L 1 KR 155/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 1901/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 155/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Dezember 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2003 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin greift einen Prüfbescheid der Beklagten an.

Sie schloss zum 1. Dezember 1983, 1. November 1986 und 1. September 1988 Lebensversicherungsverträge als Direktversicherungen im Wege der Gehaltsumwandlung für ihren damaligen und jetzigen Geschäftsführer, P V ab. Als Begünstige war dessen Ehefrau, die Beigeladene, eingesetzt. Dem Geschäftsführer war diese Form der Gehaltsumwandlung empfohlen worden. Als vermögenswirksame Leistung waren zur damaligen Zeit Versicherungen für Ehegatten des Arbeitnehmers möglich (§ 2 bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Vermögensbildungsgesetz). Die Möglichkeiten zur steuersparenden Direktversicherung auf eigenen Namen waren bereits ausgeschöpft. Die Beigeladene war zu diesem Zeitpunkt noch nicht Arbeitnehmerin bei der Klägerin. Erst im September 1990 ist sie als Teilzeitmitarbeiterin in das Unternehmen eingetreten. Hinsichtlich der Direktversicherungen auf ihren Namen und zu ihren Gunsten wurden dabei keine Regelungen getroffen. Die Beiträge wurden nach wie vor ausschließlich vom Bruttogehalt des Geschäftsführers und Ehemann der Beigeladenen abgezogen.

Die Beklagte führte im Dezember 2002 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für den Prüfungszeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2001 durch. Mit Bescheid vom 9. Mai 2003 ermittelte sie einen Nachforderungsbetrag von 8.435,10 Euro. Die Direktversicherungsbeiträge für die Beigeladene im Prüfzeitraum überschritten die vom Gesetz vorgesehenen Pauschalierungsgrenzen gemäß dem damals geltenden § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Arbeitsentgeltverordnung (ArEV). Bei den Beiträgen handele es sich um zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers, die neben dem laufenden Lohn oder Gehalt bezahlt würden oder aus Sonderzuwendungen finanziert würden. Mit Beginn der Beschäftigung ab 3. September 1990 hätte geprüft werden müssen, welche Auswirkungen die bestehenden Direktversicherungsverträge auf das Arbeitsverhältnis gehabt hätten.

Die Klägerin erhob Widerspruch und wies unter Einreichung von Unterlagen auf den geschilderten Sachverhalt hin. Mit Bescheid vom 13. Juni 2003 setzte die Beklagte den Sofortvollzug des angefochtenen Bescheides aus.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 17. Oktober 2003 zurück. Es seien Zahlungen vom Arbeitgeber für eine Arbeitnehmerin geleistet worden. Diese seien ab Beginn des Beschäftigungsverhältnisses als Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV anzusehen. Unbeachtlich sei, dass die Zahlungen nicht direkt über das Lohnkonto der Arbeitnehmerin abgerechnet worden seien. Auch sei der korrespondierende Rahmenvertrag mit der Direktversicherung erst nach Aufnahme der Beschäftigung der Beigeladenen, nämlich am 19. November 1990, abgeschlossen worden.

Hiergegen richtet sich die am 30. Oktober 2003 vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobene Klage. Das SG hat diese mit Gerichtsbescheid vom 4. Dezember 2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, mit dem Eintritt der Ehefrau als Mitarbeiterin habe die Zuwendung den Charakter eines Arbeitsentgeltes erhalten. Ausreichend sei der insbesondere im Prüfzeitraum bestehende Zusammenhang der Zuwendung mit der Beschäftigung.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Weder aus dem Arbeitsvertrag noch einer betrieblichen Übung habe sich mit dem Eintritt der Beigeladenen eine Änderung gegenüber dem Zustand vorher ergeben. Begünstigter Arbeitnehmer der Zuwendung sei ausschließlich der Geschäftsführer der Klägerin gewesen. Bei diesem habe es sich um eine Gehaltsumwandlung gehandelt. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Beschäftigung der Beigeladenen fehle. Die Beitragsentrichtung sei weder "Frucht und Ertrag der Arbeit" der Beigeladenen gewesenen, noch habe es sich um eine Belohnung für besondere Tätigkeiten gehandelt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Dezember 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bei den Direktversicherungsbeiträgen habe es sich um freiwillige und damit steuerpflichtige Zukunftssicherungsleistungen gehandelt. Solche lägen vor, wenn der Arbeitnehmer seiner Zukunftssicherung ausdrücklich oder stillschweigend zustimme und der Arbeitgeber die Ausgaben nicht in Folge gesetzlicher, sondern aufgrund einer freiwillig eingegangen Verpflichtung aufgrund Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder Einzelarbeitsvertrag erbringe, die Ausgaben vom Arbeitsgeber unmittelbar an die der Zukunftssicherung dienenden Einrichtung geleistet würden und der Arbeitnehmer ein Rechtsanspruch auf die späteren Versorgungsleistungen habe.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten hat vorgelegen und war Gegenstand der mündlichen Erörterung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klage hat Erfolg. Der angefochtene Prüfbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Bemessungsgrundlage für die Höhe der Beiträge abhängig Beschäftigter - hier der Beigeladene - ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- sowie Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten, § 226 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch i.V.m. § 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 175 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz bzw. heute § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch. Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahme besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Die Leistung der Direktversicherungsbeiträge durch die Klägerin stellt sich für die Beigeladene nicht als Einnahme aus ihrer Beschäftigung bei der Klägerin dar. Aus ihrer - und gleichzeitig objektivierter Sicht - handelt es sich vielmehr um eine Zuwendung ihres Ehegatten, den Geschäftsführer der Klägerin. An dieser Situation hat sich durch und mit der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses im September 1990 nichts geändert. Es sind zur Überzeugung des Senates keine Anhaltspunkte oder auch nur Indizien ersichtlich, die darauf hindeuten könnten, dass die Fortgeltung des bisherigen Rechtszustandes nicht dem wahren Willen der Beteiligten entsprochen haben könnte oder dass die Beigeladene eines besonderen Schutzes vor manipulierten Gehaltsgestaltungen im Hinblick auf eine etwaige Abhängigkeit von ihrem Ehemann oder dessen Unternehmen bedurft hätte. Es fehlen auch jegliche Anhaltspunkte, dass der später zusätzlich zu den einzelnen Direktversicherungsverträgen zwischen der Klägerin und einem Versicherungsunternehmen abgeschlossene Rahmenvertrag rechtliche Relevanz haben könnte.

Die Sachverhaltsfeststellungen sind unstreitig. Sie beruhen nicht nur auf den Angaben der Klägerin und der Beigeladenen, sondern primär auf den –insoweit neutralen- Angaben der Steuerberaterin der Klägerin. Ganz allgemein wandelt sich ein Vertrag zugunsten Dritter nicht automatisch um, wenn später zwischen der einen Vertragspartei und dem Dritten ein weiterer Vertrag geschlossen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe hierfür nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
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