krankentagegeldbezugs vom 28. März bis 25. September 2006 gemäß der Bescheinigung der Allianz Private Krankenversicherungs-AG vom 24. Juli 2008 begründet kein Versicherungspflichtverhältnis, da nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB III Personen beim Bezug von Krankentagegeld von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen nur dann versicherungspflichtig sind, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren, eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt haben, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen hat. Dies ist schon nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers nicht der Fall, denn auch nach seiner Darstellung schließt sich der Krankentagegeldbezug nicht unmittelbar an die vermeintliche Beschäftigung bei der Firma W. L. GmbH an, sondern es liegt eine Unterbrechung vor in der Zeit vom 6. bis 27. März 2006.

Ganz abgesehen davon überzeugt auch der Vortrag des Antragstellers nicht, es sei bereits zum 21. November 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der Firma W. L. GmbH begründet worden. Aus der Bestätigung dieser Firma vom 21. November 2005 lässt sich lediglich entnehmen, dass dem Antragsteller zugesagt wurde, ab 10. Januar 2006 ein Probearbeitsverhältnis beginnen zu können. Selbst wenn damit der Abschluss eines Arbeitsverhältnisses bestätigt werden sollte, so ist dem eindeutigen Inhalt der Erklärung zu entnehmen, dass dieses erst ab 10. Januar 2006 beginnen sollte, keinesfalls jedoch ab dem Zeitpunkt der Bestätigung. Ein "Anbahnungsverhältnis" (vgl. hierzu Schaub in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 12. Aufl. 2007, § 25 Rdnr. 13 ff.) kann kein Beschäftigungsverhältnis im beitragsrechtlichen Sinn (vgl. Brand in Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 24 Rdnr. 7) i.S.v. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch begründen, da dieses voraussetzt, dass Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers und Direktionsbefugnis des Arbeitgebers vorliegen. Nach dem eindeutig in der Bescheinigung vom 21. November 2006 zum Ausdruck kommenden Willen der Arbeitgeberin sollte dies erst ab 10. Januar 2006 der Fall sein. Im Hinblick darauf, dass unmittelbar vor Beginn des Krankengeldbezugs ohnehin kein Beschäftigungsverhältnis bestand, kommt es darauf, dass der Antragsteller die vorgesehene Probearbeit zu keinem Zeitpunkt aufgenommen hat sowie die Frage, wie ggf. eine Kündigung des Arbeitgebers vor Arbeitsbeginn zu würdigen ist (vgl. hierzu Joussen in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Arbeitsrecht, § 611 Rdnr. 131 m.w.N.) nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG (vgl. Bundessozialgericht SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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